Anerkannte Kosten – was übernimmt das Job-Center?

20.08.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
ALG II,Hartz IV,Miete,Unterkunft,Heizung Wohnen wird immer teurer. Welche Wohnkosten stehen ALG II-Empfängern zu? © Bu - Anwalt-Suchservice

Wer Arbeitslosengeld II bekommt, erhält nicht nur den Regelbedarf. Er erhält auch die angemessenen Kosten für Unterkunft und Heizung. Oft gibt es jedoch Streit über die angemessene Höhe dieser Kosten.

Bei ALG II oder „Hartz IV“ haben Leistungsberechtigte Anspruch auf ihren Regelbedarf und in einigen Fällen auch auf ihren Mehrbedarf. Der Regelbedarf dient dazu, das Existenzminimum abzudecken. Dazu gehören insbesondere die Kosten für Ernährung, Kleidung, Körperpflege, Hausrat, Strom und einige weitere Bedürfnisse des täglichen Daseins. Wie hoch der Regelbedarf ist, richtet sich nach dem Regelbedarfs-Ermittlungsgesetz. Dabei spielt der individuelle Bedarf des Betreffenden keine Rolle. 2021 liegt der Regelbedarf für einen alleinstehenden Erwachsenen bei 446 Euro im Monat, bei zwei Partnern in der Bedarfsgemeinschaft sind es je 401 Euro.

Was ist der Mehrbedarf?


Leistungsempfänger bekommen unter gewissen Voraussetzungen einen Ausgleich ihres Mehrbedarfs. Der Mehrbedarf ist der Bedarf, der wegen besonderer Umstände über den Regelbedarf hinausgeht. Ihn gibt es beispielsweise bei Schwangeren, chronisch Kranken, Behinderten und Alleinerziehenden mit minderjährigen Kindern. Die Summe des Mehrbedarfs darf nicht über den Regelbedarf für einen erwerbsfähigen Erwachsenen hinausgehen. Dies gilt auch dann, wenn mehrere Mehrbedarfskriterien gleichzeitig vorliegen.

Wie viel gibt es für Unterkunft und Heizung?


Nach § 22 Abs. 1 des 2. Sozialgesetzbuches (SGB II) zahlt das Jobcenter die Kosten für Unterkunft und Heizung in der Höhe, in der sie tatsächlich anfallen – aber nur, soweit sie angemessen sind. Was genau angemessen ist, richtet sich nach den Verhältnissen vor Ort. Immerhin sind Mieten und Heizkosten abhängig vom Wohnort sehr unterschiedlich hoch.

Angemessen heißt jedoch auch, dass man von einem Leistungsempfänger einen sparsamen Lebensstil erwartet, während er vom Staat Hilfe erhält. Dies betrifft zum Beispiel die Größe seiner Wohnung. Bei der Angemessenheit der Wohnung wird auch die Personenzahl im Haushalt berücksichtigt und, ob Kinder vorhanden sind.

In mehreren Bundesländern wie Berlin legen besondere Landesgesetze fest, welche Miete pro Quadratmeter noch angemessen ist. In anderen Bundesländern geht dies aus Verwaltungsregelungen hervor. So richtet sich dies etwa in Hamburg nach den Fachanweisungen der Behörde für Arbeit, Soziales, Familie und Integration. Darin ist im Jahr 2021 als angemessene Bruttokaltmiete (ohne Wasser und Heizung) für einen Ein-Personen-Haushalt ein Betrag von 501 Euro festgelegt, für einen Zwei-Personen-Haushalt 609,60 Euro. Für einen Sechs-Personen-Haushalt werden 1.345,20 Euro als angemessen angesehen.

Angemessene Wohnungsgröße und angemessene Miete


Einheitliche Regelungen zur angemessenen Wohnungsgröße gibt es nicht. Häufig wird von etwa 45 bis 50 Quadratmetern für eine Person ausgegangen, für jede weitere zählt man zehn bis 15 Quadratmeter dazu.

Dem Bundessozialgericht nach sind jeweils die ortsüblichen Mieten zu berücksichtigen (Urteil vom 7.11.2006, Az. B 7b AS 18/06). Daher gelten in einer Großstadt und auf dem Dorf verschiedene angemessene Unterkunftssätze. Oft wird der Mietspiegel der jeweiligen Gemeinde genutzt. Daraus geht die ortsübliche Miete pro Quadratmeter für eine Wohnung mit einfacher Ausstattung hervor.

Übrigens: Das Jobcenter darf von einem Leistungsempfänger nicht verlangen, von der Stadt aufs Land umzuziehen, weil dort die Mieten niedriger sind (Hessisches Landessozialgericht in Darmstadt, Az. L 9 AS 260/06, Urteil vom 12.3.2007).

Was gilt für die Nebenkosten?


Auch die „kalten“ Nebenkosten einer Mietwohnung gehören zu den Aufwendungen für die Unterkunft. Dies sind die auf den Mieter umgelegten Kosten etwa für Grundsteuer, Gebäudeversicherung, Straßenreinigung, Müllabfuhr usw. Verwaltungsvorschriften der einzelnen Gemeinden regeln, in welcher Höhe diese Kosten noch als angemessen anzusehen sind.

Welche Heiz- und Warmwasserkosten sind angemessen?


Gemäß einem Urteil des Sozialgerichts Dortmund darf das Jobcenter bei den Heizkosten nicht einfach einen Betrag als Pauschale festlegen, den es für angemessen hält. Angemessen ist stattdessen der Betrag, den das Versorgungsunternehmen tatsächlich verlangt. Ausnahme: Es gibt konkrete Anhaltspunkte für ein besonders verschwenderisches Heizverhalten des Mieters (Urteil vom 05.03.2007, Az. S 29 AS 498/05).

Auch die Warmwasserkosten werden seit 1.1.2011 in angemessener Höhe bezahlt. Allerdings gilt dies nur, wenn das Warmwasser zentral erzeugt wird, also etwa über die zentrale Heizanlage des Hauses. Bei einer dezentralen Warmwasserversorgung (zum Beispiel Boiler in jeder Wohnung), können die Kosten als Mehrbedarf anerkannt werden.

Was ist mit Heizkosten-Rückzahlungen?


Zahlt ein Mieter zu viel für Heizung oder Warmwasser, hat er nach einem Jahr ein Guthaben und erhält eine Kostenerstattung. Was passiert mit einer solchen Gutschrift nun bei ALG-II-Empfängern? Dies regelt § 22 Abs. 3 SGB II.

Danach vermindern Rückzahlungen und Guthaben, die dem Bedarf für Unterkunft und Heizung zuzuordnen sind, die vom Jobcenter zu bezahlenden Kosten für Unterkunft und Heizung nach dem Monat der Rückzahlung oder der Gutschrift. Außer Betracht bleiben aber Rückzahlungen für Haushaltsstrom oder für nicht anerkannte Aufwendungen für Unterkunft und Heizung.

Wohnen in den eigenen vier Wänden


Nun wohnt ja auch mancher in einer eigenen Wohnung - und dies gibt es auch bei ALG II-Empfängern. In diesem Fall muss man die eigene Wohnung nicht unbedingt verkaufen. Hier gelten jedoch genauso die Angemessenheits-Regeln. Wenn die Wohnung zu groß ist, kann das Jobcenter zum Beispiel fordern, dass der Leistungsempfänger sie zum Teil vermietet.

Beispiel: In Lübeck gelten 80 qm Wohnfläche als angemessen für eine Einzelperson, die in einer Eigentumswohnung wohnt. Bei einem Einfamilienhaus sind dies 90 qm. Dies gilt auch bei einem Zweipersonenhaushalt. Bei vier Personen sind 120 und 130 qm angemessen.

So besteht zum Beispiel die Möglichkeit, ein Zimmer an einen Studenten zu vermieten oder einen abtrennbaren Teil eines Einfamilienhauses an normale Mieter. Dann muss man sich jedoch die Mieteinkünfte beim Jobcenter als Einkommen anrechnen lassen. So urteilte das Sozialgericht Stade mit Urteil vom 30.1.2007, Az. S 17 AS 230/06.

Dem Bundessozialgericht zufolge werden auch die Zinsen für einen Immobilienkredit als Unterkunftskosten angesehen, nicht aber die Tilgungszahlungen. Ausnahme: Es geht um die Erhaltung von Wohneigentum, dessen Finanzierung bei Bezug von Leistungen nach dem SGB II bereits weitgehend abgeschlossen war (Urteil vom 22.08.2012, Az. B 14 AS 1/12 R).

Praxistipp


Immer wieder gibt es Streit mit dem Jobcenter um die Angemessenheit von Unterkunftskosten oder auch von Heizungs- und Warmwasserkosten. Betroffene können gegen einen Bescheid des Jobcenters Widerspruch einlegen. Ein Fachanwalt für Sozialrecht kann Ihnen dabei helfen, Ansprüche gegen die Sozialbehörden durchzusetzen.

(Ma)


 Ulf Matzen
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