Amtsmissbrauch: Bewährungsstrafe für den Staatsanwalt

09.10.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Amtsmissbrauch,Beamte,Staatsanwalt,Bewährung Auch Staatsanwälte stehen nicht außerhalb des Gesetzes. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Begriff: Unter "Amtsmissbrauch" werden landläufig alle speziellen Straftaten verstanden, die Amtsträger in Ausübung ihres Amtes begehen können. Eine expliziten Straftatbestand mit dieser Bezeichnung gibt es aber nicht.

2. Straftatbestände: Zu nennen sind hier insbesondere Korruption, Bestechlichkeit, Vorteilsnahme, Falschbeurkundung, Strafvereitelung im Amt, aber auch sexueller Missbrauch und Nötigung durch Amtsträger.

3. Strafen: Amtsträger, die eine der zuvor genannten Straftaten begehen, drohen empfindliche Geld- und Freiheitsstrafen.
Korruption, Vetternwirtschaft, Amtsmissbrauch - dies sind gerne benutzte Schlagwörter in den Medien und am Stammtisch. Aber: Was versteht man darunter wirklich? Und wann liegt eine Straftat vor?

Was ist eigentlich Amtsmissbrauch?


Das deutsche Recht kennt keinen generellen Straftatbestand "Amtsmissbrauch". Besser gesagt: Es kennt ihn nicht mehr. Im Dritten Reich wurde eine Vorschrift dazu aus dem Strafgesetzbuch gestrichen. Trotzdem können sich auch heute deutsche Beamte nicht einfach alles erlauben, was sie möchten. Eine ganze Reihe von Vorschriften betreffen die sogenannten Amtsdelikte. Darunter versteht man Straftaten, die nur von Amtsträgern begangen werden können und die speziell geregelt sind.

Welche besonderen Straftaten können Amtsträger begehen?


An Korruption denkt man bei Amtsmissbrauch meist zuerst. Tatsächlich ist diese strafbar: Laut § 331 des Strafgesetzbuches (StGB) wird die Vorteilsannahme, also das Annehmen von Vorteilen für Dienstleistungen, mit einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe geahndet. Bei Richtern sind es bis zu fünf Jahre. Auf Bestechlichkeit steht nach § 332 StGB eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren. Der Unterschied: Eine Vorteilsnahme liegt schon dann vor, wenn sich der Amtsträger Vorteile dafür versprechen lässt, dass er seine ganz normalen, pflichtgemäßen Diensthandlungen ausübt. Bei der Bestechlichkeit geht es darum, dass der Betreffende gegen eine Gegenleistung eine bestimmte Diensthandlung durchführt und dadurch seine Dienstpflichten verletzt.

In manchen Fällen mag für Beamte die Versuchung bestehen, öffentliche Urkunden zu manipulieren, falsche Einträge in Register vorzunehmen oder falsche Daten einzutragen. Hier handelt es sich um eine Falschbeurkundung im Amt. Darauf stehen nach § 348 StGB eine Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder eine Geldstrafe.

Auch das Erheben von überhöhten Gebühren zum eigenen Vorteil ist eine Straftat. Laut § 352 StGB steht auf eine Gebührenübererhebung eine Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe.

Wie kann man sich als Mitarbeiter der Strafverfolgung strafbar machen?


Auch Mitarbeiter von Strafverfolgungsbehörden können sich strafbar machen. Natürlich grundsätzlich wegen der oben dargestellten Delikte, aber auch ganz speziell, weil sie die Bestrafung eines Straftäters verhindern. Dies nennt sich dann Strafvereitelung im Amt. Laut § 258a StGB droht dem Täter dann eine Freiheitsstrafe von sechs Monaten bis zu fünf Jahren, in minder schweren Fällen eine Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder eine Geldstrafe.

Sind sexueller Missbrauch und Nötigung durch Amtsträger strafbar?


Ja. § 174b StGB stellt ausdrücklich den sexuellen Missbrauch unter Ausnutzung einer Amtsstellung unter Strafe. Strafbar machen sich Amtsträger, die an einem Strafverfahren oder einem Verfahren zur Anordnung einer freiheitsentziehenden Maßregel der Besserung und Sicherung oder einer behördlichen Verwahrung mitwirken und sexuelle Handlungen an der Person begehen, gegen die sich das Verfahren richtet. Dabei wird deren Abhängigkeit von der Amtsperson ausgenutzt. Hier beträgt die Freiheitsstrafe für den Amtsträger drei Monate bis fünf Jahre.

Seit 1998 stellt eine besondere Regelung eine durch einen Amtsträger begangene Nötigung unter Strafe. Generell liegt eine Nötigung vor, wenn jemand einen anderen "rechtswidrig mit Gewalt oder durch Drohung mit einem empfindlichen Übel zu einer Handlung, Duldung oder Unterlassung nötigt." Dabei ist auch schon der Versuch strafbar. Wer eine solche Tat als Amtsträger unter Ausnutzung seiner Position begeht, wird deutlich strenger bestraft als ein Normalbürger, nämlich mit einer Freiheitsstrafe von mindestens sechs Monaten und bis zu fünf Jahren, statt einer Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder einer Geldstrafe. Geregelt ist dies in § 240 Abs. 4 Nr. 2 StGB.

Der Fall: Staatsanwalt auf Abwegen


Das Amtsgericht Frankfurt hat sich mit dem Fall eines Staatsanwalts beschäftigt, dessen Gesetzestreue offenbar zu wünschen übrig ließ. Dies zeigte sich beispielsweise an seinem Verhalten gegenüber der Polizei. So geriet er einmal alkoholisiert als Beifahrer in Gießen in eine Verkehrskontrolle. Er beleidigte einen der kontrollierenden Polizeibeamten und schlug diesen auch noch. Bei einer anderen Gelegenheit geriet er beim Ausgehen mit den Türstehern einer Diskothek in Streit – offenbar, weil er nicht eingelassen wurde. Er rief die Polizei, um Druck auszuüben. Obendrein half der Staatsanwalt einem Bekannten, der einen Ehestreit hatte: Er schickte dessen Ehefrau, die sich von seinem Bekannten getrennt hatte (einer Rechtsanwältin), ein Schreiben mit Behördenbriefkopf. Darin verlangte er die Herausgabe verschiedener Gegenstände – darunter einer Skiausstattung. Andernfalls drohte er rechtliche Schritte an. Es gab jedoch keinerlei dienstliche Gründe für das Schreiben.

Was waren die Folgen?


Der Staatsanwalt wurde vom Dienst suspendiert. Er wurde angeklagt wegen Nötigung unter Missbrauch seiner Stellung als Amtsträger nach § 240 Abs. 4 StGB, Beleidigung, versuchter Nötigung, Körperverletzung, falscher Verdächtigung und Notruf-Missbrauch. Die letzten Punkte bezogen sich auf das Herbeirufen der Polizei bei dem verhinderten Diskobesuch. Das Gericht befragte zu diesem Vorkommnis mehrere Mitarbeiter der Diskothek als Zeugen. Zwar widersprachen sich deren Aussagen zum Teil. Zur Überzeugung des Gerichts stand jedoch fest, dass es keinen Notfall gegeben hatte, in dem man die Polizei hätte rufen müssen. Immerhin äußerte der Staatsanwalt sein Bedauern über die Vorfälle.

Das Gericht verurteilte den Staatsanwalt zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung. Zusätzlich bekam er die Auflage, 8.000 Euro an eine Polizeistiftung zu spenden. Seine Kollegen hatten ursprünglich 13 Monate gefordert. Dann wäre er mit Rechtskraft des Urteils aus dem Staatsdienst geflogen, denn ab 12 Monaten Freiheitsstrafe verlieren Beamte ihren Beamtenstatus. Dies besagt § 24 Beamtenstatusgesetz.

Der Staatsanwalt legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein. Dieses wurde jedoch vom Landgericht Frankfurt a. M. bestätigt (Az. 4460 Js 14207/15). Auch ein dienstliches Disziplinarverfahren wurde gegen ihn eröffnet.

TÜV ohne Prüfung


Vor dem Landgericht Köln wurde der Fall eines Prüfingenieurs verhandelt, der die Hauptuntersuchung an Kraftfahrzeugen durchführen sollte. Dieser war dazu übergegangen, bei zu prüfenden Fahrzeugen eines befreundeten Gebrauchtwagenhändlers zunächst Mängel festzustellen und dann beim zweiten Termin ohne Prüfung die Plakette zu erteilen - gegen geringe Geldbeträge oder bei einem zweiten Bekannten auch gegen Fleisch- und Wurstwaren zum Eigenverbrauch. Das Gericht verurteilte den Prüfer wegen Bestechlichkeit in 235 Fällen zu einer Freiheitsstrafe von einem Jahr und zehn Monaten auf Bewährung. Grund für sein Verhalten war vor allem zeitliche Überlastung während einer schweren Erkrankung seiner Tochter gewesen (Urteil vom 15.3.2017, Az. 103 KLs 18/11).

Praxistipp zu Amtsmissbrauch und Korruption


Sonderrechte haben Beamte im Staatsdienst höchstens im begrenzten Rahmen ihrer Dienstpflichten. Wenn sie ihre Amtsstellung ausnutzen, um im privaten Bereich ohne dienstlichen Grund Druck auf andere auszuüben oder um strafbare Handlungen zu begehen, riskieren sie eine Strafverfolgung und dienstliche Konsequenzen. Sollen Sie selbst strafrechtlich belangt werden? Dann ist ein Fachanwalt für Strafrecht der beste Ansprechpartner.

(Bu)


 Stephan Buch
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