Alkoholverbot in der Öffentlichkeit: Was darf eine Gemeinde anordnen?
19.12.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik In öffentlichen Verkehrsmitteln sind Alkoholverbote heute üblich. Der Hausherr hat hier das Sagen, und dieser ist die jeweilige Verkehrsgesellschaft. Wie verhält es sich damit aber auf öffentlichen Straßen und Plätzen? Nicht in jeder Gemeinde ist Alkoholkonsum in der Öffentlichkeit gern gesehen. Verbote wären eine Lösung. Sind sie rechtlich zulässig?
Wenn die öffentliche Ordnung in Gefahr ist, darf eine Gemeinde Regelungen treffen, um diese zu gewährleisten oder wiederherzustellen. Dabei setzt ihr jedoch das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit Grenzen (Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz). Obendrein gilt es auch, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Und das ist nicht immer einfach, denn hier sind Abwägungen im Spiel.
Die Nöte der Stadtverwaltung von Palma de Mallorca werden oft zum Thema von Presseartikeln. Dort wurden in den letzten Jahren immer neue Regelungen erlassen, damit das Stadtbild nicht mehr durch alkoholisierte Touristen in Badehose und Flip-Flops bestimmt wird, sowie durch herumliegenden Müll, Schnapsleichen und "Eimersaufen". Für Palma hat sich dadurch allerhand verändert.
Die kleine Stadt Forst in der Lausitz hat vor mehreren Jahren ebenfalls strenge Regeln erlassen, um unerwünschtes Verhalten in der Öffentlichkeit zu unterbinden. Nicht bekannt ist jedoch, ob die dortigen Zustände tatsächlich so schlimm waren, wie auf der Ferieninsel. Zumindest wurde eine ordnungsbehördliche Verordnung erlassen, die diverse Arten von Fehlverhalten untersagte.
Seitdem sind dort Bußgelder möglich beispielsweise für aggressives Betteln, Trinkgelage, Anpöbeln von Passanten, Gefährdung anderer durch Liegenlassen von Flaschen und deren Bruchstücken, Ausschlafen von Rausch, Schmierereien, Wegwerfen und Zurücklassen von Abfall und Verrichten der Notdurft. Die Verordnung wurde 2015 geändert und enthält nun auch das strikte Verbot, in sechs Straßenabschnitten in der Nähe eines Einkaufszentrums öffentlich Alkohol zu konsumieren.
Der Landkreis als übergeordnete Behörde war mit diesen Vorgaben der Gemeinde jedoch nicht einverstanden. Man hielt dort ein so weitgehendes Verbot nicht für zulässig. Der Landkreis ordnete seinerseits an, die geänderte Verordnung aufzuheben und die schon in den Einkaufsstraßen aufgestellten Verbotsschilder wieder ins Depot zu verfrachten. Die Gemeinde wehrte sich dagegen - mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht.
Das Verwaltungsgericht Cottbus fragte sich zunächst, ob man aus Alkoholkonsum an sich schon schließen könne, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gegeben sei. Nur dies würde eine solche Verordnung rechtfertigen. Schließlich werde durch diese auch volljährigen Personen, die sich völlig harmlos verhielten, jeder Alkoholkonsum in den betreffenden Straßen verboten – und das ganztägig und das ganze Jahr über.
Nun existierten aber gar keine konkreten Erkenntnisse über Alkoholkonsum und Fehlverhalten. So konnte gar nicht belegt werden, dass es in der Gemeinde Forst in besonderem Maße gerade wegen Alkoholkonsums zu einem Fehlverhalten von Personen in der Öffentlichkeit gekommen sei. Das Gericht stellte sich außerdem auf den Standpunkt, dass ein derartiges Verbot nicht unbedingt geeignet sei, um alkoholbedingtes Fehlverhalten zu verhindern. Schließlich könne jeder, der Alkohol trinken wolle, dies außerhalb der Verbotszone tun. Anschließend könne er dann wieder in die Straßen zurücklaufen, die die Stadt repräsentativ und frei von alkoholisierten Mitbürgern halten wolle.
Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer behördlichen Maßnahme gehört, ob diese geeignet, erforderlich und angemessen ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Das Gericht zweifelte hier auch an der Erforderlichkeit und Angemessenheit des Alkoholverbots. Die Stadt selbst habe zuvor gegenüber dem Landkreis erklärt, dass sie ein Alkoholverbot in den Monaten April bis Oktober in der Tageszeit von 14 Uhr bis 3 Uhr früh für ausreichend halte. Die neue Verordnung überschreite diesen Rahmen aber deutlich. Gründe dafür seien nicht ersichtlich.
Die Stadt habe durch ihre alte Verordnung auch ohne die Änderung schon weitreichende Möglichkeiten, um unerwünschtes Verhalten in der Öffentlichkeit zu unterbinden. Diese Verbote erschienen zur Wahrung der öffentlichen Ordnung ausreichend und griffen weniger in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ein.
Das Gericht wies außerdem auch noch darauf hin, dass eine ordnungsbehördliche Verordnung nicht in erster Linie den Zweck habe, den Ordnungsbehörden die Arbeit zu erleichtern. Die Umsetzung bestehender Vorschriften müsse Vorrang haben vor dem Erlass immer neuer Regeln. Insgesamt lehnte das Gericht das Alkoholverbot als nicht verhältnismäßig ab (VG Cottbus, 21.12.2016, Az. 4 L 206/16).
Der Prozess ging jedoch vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg weiter, denn die Gemeinde bestand auf ihrem Alkoholverbot. Das OVG entschied: Eine städtische Verordnung, die den Konsum von Alkohol an bestimmten Plätzen verbietet, ist rechtswidrig.
Das OVG teilte die Ansicht der Vorinstanz, dass das Verbot zu weit ginge. Der Konsum von Alkohol allein lege noch nicht nahe, dass jemand gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit verstoße. Die Regelung sei nicht erforderlich, da die Gemeinde auch ohne sie ausreichende Möglichkeiten zum Schutz dieser Rechtsgüter habe. Weitere Rechtsmittel wurden nicht zugelassen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.7.2017, Az. OVG 12 S 7.17).
Hier zeigt sich wieder einmal, dass Gemeinden nicht nach Belieben in Freiheitsrechte eingreifen können - zumindest nicht ohne guten Grund. Ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht kann alle Fragen zur Rechtmäßigkeit von behördlichem Vorgehen beantworten und Ihnen bei Bedarf helfen, Ihre Rechte zu wahren.
Viele Zeitgenossen frönen auch auf öffentlichen Straßen und Plätzen dem Alkoholkonsum. So mancher Gemeinde ist das ein Dorn im Auge. Dürfen Gemeinden so etwas einfach verbieten?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Worüber dürfen Gemeinden Regelungen treffen? Geht es in der Lausitz wie auf Palma de Mallorca zu? Aufhebung des Alkoholverbots durch den Landkreis Wann gefährdet Alkoholkonsum die öffentliche Sicherheit und Ordnung? Wann ist ein Alkoholverbot erforderlich und angemessen? Was ist der Zweck einer gemeindlichen Verordnung? Was sagt das Oberverwaltungsgericht zum Alkoholverbot in der Öffentlichkeit? Praxistipp zum Alkoholverbot in der Öffentlichkeit Worüber dürfen Gemeinden Regelungen treffen?
Wenn die öffentliche Ordnung in Gefahr ist, darf eine Gemeinde Regelungen treffen, um diese zu gewährleisten oder wiederherzustellen. Dabei setzt ihr jedoch das Grundrecht auf allgemeine Handlungsfreiheit Grenzen (Artikel 2 Absatz 1 Grundgesetz). Obendrein gilt es auch, den Grundsatz der Verhältnismäßigkeit zu wahren. Und das ist nicht immer einfach, denn hier sind Abwägungen im Spiel.
Geht es in der Lausitz wie auf Palma de Mallorca zu?
Die Nöte der Stadtverwaltung von Palma de Mallorca werden oft zum Thema von Presseartikeln. Dort wurden in den letzten Jahren immer neue Regelungen erlassen, damit das Stadtbild nicht mehr durch alkoholisierte Touristen in Badehose und Flip-Flops bestimmt wird, sowie durch herumliegenden Müll, Schnapsleichen und "Eimersaufen". Für Palma hat sich dadurch allerhand verändert.
Die kleine Stadt Forst in der Lausitz hat vor mehreren Jahren ebenfalls strenge Regeln erlassen, um unerwünschtes Verhalten in der Öffentlichkeit zu unterbinden. Nicht bekannt ist jedoch, ob die dortigen Zustände tatsächlich so schlimm waren, wie auf der Ferieninsel. Zumindest wurde eine ordnungsbehördliche Verordnung erlassen, die diverse Arten von Fehlverhalten untersagte.
Seitdem sind dort Bußgelder möglich beispielsweise für aggressives Betteln, Trinkgelage, Anpöbeln von Passanten, Gefährdung anderer durch Liegenlassen von Flaschen und deren Bruchstücken, Ausschlafen von Rausch, Schmierereien, Wegwerfen und Zurücklassen von Abfall und Verrichten der Notdurft. Die Verordnung wurde 2015 geändert und enthält nun auch das strikte Verbot, in sechs Straßenabschnitten in der Nähe eines Einkaufszentrums öffentlich Alkohol zu konsumieren.
Aufhebung des Alkoholverbots durch den Landkreis
Der Landkreis als übergeordnete Behörde war mit diesen Vorgaben der Gemeinde jedoch nicht einverstanden. Man hielt dort ein so weitgehendes Verbot nicht für zulässig. Der Landkreis ordnete seinerseits an, die geänderte Verordnung aufzuheben und die schon in den Einkaufsstraßen aufgestellten Verbotsschilder wieder ins Depot zu verfrachten. Die Gemeinde wehrte sich dagegen - mit einem Eilantrag vor dem Verwaltungsgericht.
Wann gefährdet Alkoholkonsum die öffentliche Sicherheit und Ordnung?
Das Verwaltungsgericht Cottbus fragte sich zunächst, ob man aus Alkoholkonsum an sich schon schließen könne, dass eine Gefahr für die öffentliche Ordnung und Sicherheit gegeben sei. Nur dies würde eine solche Verordnung rechtfertigen. Schließlich werde durch diese auch volljährigen Personen, die sich völlig harmlos verhielten, jeder Alkoholkonsum in den betreffenden Straßen verboten – und das ganztägig und das ganze Jahr über.
Nun existierten aber gar keine konkreten Erkenntnisse über Alkoholkonsum und Fehlverhalten. So konnte gar nicht belegt werden, dass es in der Gemeinde Forst in besonderem Maße gerade wegen Alkoholkonsums zu einem Fehlverhalten von Personen in der Öffentlichkeit gekommen sei. Das Gericht stellte sich außerdem auf den Standpunkt, dass ein derartiges Verbot nicht unbedingt geeignet sei, um alkoholbedingtes Fehlverhalten zu verhindern. Schließlich könne jeder, der Alkohol trinken wolle, dies außerhalb der Verbotszone tun. Anschließend könne er dann wieder in die Straßen zurücklaufen, die die Stadt repräsentativ und frei von alkoholisierten Mitbürgern halten wolle.
Wann ist ein Alkoholverbot erforderlich und angemessen?
Zur Prüfung der Verhältnismäßigkeit einer behördlichen Maßnahme gehört, ob diese geeignet, erforderlich und angemessen ist, um das angestrebte Ziel zu erreichen. Das Gericht zweifelte hier auch an der Erforderlichkeit und Angemessenheit des Alkoholverbots. Die Stadt selbst habe zuvor gegenüber dem Landkreis erklärt, dass sie ein Alkoholverbot in den Monaten April bis Oktober in der Tageszeit von 14 Uhr bis 3 Uhr früh für ausreichend halte. Die neue Verordnung überschreite diesen Rahmen aber deutlich. Gründe dafür seien nicht ersichtlich.
Die Stadt habe durch ihre alte Verordnung auch ohne die Änderung schon weitreichende Möglichkeiten, um unerwünschtes Verhalten in der Öffentlichkeit zu unterbinden. Diese Verbote erschienen zur Wahrung der öffentlichen Ordnung ausreichend und griffen weniger in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit ein.
Was ist der Zweck einer gemeindlichen Verordnung?
Das Gericht wies außerdem auch noch darauf hin, dass eine ordnungsbehördliche Verordnung nicht in erster Linie den Zweck habe, den Ordnungsbehörden die Arbeit zu erleichtern. Die Umsetzung bestehender Vorschriften müsse Vorrang haben vor dem Erlass immer neuer Regeln. Insgesamt lehnte das Gericht das Alkoholverbot als nicht verhältnismäßig ab (VG Cottbus, 21.12.2016, Az. 4 L 206/16).
Was sagt das Oberverwaltungsgericht zum Alkoholverbot in der Öffentlichkeit?
Der Prozess ging jedoch vor dem Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg weiter, denn die Gemeinde bestand auf ihrem Alkoholverbot. Das OVG entschied: Eine städtische Verordnung, die den Konsum von Alkohol an bestimmten Plätzen verbietet, ist rechtswidrig.
Das OVG teilte die Ansicht der Vorinstanz, dass das Verbot zu weit ginge. Der Konsum von Alkohol allein lege noch nicht nahe, dass jemand gegen die öffentliche Ordnung und Sicherheit verstoße. Die Regelung sei nicht erforderlich, da die Gemeinde auch ohne sie ausreichende Möglichkeiten zum Schutz dieser Rechtsgüter habe. Weitere Rechtsmittel wurden nicht zugelassen (OVG Berlin-Brandenburg, Urteil vom 14.7.2017, Az. OVG 12 S 7.17).
Praxistipp zum Alkoholverbot in der Öffentlichkeit
Hier zeigt sich wieder einmal, dass Gemeinden nicht nach Belieben in Freiheitsrechte eingreifen können - zumindest nicht ohne guten Grund. Ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht kann alle Fragen zur Rechtmäßigkeit von behördlichem Vorgehen beantworten und Ihnen bei Bedarf helfen, Ihre Rechte zu wahren.
(Ma)