Ärztliche Schweigepflicht verletzt: Welche Rechte haben Patienten?
14.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. Grundsatz: Ein Arzt darf Daten eines Patienten grundsätzlich nur dann weitergeben, wenn dieser ihn von der Schweigepflicht entbunden hat, oder wenn dies zum Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist.
2. Schadensersatz und Schmerzensgeld: Wird die ärztliche Schweigepflicht verletzt, kann der Patient Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens gegen den Arzt haben.
3. Berufs- und strafrechtliche Konsequenzen für Ärzte: Eine Schweigepflichtverletzung kann berufsrechtlich geahndet und strafrechtlich verfolgt werden.
1. Grundsatz: Ein Arzt darf Daten eines Patienten grundsätzlich nur dann weitergeben, wenn dieser ihn von der Schweigepflicht entbunden hat, oder wenn dies zum Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist.
2. Schadensersatz und Schmerzensgeld: Wird die ärztliche Schweigepflicht verletzt, kann der Patient Anspruch auf Ersatz des ihm entstandenen Schadens gegen den Arzt haben.
3. Berufs- und strafrechtliche Konsequenzen für Ärzte: Eine Schweigepflichtverletzung kann berufsrechtlich geahndet und strafrechtlich verfolgt werden.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was ist die ärztliche Schweigepflicht und wo ist sie gesetzlich geregelt? Welche Ausnahmen von der ärztlichen Schweigepflicht gibt es? Gegenüber welchen Personengruppen besteht keine Schweigepflicht? Wann ist Ärzten eine Datenübermittlung erlaubt? Verstoß gegen die Schweigepflicht: Wann macht sich der Arzt strafbar? Wann ist eine Verletzung der Schweigepflicht gerechtfertigt? Macht sich ein Arzt strafbar, wenn er geplante Straftaten nicht anzeigt? Gilt die ärztliche Schweigepflicht auch im Strafverfahren? Wie wirkt sich die DSGVO auf die ärztliche Schweigepflicht aus? Erhalten Patienten bei Verletzung der Schweigepflicht Schadensersatz und Schmerzensgeld? Praxistipp zur ärztlichen Schweigepflicht Was ist die ärztliche Schweigepflicht und wo ist sie gesetzlich geregelt?
Einerseits ist die ärztliche Schweigepflicht im Berufsrecht der Ärzte festgeschrieben, andererseits aber auch in Gesetzen. Das Berufsrecht ist in den Berufsordnungen der deutschen Ärztekammern niedergelegt. Die Muster-Berufsordnung der Bundesärztekammer regelt die Schweigepflicht in § 9.
Darin heißt es: "Ärzte haben über das, was ihnen in ihrer Eigenschaft als Ärztin oder Arzt anvertraut oder bekannt geworden ist – auch über den Tod der Patientin oder des Patienten hinaus – zu schweigen." Dies gilt auch für schriftliche Mitteilungen der Patienten, Aufzeichnungen über diese, medizinische Untersuchungsbefunde und Röntgenaufnahmen. Eine Schweigepflicht hat auch das Personal in Arztpraxen und Krankenhäusern, wie zum Beispiel Sprechstundenhilfen, Krankenschwestern, Krankenpfleger und Rettungssanitäter. Ärzte haben die Pflicht, ihre Mitarbeiter darüber zu belehren und dies schriftlich zu dokumentieren.
Zusätzlich stellt § 203 des Strafgesetzbuches (StGB) auch die Verletzung von Privatgeheimnissen durch Ärzte oder Angehörige anderer Heilberufe sowie Berufspsychologen unter Strafe.
Welche Ausnahmen von der ärztlichen Schweigepflicht gibt es?
Die ärztliche Berufsordnung erlaubt die Offenlegung von Wissen über den Patienten in zwei Fällen:
1. Wenn dieser seinen Arzt von der Schweigepflicht entbunden hat.
2. Wenn dies zum Schutz eines höherwertigen Rechtsgutes erforderlich ist.
Der erste Fall liegt zum Beispiel vor, wenn der Medizinische Dienst der Krankenkassen eine Einstufung für eine Pflegestufe vornehmen muss. Dies geht nicht ohne Informationen vom behandelnden Arzt.
Interessanter ist der zweite Fall, denn hier können Informationen auch bei Ermittlungsbehörden ankommen. Ein höherwertiges Rechtsgut kann zum Beispiel Leib und Leben einer anderen Person sein. Dieser Fall kann zutreffen, wenn ein Patient einen Mord oder Anschlag ankündigt. Im Praxisalltag geht es jedoch meist eher darum, dass jemand seine Angehörigen vielleicht mit einer gefährlichen Krankheit ansteckt.
Die Berufsordnung besagt klar, dass sie nichts an gesetzlichen Aussage- und Anzeigepflichten ändert. Diese bestehen also weiter, auch für Ärzte. Allerdings verpflichtet die Berufsordnung Ärzte auch dazu, ihre Patienten zu informieren, wenn sie gesetzlich dazu verpflichtet sind, die Schweigepflicht zu brechen.
Der Arzt muss grundsätzlich selbst entscheiden, ob der Schutz höherwertiger Rechtsgüter in Gefahr ist – etwa von Menschenleben – und er einer Behörde einen Hinweis gibt.
Eine weitere Ausnahme gilt, wenn mehrere Ärzte den gleichen Patienten behandeln. Dann ist die Schweigepflicht zwischen diesen Ärzten aufgehoben. Voraussetzung ist jedoch, dass der Patient die beteiligten Ärzte von ihrer Schweigepflicht entbunden hat oder dass man von seiner Zustimmung ausgehen kann. Letzteres soll der Fall sein, wenn die zusätzlichen Ärzte durch den Patienten selbst in die Behandlung eingebunden wurden. Wenn also zum Beispiel der Hausarzt einen Patienten in eine Klinik überweist und die Klinik von sich aus einen Psychologen hinzuzieht, darf dieser keine Diagnose an den Hausarzt schicken (Landgericht München I, Urteil vom 1.10.1991, Az. 23 0 2157/91).
In seltenen Einzelfällen kann die Schweigepflicht auch hinter den persönlichen Interessen des Arztes zurücktreten. Dieser Fall kann eintreten, wenn ein Arzt eine Honorarforderung gerichtlich durchsetzen muss oder wenn sich ein Arzt nur durch Offenlegung von Patientendaten selbst vor einer Strafverfolgung schützen kann.
Gegenüber welchen Personengruppen besteht keine Schweigepflicht?
Es gibt außerdem Personengruppen, gegenüber denen keine Schweigepflicht besteht. Dies sind zum Beispiel gesetzliche Betreuer oder Bevollmächtigte, die sich um die medizinischen Angelegenheiten ihrer Schützlinge kümmern müssen. Diese Aufgabe können sie natürlich ohne das entsprechende Wissen nicht erfüllen.
Aber: Der Aufgabenkreis des gesetzlichen Betreuers muss ausdrücklich den Bereich der Gesundheitssorge umfassen. Dies muss dem Arzt durch Vorlage des Betreuerausweises nachgewiesen werden. Denn: Betreuer können ganz unterschiedliche Aufgabenbereiche haben. Und: Ist der Patient noch einsichtsfähig, ist eine Weitergabe seiner medizinischen Informationen gegen seinen Willen nicht zulässig. Hier kommt es also auf den Einzelfall an.
Wann ist Ärzten eine Datenübermittlung erlaubt?
In manchen Fällen kommt man nicht um eine Datenübermittlung herum. Diese ist in bestimmten Fällen dann auch zulässig.
Beispiel: Die verschlüsselte Übermittlung persönlicher Daten inklusive Diagnose vom Arzt an die kassenärztliche Vereinigung und an die gesetzliche Krankenkasse zur Abrechnung der ärztlichen Leistungen und zur Überprüfung der Wirtschaftlichkeit des Arztes. Auch die Berufsgenossenschaft darf informiert werden, wenn dies nötig ist, um einen Arbeitsunfall abzurechnen.
Die Sozialgesetze verpflichten in bestimmten Fällen die Krankenhäuser, die Empfänger von Sozialleistungen behandeln, zur Einholung einer Stellungnahme des medizinischen Dienstes der Krankenkassen. Auch hier gibt es Ausnahmen von der Schweigepflicht (zum Beispiel § 275 SGB V).
Verstoß gegen die Schweigepflicht: Wann macht sich der Arzt strafbar?
Nach dem Strafrecht unterliegen mehrere Berufsgruppen einer Schweigepflicht. Strafbar machen sich diese nach § 203 StGB wegen der Verletzung von Privatgeheimnissen, wenn sie fremde Geheimnisse ausplaudern, welche zum persönlichen Lebensbereich oder zu den Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen eines Menschen gehören und die sie im Rahmen ihrer Berufsausübung erfahren haben. Zu diesen Berufsgruppen gehören zum Beispiel Apotheker, Berufspsychologen mit staatlich anerkanntem Abschluss, Rechtsanwälte sowie Ärzte und Zahnärzte. Hier droht eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.
Wann ist eine Verletzung der Schweigepflicht gerechtfertigt?
Eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht kann gerechtfertigt sein, weil ein sogenannter rechtfertigender Notstand vorliegt. Nach § 34 StGB macht man sich nämlich generell nicht strafbar, wenn man eine Straftat begeht, um in einer gegenwärtigen, nicht anders abwendbaren Gefahr für Leben, Leib, Freiheit, Ehre, Eigentum oder ein anderes Rechtsgut die Gefahr von sich oder einem anderen abzuwenden. Hier gelten jedoch strenge Voraussetzungen: Eine Interessenabwägung muss stattfinden, das geschützte Interesse muss das beeinträchtigte wesentlich überwiegen und die jeweilige Handlung muss zur Abwehr der konkreten Gefahr angemessen sein.
Macht sich ein Arzt strafbar, wenn er geplante Straftaten nicht anzeigt?
Generell macht man sich auch strafbar, wenn man eine geplante schwere Straftat nicht anzeigt – wie zum Beispiel der Freund des Münchner Amokläufers, der offenbar zuvor von der Tat wusste. Dies gilt etwa für Mord, Totschlag, terroristische Anschläge und andere gemeingefährliche Straftaten. Nach § 138 StGB stehen auf die Unterlassung einer Anzeige in einem solchen Fall bis zu fünf Jahre Freiheitsentzug oder eine Geldstrafe. Dies gilt auch für Ärzte. Wenn ein Arzt von einem Patienten erfährt, dass dieser einen Mord plant, ist er zur Anzeige bei den Behörden verpflichtet.
Es gibt also tatsächlich Fälle, in denen ein Arzt verpflichtet sein kann, die Polizei zu informieren. Dies gilt jedoch nur bei konkreter Gefahr und nicht, wenn lediglich die Möglichkeit besteht, dass ein Depressionspatient vielleicht aggressiv werden könnte.
Gilt die ärztliche Schweigepflicht auch im Strafverfahren?
Zeugen in einem Strafverfahren sind grundsätzlich zur Aussage verpflichtet. Es gibt jedoch Ausnahmen. Bestimmte Berufsgruppen haben ein Zeugnisverweigerungsrecht. Dazu gehören nach § 53 und § 53a der Strafprozessordnung (StPO) auch Ärzte und ihre Berufshelfer. Dieses Zeugnisverweigerungsrecht erlischt, wenn der Betreffende durch den Patienten von seiner Schweigepflicht entbunden wird.
Verzichtet ein Arzt auf sein Zeugnisverweigerungsrecht und macht eine Aussage, kann er sich nach § 203 StGB strafbar machen – wenn er keinen Rechtsfertigungsgrund vorweisen kann, wie etwa eine Gefährdung höherer Rechtsgüter. Dies ist dann aber allein sein Risiko. In jedem Fall kann die Aussage im Strafverfahren gegen seinen Patienten als Beweismittel verwertet werden.
Wie wirkt sich die DSGVO auf die ärztliche Schweigepflicht aus?
Ärzte müssen bei der Kommunikation mit Patientendaten natürlich auch die Datenschutz-Grundverordnung und die entsprechenden Regelungen im Bundesdatenschutzgesetz beachten und die Datenverarbeitung in ihrer Praxis entsprechend organisieren. Die Nichtbeachtung dieser Gesetze kann zu hohen Bußgeldern führen. Dies gilt insbesondere, wenn Patientendaten an die Öffentlichkeit gelangen. So ist zum Beispiel bei einem Krankenhaus durchaus mit sechsstelligen Bußgeldern zu rechnen.
Erhalten Patienten bei Verletzung der Schweigepflicht Schadensersatz und Schmerzensgeld?
Eine Verletzung der ärztlichen Schweigepflicht kann auch zur Folge haben, dass der Patient Schadensersatz oder Schmerzensgeld verlangen kann. So sprach das Landgericht München einem Patienten 1.000 Euro zu, weil ein ungewollt eingeschalteter Klinikpsychologe die Diagnose "psychisch auffällig" an den Hausarzt übermittelt hatte (Urteil vom 1.10.1991, Az. 23 0 2157/91).
Praxistipp zur ärztlichen Schweigepflicht
Verstöße gegen die Schweigepflicht können strafrechtliche Folgen haben, zu Schmerzensgeldansprüchen führen und dem Arzt berufsrechtliche Probleme mit der Ärztekammer einbringen. Bei einem Rechtsstreit oder Konflikt zwischen Arzt und Patient kann ein Fachanwalt für Medizinrecht qualifizierte Beratung leisten.
(Bu)