Airlines dürfen Zahlung des Flugpreises bei Buchung verlangen

16.07.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
Flugzeug,Bargeld Muss man einen Linienflug sofort bezahlen? © Ma - Anwalt-Suchservice

Viele Linienflüge werden lange Zeit im Voraus gebucht. Da stellt sich die Frage, ob der Kunde schon bei der Buchung immer den vollen Flugpreis bezahlen muss. Dazu hat der Bundesgerichtshof entschieden.

Nicht nur Pauschalreisen, sondern auch Linienflüge werden oft lange vorher gebucht. Dies ist zum Beispiel bei Individualreisen der Fall. Oft fordern Fluggesellschaften oder Buchungsportale dann die Bezahlung des vollen Flugpreises bereits bei der Buchung. Ist dies rechtens? Mit dieser Frage hat sich der Bundesgerichtshof in drei verschiedenen Verfahren beschäftigt.

Voller Flugpreis bei Buchung fällig?


Zwei Fluggesellschaften und eine Internetplattform hatten für Flüge geworben, die sofort bei der Buchung auch komplett zu bezahlen waren. Dies stand auch so in den entsprechenden Beförderungsbedingungen. Ein Verbraucherverband zog gegen diese Praxis vor Gericht und forderte deren Unterlassung. Denn: Aus Sicht der Verbraucherschützer wurden die Flugreisenden hier unangemessen benachteiligt. Dies hätte zur Unwirksamkeit der entsprechenden Klausel in den Beförderungsbedingungen geführt. Es folgte ein Rechtsstreit durch mehrere Instanzen. In der Berufungsinstanz kam es zu unterschiedlichen Entscheidungen der drei beteiligten Gerichte zur Frage der Benachteiligung des Verbrauchers.

Zahlung bei Buchung ist keine Benachteiligung


Der Bundesgerichtshof als letzte Instanz betrachtete die entsprechende Vertragsklausel jedoch als zulässig. Allgemeine Geschäftsbedingen, in denen "Zahlung bei Buchung" gefordert werde, wären keine unangemessene Benachteiligung der Fluggäste. Dem Gericht zufolge war hier nämlich kein wesentlicher Grundgedanke des Personenbeförderungsrechtes verletzt. Insbesondere sei die Erreichung des Vertragszweckes, also der Personenbeförderung per Flugzeug, nicht gefährdet. Wenn dies der Fall gewesen wäre, hätte man die Klausel als unwirksam betrachten müssen.

Personenbeförderung als Werkvertrag?


Ein Personenbeförderungsvertrag sei grundsätzlich ein Werkvertrag im Sinne des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Für diesen existierten gesetzliche Vorschriften hinsichtlich des Zahlungszeitpunktes, beispielsweise über die Zahlung bei Abnahme der Werkleistung. Jedoch seien die Regelungen über den Werkvertrag hier nur eingeschränkt anwendbar. So kenne man bei der Personenbeförderung kein Sicherungsrecht des Unternehmers. Wenn man von diesem verlange, erst nach erfolgter Beförderung die Zahlung einzukassieren, steige sein Zahlungsausfallrisiko massiv an. Ohnehin sei eine solche Konstruktion im Massengeschäft des Linien-Flugverkehrs gar nicht durchführbar.

BGH-Rechtsprechung zum Reiserecht hier nicht anwendbar


Zwar ermögliche die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes zum Reisevertragsrecht des Bürgerlichen Gesetzbuches zwar eine Vorauszahlung bestehend aus einer Anzahlung in Höhe von höchstens 20 Prozent bei der Buchung und einer höchstens 30 Tage vor Reiseantritt fälligen Restzahlung. Das BGB-Reiserecht bezieht sich jedoch ausdrücklich nur auf Pauschalreisen. Der BGH betonte auch, dass Fluggäste durch eine sofortige Vorauszahlung in voller Höhe nicht so große Nachteile hätten, dass man deswegen gleich die weltweit im Linienverkehr übliche und von der International Air Transport Association (IATA) empfohlene Abrechnungspraxis ändern müsse.

Leistungsverweigerungsrecht ohne Gewicht


Mit seiner Vorauszahlung verliere der Fluggast das Recht, die Zahlung bis zur Bewirkung der Gegenleistung zu verweigern. Aber: Bei Flügen sei dieses Recht ohne Bedeutung. Da der Kunde sowieso nicht erfahre, welche Vorbereitungen die Airline für den Flug treffe, gewinne er durch die zusätzliche Zeit auch keine zusätzliche Sicherheit bezüglich der sorgfältigen und korrekten Erbringung der Leistung.

Fluggäste sind anderweitig abgesichert


Der BGH erläuterte auch, dass Flugpassagiere im Rahmen der EU-Fluggastrechteverordnung anderweitig abgesichert seien. Die Verordnung (EG) Nr. 261/2004 gebe ihnen den Anspruch auf Unterstützungsleistungen und Entschädigungszahlungen bei Nichtbeförderung, Annullierung oder großer Verspätung von Flügen. Die Höhe der Entschädigungen sei unter anderem von der Dauer der Verspätung und der Länge der Flugstrecke abhängig.

Wie sieht es mit dem Insolvenzrisiko aus?


Wer gleich den vollen Preis bezahlt, bleibt vielleicht später bei einer Insolvenz der Airline auf dem Verlust sitzen. Aber: Der Bundesgerichtshof ließ hier auch das Insolvenzrisiko der Fluggesellschaft nicht als Argument gegen die Vorauszahlungspflicht gelten. Luftverkehrsunternehmen hätten im Linienverkehr so vielen nationale und EU-rechtliche Zulassungs- und Aufsichtsbestimmungen zu beachten, dass dieses Risiko für den Fluggast nur sehr gering sei.

Keine Zinsen und geringerer Kontostand


Die klagenden Verbraucherschützer hatten auch mit dem bei vollständiger und sofortiger Vorauszahlung eintretenden Liquiditäts- und Zinsnachteil des Fluggasts bei einer sehr frühzeitigen Flugbuchung argumentiert. Denn immerhin steht das ausgegebene Geld dann für nichts anderes mehr zur Verfügung. Der Bundesgerichtshof meinte jedoch, dass dieser Nachteil durch den meist bei früher Buchung und Zahlung günstigeren Preis wieder ausgeglichen sei.

Voller Flugpreis bei Buchung


Der Bundesgerichtshof hat in allen drei Verfahren entschieden, dass Luftfahrtunternehmen bei Linienflügen bereits bei der Buchung die Zahlung des vollständigen Flugpreises verlangen dürfen. Dies gilt unabhängig von der Höhe des Ticketpreises und auch vom zeitlichen Abstand zwischen der Buchung und dem Reisetermin.
Alle drei Klagen, welche von den Vorinstanzen der Landgerichte in Frankfurt am Main, Köln und Hannover zum BGH kamen, wurden daher abgewiesen (Urteile vom 16. Februar 2016, Az. X ZR 97/14, X ZR 98/14, X ZR 5/15).

Praxistipp


Das heutige Reiserecht und auch die Europäische Richtlinie über die Rechte von Fluggästen geben Reisenden und Flugpassagieren viele rechtliche Möglichkeiten. Bei einem Streit mit einer Fluggesellschaft kann ein im Zivilrecht tätiger Rechtsanwalt am besten beurteilen, welche Schritte zu ergreifen sind.

(Bu)


 Stephan Buch
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