Bürgergeld: Welche Leistungen, Pflichten und Sanktionen gibt es?

13.09.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Bürgergeld,Hartz IV,ALG II,Sozialrecht Bürgergeld: Welche Rechte und Pflichten haben die Empfänger? © - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Kernziel des Bürgergeldes: Die Bürgergeld-Reform soll die individuelle Betreuung von Langzeitarbeitslosen im Jobcenter stärken, sowie mehr Weiterbildung und Qualifizierung für Jobs bringen, die der Arbeitsmarkt tatsächlich benötigt.

2. Erhöhte Leistungen: Die Bezüge in der Grundversorgung wurden über alle Gruppen von Leistungsbeziehern hinweg erheblich angehoben. Zudem gibt es neue Grenzen für das Schonvermögen und den Hinzuverdienst - außerdem das neue Weiterbildungsgeld.

3. Mitwirkungspflichten: Auch beim Bürgergeld gibt es Mitwirkungspflichten der Leistungsbezieher zur Integration in den Arbeitsmarkt. Bei nicht ausreichender Mitwirkung oder Schwarzarbeit drohen Sanktionen.
Das Bürgergeld hat das Arbeitslosengeld II und das Sozialgeld abgelöst. Zielrichtung des Bürgergeldes ist es, aus langzeitarbeitslosen Leistungsbeziehern Fachkräfte zu machen, die der Arbeitsmarkt auch tatsächlich braucht. Zu diesem Zweck wurde ein neues Anreizsystem mit Weiterbildungsgeld und Zielprämien eingerichtet. Außerdem gibt es neu das sogenannte Coaching, mit dem grundsätzliche Probleme hinsichtlich der Beschäftigungsfähigkeit erkannt und beseitigt werden sollen. In letzter Zeit ist das Bürgergeld jedoch erneut in die Diskussion geraten - wegen der damit verbundenen Kosten und der weit verfehlten Zielsetzung.

Wer hat Anspruch auf Bürgergeld?


Anspruch auf Bürgergeld haben Personen, die folgende Voraussetzungen erfüllen:

1. Die Person muss im erwerbsfähigen Alter und in der Lage sein, mindestens drei Stunden täglich zu arbeiten.
2. Das Einkommen und Vermögen der Person (und ihrer Bedarfsgemeinschaft) reicht nicht aus, um den Lebensunterhalt zu sichern.
3. Der gewöhnliche Aufenthalt muss in Deutschland liegen.

Es gibt Ausnahmen für bestimmte Gruppen, z. B. Studierende oder Personen in speziellen Lebenssituationen.

Wie viel Bürgergeld bekommt man?


Anfang 2024 wurde das Bürgergeld um 12 Prozent erhöht. Alleinstehende erhalten seitdem 563 Euro monatlich, das sind 61 Euro mehr als zuvor. Bei einem Paar in einer Bedarfsgemeinschaft sind es 1.012 Euro. Hier die Regelsätze Stand 2024 für weitere Personengruppen:

- Personen unter 25 Jahren, die ohne Erlaubnis des Jobcenters umziehen: 471 Euro,
- Volljährige unter 25 Jahren, die im Elternhaus leben: 451 Euro,
- Jugendliche von 14 bis 17 Jahren: 471 Euro,
- Kinder von 6 bis 13 Jahren: 390 Euro,
- Kinder von 0 bis 5 Jahren: 357 Euro.

Die letzten Erhöhungen des Bürgergeldes hatten den Sinn, gestiegene Preise für Lebensmittel und Energie auszugleichen. 2025 wird das Bürgergeld voraussichtlich nicht erhöht.

Welche Zuschüsse zur Miete gibt es beim Bürgergeld?


Das Bürgergeld sieht eine einjährige Übergangszeit (Karenzzeit) vor, in der die Leistungsbezieher die Kosten für die Miete nicht selbst tragen müssen. In diesem Zeitraum entfällt die Prüfung auf Angemessenheit der Wohnung durch das Jobcenter. Das bedeutet, dass auch die Kosten für eine besonders große oder teure Mietwohnung übernommen werden.

Nach Ablauf der Karenzzeit übernimmt das Jobcenter die Miete nur in angemessener Höhe. Dies kann einen Umzug oder die Untervermietung eines Zimmers erforderlich machen.

Bei den Heizkosten gilt die Karenzzeit nicht. Hier werden nur die angemessenen Kosten gezahlt.

Welche Sanktionen gibt es beim Bürgergeld?


Beim Bürgergeld erfolgen von Anfang an abgestufte Kürzungen der Leistungen, wenn die Hilfeempfänger nicht ausreichend mitwirken, Termine verpassen oder sich nicht auf angebotene Jobs bewerben.

Beim ersten Verstoß, etwa einem Meldeversäumnis, werden die Zahlungen um zehn Prozent gekürzt. Bei einer weiteren Pflichtverletzung innerhalb eines Jahres werden sie um 20 Prozent für zwei Monate und bei einem erneuten Regelbruch um 30 Prozent für drei Monate verringert. Dies erinnert zwar an das frühere Hartz-IV-System. Der Unterschied: Die Kürzungen beim Bürgergeld sind deutlich geringer.

Seit 28.3.2024 gibt es eine weitere Sanktion: Verweigern Betroffene beharrlich die Aufnahme einer zumutbaren Arbeit, kann ihnen das Jobcenter für zwei Monate komplett das Bürgergeld streichen.

Die Ampelregierung plant eine Verschärfung der Sanktionen. Bei Ablehnung einer zumutbaren Arbeit soll das Bürgergeld einheitlich für drei Monate um 30 Prozent gekürzt werden, bei einem Meldeversäumnis für einen Monat. Die Sanktion endet, sobald der Betroffene wieder mitwirkt. Schwarzarbeit soll zu einer Leistungskürzung von 30 Prozent führen. Die Regelung soll im zweiten Halbjahr 2024 beschlossen werden.

Darf der Staat das Bürgergeld einfach streichen?


Ein Grundsatzurteil des Bundesverfassungsgerichts von 2019 besagt, dass der Staat Sozialleistungen zur Existenzsicherung weder beliebig kürzen noch komplett streichen darf. Das Urteil verweist auf das Grundrecht auf ein menschenwürdiges Existenzminimum. Es sei eine staatliche Verpflichtung, die Würde des Menschen zu achten und zu schützen. Damit habe der Staat den Auftrag, die Voraussetzungen für ein eigenverantwortliches Leben zu schaffen.

Allerdings sind Sanktionen bei mangelnder Mitwirkung erlaubt. Der Staat darf seine sozialen Leistungen davon abhängig machen, dass Menschen ihre Existenz nicht selbst sichern können. Eine Kürzung von 30 Prozent erachtete das Gericht als noch akzeptabel (Az. 1 BvL 7/16).

Welches Schonvermögen gilt beim Bürgergeld?


Als Schonvermögen bezeichnet man einen Vermögensbetrag, der nicht angetastet werden muss, obwohl der Betreffende staatliche Leistungen bezieht. Beim Bürgergeld sind dies 40.000 Euro für die erste Person einer Bedarfsgemeinschaft und 15.000 Euro für jede weitere Person. Das Vermögen wird allerdings nur innerhalb einer Karenzzeit von einem Jahr geschont. Nicht angetastet durch das neue Bürgergeld wird die Altersvorsorge.

Die Ampelregierung plant Verschärfungen beim Schonvermögen. Die Karenzzeit von einem Jahr soll auf ein halbes Jahr verkürzt werden. Dies soll im zweiten Halbjahr 2024 beschlossen werden.

Wie sind die Hinzuverdienstgrenzen beim Bürgergeld?


Die Grenzen für den Hinzuverdienst sind deutlich großzügiger als zuvor unter Hartz IV.

Bei jedem Bürgergeldempfänger werden die ersten 100 Euro Hinzuverdienst nicht auf das Bürgergeld angerechnet. Von dem Teil des monatlichen Erwerbseinkommens, der 100 Euro übersteigt, bleiben 20 Prozent anrechnungsfrei. Beträgt der Hinzuverdienst mehr als 520 Euro, werden 30 Prozent von diesem Teil des Verdienstes nicht angerechnet. Bei einem Hinzuverdienst von 1.000 bis 1.200 Euro sind zehn Prozent dieses Teils des Verdienstes anrechnungsfrei (§ 11b SGB II). Ist ein Kind vorhanden, gelten die zehn Prozent bis zu einem Hinzuverdienst von 1.500 Euro.

Zum Bürgergeld können Schüler, Studierende und Auszubildende jeden Monat 520 Euro hinzuverdienen, ohne eine Leistungskürzung befürchten zu müssen. Damit wurden die Freibeträge für den Hinzuverdienst an die Minijob-Grenze angepasst. Schüler können in den Ferien sogar unbegrenzt hinzuverdienen, ohne dass dieser Verdienst auf das Bürgergeld angerechnet wird.

Für ehrenamtlich Tätige sind 3.000 Euro der Aufwandsentschädigung pro Jahr beim Bürgergeld anrechnungsfrei.

Seit dem 1. Juli 2023 wird das Mutterschaftsgeld nicht mehr als Einkommen angerechnet.

Was ist der Kooperationsplan für Empfänger von Bürgergeld?


Seit dem 1. Juli 2023 gibt es anstatt der bisherigen Eingliederungsvereinbarung einen sogenannten Kooperationsplan. Dieser soll dem Bürgergeldempfänger und der Integrationsfachkraft vom Jobcenter einen Überblick über das Ziel und die wesentlichen Schritte der Zusammenarbeit mit dem Ziel einer Arbeitsaufnahme geben. Der Kooperationsplan soll möglichst konkret, kurz und übersichtlich sein und den Beteiligten so ermöglichen, sich auf wesentliche Schritte zur Zielerreichung zu konzentrieren. Bei Unstimmigkeiten bei der Erstellung bzw. Fortschreibung des Kooperationsplans kann in einem Schlichtungsverfahren im zuständigen Jobcenter vermittelt werden.

Wie wird beim Bürgergeld eine Weiterbildung gefördert?


Seit 1. Juli 2023 gibt es das neue Weiterbildungsgeld in Höhe von 150 Euro monatlich. Der Hintergrund: Beim Bürgergeld steht die Qualifizierung arbeitsloser Menschen im Vordergrund. Zielrichtung ist es, aus den langzeitarbeitslosen Leistungsempfängern Fachkräfte zu machen, die der Markt braucht. Vor diesem Hintergrund bekommt jeder Leistungsempfänger, der eine Ausbildung oder eine Qualifizierung beginnt, die zu einem Berufsabschluss führt, monatlich 150 Euro Weiterbildungsgeld - zusätzlich zum Bürgergeld.

Für jede erfolgreiche Zwischenprüfung gibt es zusätzlich eine Prämie in Höhe von 1.000 Euro, für eine erfolgreiche Abschlussprüfung sogar 1.500 Euro.
Macht ein Bürgergeldempfänger eine Weiterbildung ohne konkreten Abschluss, die aber seiner Integration in den Arbeitsmarkt dienlich ist, erhält er einen Bürgergeldbonus in Höhe von 75 Euro monatlich.

Was hat es mit dem Coaching von Bürgergeldempfängern auf sich?


Gibt es grundlegende Probleme mit der Beschäftigungsfähigkeit des Bürgergeldempfängers, kann das Jobcenter eine sogenannte ganzheitliche Betreuung (Coaching) bewilligen. Im Rahmen des Coachings soll mit dem Leistungsempfänger an allen Problemlagen gearbeitet werden, die ihn an einer Eingliederung in den Arbeitsmarkt hindern. Damit soll auch die Chance erhöht werden, das Potenzial des Leistungsberechtigen besser zu erkennen und für seine zielgerichtete Aus- bzw. Weiterbildung zu nutzen. Das Coaching wird in Kooperation mit externen Dienstleistern absolviert. Eine Pflicht des Leistungsbeziehers zur Teilnahme an einem Coaching besteht aber nicht, da das Vertrauensverhältnis zum Coach von großer Bedeutung für den Erfolg ist.

Wie muss ein Bürgergeldempfänger für das Jobcenter erreichbar sein?


Bürgergeldempfänger müssen an Werktagen für das Jobcenter erreichbar sein. "Erreichbar" heißt: Sie können auf Nachrichten und Schreiben des Jobcenters reagieren. Sie müssen auch zu Terminen vor Ort erscheinenen oder kurzfristig Bewerbungsgespräche führen können. Wenn dies einmal nicht möglich ist, muss dies mit dem Jobcenter abgestimmt werden. Wer verreisen will, muss sich vorher die Zustimmung vom Jobcenter holen. Diese wird erteilt, wenn im fraglichen Zeitraum keine wichtigen Termine wie Vorstellungsgespräche anstehen.

Welche zusätzlichen Leistungen gibt es für Kinder, Jugendliche und junge Erwachsene?


Um bedürftigen Kindern und Jugendlichen zu ermöglichen, an Tagesausflügen und dem gemeinsamen Mittagessen in Schule und Kita, bei Musik, Sport und Spiel in Vereinen und Gruppen teilzunehmen, wurden mit dem Bürgergeld Bildungs- und Teilhabeleistungen eingeführt.

Für den persönlichen Schulbedarf sind im Kalenderjahr 2024 insgesamt 195 Euro vorgesehen. Dies umfasst 130 Euro für das erste Schulhalbjahr und 65 Euro für das zweite. Dieser Betrag wird jährlich entsprechend dem Bürgergeld angepasst.

Übernommen werden auch die Kosten für Schulausflüge. Eine Kostenübernahme für die Schülerbeförderung ist möglich, wenn die Kosten nicht anderweitig gedeckt sind. Ein Eigenanteil ist nicht zu zahlen.

Bedürftige Schüler können unter bestimmten Voraussetzungen eine Lernförderung erhalten. Diese ist nicht von einer Versetzungsgefährdung abhängig. Voraussetzung ist jedoch, dass keine vergleichbaren schulischen Angebote bestehen. Auch werden für die Teilnahme am sozialen und kulturellen Leben in der Gemeinschaft bei nachgewiesenem Bedarf 15 Euro monatlich pauschal gezahlt. Die Aufwendungen für ein gemeinsames Mittagessen in Schule oder Kita werden übernommen.

Ist Bürgergeld ein Weg in einen sinnvollen Beruf?


Bei der Tätigkeit der Jobcenter soll mehr Wert darauf gelegt werden, Arbeitslose nicht in irgendeinen Aushilfsjob, sondern in eine für sie geeignete, dauerhafte Berufstätigkeit zu bringen. Dazu sollen mehr Ausbildungs- und Umschulungsangebote vermittelt und Betroffene in stärkerem Maße weiterqualifiziert werden. Stand Mitte 2024 muss resümiert werden, dass das Bürgergeld das genaue Gegenteil erreicht.

Wie steht die CDU zum Bürgergeld?


Die CDU will das Bürgergeld in seiner jetzigen Form wieder abschaffen. CDU-Generalsekretär Linnemann äußerte sich wie folgt: "Wer nicht arbeiten will, muss das nicht tun - er kann dann aber auch nicht erwarten, dass die Allgemeinheit für seinen Lebensunterhalt aufkommt". Notwendig seien mehr Anreize für die Jobaufnahme. Jeder, der arbeiten könne und Sozialleistungen beziehe, müsse nach spätestens sechs Monaten einen Job annehmen, ansonsten gemeinnützig arbeiten.

Welche aktuellen politischen Entwicklungen gibt es beim Bürgergeld?


Stand Oktober 2024: Ab Ende 2024 sollen - bisher noch nicht beschlossene - schärfere Sanktionen gegen Empfänger von Bürgergeld verhängt werden, die sich weigern, zumutbare Arbeit anzunehmen. Die wichtigsten Änderungen sind:

1. Bei Ablehnung von zumutbaren Arbeitsangeboten oder Maßnahmen kann das Bürgergeld sofort um 30 % gekürzt werden, statt wie bisher in gestuften Prozentsätzen.
2. Wenn jemand sich wiederholt weigert, eine zumutbare Arbeit anzunehmen, kann das Bürgergeld für bis zu zwei Monate vollständig gestrichen werden.
3. Wer sich durch Schwarzarbeit unrechtmäßig Einkommen verschafft, wird ebenfalls mit Leistungsminderungen bestraft. Jobcenter sind dann verpflichtet, solche Fälle an die Zollverwaltung zu melden.
4. Empfänger von Bürgergeld sollen eine Prämie in Höhe von 1.000 Euro erhalten, wenn sie ein Jahr lang einem sozialversicherungspflichtigen Job nachgegangen sind - im Volksmund bereits „Arsch-hoch-Prämie“ genannt.

Praxistipp zum Bürgergeld


Verglichen mit Hartz IV bringt das Bürgergeld seinen Empfängern einige zusätzliche Vorteile, unter anderem höhere Regelbeträge, Übergangszeiten und einen besseren Schutz von Erspartem. Wer im Streit mit dem Jobcenter um Geldleistungen und die Übernahme der Kosten für Wohnung und Heizung rechtliche Beratung benötigt, ist bei einem Fachanwalt für Sozialrecht gut aufgehoben.

(Ma)


 Ulf Matzen
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