Alkohol und Autofahren: Keine MPU bei weniger als 1,6 Promille?
03.01.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Mit einer MPU (Medizinisch Psychologische Untersuchung) soll die Fahreignung von jemandem überprüft werden, bei dem die Fahrerlaubnisbehörde diese anzweifelt. Häufig wird sie von der Behörde angeordnet, wenn jemand die Neuerteilung eines Führerscheins beantragt, dem dieser wegen einer Fahrt unter Einfluss von Drogen oder Alkohol entzogen wurde. Allerdings kann auch die Entziehung der Fahrerlaubnis selbst vom Ergebnis einer MPU abhängen. Ungünstig für Autofahrer: Es gibt gegen das Ergebnis einer MPU keine Rechtsmittel. Wurde die MPU an sich rechtmäßig angeordnet, ist das Ergebnis also ohne Weiteres bindend.
Nach § 13 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ist in fünf Fällen eine MPU anzuordnen:
- Es liegt bereits ein ärztliches Gutachten oder irgendeine sonstige Tatsache vor, die dafür spricht, dass der Betroffene Alkoholmissbrauch betreibt, ohne alkoholabhängig zu sein.
- Die Person hat schon mehrfach unter Alkoholeinfluss gegen Verkehrsregeln verstoßen.
- Der Betroffene hat ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt, obwohl er mindestens 1,6 Promille Blutalkohol oder mindestens 0,8 mg/l Atemalkohol hatte.
- Ihm wurde die Fahrerlaubnis wegen einem der hier genannten ersten drei Punkte entzogen.
- Es ist aus anderen Gründen zu klären, ob noch Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit bestehen.
Diese Regelung klingt eindeutig. Dies verhindert jedoch nicht, dass Gerichte über ihre Auslegung verschiedener Ansicht sind.
Die Gerichte sind sich zeitweise nicht darüber einig gewesen, wann jemand zur MPU geschickt werden durfte. Lange Zeit mussten Autofahrer, die wegen einer Trunkenheitsfahrt verurteilt wurden, grundsätzlich erst ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,6 Promille zur MPU, wenn sie eine neue Fahrerlaubnis beantragen wollten.
Dann änderte jedoch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsprechung: Danach sollten Autofahrer, denen durch ein strafgerichtliches Urteil wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen worden war, für deren Wiedererteilung unabhängig von der Promillezahl zur MPU. Eine solche Verurteilung nach dem Strafrecht ist schon ab 0,3 Promille Alkohol im Blut möglich. Denn: Zeigt ein Fahrer mit diesem Promillewert Fahrfehler und Ausfallerscheinungen, macht er sich strafbar (BayVGH, Urteil vom 17.11.2015, Az. 11 BV 14.2738). In Baden-Würtemberg gab es ähnliche Urteile, während man in anderen Bundesländern eher bei der alten Ansicht blieb. Im Jahr 2017 folgte dann ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.
Dem Bundesverwaltungsgericht zufolge gilt: Wenn jemandem nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit unter 1,6 Promille vom Strafgericht die Fahrerlaubnis entzogen wurde, darf ihre Wiedererteilung nicht allein wegen dieses Urteils von einer MPU abhängig gemacht werden.
Es gibt jedoch ein großes Aber: Sprechen weitere Tatsachen dafür, dass Alkoholmissbrauch oder Abhängigkeit vorliegen, führt der Weg trotzdem zum Psychologen und zur MPU.
Geklagt hatten zwei Autofahrer, die nach Fahrten mit 1,28 und 1,13 Promille wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden waren. Man hatte beiden die Fahrerlaubnis entzogen. Die Behörde hatte die Wiedererteilung von einer MPU abhängig gemacht.
Das Gericht erlaubte beiden, auch ohne MPU ihre Fahrerlaubnis zurückzuerhalten. Sei es nur zu einer einzigen Trunkenheitsfahrt gekommen, müsse die 1,6-Promille-Grenze überschritten sein, um ein größeres Alkoholproblem zu vermuten und eine MPU anzuordnen. Ein strafgerichtliches Urteil allein sei noch kein eigenständiger Grund für die Anordnung einer MPU (Urteil vom 6.4.2017, Az. 3 C 24.15).
Dieses Urteil verhindert nun, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nur deshalb von einer MPU abhängig macht, weil die Fahrerlaubnis durch eine strafrechtliche Verurteilung entzogen wurde. Wichtig: Auch diese Gerichtsentscheidung darf man nicht so verstehen, dass unter 1,6 Promille nie eine MPU angeordnet wird. Immerhin können ja noch andere Tatsachen für Alkoholmissbrauch oder Sucht sprechen und dann ist die MPU-Anordnung rechtmäßig. Nur ist eben eine strafrechtliche Verurteilung allein noch keine solche Tatsache. Wenn der Fahrer jedoch wegen einer Trunkenheitsfahrt mit über 1,6 Promille verurteilt wurde, muss er regelmäßig mit einer MPU-Anordnung rechnen, wenn er wieder einen Führerschein beantragt.
Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten, weil die Antwort unter anderem von Körpergewicht und Geschlecht abhängt. Eine Rolle spielen auch die Trinkgeschwindigkeit, der Inhalt des Magens und der Alkoholabbau des Körpers. 1 Promille Blutalkohol bedeutet, dass 1 Gramm Alkohol auf 1 kg Blut (1 Liter) kommt. Auch die Zeitdauer, in der der Alkohol getrunken wird, ist wichtig. Die Leber beginnt sofort mit dem Abbau des Alkohols. Die Abbaurate hängt wieder vom individuellen Körpergewicht ab. Promillerechner im Internet ermöglichen eine Eingabe individueller Daten.
Ein Beispiel: Ein 80 kg schwerer, 180 cm großer und 35 Jahre alter Mann trinkt innerhalb einer Stunde zwei halbe Liter Bier. Er hat dann 0,37 Promille. Durchschnittlich werden bei Männern 0,15 Promille und bei Frauen 0,1 Promille pro Stunde abgebaut.
Der 80-Kilo-Mann aus dem obigen Beispiel würde, um sich mit Bier auf 1,6 (hier genauer 1,62) Promille "hochzutrinken", in 4 Stunden 4 Liter Bier trinken müssen. Wer derartige Promillewerte erreicht, hat also ganz erhebliche Mengen Alkohol intus und ist nicht mehr fahrtauglich. Wenn jemand mit solchen Werten keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigt, kann dies ein Anzeichen für eine Suchtproblematik mit entsprechender Alkoholgewöhnung sein.
Wenn die Fahrerlaubnisbehörde von Ihnen eine MPU verlangt, kann ein Fachanwalt für Verkehrsrecht die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung für Sie prüfen. Falls Ihnen wegen einer Alkoholfahrt mit weniger als 1,6 Promille die Fahrerlaubnis vom Gericht entzogen wurde, ist eine pauschale MPU-Anordnung nicht zulässig. Ob diese Anordnung anfechtbar ist, muss der Rechtsanwalt anhand des konkreten Falles beurteilen.
Das Wichtigste in Kürze
1. MPU ab 1,6 Promille: Autofahrer und sonstige Kfz-Führer, die eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille haben, müssen von Gesetzes wegen auf Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde zur medizinisch psychologischen Untersuchung.
2. MPU unter 1,6 Promille: Autofahrer und sonstige Kfz-Führer, die eine Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille haben, müssen nur dann zur medizinisch psychologischen Untersuchung, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass Alkoholmissbrauch oder Abhängigkeit vorliegen.
3. MPU nicht allein wegen Straftat: Die Verurteilung wegen einer Straftat bezüglich einer Alkoholfahrt mit weniger als 1,6 Promille reicht allein nicht für die Anordnung einer MPU aus.
1. MPU ab 1,6 Promille: Autofahrer und sonstige Kfz-Führer, die eine Blutalkoholkonzentration ab 1,6 Promille haben, müssen von Gesetzes wegen auf Anordnung der Fahrerlaubnisbehörde zur medizinisch psychologischen Untersuchung.
2. MPU unter 1,6 Promille: Autofahrer und sonstige Kfz-Führer, die eine Blutalkoholkonzentration unter 1,6 Promille haben, müssen nur dann zur medizinisch psychologischen Untersuchung, wenn Tatsachen dafür sprechen, dass Alkoholmissbrauch oder Abhängigkeit vorliegen.
3. MPU nicht allein wegen Straftat: Die Verurteilung wegen einer Straftat bezüglich einer Alkoholfahrt mit weniger als 1,6 Promille reicht allein nicht für die Anordnung einer MPU aus.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wann ist laut Gesetz eine MPU fällig? Was sagen die Gerichte zur Erforderlichkeit einer MPU? Was hat das BVerwG zum für eine MPU erforderlichen Promille-Wert entschieden? Was bedeutet das Urteil des BVerwG für alskoholisierte Autofahrer? Wie viel Alkohol ergibt welchen Promille-Wert? Wie viel Alkohol ist nötig, um 1,6 Promille zu erreichen? Praxistipp zur MPU Wann ist laut Gesetz eine MPU fällig?
Nach § 13 der Fahrerlaubnisverordnung (FeV) ist in fünf Fällen eine MPU anzuordnen:
- Es liegt bereits ein ärztliches Gutachten oder irgendeine sonstige Tatsache vor, die dafür spricht, dass der Betroffene Alkoholmissbrauch betreibt, ohne alkoholabhängig zu sein.
- Die Person hat schon mehrfach unter Alkoholeinfluss gegen Verkehrsregeln verstoßen.
- Der Betroffene hat ein Fahrzeug im Straßenverkehr geführt, obwohl er mindestens 1,6 Promille Blutalkohol oder mindestens 0,8 mg/l Atemalkohol hatte.
- Ihm wurde die Fahrerlaubnis wegen einem der hier genannten ersten drei Punkte entzogen.
- Es ist aus anderen Gründen zu klären, ob noch Alkoholmissbrauch oder Alkoholabhängigkeit bestehen.
Diese Regelung klingt eindeutig. Dies verhindert jedoch nicht, dass Gerichte über ihre Auslegung verschiedener Ansicht sind.
Was sagen die Gerichte zur Erforderlichkeit einer MPU?
Die Gerichte sind sich zeitweise nicht darüber einig gewesen, wann jemand zur MPU geschickt werden durfte. Lange Zeit mussten Autofahrer, die wegen einer Trunkenheitsfahrt verurteilt wurden, grundsätzlich erst ab einer Blutalkoholkonzentration (BAK) von 1,6 Promille zur MPU, wenn sie eine neue Fahrerlaubnis beantragen wollten.
Dann änderte jedoch der Bayerische Verwaltungsgerichtshof seine Rechtsprechung: Danach sollten Autofahrer, denen durch ein strafgerichtliches Urteil wegen einer Trunkenheitsfahrt die Fahrerlaubnis entzogen worden war, für deren Wiedererteilung unabhängig von der Promillezahl zur MPU. Eine solche Verurteilung nach dem Strafrecht ist schon ab 0,3 Promille Alkohol im Blut möglich. Denn: Zeigt ein Fahrer mit diesem Promillewert Fahrfehler und Ausfallerscheinungen, macht er sich strafbar (BayVGH, Urteil vom 17.11.2015, Az. 11 BV 14.2738). In Baden-Würtemberg gab es ähnliche Urteile, während man in anderen Bundesländern eher bei der alten Ansicht blieb. Im Jahr 2017 folgte dann ein Urteil des Bundesverwaltungsgerichts.
Was hat das BVerwG zum für eine MPU erforderlichen Promille-Wert entschieden?
Dem Bundesverwaltungsgericht zufolge gilt: Wenn jemandem nach einer einmaligen Trunkenheitsfahrt mit unter 1,6 Promille vom Strafgericht die Fahrerlaubnis entzogen wurde, darf ihre Wiedererteilung nicht allein wegen dieses Urteils von einer MPU abhängig gemacht werden.
Es gibt jedoch ein großes Aber: Sprechen weitere Tatsachen dafür, dass Alkoholmissbrauch oder Abhängigkeit vorliegen, führt der Weg trotzdem zum Psychologen und zur MPU.
Geklagt hatten zwei Autofahrer, die nach Fahrten mit 1,28 und 1,13 Promille wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr verurteilt worden waren. Man hatte beiden die Fahrerlaubnis entzogen. Die Behörde hatte die Wiedererteilung von einer MPU abhängig gemacht.
Das Gericht erlaubte beiden, auch ohne MPU ihre Fahrerlaubnis zurückzuerhalten. Sei es nur zu einer einzigen Trunkenheitsfahrt gekommen, müsse die 1,6-Promille-Grenze überschritten sein, um ein größeres Alkoholproblem zu vermuten und eine MPU anzuordnen. Ein strafgerichtliches Urteil allein sei noch kein eigenständiger Grund für die Anordnung einer MPU (Urteil vom 6.4.2017, Az. 3 C 24.15).
Was bedeutet das Urteil des BVerwG für alskoholisierte Autofahrer?
Dieses Urteil verhindert nun, dass die Fahrerlaubnisbehörde die Wiedererteilung der Fahrerlaubnis nur deshalb von einer MPU abhängig macht, weil die Fahrerlaubnis durch eine strafrechtliche Verurteilung entzogen wurde. Wichtig: Auch diese Gerichtsentscheidung darf man nicht so verstehen, dass unter 1,6 Promille nie eine MPU angeordnet wird. Immerhin können ja noch andere Tatsachen für Alkoholmissbrauch oder Sucht sprechen und dann ist die MPU-Anordnung rechtmäßig. Nur ist eben eine strafrechtliche Verurteilung allein noch keine solche Tatsache. Wenn der Fahrer jedoch wegen einer Trunkenheitsfahrt mit über 1,6 Promille verurteilt wurde, muss er regelmäßig mit einer MPU-Anordnung rechnen, wenn er wieder einen Führerschein beantragt.
Wie viel Alkohol ergibt welchen Promille-Wert?
Diese Frage kann man nicht pauschal beantworten, weil die Antwort unter anderem von Körpergewicht und Geschlecht abhängt. Eine Rolle spielen auch die Trinkgeschwindigkeit, der Inhalt des Magens und der Alkoholabbau des Körpers. 1 Promille Blutalkohol bedeutet, dass 1 Gramm Alkohol auf 1 kg Blut (1 Liter) kommt. Auch die Zeitdauer, in der der Alkohol getrunken wird, ist wichtig. Die Leber beginnt sofort mit dem Abbau des Alkohols. Die Abbaurate hängt wieder vom individuellen Körpergewicht ab. Promillerechner im Internet ermöglichen eine Eingabe individueller Daten.
Ein Beispiel: Ein 80 kg schwerer, 180 cm großer und 35 Jahre alter Mann trinkt innerhalb einer Stunde zwei halbe Liter Bier. Er hat dann 0,37 Promille. Durchschnittlich werden bei Männern 0,15 Promille und bei Frauen 0,1 Promille pro Stunde abgebaut.
Wie viel Alkohol ist nötig, um 1,6 Promille zu erreichen?
Der 80-Kilo-Mann aus dem obigen Beispiel würde, um sich mit Bier auf 1,6 (hier genauer 1,62) Promille "hochzutrinken", in 4 Stunden 4 Liter Bier trinken müssen. Wer derartige Promillewerte erreicht, hat also ganz erhebliche Mengen Alkohol intus und ist nicht mehr fahrtauglich. Wenn jemand mit solchen Werten keine alkoholbedingten Ausfallerscheinungen zeigt, kann dies ein Anzeichen für eine Suchtproblematik mit entsprechender Alkoholgewöhnung sein.
Praxistipp zur MPU
Wenn die Fahrerlaubnisbehörde von Ihnen eine MPU verlangt, kann ein Fachanwalt für Verkehrsrecht die Rechtmäßigkeit dieser Anordnung für Sie prüfen. Falls Ihnen wegen einer Alkoholfahrt mit weniger als 1,6 Promille die Fahrerlaubnis vom Gericht entzogen wurde, ist eine pauschale MPU-Anordnung nicht zulässig. Ob diese Anordnung anfechtbar ist, muss der Rechtsanwalt anhand des konkreten Falles beurteilen.
(Ma)