Urteilsverkündung in Sachen "Vorratsdatenspeicherung"

26.02.2010, Autor: Herr Lars Jaeschke / Lesedauer ca. 3 Min. (2403 mal gelesen)
Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wird auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 15.12.09 am 02.03.10 um 10:00 Uhr sein mit Spannung erwartetes Urteil zur Vorratsdatenspeicherung verkünden.

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts wird auf der Grundlage der mündlichen Verhandlung vom 15.12.09 am 02.03.10 um 10:00 Uhr sein mit Spannung erwartetes Urteil zur Vorratsdatenspeicherung verkünden.

Worum geht es in dem Verfahren ?

Die Beschwerdeführer sehen durch die sogenannte „Vorratsdatenspeicherung“ (= anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsverbindungen) vor allem das Telekommunikationsgeheimnis und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung verletzt. Sie halten eine solche anlasslose Speicherung aller Telekommunikationsverbindungen für unverhältnismäßig. Insbesondere machen sie geltend, dass sich aus den gespeicherten Daten Persönlichkeits- und Bewegungsprofile erstellen ließen. Einige Beschwerdeführer (u.a. Rechtsanwälte und Journalisten) fühlen sich darüber hinaus durch die Vorratsdatenspeicherung in ihrer Berufsfreiheit verletzt, weil sie die Vertraulichkeit der Kontakte zum Mandanten beeinträchtige. Ein ernstzunehmender Einwand. Eine Beschwerdeführerin, die einen Internetanonymisierungsdienst anbietet, rügt zudem, die mit der Speicherung verbundenen Kosten beeinträchtigten die Anbieter von Telekommunikationsdiensten unverhältnismäßig in ihrer Berufsfreiheit. Die Speicherungspflicht führe jedenfalls für Anonymisierungsdienste faktisch zu einem Berufsverbot. Soweit sich das Bundesverfassungsgericht an einer verfassungsrechtlichen Prüfung in vollem Umfang gehindert sehe, weil es sich bei den beanstandeten Regelungen um die Umsetzung von EG-Recht handele, regen die Beschwerdeführer eine Vorlage an den Europäischen Gerichtshof im Rahmen eines Vorabentscheidungsverfahrens an, weil sie die umzusetzende Richtlinie für gemeinschaftsrechtswidrig halten.

Im Einzelnen:

Der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts hatte am 15.12.09 über mehrere Verfassungsbeschwerden (Az.: 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08), die sich gegen Vorschriften des Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung (TKG) vom 21. Dezember 2007 richten, verhandelt.

Das TKG dient unter anderem dazu, die Richtlinie der Europäischen Union über die Vorratsdatenspeicherung in deutsches Recht umzusetzen. § 113a des Telekommunikationsgesetzes (TKG) sieht vor, dass Verkehrsdaten, die bei der Inanspruchnahme von Telekommunikationsdiensten entstehen, von den Anbietern der Dienste jeweils für sechs Monate zu speichern sind.

Dies gilt für Telefondienste ebenso wie für Internetzugangsdienste und e-Mail-Dienste. Zu speichern sind etwa bei Telefongesprächen die Rufnummern des Anrufenden und des angerufenen Anschlusses sowie Beginn und Ende des Gesprächs.

Die anlasslos auf Vorrat gespeicherten Daten dürfen von den Diensteanbietern an die zuständigen Behörden ausschliesslich

- zur Strafverfolgung (§ 113b Satz 1 Nr. 1 TKG),

- zur Abwehr von erheblichen Gefahren für die öffentliche Sicherheit (§ 113b Satz 1 Nr. 2 TKG) und

- zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes, des Bundesnachrichtendienstes und des militärischen Abschirmdienstes (§ 113b Satz 1 Nr. 3 TKG)

übermittelt werden.

Gesetzliche Voraussetzung für die Übermittlung der Daten ist, dass die betreffenden Behörden jeweils durch eine Rechtsgrundlage zum Abruf ermächtigt sind, die auf § 113a TKG Bezug nimmt.

Für die Strafverfolgung gestattet den Zugriff auf die Vorratsdaten § 100g StPO. Insoweit ist auch diese Regelung Gegenstand der Verfassungsbeschwerde.

Der von den Beschwerdeführern zunächst gestellte Antrag, §§ 113a, 113b TKG im Wege der einstweiligen Anordnung bis zur Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde außer Kraft zu setzen, hatte nur teilweise Erfolg. Mit Beschluss vom 11.0308 (verlängert durch Beschluss vom 01.09.08) erließ der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts auf Antrag der Beschwerdeführer eine einstweilige Anordnung, nach der die Übermittlung der Vorratsdaten zu Strafverfolgungszwecken nach § 113b Satz 1 Nr. 1 TKG bis zu einer Entscheidung über die Verfassungsbeschwerde nur gemäß den in der einstweiligen Anordnung vorgesehenen Maßgaben erfolgen darf. Ein Anlass zur Erstreckung der einstweiligen Anordnung auf § 113b Satz 1 Nr. 2 und 3 TKG bestand zum Zeitpunkt des Erlasses dieser Entscheidung nicht, weil weder im Bereich der Gefahrenabwehr noch des Verfassungsschutzes und der Nachrichtendienste Rechtsgrundlagen für einen Abruf der nach § 113a TKG gespeicherten Vorratsdaten vorhanden waren.

Mittlerweile verweisen zahlreiche Landesgesetze auf § 113a TKG und gestatten den behördlichen Zugriff auf die nach dieser Regelung zu speichernden Daten auch zur Gefahrenabwehr und zur Erfüllung der Aufgaben des Verfassungsschutzes. Mit Beschluss vom 28.10.08 erneuerte und erweiterte der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts auf entsprechende Anträge der Beschwerdeführer die einstweilige Anordnung dahingehend, dass die nach § 113a TKG auf Vorrat gespeicherten Daten für die Gefahrenabwehr (§ 113b Satz 1 Nr. 2 TKG) von den Telekommunikationsdiensteanbietern nur unter einschränkenden Bedingungen an die ersuchende Behörde übermittelt werden dürfen (Az.: 1 BvR 256/08, 1 BvR 263/08, 1 BvR 586/08; Quelle: BVerfG, PM Nr. 8/2010 vom 18.02.10; Nr. 124/2009 vom 27.10.09).

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