Abhilfeklage: Eine neue Sammelklage für Verbraucher

28.09.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Abhilfeklage,Verband,Verbraucher,Sammelklage Eine Abhilfeklage bietet neue Möglichkeiten für Verbraucher, gegen Unternehmen vorzugehen. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Klagebefugnis: Eine Abhilfeklage kann nicht von einzelnen Verbraucher erhoben werden, sondern nur von Verbraucherverbänden, die zudem als zu diesem Zweck "qualifiziert" gelten müssen.

2. Anschluss und Frist: Einzelne Verbraucher können sich der Abhilfeklage anschließen, indem sie sich ins Verbandsklageregister beim Bundesamt für Justiz eintragen lassen. Dies muss bis spätestens drei Wochen nach Abschluss der mündlichen Verhandlung geschehen.

3. Klagegenstand: Die Abhilfeklage kann in allen zivilrechtlichen Streitigkeiten eingesetzt werden, bei denen es um gleichartige Ansprüche einer Vielzahl von Verbrauchern gegen ein Unternehmen geht, z.B. bei Schadensersatzansprüchen aufgrund fehlerhafter Produkte.
Eine neue Variation der Sammelklage soll es einer Vielzahl von Verbrauchern gemeinsam ermöglichen, gegen ein Unternehmen zu klagen. Der Bundestag hat am 7.7.2023 dem entsprechenden Gesetz zugestimmt. Nun muss es noch dem Bundestag vorgelegt werden, wobei es jedoch nicht zustimmungspflichtig ist. Damit wird mit Verspätung die europäische Verbandsklagenrichtlinie umgesetzt. Welche neuen Rechte bekommen nun die Verbraucher?

Neue Abhilfeklage: Wer darf klagen?


Zunächst einmal muss man wissen, dass die neue Abhilfeklage nicht einzelnen Verbrauchern zur Verfügung steht. Klagen können nur Verbraucherverbände, und auch nur solche, die als "qualifiziert" gelten, weil sie in die Liste nach § 4 Unterlassungsklagengesetz eingetragen sind. Darüber hinaus dürfen sie nicht mehr als fünf Prozent ihrer Gelder von Unternehmen beziehen. Nicht nur inländische, sondern auch entsprechend qualifizierte Verbände aus dem EU-Ausland können in Deutschland klagen - und umgekehrt. Die Abhilfeklage muss aber nicht in allen EU-Staaten gleich geregelt sein. Die EU-Richtlinie gibt nur Mindestanforderungen vor, über die Deutschland in einigen Punkten hinausgeht.
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Der Verband muss in der Klageschrift nachvollziehbar darlegen, dass er die Interessen von mindestens 50 Verbrauchern vertritt. Beweisen muss er dies nicht.

Individuelle Verbraucher können sich der Abhilfeklage anschließen, indem sie sich ins Verbandsklageregister beim Bundesamt für Justiz eintragen lassen. Dies müssen sie bis zum Ablauf von drei Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung tun. Ein Urteil darf frühestens sechs Wochen nach dem Schluss der mündlichen Verhandlung ergehen. Diese Regelung wird einen Vergleich der Parteien erschweren, da die Zahl der teilnehmenden Verbraucher bis zum Schluss nicht feststeht.

Kleine Unternehmen mit weniger als zehn Mitarbeitern und einem Jahresumsatz oder einer Jahresbilanz von nicht mehr als zwei Millionen Euro werden mit Verbrauchern gleichgestellt und können sich ebenfalls anschließen.

Gegen was können Verbraucher mit der Abhilfeklage vorgehen?


Die Abhilfeklage kann in allen bürgerlichen Rechtsstreitigkeiten eingesetzt werden, bei denen es um gleichartige Ansprüche einer Vielzahl von Verbrauchern gegen ein Unternehmen geht. Dies können zum Beispiel Schadensersatzansprüche wegen der Verletzung von Datenschutzvorschriften sein, Schadensersatzansprüche aufgrund fehlerhafter Produkte, wegen unzulässiger Kartellabsprachen von Unternehmen oder Ansprüche im Zusammenhang mit Geldanlagen etwa gegen Banken. Es muss dabei um "im Wesentlichen vergleichbare Sachverhalte" und "im Wesentlichen gleiche Tatsachen- und Rechtsfragen" gehen - was damit genau gemeint ist, werden die Gerichte entscheiden müssen. In den ersten Entwürfen zum Gesetz waren hier härtere Kriterien vorgesehen.

Wie wirkt sich die Abhilfeklage auf die Verjährung von Ansprüchen aus?


Durch die Erhebung der Abhilfeklage wird die Verjährung der Ansprüche gehemmt, also vorübergehend gestoppt. Verbraucher und Kleinunternehmen müssen ihre Ansprüche beim Verbandsklageregister anmelden, um davon zu profitieren. Die Verjährungshemmung gilt nicht für Altfälle.

Wie läuft die Abhilfeklage ab?


Hier gibt es drei Varianten:

Variante 1: Der Verband fordert eine Zahlung an namentlich genannte Verbraucher. Das Gericht entscheidet über Zahlung oder Klageabweisung. Man geht davon aus, dass diese Variante selten vorkommen wird, da die Verbände oft die genaue Identität der beteiligten Verbraucher bei Erhebung der Klage noch gar nicht kennen werden.

Variante 2: Der Verband verlangt die Zahlung eines kollektiven Gesamtbetrages für alle Beteiligten oder eine andere Leistung. Hält das Gericht die Abhilfeklage für begründet, erlässt es ein Abhilfegrundurteil. Danach fordert es die Parteien auf, einen Vergleichsvorschlag vorzulegen. Kommt kein Vergleich zustande, erlässt das Gericht das Abhilfeendurteil.

Variante 3: Die Parteien wandeln Variante 2 ab und verlangen, dass das Gericht direkt ein endgültiges Urteil erlässt. Voraussetzung: Ein gütlicher Vergleich erscheint aussichtslos.

Bei den Varianten 2 und 3 ernennt das Gericht einen sogenannten Sachwalter, der einen Umsetzungsfonds einrichtet, an den das beklagte Unternehmen ggf. das Geld auszahlen muss. Vor einer Auszahlung an die Verbraucher muss der Sachwalter prüfen, ob der Anspruch des einzelnen Verbrauchers dem entspricht, was das Gericht entschieden hat. Gegen seine Entscheidung ist von beiden Seiten ein Widerspruch möglich. Dieser kann auch zu einem gerichtlichen Verfahren führen.

Welche Regeln gibt es für die Prozessfinanzierung?


Wird die Klage durch einen externen Prozessfinanzierer finanziert, kann sie unzulässig sein. Dies ist der Fall, wenn dem Prozessfinanzierer ein wirtschaftlicher Anteil an der vom verklagten Unternehmer zu leistenden Zahlung von über zehn Prozent versprochen wird. Der klagende Verband muss dem Gericht offenlegen, woher die Geldmittel für die Klage kommen.

Das beklagte Unternehmen muss, wenn es den Prozess verliert, nur an berechtigte angemeldete Verbraucher zahlen. Dies führt dazu, dass der externe Prozessfinanzierer mit jedem einzelnen Verbraucher eine Vereinbarung über eine Erfolgsbeteiligung abschließen muss, wenn er den Prozess gegen eine solche finanziert.

Welches Gericht ist für die Abhilfeklage zuständig?


Zuständig ist das Oberlandesgericht, in dessen Bezirk der Sitz des beklagten Unternehmens liegt.

Was wird sich durch die Abhilfeklage ändern?


Mit der Einführung der Abhilfeklage wird das Ziel verfolgt, Ansprüche von Verbrauchern gegen Unternehmen zu bündeln und so die Gerichte von einer Vielzahl von Verfahren zu entlasten - Stichwort Abgasskandal. Ob das Verfahren mit seinen drei Varianten dies erreicht, muss abgewartet werden. Von der Position der Unternehmen aus betrachtet wird die neue Abhilfeklage die bisherigen Verfahren der individuellen Klage und der Durchsetzung von Forderungen durch Rechtsdienstleister wie etwa bei Flugverspätungen nicht ersetzen, sondern ergänzen. Immerhin stellt die neue Abhilfeklage für Verbraucher einen neuen Weg dar, Unternehmen im Zuge einer Leistungsklage unter anderem auf Schadensersatz in Anspruch zu nehmen.

Was ist der Unterschied zwischen Abhilfeklage und Musterfeststellungsklage?


Auch bei der existierenden Musterfeststellungsklage kann nur ein Verband gegen ein Unternehmen klagen. Dieser Verband muss die Interessen von mindestens zehn Verbrauchern (statt 50) vertreten, damit die Klage angenommen wird. Das Verfahren ist anders ausgestaltet, als bei der Abhilfeklage. Der wichtigste Unterschied: Nach einer gewonnenen Musterfeststellungsklage müssen die Verbraucher ihre Ansprüche selbst noch einzeln gegen das Unternehmen durchsetzen - im Zweifelsfall durch eine eigene Klage. Dies ist bei der Abhilfeklage nicht erforderlich.

Praxistipp zur Abhilfeklage


Eine Abhilfeklage eröffnet Verbrauchern neue Möglichkeiten. Auch kann diese neue Klageart die Gerichte entlasten und so Verfahren beschleunigen. Möchten Sie als Verbraucher Ansprüche gegen ein Unternehmen geltend machen, die wahrscheinlich auch viele andere Verbraucher einfordern können? Dann sollten Sie sich bei einem Rechtsanwalt für Zivilrecht über die Abhilfeklage beraten lassen.

(Ma)


 Ulf Matzen
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