Welche Rechte haben Arbeitnehmer bei Diskriminierung?
02.10.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Fälle von Ungleichbehandlung sorgen immer wieder für Schlagzeilen. Da werden Bewerber wegen ihres Geschlechts oder Alters abgelehnt, Frauen abgewiesen, weil sie Kinder haben oder Behinderte benachteiligt. Auch im Beruf kann es Diskriminierungen geben, etwa bei Gehalt und Beförderungen. Das Gesetz will dies verhindern. Mit Erfolg?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – umgangssprachlich auch "Antidiskriminierungsgesetz" spricht von Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Im Gesetz wird anstelle von "Diskriminierung" der Ausdruck "Benachteiligung" verwendet - gemeint ist das Gleiche. Die genannten Benachteiligungen können sich auf vielfältige Weise zeigen, insbesondere aber, indem eine Person schlechter behandelt wird als eine andere in einer vergleichbaren Situation. Das Gesetz gilt nicht nur für Arbeit und Beruf, sondern regelt auch andere Bereiche.
Beispiele:
- Eine Bewerberin wird abgewiesen, weil sie eine junge Frau ist und schwanger werden könnte.
- Ein Bewerber wird wegen seiner schwarzen Hauptfarbe abgewiesen, obwohl er ebenso qualifiziert ist wie seine Mitbewerber.
- Einem Behinderten wird eine Beförderung verweigert, weil man dann sein Büro an seine Behinderung anpassen müsste.
- Eine geschlechtlich diverse Person wird immer wieder bei Beförderungen übergangen, obwohl sie ebenso gut arbeitet, wie die Kollegen.
Bei der Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft werden Menschen benachteiligt wegen ihrer Abstammung und ihrer damit verbundenen äußerlichen, sprachlichen oder kulturellen Eigenheiten, von der Hautfarbe über die Zugehörigkeit zu einem Volk oder einer Volksgruppe bis zur Sprache oder zum Dialekt. Auch ganz allgemeine Ausländerfeindlichkeit fällt darunter.
Findet eine abgelehnte Bewerberin auf ihren zurückgesandten Unterlagen die handschriftliche Bemerkung "Ossi", verbunden mit einem eingekreisten Minuszeichen, stellt dies nach Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart keine Diskriminierung wegen der "ethnischen Herkunft" dar – schon weil "Ossis" keine eigene Ethnie sind. Im konkreten Fall ging die Arbeitnehmerin in Berufung, man einigte sich aber schließlich einverständlich (LAG Stuttgart, Az. 8 Sa 31/10).
Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer bei einer Diskriminierung folgende Rechte:
- ein Beschwerderecht (§ 13 AGG),
- unter Umständen ein Recht auf Leistungsverweigerung (§ 14 AGG),
- sowie ein Recht auf Schadenersatz bzw. Entschädigung (§ 15 AGG).
Für eine Beschwerde wegen einer Diskriminierung muss es im Betrieb eine "zuständige Stelle" geben. Dies kann zum Beispiel der Betriebsrat oder der Personalrat sein. Wenn es keine solche Institution gibt, wird es problematisch. Der Arbeitgeber muss jemanden zu einer solchen "Beschwerdestelle" ernennen. Häufig wird dies dann jemand von der Personalabteilung sein.
Ist die Beschwerde begründet, muss der Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers einschreiten. Wer sich als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin beschwert, darf nicht wegen dieser Beschwerde benachteiligt werden. Falls aber das Problem gerade von der Personalabteilung ausgeht, die gleichzeitig die Beschwerdestelle ist, wird es in manchen Fällen ohne gerichtliche Hilfe nicht zu lösen sein.
Vorausgesetzt, der diskriminierte Arbeitnehmer will gegen die Benachteiligung klagen, muss er innerhalb von zwei Monaten nach dem diskriminierenden Vorfall seine Ansprüche zunächst schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Ist die Benachteiligung ein Dauerzustand, dann beginnt die Frist erst mit dem Zeitpunkt des letzten Vorfalls zu laufen. Anschließend hat er drei weitere Monate Zeit, um die Ansprüche beim Arbeitsgericht einzuklagen.
Ein Recht auf Leistungsverweigerung gesteht § 14 AGG Arbeitnehmern nur in zwei Ausnahmefällen zu: Bei einer Belästigung (§ 3 Abs.3 AGG) und einer sexuellen Belästigung (§ 3 Abs.4 AGG).
Eine Belästigung ist eine Benachteiligung im Sinne des AGG, "wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem der im Gesetz genannten Diskriminierungsgründe (etwa Geschlecht, Alter) zusammenhängen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, oder dass ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Bei einer sexuellen Belästigung geht es um unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören. Es handelt sich um eine Benachteiligung im Sinne des AGG, wenn dadurch eine Verletzung der Würde der betreffenden Person bezweckt oder bewirkt wird, insbesondere, wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Die Arbeitsleistung darf nach dem Gesetz nur verweigert werden, wenn der Arbeitgeber von der Diskriminierung weiß, aber nichts oder nicht genug dagegen unternimmt. In diesem Fall dürfen die Betroffenen also zu Hause bleiben und bekommen trotzdem ihren Lohn weiter gezahlt.
Dies gilt zumindest in der Theorie, denn der Arbeitgeber wird die Belästigung bzw. seine Untätigkeit meist abstreiten und von einer grundlosen Arbeitsverweigerung ausgehen. Diese kann zu einer Abmahnung bzw. einer Kündigung führen. Es empfiehlt sich, schon vor dem Schritt einer Arbeitsverweigerung anwaltlichen Rat einzuholen, da das Risiko einer Kündigung hier sehr hoch ist.
Das AGG gibt zwar Bewerbern, die bei der Auswahl diskriminiert wurden, keinen Rechtsanspruch auf Einstellung. Diese können aber Schadenersatzansprüche haben.
Beispiel: Eine Frau hatte sich als Buchhalterin bei einem Radiosender beworben. Ihr wurde ohne Vorstellungsgespräch abgesagt. Als sie ihre Bewerbungsunterlagen zurückerhielt, fand sich auf dem Lebenslauf neben der Textzeile "Verheiratet, ein Kind" ein handschriftlicher Hinweis "7 Jahre alt" mit Ausrufezeichen. Die Worte "ein Kind 7 Jahre alt" waren unterstrichen. Die Bewerberin ging davon aus, dass dies wohl der Absagegrund war.
Das Landesarbeitsgericht Hamm gab ihr Recht. Durch Unterstreichung gerade dieser Wortfolge und Ausrufezeichen habe der Arbeitgeber eine Verbindung zwischen der Arbeitsstelle und der Kinderbetreuung hergestellt. Der Arbeitgeber habe offenbar eigenständig das Alter des Kindes ermittelt. Nach Ansicht des Gerichts hatte der Arbeitgeber hier eine traditionelle Rollenverteilung von Mann und Frau zugrunde gelegt und die Kinderbetreuung daher als Einstellungshindernis angesehen. Damit sei die Bewerberin nicht nur als Mutter, sondern auch wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden. Folge war, dass der Arbeitgeber 3.000 Euro Schadensersatz zahlen musste (Urteil vom 11.6.2015, Az. 11 Sa 194/15).
Der Schadensersatzanspruch soll Arbeitnehmern den Schaden ersetzen, den sie durch die Diskriminierung erlitten haben. Beispiel: Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt gestand einer Arbeitnehmerin den Unterschiedsbetrag zwischen ihrem bisherigen Gehalt und dem Gehalt zu, dass sie nach einer wegen einer Schwangerschaft verweigerten Beförderung in einem Zeitraum von sechs Monaten bekommen hätte (24.4.2008, Az. 8 AZR 257/07).
Der Anspruch auf Schadensersatz setzt ein Verschulden des Arbeitgebers voraus. Der Arbeitnehmer kann auch einen Anspruch auf "Entschädigung" haben, dabei handelt es sich um eine Art Schmerzensgeld für die erlittene Diskriminierung.
Nach § 22 AGG gilt: Kann die Arbeitnehmerseite Indizien dafür vorlegen, dass eine Benachteiligung stattgefunden hat, muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß gegen die Regeln des AGG vorliegt.
Wenn Arbeitnehmer ihre Kollegen diskriminieren, muss der Arbeitgeber einschreiten. Dazu verpflichtet ihn das Gesetz in § 12 Abs. 1 AGG. Danach muss er die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen treffen, auch vorbeugend. Dazu kann es gehören, die verantwortliche Person abzumahnen, auf eine andere Stelle im Betrieb zu versetzen oder ihr sogar zu kündigen. Eine Kündigung setzt eine erfolglose Abmahnung voraus.
Ausgeschlossen ist ein Schadensersatzanspruch, wenn der oder die Betreffende sich mit Absicht auf eine für ihn oder sie gar nicht wirklich passende Stelle bewirbt, um bei Ablehnung Schadensersatz zu fordern. Dies passiert immer wieder, wenn Unternehmen eine Stelle nicht geschlechtsneutral ausschreiben. So hatte etwa eine Firma eine Stelle für eine "Bürokauffrau/Sekretärin" ausgeschrieben. Es bewarb sich ein Student aus einer 170 km entfernten Stadt. Als ihm abgesagt wurde, verklagte er die Firma wegen Diskriminierung. Das Landesarbeitsgericht Hamm bezeichnete die Klage als rechtsmissbräuchlich und wies sie ab. Dies hatte auch damit zu tun, dass der Betreffende sich schon auf eine Vielzahl ähnlicher Anzeigen beworben und jedes Mal Schadensersatz verlangt hatte. Dieses Vorgehen bezeichnet man auch als "AGG-Hopping" (Urteil vom 5.12.2023, Az. 6 Sa 896/23). Das abweisende Urteil wurde mittlerweile vom Bundesarbeitsgericht bestätigt (Urteil vom 19.9.2024, Az. 8 AZR 21/24).
In manchen Fällen können zuständige Stellen wie der Betriebsrat helfen. Ist dies nicht der Fall, kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht Ihren Fall prüfen und Ihnen ein sinnvolles Vorgehen empfehlen.
Das Wichtigste in Kürze
1. Diskriminierung: Benachteiligungen (auch von Arbeitnehmern) aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, definiert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als Diskriminierung.
2. Rechte: Arbeitnehmer haben bei einer Diskriminierung ein Beschwerderecht, ggf. ein Recht auf Leistungsverweigerung sowie ein Recht auf Schadenersatz bzw. Entschädigung.
3. Handlungspflicht: Ist eine Beschwerde berechtigt, muss der Arbeitgeber zugunsten des diskriminierten Arbeitnehmers einschreiten. Der sich beschwerende Mitarbeiter darf wegen seiner Beschwerde nicht benachteiligt werden.
1. Diskriminierung: Benachteiligungen (auch von Arbeitnehmern) aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität, definiert das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz als Diskriminierung.
2. Rechte: Arbeitnehmer haben bei einer Diskriminierung ein Beschwerderecht, ggf. ein Recht auf Leistungsverweigerung sowie ein Recht auf Schadenersatz bzw. Entschädigung.
3. Handlungspflicht: Ist eine Beschwerde berechtigt, muss der Arbeitgeber zugunsten des diskriminierten Arbeitnehmers einschreiten. Der sich beschwerende Mitarbeiter darf wegen seiner Beschwerde nicht benachteiligt werden.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was zählt als Diskriminierung von Arbeitnehmern? Was ist eine Diskriminierung wegen der "ethnischen Herkunft"? Welche Rechte haben von einer Diskriminierung betroffene Arbeitnehmer? Wo kann ich mich über eine Diskriminierung am Arbeitsplatz beschweren? Gibt es Fristen zur Geltendmachung einer Diskriminierung? Wann darf ich meine Arbeitsleistung verweigern? Wann habe ich Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung bei einer Bewerbung? Wann kann ich Schadensersatz wegen einer verweigerten Beförderung beanspruchen? Wer muss eine Diskriminierung beweisen? Kann Arbeitnehmern wegen Diskriminierung gekündigt werden? Wann habe ich keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Diskriminierung? Praxistipp zur Diskriminierung am Arbeitsplatz Was zählt als Diskriminierung von Arbeitnehmern?
Das Allgemeine Gleichbehandlungsgesetz (AGG) – umgangssprachlich auch "Antidiskriminierungsgesetz" spricht von Benachteiligungen aus Gründen der Rasse oder wegen der ethnischen Herkunft, des Geschlechts, der Religion oder Weltanschauung, einer Behinderung, des Alters oder der sexuellen Identität. Im Gesetz wird anstelle von "Diskriminierung" der Ausdruck "Benachteiligung" verwendet - gemeint ist das Gleiche. Die genannten Benachteiligungen können sich auf vielfältige Weise zeigen, insbesondere aber, indem eine Person schlechter behandelt wird als eine andere in einer vergleichbaren Situation. Das Gesetz gilt nicht nur für Arbeit und Beruf, sondern regelt auch andere Bereiche.
Beispiele:
- Eine Bewerberin wird abgewiesen, weil sie eine junge Frau ist und schwanger werden könnte.
- Ein Bewerber wird wegen seiner schwarzen Hauptfarbe abgewiesen, obwohl er ebenso qualifiziert ist wie seine Mitbewerber.
- Einem Behinderten wird eine Beförderung verweigert, weil man dann sein Büro an seine Behinderung anpassen müsste.
- Eine geschlechtlich diverse Person wird immer wieder bei Beförderungen übergangen, obwohl sie ebenso gut arbeitet, wie die Kollegen.
Was ist eine Diskriminierung wegen der "ethnischen Herkunft"?
Bei der Diskriminierung wegen der ethnischen Herkunft werden Menschen benachteiligt wegen ihrer Abstammung und ihrer damit verbundenen äußerlichen, sprachlichen oder kulturellen Eigenheiten, von der Hautfarbe über die Zugehörigkeit zu einem Volk oder einer Volksgruppe bis zur Sprache oder zum Dialekt. Auch ganz allgemeine Ausländerfeindlichkeit fällt darunter.
Findet eine abgelehnte Bewerberin auf ihren zurückgesandten Unterlagen die handschriftliche Bemerkung "Ossi", verbunden mit einem eingekreisten Minuszeichen, stellt dies nach Ansicht des Arbeitsgerichts Stuttgart keine Diskriminierung wegen der "ethnischen Herkunft" dar – schon weil "Ossis" keine eigene Ethnie sind. Im konkreten Fall ging die Arbeitnehmerin in Berufung, man einigte sich aber schließlich einverständlich (LAG Stuttgart, Az. 8 Sa 31/10).
Welche Rechte haben von einer Diskriminierung betroffene Arbeitnehmer?
Grundsätzlich hat ein Arbeitnehmer bei einer Diskriminierung folgende Rechte:
- ein Beschwerderecht (§ 13 AGG),
- unter Umständen ein Recht auf Leistungsverweigerung (§ 14 AGG),
- sowie ein Recht auf Schadenersatz bzw. Entschädigung (§ 15 AGG).
Wo kann ich mich über eine Diskriminierung am Arbeitsplatz beschweren?
Für eine Beschwerde wegen einer Diskriminierung muss es im Betrieb eine "zuständige Stelle" geben. Dies kann zum Beispiel der Betriebsrat oder der Personalrat sein. Wenn es keine solche Institution gibt, wird es problematisch. Der Arbeitgeber muss jemanden zu einer solchen "Beschwerdestelle" ernennen. Häufig wird dies dann jemand von der Personalabteilung sein.
Ist die Beschwerde begründet, muss der Arbeitgeber zugunsten des Arbeitnehmers einschreiten. Wer sich als Mitarbeiter oder Mitarbeiterin beschwert, darf nicht wegen dieser Beschwerde benachteiligt werden. Falls aber das Problem gerade von der Personalabteilung ausgeht, die gleichzeitig die Beschwerdestelle ist, wird es in manchen Fällen ohne gerichtliche Hilfe nicht zu lösen sein.
Gibt es Fristen zur Geltendmachung einer Diskriminierung?
Vorausgesetzt, der diskriminierte Arbeitnehmer will gegen die Benachteiligung klagen, muss er innerhalb von zwei Monaten nach dem diskriminierenden Vorfall seine Ansprüche zunächst schriftlich gegenüber dem Arbeitgeber geltend machen. Ist die Benachteiligung ein Dauerzustand, dann beginnt die Frist erst mit dem Zeitpunkt des letzten Vorfalls zu laufen. Anschließend hat er drei weitere Monate Zeit, um die Ansprüche beim Arbeitsgericht einzuklagen.
Wann darf ich meine Arbeitsleistung verweigern?
Ein Recht auf Leistungsverweigerung gesteht § 14 AGG Arbeitnehmern nur in zwei Ausnahmefällen zu: Bei einer Belästigung (§ 3 Abs.3 AGG) und einer sexuellen Belästigung (§ 3 Abs.4 AGG).
Eine Belästigung ist eine Benachteiligung im Sinne des AGG, "wenn unerwünschte Verhaltensweisen, die mit einem der im Gesetz genannten Diskriminierungsgründe (etwa Geschlecht, Alter) zusammenhängen, bezwecken oder bewirken, dass die Würde der betreffenden Person verletzt wird, oder dass ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Bei einer sexuellen Belästigung geht es um unerwünschtes, sexuell bestimmtes Verhalten, wozu auch unerwünschte sexuelle Handlungen und Aufforderungen zu diesen, sexuell bestimmte körperliche Berührungen, Bemerkungen sexuellen Inhalts sowie unerwünschtes Zeigen und sichtbares Anbringen von pornografischen Darstellungen gehören. Es handelt sich um eine Benachteiligung im Sinne des AGG, wenn dadurch eine Verletzung der Würde der betreffenden Person bezweckt oder bewirkt wird, insbesondere, wenn ein von Einschüchterungen, Anfeindungen, Erniedrigungen, Entwürdigungen oder Beleidigungen gekennzeichnetes Umfeld geschaffen wird.
Die Arbeitsleistung darf nach dem Gesetz nur verweigert werden, wenn der Arbeitgeber von der Diskriminierung weiß, aber nichts oder nicht genug dagegen unternimmt. In diesem Fall dürfen die Betroffenen also zu Hause bleiben und bekommen trotzdem ihren Lohn weiter gezahlt.
Dies gilt zumindest in der Theorie, denn der Arbeitgeber wird die Belästigung bzw. seine Untätigkeit meist abstreiten und von einer grundlosen Arbeitsverweigerung ausgehen. Diese kann zu einer Abmahnung bzw. einer Kündigung führen. Es empfiehlt sich, schon vor dem Schritt einer Arbeitsverweigerung anwaltlichen Rat einzuholen, da das Risiko einer Kündigung hier sehr hoch ist.
Wann habe ich Anspruch auf Schadensersatz wegen Diskriminierung bei einer Bewerbung?
Das AGG gibt zwar Bewerbern, die bei der Auswahl diskriminiert wurden, keinen Rechtsanspruch auf Einstellung. Diese können aber Schadenersatzansprüche haben.
Beispiel: Eine Frau hatte sich als Buchhalterin bei einem Radiosender beworben. Ihr wurde ohne Vorstellungsgespräch abgesagt. Als sie ihre Bewerbungsunterlagen zurückerhielt, fand sich auf dem Lebenslauf neben der Textzeile "Verheiratet, ein Kind" ein handschriftlicher Hinweis "7 Jahre alt" mit Ausrufezeichen. Die Worte "ein Kind 7 Jahre alt" waren unterstrichen. Die Bewerberin ging davon aus, dass dies wohl der Absagegrund war.
Das Landesarbeitsgericht Hamm gab ihr Recht. Durch Unterstreichung gerade dieser Wortfolge und Ausrufezeichen habe der Arbeitgeber eine Verbindung zwischen der Arbeitsstelle und der Kinderbetreuung hergestellt. Der Arbeitgeber habe offenbar eigenständig das Alter des Kindes ermittelt. Nach Ansicht des Gerichts hatte der Arbeitgeber hier eine traditionelle Rollenverteilung von Mann und Frau zugrunde gelegt und die Kinderbetreuung daher als Einstellungshindernis angesehen. Damit sei die Bewerberin nicht nur als Mutter, sondern auch wegen ihres Geschlechts diskriminiert worden. Folge war, dass der Arbeitgeber 3.000 Euro Schadensersatz zahlen musste (Urteil vom 11.6.2015, Az. 11 Sa 194/15).
Wann kann ich Schadensersatz wegen einer verweigerten Beförderung beanspruchen?
Der Schadensersatzanspruch soll Arbeitnehmern den Schaden ersetzen, den sie durch die Diskriminierung erlitten haben. Beispiel: Das Bundesarbeitsgericht in Erfurt gestand einer Arbeitnehmerin den Unterschiedsbetrag zwischen ihrem bisherigen Gehalt und dem Gehalt zu, dass sie nach einer wegen einer Schwangerschaft verweigerten Beförderung in einem Zeitraum von sechs Monaten bekommen hätte (24.4.2008, Az. 8 AZR 257/07).
Der Anspruch auf Schadensersatz setzt ein Verschulden des Arbeitgebers voraus. Der Arbeitnehmer kann auch einen Anspruch auf "Entschädigung" haben, dabei handelt es sich um eine Art Schmerzensgeld für die erlittene Diskriminierung.
Wer muss eine Diskriminierung beweisen?
Nach § 22 AGG gilt: Kann die Arbeitnehmerseite Indizien dafür vorlegen, dass eine Benachteiligung stattgefunden hat, muss der Arbeitgeber beweisen, dass kein Verstoß gegen die Regeln des AGG vorliegt.
Kann Arbeitnehmern wegen Diskriminierung gekündigt werden?
Wenn Arbeitnehmer ihre Kollegen diskriminieren, muss der Arbeitgeber einschreiten. Dazu verpflichtet ihn das Gesetz in § 12 Abs. 1 AGG. Danach muss er die erforderlichen Maßnahmen zum Schutz vor Benachteiligungen treffen, auch vorbeugend. Dazu kann es gehören, die verantwortliche Person abzumahnen, auf eine andere Stelle im Betrieb zu versetzen oder ihr sogar zu kündigen. Eine Kündigung setzt eine erfolglose Abmahnung voraus.
Wann habe ich keinen Anspruch auf Schadensersatz wegen einer Diskriminierung?
Ausgeschlossen ist ein Schadensersatzanspruch, wenn der oder die Betreffende sich mit Absicht auf eine für ihn oder sie gar nicht wirklich passende Stelle bewirbt, um bei Ablehnung Schadensersatz zu fordern. Dies passiert immer wieder, wenn Unternehmen eine Stelle nicht geschlechtsneutral ausschreiben. So hatte etwa eine Firma eine Stelle für eine "Bürokauffrau/Sekretärin" ausgeschrieben. Es bewarb sich ein Student aus einer 170 km entfernten Stadt. Als ihm abgesagt wurde, verklagte er die Firma wegen Diskriminierung. Das Landesarbeitsgericht Hamm bezeichnete die Klage als rechtsmissbräuchlich und wies sie ab. Dies hatte auch damit zu tun, dass der Betreffende sich schon auf eine Vielzahl ähnlicher Anzeigen beworben und jedes Mal Schadensersatz verlangt hatte. Dieses Vorgehen bezeichnet man auch als "AGG-Hopping" (Urteil vom 5.12.2023, Az. 6 Sa 896/23). Das abweisende Urteil wurde mittlerweile vom Bundesarbeitsgericht bestätigt (Urteil vom 19.9.2024, Az. 8 AZR 21/24).
Praxistipp zur Diskriminierung am Arbeitsplatz
In manchen Fällen können zuständige Stellen wie der Betriebsrat helfen. Ist dies nicht der Fall, kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht Ihren Fall prüfen und Ihnen ein sinnvolles Vorgehen empfehlen.
(Wk)