Wann kann trotz Vorsorgevollmacht eine Betreuung angeordnet werden?

27.05.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Vorsorgevollmacht,Betreuung,Betreungsgericht,Betreuer Auch eine Vorsorgevollmacht kann zu Problemen führen. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Bestellung eines Betreuers: Das Betreuungsgericht bestellt für einen Volljährigen einen Betreuer, wenn der Volljährige aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann.

2. Vorsorgevollmacht: Grundsätzlich ist die Bestellung eines Betreuers nicht erforderlich, wenn ein in einer Vorsorgevollmacht Bevollmächtigter die Aufgaben genauso gut wie ein gerichtlich bestellter Betreuer erledigen kann.

3. Kontrollbetreuer: Das Betreuungsgericht bestellt einen Kontrollbetreuer, wenn der Vollmachtgeber aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Rechte gegenüber dem Bevollmächtigten auszuüben und wenn konkrete Anhaltspunkte dafür vorliegen, dass der Bevollmächtigte entgegen dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers handelt.
Bei einer rechtlichen Betreuung erhält ein Betreuer unter gerichtlicher Aufsicht die Vertretungsmacht für einen Volljährigen. Der Zweck der Betreuung besteht darin, Rechtshandlungen im Namen des Betreuten zu ermöglichen, die dieser selbst nicht mehr vornehmen kann. Die Betreuung ist meist zeitlich und sachlich auf bestimmte Aufgabenkreise beschränkt. Gesetzlich geregelt ist sie in den §§ 1814 ff. BGB. Betreuung in diesem Sinn bedeutet nur rechtliche Betreuung.

Wann bestellt das Gericht einen Betreuer?


Nach § 1814 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) bestellt das Betreuungsgericht (das Vormundschaftsgericht beim Amtsgericht) für einen Volljährigen einen Betreuer, wenn der Volljährige aufgrund einer psychischen Krankheit oder einer körperlichen, geistigen oder seelischen Behinderung seine Angelegenheiten ganz oder teilweise nicht mehr selbst besorgen kann. Die Bestellung eines Betreuers erfolgt auf Antrag des Volljährigen oder von Amts wegen.
Allerdings darf kein Betreuer gegen den freien Willen des Betreffenden bestellt werden.

Gemäß § 1814 Abs. 3 BGB darf ein Betreuer nur für Angelegenheiten bestellt werden, in denen die Betreuung erforderlich ist. Nicht erforderlich ist die Betreuung, unter anderem, soweit die Angelegenheiten des Volljährigen durch einen Bevollmächtigten ebenso gut wie durch einen Betreuer besorgt werden können.

Kann eine Betreuung angeordnet werden, wenn bereits eine Vorsorgevollmacht besteht?


Grundsätzlich ist die Bestellung eines Betreuers nicht erforderlich, wenn ein Bevollmächtigter diese Aufgaben genauso gut erledigen kann. Dies ist jedoch nicht immer der Fall. So kann es zum Beispiel sein, dass an der Wirksamkeit der Vollmacht Zweifel bestehen oder dass der Bevollmächtigte den Betroffenen nicht vertreten kann, weil er selbst krank ist oder die Aufgabe seine Fähigkeiten übersteigt.

Was geschieht beim Missbrauch einer Vorsorgevollmacht?


Der Bundesgerichtshof hat in einem Urteil von 2017 erneut festgestellt, dass eine Betreuung trotz Vorsorgevollmacht erforderlich sein kann, wenn der Bevollmächtigte ungeeignet ist, die Angelegenheiten des Betroffenen zu besorgen. Dies gilt insbesondere dann, wenn zu befürchten ist, dass die Wahrnehmung der Interessen des Betroffenen durch den Bevollmächtigten eine konkrete Gefahr für das Wohl des Betroffenen begründet.

Im konkreten Fall ging es um drei Geschwister, denen ihre Mutter eine General- und Vorsorgevollmacht erteilt hatte, die jedoch nur durch je zwei Geschwister zusammen ausgeübt werden konnte. Nachdem die Mutter einen Schlaganfall erlitten hatte, taten sich die beiden Töchter zusammen. Dem Bruder wurde seine Bevollmächtigung verschwiegen, während die Töchter mehrere Grundstücke der Mutter auf sich übertrugen. Der Bruder beantragte die Bestellung eines Betreuers für die Mutter (Beschluss vom 19.7.2017, Az. XII ZB 141/16). Der Fall wurde an die Vorinstanz zurückverwiesen.

Woher weiß das Gericht von der Vollmacht?


Personen, die von der Einleitung eines Verfahrens über die Bestellung eines Betreuers für einen Volljährigen erfahren und ein Dokument besitzen, in dem der Volljährige eine andere Person mit der Wahrnehmung seiner Angelegenheiten bevollmächtigt hat, sind dazu verpflichtet, das Betreuungsgericht darüber unverzüglich zu informieren. Das Betreuungsgericht kann die Vorlage einer Abschrift verlangen.

Wer wird als Betreuer bestellt?


Dies regelt § 1816 BGB. Zuerst werden die Wünsche der zu betreuenden Person berücksichtigt - auch die Ablehnung bestimmter Personen als Betreuer. Äußert sich der oder die zu Betreuende nicht, berücksichtigt das Gericht seine persönlichen Beziehungen, familiären Bindungen und auch mögliche Konflikte. Findet sich keine dem Betroffenen vertraute Person, kann ein ehrenamtlicher Betreuer, etwa von einem Betreuungsverein, eingesetzt werden. Steht niemand Geeignetes für eine ehrenamtliche Betreuung zur Verfügung, kann das Gericht auf einen Berufsbetreuer zurückgreifen.

Was ist ein Kontrollbetreuer und wann wird dieser bestellt?


§ 1820 BGB regelt das Verhältnis von Vorsorgevollmacht und Kontrollbetreuung. Das Betreuungsgericht bestellt einen Kontrollbetreuer, wenn die Bestellung erforderlich ist, weil

- der Vollmachtgeber aufgrund einer Krankheit oder Behinderung nicht mehr in der Lage ist, seine Rechte gegenüber dem Bevollmächtigten auszuüben, und
- aufgrund konkreter Anhaltspunkte davon auszugehen ist, dass der Bevollmächtigte die Angelegenheiten des Vollmachtgebers nicht entsprechend der Vereinbarung oder dem erklärten oder mutmaßlichen Willen des Vollmachtgebers erledigt.

Darüber hinaus kann das Betreuungsgericht anordnen, dass der Bevollmächtigte die ihm erteilte Vollmacht nicht ausüben darf und die Vollmachtsurkunde an den Betreuer herausgeben muss, wenn

- die dringende Gefahr besteht, dass der Bevollmächtigte nicht den Wünschen des Vollmachtgebers entsprechend handelt und dadurch die Person des Vollmachtgebers oder dessen Vermögen erheblich gefährdet oder
- der Bevollmächtigte den Betreuer bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben behindert.

Liegen diese Voraussetzungen nicht mehr vor, hat das Betreuungsgericht die Anordnung aufzuheben und den Betreuer zu verpflichten, dem Bevollmächtigten die Vollmachtsurkunde herauszugeben, wenn die Vollmacht nicht erloschen ist.

Wann darf der Kontrollbetreuer die Vorsorgevollmacht widerrufen?


Gibt es eine Vollmacht, die den Bevollmächtigten zu Maßnahmen der Personensorge oder zu Maßnahmen in wesentlichen Bereichen der Vermögenssorge ermächtigt, darf der Betreuer diese ganz oder teilweise nur widerrufen, wenn

- das Festhalten an der Vollmacht eine künftige Verletzung der Person oder des Vermögens des Betreuten mit hinreichender Wahrscheinlichkeit und in erheblicher Schwere befürchten lässt und
- mildere Maßnahmen nicht zur Abwehr eines Schadens für den Betreuten geeignet erscheinen.

Der Widerruf erfordert eine Genehmigung des Betreuungsgerichts. Mit der Genehmigung des Widerrufs einer Vollmacht kann das Betreuungsgericht die Herausgabe der Vollmachtsurkunde an den Betreuer anordnen.

Praxistipp zu Vorsorgevollmacht und Betreuung


Ein Betreuer unterliegt der Kontrolle des Betreuungsgerichts. Ein Bevollmächtigter unterliegt keiner Kontrolle. Die immer wieder empfohlene Vorsorgevollmacht birgt gerade als Generalvollmacht erhebliche Risiken des Missbrauchs. Sie sollte nur nach sehr sorgfältiger Überlegung an wirklich vertrauenswürdige Personen vergeben werden, die nicht in Familienstreitigkeiten verwickelt sind. Ein Rechtsanwalt für Zivilrecht kann Sie zum Thema Vollmachten und zur Betreuung beraten.

(Bu)


 Stephan Buch
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