Wann droht eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I?

10.06.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Arbeitslosengeld,Sperrzeit,leeres,Portemannaie Eine Sperrzeit verhängt die Arbeitsagentur aus unterschiedlichen Gründen. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Begriff: Verhängt die Arbeitsagentur eine Sperrzeit, erhält der oder die Betroffene für eine gewisse Zeit kein Arbeitslosengeld I. Auch wird meist die Bezugszeit von ALG I gekürzt.

2. Gründe: Häufige Gründe für eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld sind die Kündigung durch den Beschäftigten selbt, oder wenn ihm vom Arbeitgeber wegen seines Verhaltens gekündigt wurde. Auch ein ohne wichtigen Grund geschlossener Aufhebungsvertrag kann zu einer Sperrzeit führen.

3. Keine Sperrzeit: Hatte ein Arbeitnehmer einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe, ist das Verhängen einer Sperrzeit unzulässig. Dies ist zum Beispiel der Fall, wenn dem Arbeitnehmer eine Fortsetzung der Tätigkeit unzumutbar war.
Die Arbeitsagentur verhängt eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I, wenn Beschäftigte selbst gekündigt haben oder wenn Ihnen vom Arbeitgeber verhaltensbedingt gekündigt wurde. Also generell dann, wenn die Beendigung des Arbeitsverhältnisses auf ein Verhalten des Arbeitnehmers zurückgeht. Die Sperrzeit entfällt, wenn zum Beispiel ein Arbeitnehmer aus einem wichtigen Grund selbst gekündigt hat. Endet das Arbeitsverhältnis durch Aufhebungsvertrag, ohne dass der Beschäftigte einen wichtigen Grund hatte, diesen zu unterschreiben, ist mit einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld zu rechnen.

Was bedeutet die Sperrzeit für den Arbeitnehmer?


Verhängt die Arbeitsagentur eine Sperrzeit, erhält der oder die Betroffene für eine gewisse Zeit kein Arbeitslosengeld I. Auch wird meist die Bezugszeit von ALG I gekürzt, oft um ein Viertel. Wer als Arbeitnehmer also zum Beispiel einen Aufhebungsvertrag unterschreibt, ohne sich dies vorher gut zu überlegen, hat womöglich empfindliche finanzielle Einbußen.

Während der Sperrzeit bleiben Arbeitslose zunächst einen Monat lang gesetzlich krankenversichert, denn hier gibt es eine beitragsfreie Nachversicherungszeit. Wer privat oder freiwillig gesetzlich versichert ist, muss seine Beiträge selbst bezahlen. Ab Beginn des zweiten Monats der Sperrzeit bis zu deren Ablauf beginnt dann die Krankenversicherung der Arbeitslosen zu laufen. Damit zahlt die Arbeitsagentur die Beiträge. Ein Anspruch auf Krankengeld besteht nicht. Eine Rentenversicherungspflicht gibt es während der Sperrzeit nicht. Es fließen also auch keine Beiträge in die gesetzliche Rentenversicherung.

Welche Sperrzeiten sind üblich?


Eine einwöchige Sperrzeit gibt es meist wegen einer verspäteten Arbeitslosmeldung oder einer versäumten Meldung auf Aufforderung der Arbeitsagentur. Drei bis 12 Wochen Sperrzeit werden für die Verweigerung oder den Abbruch einer Wiedereingliederungsmaßnahme verhängt, ebenso bei Ablehnung eines Integrationskurses oder einer berufsbezogenen Deutschsprachförderung, zwei Wochen für zu wenig eigene Bemühungen bei der Arbeitssuche und drei bis 12 Wochen bei der Weigerung, eine angebotene Stelle anzunehmen. 12 Wochen sind es bei eigener oder selbstverschuldeter Aufgabe des Arbeitsverhältnisses etwa durch einen Aufhebungsvertrag.

Wann darf die Arbeitsagentur keine Sperrzeit verhängen?


Sobald ein Arbeitnehmer oder eine Arbeitnehmerin einen wichtigen Grund für die Arbeitsaufgabe hatte, darf die Behörde keine Sperrzeit verhängen. So ein Grund liegt zum Beispiel vor, wenn eine Fortsetzung der Tätigkeit für den Arbeitnehmer unzumutbar war. Dies ist der Fall, wenn der Arbeitgeber gegen Gesetze verstößt, Arbeitsschutzvorschriften missachtet oder Leistungen vom Arbeitnehmer verlangt, die dieser körperlich absolut nicht erbringen kann. Gute Gründe für eine Unzumutbarkeit können auch Verstöße gegen die guten Sitten, sexuelle Belästigung, Mobbing oder eine Unterbringung in einer allzu unhygienischen Unterkunft sein.

Sperrzeit wegen Wechsel in befristetes Arbeitsverhältnis zulässig?


Vor dem Sozialgericht Speyer wurde der Fall eines Maurers verhandelt, der seinen unbefristeten Job gekündigt hatte, um einen befristeten anzunehmen. Dieser wurde nicht, wie wohl erwartet, verlängert. Daher war der Mann nach zwei Monaten arbeitslos. Auch ihm wurde von der Arbeitsagentur eine Sperrzeit von 12 Wochen auferlegt. Das Gericht entschied zugunsten des Arbeitslosen. Dieser habe ein berechtigtes Interesse am Arbeitsplatzwechsel gehabt. Sein alter Arbeitsplatz habe sich nämlich 50 km von seinem Wohnort entfernt befunden. Auch habe der neue Arbeitgeber am Wohnort des Mannes 20 Prozent mehr Lohn bezahlt (Urteil vom 17.2.2016, Az. S 1 AL 63/15).

Sperrzeit bei verspäteter Arbeitslosmeldung zulässig?


Arbeitnehmer müssen sich spätestens drei Monate vor dem Ende ihres bestehenden Arbeitsverhältnisses bei der Arbeitsagentur arbeitslos bzw. arbeitsuchend melden. Eine Sperrzeit des Arbeitslosengeldes von einer Woche tritt für Arbeitnehmer ein, wenn sie sich nicht rechtzeitig arbeitslos gemeldet haben, oder etwa den mit der Agentur für Arbeit vereinbarten Termin zur Arbeitslosmeldung nicht eingehalten haben.

Das Sozialgericht Dortmund beschäftigte sich mit dem Fall einer Frau, die davon ausgegangen war, dass ihr befristetes Arbeitsverhältnis verlängert werde. Sie meldete sich erst einen Monat vor Ende des Arbeitsverhältnisses und damit nach Ablauf der Dreimonatsfrist arbeitsuchend, nachdem ihr Arbeitgeber schriftlich die Verlängerung abgelehnt hatte. Die Agentur für Arbeit stellte eine einwöchige Sperrzeit fest und bewilligte das Arbeitslosengeld ab der zweiten Woche.

Das Gericht entschied: Meldet sich ein befristet Beschäftigter später als drei Monate vor dem Ende des Arbeitsverhältnisses bei der Arbeitsagentur arbeitslos, beginnt die zu verhängende einwöchige Sperrzeit für das Arbeitslosengeld mit dem Tag der verspäteten Meldung. Dies gilt auch dann, wenn ein Ruhen des Arbeitslosengeldanspruchs nicht mehr eintritt, weil die Arbeitslosigkeit erst nach Ablauf der Sperrzeit beginnt.

Das Sozialgericht bestätigte also zwar den Eintritt der Sperrzeit. Es lehnte aber ein Ruhen des Arbeitslosengeldes ab, weil die Sperrzeit mit der verspäteten Meldung als sperrzeitbegründendem Ereignis begonnen habe und bei Eintritt der Arbeitslosigkeit schon abgelaufen war.

Das Gericht lehnte die Ansicht anderer Gerichte ab, nach der die Sperrzeit erst mit Beginn des Arbeitslosengeldanspruchs beginnen solle, da es sonst keine Sanktion gegen den Arbeitslosen gebe. Als Sanktion bleibe die Minderung der Anspruchsdauer des Arbeitslosengeldes. Der Wortlaut des Sozialgesetzbuchs könne nicht zum Nachteil der Berechtigten ausgelegt werden (Az. S 31 AL 573/12).

Was ist ein Aufhebungsvertrag?


Ein Aufhebungsvertrag ist eine Vereinbarung zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber, die den Arbeitsvertrag einverständlich beendet. Beide Seiten einigen sich dabei auf einen Endtermin. Häufig wird auch eine Abfindung ausgehandelt. Eine Kündigung mit all ihren Einschränkungen durch den gesetzlichen Kündigungsschutz findet nicht statt. Allerdings kann ein Aufhebungsvertrag für Arbeitnehmer nachteilige Folgen haben, wenn sich kein neues Arbeitsverhältnis direkt anschließt. Denn dann droht wegen Verschuldens des Arbeitnehmers an der Beendigung des Arbeitsverhältnisses eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld.

Wann wird beim Aufhebungsvertrag keine Sperrzeit verhängt?


Können Sie einen wichtigen Grund vorweisen, warum Sie den Aufhebungsvertrag unterschrieben haben, verhängt die Arbeitsagentur keine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld I. Ein vor Gericht anerkannter wichtiger Grund ist die Androhung einer nicht verhaltensbedingten Kündigung (also aus anderweitigen in der Person des Arbeitnehmers liegenden oder betrieblichen Gründen) durch den Arbeitgeber, falls Sie nicht unterschreiben. Aber: Dabei darf es sich nicht nur um eine leere Drohung handeln. So müsste die angedrohte Kündigung auch rechtmäßig sein. Im Zweifel muss dies der Arbeitnehmer gegenüber der Arbeitsagentur nachweisen können. Wenn also der Chef behauptet, dass eine angedrohte Kündigung rechtmäßig wäre, sollte man dies unbedingt nachprüfen (lassen).

Sperrzeit trotz drohender betriebsbedingter Kündigung zulässig?


Das Bundessozialgericht traf eine wichtige Entscheidung zum Aufhebungsvertrag. Dabei ging es um einen Lagerarbeiter, dessen Arbeitsplatz bei einer Umstrukturierung gestrichen worden war. Der Arbeitgeber hatte dem Mann einen Aufhebungsvertrag mit einer Abfindung angeboten. Andernfalls würde ihm betriebsbedingt gekündigt. Dies wäre auch sozial gerechtfertigt und zulässig gewesen. Trotzdem verhängte das Arbeitsamt eine Sperrzeit für das Arbeitslosengeld I.

Dem Gericht zufolge jedoch zu Unrecht. Die drohende Kündigung sei ein ausreichender Grund für den Arbeitnehmer gewesen, den Aufhebungsvertrag abzuschließen. Er sei auch dazu berechtigt gewesen, sich die Abfindung zu sichern (Urteil vom 12.7.2006, Az. B 11a AL 47/05 R). Dem Gericht zufolge ist kein zusätzlicher Nachweis des Arbeitslosen nötig, dass dieser ein besonderes Interesse am Abschluss des Aufhebungsvertrages hatte, etwa um berufliche Nachteile zu vermeiden.

Was müssen Arbeitnehmer hinsichtlich des Arbeitsendes im Aufhebungsvertrag beachten?


Um eine Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I zu vermeiden, muss dem Arbeitnehmer nicht nur die rechtmäßige Kündigung des Arbeitsvertrages drohen. Zusätzlich muss bei Abschluss des Aufhebungsvertrages unbedingt auch darauf geachtet werden, dass sich das Arbeitsende laut Aufhebungsvertrag mit dem Ende der regulären Kündigungsfrist bei einer ordentlichen Kündigung deckt. Das bedeutet: Das Arbeitsverhältnis muss zum gleichen Zeitpunkt enden, zu dem es auch bei einer regulären Kündigung durch den Arbeitgeber beendet sein würde.

Sperrzeit: Wann ist die Höhe der Abfindung entscheidend?


Oft wird eine überhöhte Abfindung von der Arbeitsagentur als Indiz dafür angesehen, dass der Arbeitnehmer gerade nicht gezwungen war, den Aufhebungsvertrag zu unterschreiben, sondern nur auf das Geld aus war. Auch dann kann die Arbeitsagentur eine Sperrzeit verhängen. Daher ist grundsätzlich anzuraten, dass die Höhe der Abfindung nicht über den gesetzlichen Grenzen laut § 1a Abs. 2 Kündigungsschutzgesetz liegen sollte. Dies wären dann 0,5 Monatsverdienste für jedes Jahr des Arbeitsverhältnisses.

Allerdings gibt es dazu eine abweichende Entscheidung des Bayerischen Landessozialgerichts. Ein ordentlich unkündbarer Arbeitnehmer hatte einen Änderungsvertrag mit seinem Arbeitgeber geschlossen. Dieser besagte, dass er für zwei Jahre in eine Transfergesellschaft wechseln und anschließend mit einer Abfindung ausscheiden sollte. Das Gericht erkannte hier einen wichtigen Grund für einen Aufhebungsvertrag an. Dem Beschäftigten hätte nämlich bei Nichtunterzeichnung eine außerordentliche betriebsbedingte Kündigung gedroht. Das Gericht betonte, dass dies sogar gelte, wenn die Abfindung erheblich über den gesetzlichen Grenzen liege (Urteil vom 28.2.2013, Az. L 9 AL 42/10).

Praxistipp zur Sperrzeit beim Arbeitslosengeld


Eine Kündigung durch den Arbeitnehmer selbst oder den Arbeitgeber aus verhaltens- oder personenbedingten Gründen, kann zu einer Sperrzeit beim Arbeitslosengeld I durch die Agentur für Arbeit führen. Ebenso ein unüberlegt aufgesetzter Aufhebungsvertrag. Wegen der drohenden finanziellen Einbußen empfiehlt sich eine fachkundige Beratung bei einem Fachanwalt für Arbeitsrecht.

(Ma)


 Ulf Matzen
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