Ampel springt von Grün auf Gelb: Voll auf die Bremse?

25.07.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Gelbphase,Gelblichtverstoß,Ampel,Mithaftung,Unfall Wer bei Gelb noch schnell fährt, haftet bei einem Unfall. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Bremsbereitschaft: Bei Gelblicht muss der Autofahrer bremsbereit sein und prüfen, ob ein sicheres Anhalten vor der Haltelinie möglich ist.

2. Einschätzung der Verkehrssituation: Abhängig von Geschwindigkeit, Abstand zur Ampel und Straßenverhältnissen entscheiden, ob ein sicheres Anhalten oder ein vorsichtiges Weiterfahren angebracht ist.

3. Kein Beschleunigen: Das Beschleunigen, um noch "schnell" über die Ampel zu kommen, ist nicht erlaubt und kann als Ordnungswidrigkeit geahndet werden. Kommt es zum Unfall, ist grundsätzlich eine überwiegende Haftung anzunehmen.

4. Kräftiges Bremsen: Auch kräftiges Bremsen kann unangemessen sein und zur Mithaftung bei einem Unfall führen. Grundsätzlich gilt hier aber: Wenn's hinten knallt, gibt's vorne Geld.
Natürlich weiß jeder, dass man bei "Rot" nicht fahren darf. Aber: Auch bei "Gelb" muss man laut Gesetz anhalten. Vielen Verkehrsteilnehmern ist dies nicht bekannt. Vorgeschrieben ist dies in § 37 Abs. 2 der Straßenverkehrsordnung (StVO). Nach dieser Regelung ordnet gelbes Licht an der Ampel an: "Vor der Kreuzung auf das nächste Zeichen warten". Losfahren ist erst bei "Grün" erlaubt.

Was sagt die StVO zum Gelblichtverstoß?


Eine Missachtung dieser Regel stellt gemäß § 49 StVO eine Ordnungswidrigkeit im Sinne von § 24 Straßenverkehrsgesetz (STVG) dar. In manchen Fällen spricht die Polizei auch durchaus wegen eines Gelblichtverstoßes eine Verwarnung aus. Wie teuer diese wird, richtet sich nach dem Bußgeldkatalog: Wer bei gleichzeitig leuchtendem roten und gelben Licht losfährt (also zu früh nach der Rotphase) muss mit 15 Euro rechnen. Fährt man nach dem Ende der Grünphase bei gelbem Licht los, sind es zehn Euro.

Bei reinem Gelblicht gibt es jedoch eine Einschränkung: Das Überqueren der Haltelinie ist nur dann eine Ordnungswidrigkeit, wenn der Fahrer noch gefahrlos hätte anhalten können. War ihm dies nicht möglich, weil er etwa ein anderes Fahrzeug dicht hinter sich hatte, kann man ihm den Gelblichtverstoß nicht vorwerfen.

Wer jedoch mit einer solchen Argumentation gegen einen Bußgeldbescheid Einspruch einlegen will, sollte diesen Umstand auch beweisen können. Übrigens: Ein Einspruch führt zu einem Gerichtsverfahren mit Verhandlung, und ob sich dies lohnt, wenn es nur um zehn bis 15 Euro geht, muss jeder selbst beurteilen.

Wie lange dauert die Gelbphase einer Ampel?


Wie lange eine Gelbphase dauern muss, hängt von der zulässigen Höchstgeschwindigkeit an der jeweiligen Stelle ab. Bei einer zulässigen Höchstgeschwindigkeit von 50 km/h dauert die Gelbphase üblicherweise drei Sekunden. Bei einer Geschwindigkeitsbegrenzung auf 60 km/h sind es vier Sekunden und bei 70 km/h fünf Sekunden.

Schnell noch bei Gelb über die Kreuzung - Unfall


Das Oberlandesgericht Hamm hat sich mit einem Fall befasst, in dem es um das korrekte Verhalten beim Umspringen einer Ampel von Grün auf gelb ging.
Es ging dabei um den Fahrer eines schweren Sattelzuges, der noch bei Gelb schnell in eine Kreuzung eingefahren war und links abbiegen wollte. Nur kam aus der Gegenrichtung ein Motorrollerfahrer, der zügig losgefahren war, als seine Ampel von Rot/Gelb auf Grün umsprang. Dieser wollte geradeaus die Kreuzung überqueren. Schnell hatte er den abbiegenden Sattelzug vor sich. Daraufhin machte der Rollerfahrer eine Vollbremsung, stürzte und kollidierte mit dem Unterfahrschutz des Sattelaufliegers. Dabei zog er sich erhebliche Verletzungen zu und verlor unter anderem seine Milz. Vor Gericht verlangte er später vom LKW-Fahrer und dessen Haftpflichtversicherung Schadensersatz in Höhe von 13.500 Euro und ein Schmerzensgeld von 40.000 Euro.

Unfall auf der Kreuzung: Wer war schuld?


70 Prozent seiner Forderung gestand das Gericht dem Rollerfahrer immerhin zu. Dies begründete es damit, dass der LKW-Fahrer den Unfall überwiegend verschuldet habe. Denn der sei während der Gelbphase über die Kreuzung gefahren, obwohl er verpflichtet gewesen sei, anzuhalten und das nächste Signal abzuwarten. Da dieses "Rot" gewesen wäre, habe er anhalten müssen, statt auf das Gaspedal zu treten.

Sei in einer solchen Situation kein sicheres Anhalten mit einer normalen Bremsung möglich, dürfe man zwar grundsätzlich schon weiterfahren. Man müsse jedoch den Kreuzungsbereich hinter der Ampel möglichst zügig überqueren.

Ein Sachverständigengutachten hatte ergeben, dass der LKW-Fahrer noch gefahrlos hätte bremsen und anhalten können. Ob er es noch geschafft hätte, vor der Haltelinie zum Stehen zu kommen oder erst kurz dahinter, sei unwichtig. Hier ginge es in erster Linie um die Gefährdung des Querverkehrs. Diese sei bei einem besonders großen und schweren Fahrzeug, das nur langsam in die Kreuzung einfahren könne, besonders hoch.

Das Gericht kritisierte auch, dass der Sattelzug-Fahrer den LKW nicht angehalten und sein Abbiegen abgebrochen habe, als der Rollerfahrer in die Kreuzung einfuhr. Der LKW-Fahrer habe sich nicht darauf verlassen dürfen, dass der Rollerfahrer ihm als "Kreuzungsräumer" Vorfahrt einräume (Oberlandesgericht Hamm, Urteil vom 30.5.2016, Az. 6 U 13/16).

Welches Mitverschulden hat der Unfallgegner?


Das OLG Hamm sprach dem Rollerfahrer eine Mithaftung zu. Er trage eine Mitschuld am Unfall, da er beim Einfahren in die Kreuzung nicht auf den LKW geachtet habe. Jeder Verkehrsteilnehmer sei dazu verpflichtet, die Gefährdung anderer möglichst zu vermeiden. Eine grüne Ampel heiße nicht, dass man einfach drauflosfahren dürfe, ohne auf die Umgebung zu achten. Das Rücksichtnahmegebot des § 1 StVO gelte trotzdem. Daher musste sich der Rollerfahrer ein Mitverschulden von 30 Prozent anrechnen lassen.

Was gilt bei einem Auffahrunfall vor der Ampel?


Natürlich kann es passieren, dass ein Anhalten vor der Ampel während der Gelbphase zu einem Unfall führt. Mit einem solchen Auffahrunfall beschäftigte sich das Oberlandesgericht Celle 2018. Ein Verkehrsteilnehmer hatte beim Umspringen der Ampel von "Grün" auf "Gelb" plötzlich gebremst. Der Fahrer dahinter war ihm aufgefahren und verklagte ihn nun auf Schadensersatz. Das Auto, welches gebremst hatte, kam erst anderthalb Meter hinter der Haltelinie zum Stehen.

Wie entschied das Gericht zum Auffahrunfall?


Das OLG Celle wies die Klage ab. Man könne dem Beklagten keinen Vorwurf machen, weil er sich an die Verkehrsregeln gehalten habe. Diese besagten nun einmal, dass man beim Umspringen einer Ampel von "Grün" auf "Gelb" anhalten müsse. Auch der Kläger habe diese Pflicht gehabt. Die Kreuzung sei gut einsehbar gewesen; es habe keinen Grund gegeben, nicht anzuhalten. Man müsse vor einer Ampelkreuzung damit rechnen, dass das vor einem fahrende Fahrzeug abrupt bremse, weil die Ampelphase wechsle. Der erste Fahrer an der Ampel müsse keine Rücksicht auf unachtsame Fahrer hinter ihm nehmen. Hier haftete der Fahrer, der gebremst hatte, also nicht – auch nicht im Rahmen eines Mitverschuldens (Beschluss vom 7.5.2018, Az. 14 U 60/18).

Praxistipp zur Gelbphase der Ampel


Man sollte immer auch vor einer Ampel die Ruhe bewahren. Wenn diese auf "Gelb" springt, ist Anhalten angesagt. Falls der "Hintermann" in dieser Situation auffährt, hat er vor Gericht schlechte Karten. Im Falle eines Unfalles hilft ein Rechtsanwalt, der sich auf das Zivilrecht spezialisiert hat, oder – besonders bei Bußgeldangelegenheiten – ein Fachanwalt für Verkehrsrecht.

(Bu)


 Stephan Buch
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion