Darf der Arbeitgeber den Betriebsrat überwachen?

03.01.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Mann vor Überwachungsmonitoren Kann der Betriebsrat einen vom Firmennetz unabhängigen Internetzugang fordern? © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Unzulässige Überwachung: Eine pauschale Überwachung von Betriebsratsmitgliedern ist unzulässig. Auf diese Art und Weise erlangte Beweismittel sind in einem Prozess nicht verwertbar.

2. Zulässige Überwachung: Die Überwachung von Betriebsratsmitgliedern durch den Arbeitgeber ist nur dann zulässig, wenn dieser einen konkreten Verdacht auf eine Straftat zu seinen Lasten hat. Die Überwachung muss sich auf diesen konketen Sachverhalt beschränken.

3. Kommunikationsmittel: Der Betriebsrat hat keinen Anspruch auf einen vom betrieblichen Netzwerk getrennten Telefonanschluss bzw. Internetverbindung.
Immer bessere technische Mittel ermöglichen eine immer weitgehendere Überwachung von Arbeitnehmern. Auch der Betriebsrat kann solchen Maßnahmen ausgesetzt sein. So mancher Betriebsrat möchte dem auf technischen Wege enntgegenwirken. Was dürfen Arbeitgeber, und welche Gegenmaßnahmen sind zulässig?

Muss der Arbeitgeber dem Betriebsrat einen Internetzugang zur Verfügung stellen?


Rechtlich ist es grundsätzlich seit Jahren anerkannt, dass der Betriebsrat in einem Unternehmen das Recht auf einen eigenen Telefonanschluss und Internetzugang hat, um seiner Arbeit nachzugehen. Der Nachteil: Ein Internetanschluss innerhalb des betriebseigenen Netzwerkes kann durchaus vom Arbeitgeber überwacht werden.

Kann der Betriebsrat einen sicheren Internetzugang verlangen?


Das Bundesarbeitsgericht hat sich im Frühjahr 2016 mit folgendem Fall befasst: Der Betriebsrat eines Unternehmens fühlte sich überwacht und forderte vom Arbeitgeber, ihm einen vom Proxy-Server des Arbeitgebers unabhängigen Internetzugang und einen von dessen Telefonanlage unabhängigen Telefonanschluss einzurichten. Bei Nutzung der vorhandenen Kommunikationsmittel sei jederzeit eine missbräuchliche Kontrolle der Betriebsratsarbeit möglich.

Oder reicht ein normaler Internetzugang für den Betriebsrat aus?


Dem Bundesarbeitsgericht zufolge darf der Betriebsrat einen eigenen Telefonanschluss sowie die Eröffnung eines eigenen Internetanschlusses und eigene E-Mail-Adressen verlangen. Er müsse auch nicht begründen, wozu genau er dies alles benötige.

Der Arbeitgeber könne einer solchen Forderung jedoch nachkommen, indem er dem Betriebsrat ganz normale Kommunikationsverbindungen innerhalb des betrieblichen Netzwerkes zur Verfügung stelle, das auch von allen anderen Arbeitnehmern genutzt werde.

Die bloße Befürchtung, dass eine Überwachung der Betriebsratstätigkeit durch den Arbeitgeber stattfinden könne, rechtfertige keine besonderen, vom Betriebsnetzwerk unabhängigen Kommunikationsanschlüsse. Mit dieser Entscheidung schloss sich das Bundesarbeitsgericht der Entscheidung der Vorinstanz, des Landesarbeitsgerichts Hannover, an (Beschluss vom 20.4.2016, Az. 7 ABR 50/14).

Welche Folgen hat eine Überwachung des Betriebsrates durch den Arbeitgeber?


Bei einer bloßen Befürchtung blieb es in einem Fall aus Augsburg nicht. Eine Großbäckerei hatte den PC des Betriebsratsvorsitzenden ohne Wissen des Betriebsrats längere Zeit mit einer regelrechten Spionagesoftware überwacht. Diese schaltete sich regelmäßig für fünf Minuten ein und fertigte dann im Sekundentakt Screenshots von seinem Bildschirm an. Diese wurden an den Arbeitgeber weitergeleitet. Durch diese Überwachung wurde auch der private E-Mailverkehr des Betriebsratsvorsitzenden erfasst.

Schließlich wurde dem Betriebsratsvorsitzenden gekündigt – mit dem Argument, er habe Daten auf seinem Arbeitszeitkonto eigenständig verändert und zusätzliche Überstunden hineingeschrieben. Dabei dienten die Screenshots von seinem Computer als Beweis. Der Betriebsratsvorsitzende wandte dagegen ein, dass er zu dem Zeitpunkt, als sein Arbeitszeitkonto angeblich manipuliert worden war, im Urlaub gewesen sei.

Wann sind die per Überwachung gewonnenen Beweismittel unzulässig?


Allerdings stimmte der Betriebsrat der fristlosen Kündigung seines Vorsitzenden nicht zu. Ohne diese Zustimmung ist die außerordentliche Kündigung eines Betriebsratsmitglieds nur möglich, wenn das Arbeitsgericht sie gestattet. Somit folgte ein Rechtsstreit. Das Arbeitsgericht Augsburg betrachtete im Prozess die Screenshots nicht als taugliche Beweismittel. Denn: Der Arbeitgeber habe mit der Überwachung seine Kompetenzen überschritten und sei unverhältnismäßig vorgegangen. Die ungezielte Überwachung seines PCs habe das Persönlichkeitsrecht des Betriebsratsvorsitzenden verletzt.

Nach dem Urteil wäre eine Überwachung erlaubt gewesen, wenn sie sich allein auf das Arbeitszeitkonto des Mannes konzentriert hätte, um einem bestehenden Verdacht nachzugehen. In diesem Fall war jedoch pauschal alles überwacht worden - einschließlich privater E-Mails. Damit war die Kündigung des 54-Jährigen unwirksam (Urteil vom 4.10.2012, Az. 1 BV 36/12).

Wann ist eine Überwachung des Betriebsrats zulässig?


Bereits im Juni 2012 hat das Bundesarbeitsgericht neue Kriterien für die Zulässigkeit einer Videoüberwachung von Arbeitnehmern aufgestellt. Diese wurden auch bei der Augsburger Entscheidung entsprechend angewandt. Demnach ist hier eine Interessenabwägung vorzunehmen.

Das Interesse des Arbeitgebers an einer prozessualen Verwertung des
Beweismaterials überwiegt nur dann gegenüber dem Schutz des Persönlichkeitsrechtes des Arbeitnehmers, wenn

- es einen konkreten Verdacht auf eine Straftat zu Lasten des Arbeitgebers gibt,
- keine weniger einschneidenden Maßnahmen zur Aufklärung verfügbar waren und
- die Überwachungsmaßnahme nicht unverhältnismäßig war.

(Bundesarbeitsgericht, Urteil vom 21.6.2012, Az. 2 AZR 153/11).

Praxistipp zur Überwachung des Betriebsrates


Der Betriebsrat hat zwar keinen generellen Anspruch auf "arbeitgebersichere" Kommunikationsmittel. Ausnahmen sind jedoch möglich, wenn der Arbeitgeber tatsächlich bereits nachweisbare Abhöraktionen unternommen hat. Unzulässig ist eine Rundum-Überwachung des Arbeits-PCs eines Arbeitnehmers oder Betriebsratsmitglieds. Überwachungsmaßnahmen dürfen nur bei konkretem Verdacht auf eine Straftat und genau auf diesen bezogen stattfinden. Kommt es zum Streit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat über Überwachungsmaßnahmen, kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht mit Rat und Tat weiterhelfen.

(Ma)


 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion