§ 10 BORA - Briefbögen

04.11.2020, Prof. Dr. Jens Bormann LL.M., Dr. Benedikt Strauß

Kommentierung von Notar Prof. Dr. Jens Bormann LL.M, Ratingen, Honorarprofessor an der Lebnitz Universität Hannover und Notarassessor Dr. Benedikt Strauß, Berlin
in Gaier/Wolf/Göcken - Anwaltliches Berufsrecht - 3. Auflage 2020
Veröffentlichung mit freundlicher Genehmigung des Verlags Otto Schmidt.

Zitierempfehlung:
Bormann/Strauß in Gaier/Wolf/Göcken - Anwaltliches Berufsrecht - 3. Aufl. § 10 BORA Rz. ...


Text der Vorschrift:

(1) Der Rechtsanwalt hat auf Briefbögen seine Kanzleianschrift anzugeben. Kanzleianschrift ist die im Rechtsanwaltsverzeichnis als solche eingetragene Anschrift (§ 31 Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 1, § 27 Abs. 1 Bundesrechtsanwaltsordnung). Werden mehrere Kanzleien, eine oder mehrere Zweigstellen unterhalten, so ist für jeden auf den Briefbögen Genannten seine Kanzleianschrift anzugeben.

(2) Auf Briefbögen müssen auch bei Verwendung einer Kurzbezeichnung die Namen sämtlicher Gesellschafter mit mindestens einem ausgeschriebenen Vornamen aufgeführt werden. Gleiches gilt für Namen anderer Personen, die in einer Kurzbezeichnung gemäß § 9 enthalten sind. Es muss mindestens eine der Kurzbezeichnung entsprechende Zahl von Gesellschaftern, Angestellten oder freien Mitarbeitern auf den Briefbögen namentlich aufgeführt werden.

(3) Bei beruflicher Zusammenarbeit mit Angehörigen anderer Berufe sind die jeweiligen Berufsbezeichnungen anzugeben.

(4) Ausgeschiedene Kanzleiinhaber, Gesellschafter, Angestellte oder freie Mitarbeiter können auf den Briefbögen nur weitergeführt werden, wenn ihr Ausscheiden kenntlich gemacht wird.

Kommentierung:

A. Zweck der Norm

1
Für die Gestaltung von Kanzleidrucksachen gelten allgemein § 43b BRAO und § 6 BORA. Briefbögen sind danach ebenso wie Kanzleibroschüren oder Internetauftritte formal sachlich zu gestalten. Außerdem ist das Verbot der irreführenden Werbung zu beachten. § 10 BORA, dessen Abs. 1 mit Wirkung zum 1.7.2010 neugefasst und mit Wirkung vom 1.1.2017 nochmals abgeändert wurde, 1 macht darüber hinaus gestützt auf § 59b Abs. 2 Nr. 1e) und g), 3, 4, 5a) und 8 BRAO 2 genaue Vorgaben für die Gestaltung des Kanzleibriefbo
Kanzleibriefbogens
gens. Die einzelnen Regelungen verfolgen – z.T. sogar innerhalb desselben Absatzes – völlig unterschiedliche Zwecke, weshalb sie in ihrem jeweiligen Zusammenhang nicht immer ganz einfach verständlich sind. 3

B. Einzelheiten der Regelung

I. Begriff des Briefbogens

2
Der Begriff des Briefbogens ist weit zu verstehen. Erfasst werden grundsätzlich sämtliche Träger der Kanzleikorrespondenz unabhängig vom Medium. Dem Satzungsgeber stand bei Erlass der Vorschrift naheliegender Weise die Geschäftskorrespondenz und die Erfassung von anwaltlichen Schriftsätzen auf Papierbögen vor Augen. Ob diese unmittelbar in Papierform oder per Telefax übermittelt werden, kann für die Anwendung der Vorschrift jedoch keinen Unterschied machen. Vielfach finden heute auch elektronische Kanzleibriefbögen in Form von Word-, PDF- oder Tiff-Dateien Verwendung. Angesichts der Funktionsäquivalenz wird man auch hier die Einhaltung der in § 10 BORA getroffenen Regelungen voraussetzen müssen. Auch bei der Versendung von E-Mails sollte § 10 BORA nach seinem Normzweck eingehalten werden, wobei man sich hier über die optische Darstellung der in der Berufsausübungsgemeinschaft tätigen Gesellschafter (z.B. durch einen Link) im Einzelnen streiten mag. 4 Eine Beachtung von § 10 BORA wird man jedenfalls dann fordern müssen, wenn durch die Einhaltung der elektronischen Form i.S.v. § 126a BGB mittels einer qualifiziert elektronisch signierten E-Mail-Nachricht eine Erklärung substituiert werden soll, für die materiell-rechtlich oder verfahrensrechtlich Schriftform vorgeschrieben ist. Die Problematik des sog. „Stempelanwalts“, der bei einem Korrespondenzmandat seinen (regelmäßig auf eine Kurzbezeichnung beschränkten) Kanzleistempel auf einen bereits anderweitig vorbereiteten Schriftsatz setzt und durch Verzicht auf die Angabe seiner Mitgesellschafter mit dem Wortlaut von § 10 Abs. 2 BORA in Konflikt gerät, dürfte in der Praxis stark an Bedeutung verloren haben. Zum einen dürfte die Zahl der Korrespondenzmandate durch die Abschaffung der örtlichen Beschränkung der Postulationsfähigkeit und der Singularzulassung beim OLG in Zivilsachen deutlich abgenommen haben. 5 Zum anderen werden im Fall eines Korrespondenzmandats von anderer Seite vorbereitete Schriftsätze heute regelmäßig elektronisch verschickt und anschließend vom Korrespondenzanwalt auf dem eigenen Briefpapier ausgedruckt.

II. Angabe der Kanzleianschrift

3
Zur Gewährleistung der Erreichbarkeit verlangt § 10 Abs. 1 S. 1 BORA, dass jeder Rechtsanwalt, unabhängig davon ob er einzeln, in einer Berufsausübungsgemeinschaft, Bürogemeinschaft oder sonstigen Form der beruflichen Zusammenarbeit mit Dritten tätig ist, auf von ihm verwendeten Briefbögen seine Kanzleianschrift angibt. Ein Rechtsanwalt soll allerdings nach Auffassung des BGH 6 weder nach § 10 Abs. 1 BORA noch nach § 5a Abs. 2 UWG verpflichtet sein, auf den für seine anwaltliche Tätigkeit verwendeten Briefbögen sämtliche Standorte seiner Niederlassungen zu nennen. Jedoch dürfte der 2017 erfolgten Präzisierung in § 10 Abs. 1 S. 2 BORA nunmehr endgültig zu entnehmen sein, dass zumindest auch die Kanzleianschrift im Sinne von § 31 Abs. 3 Nr. 2 Halbsatz 1, § 27 Abs. 1 BRAO anzugeben ist; 7 weiter muss nach § 10 Abs. 1 Satz 3 BORA bei Angabe mehrerer Anschriften die Kanzleianschrift kenntlich gemacht werden. 8 Hingegen ist es nicht nötig, eine Zweigstelle eindeutig als solche zu bezeichnen; insoweit genügt auch die Bezeichnung als „Büro“. 9 Wie sich aus dem Verweis in § 10 Abs. 1 S. 2 BORA ergibt, ist dabei zumindest die jeweilige Postanschrift anzugeben. 10 Diese Grundsätze sind auch auf den Internetauftritt von Rechtsanwälten übertragbar. 11
4
Bei der Verwendung eines gemeinsamen Briefkopfes durch eine Berufsausübungsgemeinschaft mit mehreren Standorten ist nach § 10 Abs. 1 S. 3 BORA ferner für jeden auf dem Briefkopftatsächlichgenann
genannten
ten Anwalt
dessen Kanzleianschrift bzw. für jeden dort
tatsächlich
aufgeführten Angehörigen eines sozietätsfähigen Berufs sinngemäß die berufliche (Haupt-) Niederlassung (vgl. § 34 Abs. 1 StBerG, § 3 Abs. 1 WPO) anzugeben. Wegen der auf Mitglieder des eigenen Berufsstandes beschränkten Rechtssetzungskompetenz der Satzungsversammlung entfaltet diese Anforderung für die Angehörigen sozietätsfähiger Berufe über §§ 30, 33 Abs. 2 BORA freilich nur indirekte Wirkung. Bei der Verwendung der Amtsbezeichnung „Notar“ durch Anwaltsnotare ist nach den Vorgaben des notariellen Berufsrechts stets der Amtssitz anzugeben. 12 Im Falle gemeinsamer Absenderangaben gelten die vorstehenden Ausführungen bei der Versendung elektronischer Nachrichten entsprechend. Eine Bürogemeinschaft, eine EWIV oder eine Kooperation in sonstiger Weise werden von § 10 Abs. 1 S. 3 BORA im Unterschied zu § 10 Abs. 1 S. 1 BORA von vornherein nicht erfasst, weil hier mangels gemeinschaftlichen Mandatsverhältnisses weder mit Blick auf die Mandatsbearbeitung noch mit Blick auf die Haftung ein Interesse des rechtsuchenden Publikums an der Erreichbarkeit der anderen im Rahmen der beruflichen Zusammenarbeit tätigen Personen besteht. 13
5
§ 10 Abs. 2 BORA normiert eine Pflicht zur Angabe der Gesellschafter auf dem Briefbogen bzw. in den Absenderangaben elektronischer Nachrichten. Erfasst werden von dieser Regelung nach dem Normzweck wie bei § 10 Abs. 1 S. 2 BORA nur Berufsausübungsgemeinschaften, weil allein hier die Zusammensetzung des Gesellschafterkreises für das rechtsuchende Publikum im Hinblick auf die Mandatswahrnehmung, auf Haftungsfragen und auf die Vermeidung von Interessenkonflikten interessant ist. 14
6
§ 10 Abs. 2 BORA gilt vor dem Hintergrund von § 33 Abs. 1 BORA unabhängig von der Rechtsform der Berufsausübungsgemeinschaft. In den Anwendungsbereich der Vorschrift fallen neben der BGB-Gesellschaft insbesondere auch die Partnerschaft, die Anwalts-GmbH und die Anwalts-AG. 15 Nach der Wertung des Satzungsgebers kann es dabei keinen Unterschied machen, ob die Namen der Gesellschafter wie bei der Partnerschaft in einem öffentlichen Register allgemein zugänglich sind oder nicht. Vielmehr soll sich der Rechtsverkehr allein mit Hilfe des Kanzleibriefbogens über den Gesellschafterkreis informieren können. Dies ist verfassungsgemäß, selbst wenn die Eintragungen zu den Gesellschaftern bei der Partnerschaft seit der Einführung des elektronischen Rechtsverkehrs zum 1.1.2007 16 im Partnerschaftsregister bundesweit elektronisch zugänglich sind und die Gesellschafterliste bei der Anwalts-GmbH im Handelsregister bundesweit elektronisch eingesehen werden kann. Bei juristisch nicht versierten Laien können eigenständige Recherchen über den Gesellschafterkreis im Partnerschafts- bzw. im Handelsregister nämlich regelmäßig nicht vorausgesetzt werden. Für andere, nicht registermäßig verlautbarte Rechtsformen der gemeinschaftlichen Berufsausübung wie die GbR fehlt es von vornherein an der Verfügbarkeit entsprechender Angaben, zumal das Rechtsanwaltsverzeichnis selbst nach § 31 BRAO keine Informationen zur Mitgliedschaft in einer Berufsausübungsgemeinschaft enthält. 17
7
§ 10 Abs. 2 BORA verlangt die Aufführung sämtlicher Gesellschafter auf dem Briefbogen. Dabei sind der Nachname und mindestens ein ausgeschriebener Vorname anzugeben. Andere Personen (Angestellte, freie Mitarbeiter) müssen (wohl wegen einer möglichen Haftung als Scheingesellschafter) nur dann aufgeführt werden, wenn ihre Namen in einer Kurzbezeichnung gemäß § 9 BORA enthalten sind, ansonsten können sie fakultativ aufgeführt werden. 18 Darüber hinaus ist eine Aufführung anderer sozietätsfähiger Personen (vgl. § 8 S. 1 BORA) möglich (arg e § 10 Abs. 4 BORA), aber nicht notwendig. Geht man nach der an den Dauerverwaltungsakt der Zulassung anknüpfenden Systematik der BRAO davon aus, dass das deutsche Berufsrecht für alle in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte Geltung verlangt, 19 dann sind auch die in einer internationalen Berufsausübungsgemeinschaft tätigen, in Deutschland zugelassenen Rechtsanwälte nach §§ 30, 33 Abs. 2 BRAO verpflichtet, für die Angabe jedenfalls aller im Inland tätigen Gesellschafter auf dem Kanzleibriefbogen zu sorgen. 20 Die Angabe hat nach dem Wortlaut von § 10 Abs. 2 BORA stets mit Vor- und Zunamen zu erfolgen. Sie ist auch auf der Rückseite möglich.
8
Die Verfassungsmäßigkeit von § 10 Abs. 2 BORA ist namentlich im Hinblick auf Großsozietäten umstritten. Der BGH 21 und das BVerfG 22 haben entsprechende Bedenken jedoch zu Recht zurückgewiesen und die Vorschrift als verhältnismäßig angesehen. Die Pflicht zur Angabe sämtlicher Gesellschafter stellt ein geeignetes Mittel dar, um dem rechtsuchenden Publikum Kenntnis darüber zu verschaffen, wer maßgeblich die Mandatswahrnehmung kontrolliert, wer ggf. für berufliche Fehler haftet und zwischen welchen Berufsträgern ggf. Interessenkonflikte bestehen. Weil andere, weniger einschneidende Mittel nicht zur Verfügung stehen, ist die Pflicht zur Angabe sämtlicher Gesellschafter auch erforderlich und damit verhältnismäßig. Die Aufnahme der Namen der einzelnen Rechtsanwälte der Sozietät trägt außerdem zu deren Unabhängigkeit bei, weil jeder Partner auf diesem Weg einen eigenen Goodwill erwerben kann. Dies hat vor allem für jüngere und mit einem geringen Anteil an der Sozietät beteiligte Rechtsanwälte Bedeutung. Der Satzungsgeber darf vor dem Hintergrund des gesetzlich normierten Leitmodells des Anwalts als eines unabhängigen Organs der Rechtspflege an der Gewährleistung einer gewissen Personalisierung der durch berufliche Zusammenschlüsse angebotenen Leistungen festhalten und ist nicht verpflichtet, hier vor den organisatorischen Schwierigkeiten der Mega Law Firms bei der Zusammenfassung mehrerer hundert Anwälte auf einer Seite zu kapitulieren.

III. Anzahl der in der Kurzbezeichnung aufgeführten Berufsträger

9
Wie sich aus § 10 Abs. 2 S. 3 BORA ergibt, müssen mindestens so viele Personen auf dem Briefbogen namentlich aufgeführt sein, wie in einer Kurzbezeichnung nach § 9 BORA enthalten sind. Der Satzungsgeber wollte verhindern, dass das rechtsuchende Publikum auf Grund einer mehrere Namen enthaltenden Kurzbezeichnung von einer Kanzleigröße ausgeht, die wegen der geringeren Anzahl aktiv tätiger Rechtsanwälte der Wirklichkeit nicht entspricht. 23 Die Verwendung des Zusatzes „und Kollegen“ auf dem Kanzleibriefbogen ist deshalb nur dann zulässig, wenn neben dem Kanzleiinhaber mindestens zwei weitere Gesellschafter, Angestellte oder freie Mitarbeiter auf dem Briefbogen namentlich aufgeführt werden. 24 Die Regelung dient der Transparenz sowie der Information des rechtsuchenden Publikums und damit hinreichenden Belangen des Gemeinwohls. Sie stellt deshalb eine verhältnismäßige Beschränkung der Berufsfreiheit dar. 25

IV. Namensfortführung

10
Ausgeschiedene Kanzleiinhaber, Gesellschafter, Angestellte oder freie Mitarbeiter dürfen nach § 10 Abs. 4 BORA auf dem Briefbogen nur weitergeführt werden, wenn ihr Ausscheiden kenntlich gemacht wird. Dies kann etwa durch die Angabe des Zeitpunkts des Ausscheidens („bis 2006“) oder bei Versterben auch durch ein Kreuz hinter dem Namen erfolgen. 26 Die Vorschrift gilt unabhängig davon, ob der fortgeführte Name in der Kurzbezeichnung der Kanzlei enthalten ist. Gerade bei der Namensfortführung in der Kurzbezeichnung kommt der Normzweck von § 10 Abs. 4 BORA jedoch besonders zum Tragen. Wenn das Ausscheiden nicht kenntlich gemacht wird, entsteht beim rechtsuchenden Publikum der irrige Eindruck, dass der genannte Anwalt noch in der Kanzlei tätig sei. Man wird bei einer Namensfortführung in der Kurzbezeichnung deshalb zumindest in der Auflistung der Anwälte stets einen ausdrücklichen Hinweis auf das Ausscheiden verlangen müssen. Das bloße Weglassen des Namens des ausgeschiedenen Anwalts in der Auflistung reicht deshalb entgegen einer im Schrifttum verbreiteten Meinung 27 nicht aus, dies ergibt bereits eine Zusammenschau von § 10 Abs. 4 mit Abs. 2 S. 1 BORA. Ein legitimes Interesse eines Rechtsanwalts, nach § 10 Abs. 4 BORA mit einer Tradition seiner Kanzlei und daher auch mit dem Namen früherer Kanzleiinhaber zu werben, ist allerdings nur dann anzuerkennen, wenn eine solche Tradition auch wirklich besteht. Dies soll nicht der Fall sein, wenn zwischenzeitlich ein völliger Wechsel der Berufsträger stattgefunden hat, eine Weiterbearbeitung der Mandate in der Kanzlei unterblieben ist und allein eine räumliche Kontinuität besteht, so dass in Wahrheit von einer Neugründung auszugehen ist. 28
11
Zu beachten ist ferner, dass die Namensfortführung wegen § 12 BGB der Zustimmung des Namensgebers bzw. seiner Erben bedarf, die allerdings auch konkludent erklärt werden kann. Regelmäßig wird eine entsprechende Gestattung bereits in den Sozietätsvertrag aufgenommen. 29 Diese Gestattung ist bei Austritt oder Kündigung der Sozietät nicht ohne weiteres widerruflich, sofern der Austritt oder die Kündigung nicht wegen einer schwerwiegenden Pflichtverletzung aus wichtigem Grund erfolgen. 30 Auch bei Namensfortführung durch die bisherige Sozietät kann der ausgeschiedene Gesellschafter unter seinem Namen in einer anderen Berufsausübungsgesellschaft tätig werden, wobei er allerdings zur Vermeidung der Verwechselungsgefahr „einen unterscheidungskräftigen Zusatz“ anzubringen hat, der die neue Berufsausübungsgemeinschaft „als prioritätsjüngere“ qualifiziert. 31 Auch aus gesellschaftsrechtlicher Perspektive darf bei der Partnerschaft der Name eines ausgeschiedenen Partners gem. § 2 Abs. 2 Hs. 1 PartGG i.V.m. § 24 Abs. 2 HGB nach dessen Ausscheiden fortgeführt werden. Dies gilt bei interprofessionellen Partnerschaften allerdings nur insoweit, als der Beruf des namensgebenden Partners auch nach dessen Ausscheiden weiterhin in der Partnerschaft ausgeübt wird. 32 Eine Fortführung des Namens des ausgeschiedenen Gesellschafters ist bei der Umwandlung einer BGB-Gesellschaft in eine Partnerschaft nach § 2 Abs. 2 Hs. 2 PartGG i.V.m. § 24 Abs. 2 HGB auch dann zulässig, wenn der namensgebende Gesellschafter bereits vor der Umwandlung ausgeschieden ist. Die nach § 24 Abs. 2 HGB erforderliche Zustimmung des ausgeschiedenen Gesellschafters bzw. seiner Erben zur Namensfortführung wird regelmäßig schon dann anzunehmen sein, wenn der namensgebende Gesellschafter im Sozietätsvertrag für den Fall seines Ausscheidens ohne Einschränkung in die weitere Verwendung seines Namens im Briefkopf eingewilligt hat. 33 Bei der Anwalts-GmbH und der Anwalts-AG darf der Name eines ausgeschiedenen Gesellschafters nach der Aufhebung von § 59k Abs. 1 S. 2 BRAO a.F. berufsrechtlich unter den gleichen Voraussetzungen fortgeführt werden wie bei einer klassischen Sozietät in Form der BGB-Gesellschaft. Insbesondere ist nicht mehr erforderlich, dass zusätzlich noch der Name eines aktuellen anwaltlichen Gesellschafters in die Firma aufgenommen wird. Gesellschaftsrechtlich ist eine Fortführung hier sogar ohne Zustimmung möglich. 34
12
Zu beachten ist schließlich, dass die Weiterführung von Namen gegen das wettbewerbsrechtliche Irreführungsverbot (§§ 3, 5 UWG) verstoßen kann, wenn der Eindruck erweckt wird, dass (nach wie vor) mehrere Rechtsanwälte in der Kanzlei tätig sind, obwohl diese nur noch von einem Rechtsanwalt geführt wird. Übernimmt z.B. Rechtsanwalt Müller die Kanzlei von Rechtsanwalt Schulze und Rechtsanwalt Schmidt, die beide ausscheiden, und treten keine neuen Rechtsanwälte in die Kanzlei ein, dann darf Rechtsanwalt Müller nicht einfach die Bezeichnung „Schulze & Schmidt“ weiterführen, weil dies irrtümlich den Eindruck des Fortbestehens einer Sozietät erweckt. 35

V. Berufsfremde Sozien

13
§ 10 Abs. 3 BORA macht es dem Rechtsanwalt i.V.m. § 33 Abs. 2 BORA zur Pflicht, dafür Sorge zu tragen, dass auf dem Kanzleibriefbogen interprofessioneller Sozietäten hinter dem Namen aller aufgeführten Personen eine Angabe der Berufsbezeichnung erfolgt. Dadurch soll eine eindeutige Zuordnung der in der Berufsausübungsgemeinschaft vorhandenen Qualifikationen zu den einzelnen Berufsträgern gewährleistet werden. Ihren Anwendungsbereich dürfte die Vorschrift im Wesentlichen bei Verbindungen zur gemeinschaftlichen Berufsausübung finden, weil bei anderen Formen der beruflichen Zusammenarbeit schon gemäß § 8 S. 1 BORA zur Vermeidung des falschen Eindrucks einer Berufsausübungsgemeinschaft eine klare Abgrenzung der betroffenen Anwälte von ihren Kooperationspartnern auf dem Briefkopf erforderlich sein wird. 36
1
Beschl. der Satzungsversammlung v. 6.11.2009, BRAK-Mitt. 2010, 69 bzw. v. 9.5.2016, BRAK-Mitt. 2016, 235.
2
Vgl. BGH, NJW 2002, 1419.
3
Krit. deshalb Deckenbrock, AnwBl. 2011, 705 (710 f.).
4
Anders Deckenbrock, AnwBl. 2011, 705 (710 f.), der eine ausdrückliche Anpassung der Vorschrift an die technischen Veränderungen verlangt.
5
BGH, NJW 2002, 1419 (1421).
6
BGH, NJW 2013, 314 (315 ff.).
7
BGH, NJW-RR 2016, 181, 182; ähnlich Dahns, NJW-Spezial 2017, 446; anders noch BGH, NJW 2013, 314, 317.
8
BGH, NJW-RR 2016, 181, 182; anders noch BGH, NJW 2013, 314, 317.
9
AGH Hamm, BeckRS 2016, 20723, Rz. 46.
10
Deckenbrock, AnwBl. 2011, 705 (711); zu § 10 Abs. 3 a.F. ebenso Henssler/Prütting/ Prütting, § 10 BORA Rz. 10.
11
AGH Hamm, BRAK-Mitt. 2015, 254, Rz. 32.
12
S. § 59a BRAO Rz. 84.
13
S. § 59a BRAO Rz. 27; Henssler/Prütting/ Prütting, § 10 BORA Rz. 10; vgl. ferner zu § 10 Abs. 3 BORA a.F. Hartung/Römermann/ Römermann, 4. Aufl., § 10 BORA Rz. 62.
14
Zum Normzweck näher Henssler/Prütting/ Prütting, § 10 BORA Rz. 2.
15
Auch das BVerfG hält § 10 Abs. 2 BORA jedenfalls über § 33 Abs. 2 BORA auf Anwaltskapitalgesellschaften für anwendbar; BVerfG, NJW 2009, 2587 (2588).
16
Gesetz über Elektronische Handelsregister- und Genossenschaftsregister sowie das Unternehmensregister (EHUG) v. 10.11.2006, BGBl. I, S. 2553.
17
Für dessen Ausbau Deckenbrock, AnwBl. 2011, 705 (711).
18
S. hierzu etwa AG Berlin-Wedding, BeckRS 2016, 10935.
19
Dazu näher Knöfel, S. 436 ff.
20
BGH, NJW 2002, 1419 ff. Dies gilt auch für ausländische Rechtsanwälte, die den Anwaltsberuf ständig in Deutschland ausüben wollen, vgl. AGH Hamm, Beschl. v. 3.11.2000 – 2 ZU 21/00.
21
BGH, NJW 2002, 1419 ff.
22
BVerfG, NJW 2002, 2163 f.; BVerfG, NJW 2009, 2587 (zu § 10 Abs. 1 S. 3 BORA a.F. = § 10 Abs. 2 S. 3 BORA n.F.).
23
Hartung/Römermann/ Römermann, 4. Aufl., § 10 BORA Rz. 51.
24
BVerfG, NJW 2008, 502 (503); BGH, AnwBl. 2007, 790 f.; AGH Hamm, NJW-RR 2006, 1143.
25
BVerfG, NJW 2008, 502 (503); NJW 2009, 2587 f.
26
Henssler/Prütting/ Prütting, § 10 BORA Rz. 11; Hartung/Römermann/ Römermann, 4. Aufl., § 10 BORA Rz. 75.
27
Henssler/Prütting/ Prütting, § 10 BORA Rz. 11; Henssler/ Michel, NZG 2012, 401 (411); BeckOK BORA/ Römermann, 23. Ed. 2018, § 10 BORA, Rz. 78; Feuerich/Weyland/ Träger, § 9 BORA Rz. 7.
28
OLG Stuttgart, NJW 2005, 3429; OLG Hamm, NZG 1998, 591; Henssler/ Michel, NZG 2012, 401 (411).
29
Henssler, NZG 2000, 645 (646); Henssler/ Michel, NZG 2012, 401 (411).
30
OLG München, NJW-RR 1993, 621 (623); Henssler/ Michel, NZG 2012, 401 (411).
31
OLG München, NZG 2000, 367 (368); Henssler, NZG 2000, 645 (646); Henssler/ Michel, NZG 2012, 401 (411). S. hierzu auch OLG Hamm, BeckRS 2017, 152960.
32
I.E. ähnlich MüKo/ Ulmer, § 2 PartGG Rz. 22 m.w.N.
33
BayObLG, DB 1998, 253 f.
34
Vgl. hierzu BGH, NJW 1983, 755.
35
Henssler/Prütting/ Prütting, § 9 BORA Rz. 12; Hartung/Römermann/ Römermann, 4. Aufl., § 9 BORA Rz. 60 f.
36
S. § 8 BORA Rz. 8.