Kündigung von Schwerbehinderten: Welche Regeln muss der Chef einhalten?
02.02.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Im Arbeitsleben haben es Schwerbehinderte oft schwerer als andere Arbeitnehmer. Sie finden häufig nach einer Kündigung nicht so leicht eine neue Arbeitsstelle. Deswegen gelten für ihre Kündigung besondere Voraussetzungen. Eine davon ist die notwendige Zustimmung des Integrationsamtes. Es gibt aber auch Besonderheiten, etwa bei einer betriebsbedingten Kündigung. So manche Kündigung von Schwerbehinderten ist rechtlich angreifbar.
Dies ist in § 2 des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) geregelt. Als behindert gelten zunächst Menschen, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweichen, sodass ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Probleme angeboren sind, oder ob sie durch einen Unfall oder durch eine Krankheit verursacht wurden.
Als schwerbehindert definiert das Gesetz Menschen, bei denen ein Grad der Behinderung von mindestens 50 besteht. Ihnen gleichgestellt sind behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30, die durch ihre Behinderung ohne diese Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz finden oder behalten können.
Die Versorgungsämter oder andere nach Landesrecht zuständige Stellen haben die Aufgabe, die Schwerbehinderteneigenschaft bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer festzustellen. Von diesen Behörden erhält man dann auch den Schwerbehindertenausweis.
Hat ein Unternehmen mindestens 20 Mitarbeiter, muss es grundsätzlich mindestens fünf Prozent der Stellen mit Schwerbehinderten besetzen. Wenn es diese vorgeschriebene Quote nicht erfüllt, hat es eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. Diese sinkt jedoch, je näher das Unternehmen der Quote kommt. Dies gilt für private und öffentliche Arbeitgeber und unabhängig davon, ob die Arbeitsagentur dem Betrieb schwerbehinderte Bewerber schickt. Die Ausgleichsabgabe beträgt 140 bis 360 Euro pro Monat und unbesetztem Arbeitsplatz.
Schwerbehinderte haben zunächst einmal den gleichen Kündigungsschutz wie alle anderen Arbeitnehmer. Wenn ein Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter (ohne Azubis) beschäftigt, gilt das Kündigungsschutzgesetz. Davon profitieren jedoch nur Mitarbeiter, die seit mindestens sechs Monaten im Betrieb arbeiten. Die Folge ist zum Beispiel, dass der Arbeitgeber zum Kündigen einen gesetzlich zulässigen Grund benötigt. Infrage kommen betriebliche Gründe (Umstrukturierung, Auftragsmangel), personenbedingte Gründe (dauerhafte Krankheit, Gefängnisaufenthalt) oder verhaltensbedingte Gründe (Diebstahl, Beleidigung des Chefs).
Zusätzlich genießen Schwerbehinderte aber noch einen besonderen Kündigungsschutz: Möchte der Arbeitgeber einem Schwerbehinderten kündigen, muss er dafür zuerst die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Dieses wiederum bittet zuvor den Betriebs- oder Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung des Betriebes um eine Stellungnahme. Auch den Arbeitnehmer selbst hört es an. Ohne eine solche Anhörung darf das Integrationsamt nicht der Kündigung zustimmen.
Erteilt das Integrationsamt seine Zustimmung nicht, ist die Kündigung unwirksam.
Die gesetzliche Regelung findet sich in den §§ 168 bis 175 des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX).
Nach § 169 SGB IX beträgt die Kündigungsfrist für Schwerbehinderte mindestens vier Wochen.
Aufgabe des Integrationsamtes ist es, die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu sichern und zu fördern. Finanziert wird es durch die Ausgleichsabgabe der Unternehmen. Diese müssen Betriebe zahlen, die nicht die vorgeschriebene Quote an Schwerbehinderten beschäftigen. Auch berät das Integrationsamt Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Förderungen, zum Beispiel zur Einrichtung behindertengerechter Arbeitsplätze oder für den Erwerb von Hilfsmitteln.
Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens zur Kündigung soll das Integrationsamt in jeder Lage des Verfahrens versuchen, eine gütliche Einigung zwischen Arbeitgeber und Schwerbehinderten zu erreichen.
Für die Kündigung eines Schwerbehinderten muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes beantragen. Das Amt soll innerhalb eines Monats eine Entscheidung treffen. Dazu ersucht es Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung um eine Stellungnahme. Die vorgeschriebene Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers selbst kann das Integrationsamt mündlich durchführen, wenn es dies für erforderlich hält. Eine solche Anhörung kann aber auch schriftlich durchgeführt werden. Dabei kann der Arbeitnehmer auch darauf verzichten, Angaben zu machen.
Wenn das Integrationsamt der Kündigung zustimmt, darf der Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung kündigen – danach nicht mehr. Die Frist beginnt mit der Zustellung. Die Entscheidung wird auch dem Arbeitnehmer zugestellt. Eine Kopie erhält die Bundesagentur für Arbeit. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier Wochen.
Die besonderen Kündigungsschutz-Regeln für Schwerbehinderte gelten nicht für Menschen, die ihre Schwerbehinderten-Eigenschaft zur Zeit der Kündigung nicht ausreichend nachgewiesen haben. Als Nachweis wird gefordert, dass das Versorgungsamt oder die jeweils zuständige Landesbehörde einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festgestellt haben oder die Agentur für Arbeit der betreffenden Person einen Gleichstellungsbescheid erteilt hat.
Die Regelungen über das Integrationsamt gelten nicht für schwerbehinderte Menschen, deren Arbeitsverhältnis weniger als sechs Monate lang bestanden hat.
Ausgenommen sind außerdem bestimmte Arbeitsstellen, zum Beispiel solche,
- die karitativ oder religiös ausgerichtet sind und nicht in erster Linie dem Lebensunterhalt des Betreffenden dienen (einschließlich Arbeitsstellen von Geistlichen),
- die der Heilung oder Erziehung des Schwerbehinderten oder
- Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dienen.
Ausgenommen sind auch Kündigungen von Menschen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Anspruch auf eine Abfindung oder Leistungen aus einem Sozialplan haben. Diese Arbeitnehmer muss jedoch der Chef rechtzeitig auf seine Kündigungsabsicht hinweisen. Sie haben dann ein Widerspruchsrecht bis zum Ausspruch der Kündigung.
Der besondere Kündigungsschutz findet auch bei witterungsbedingten Kündigungen keine Anwendung, wenn sichergestellt ist, dass der Arbeitnehmer bei besserem Wetter wieder eingestellt wird.
Geregelt sind alle diese Ausnahmen in § 173 SGB IX.
Der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte gilt auch für eine außerordentliche Kündigung. Hier gelten jedoch andere Fristen: Die Zustimmung des Integrationsamtes kann der Arbeitgeber nur innerhalb von zwei Wochen beantragen, gerechnet ab dem Tag, an dem er von den Tatsachen erfahren hat, die die Kündigung begründen. Dann hat sich das Integrationsamt innerhalb von zwei Wochen ab Eingang des Antrags zu entscheiden, ob es die Kündigung zulässt. Trifft es keine Entscheidung, gilt seine Zustimmung als erteilt.
Das Integrationsamt soll seine Zustimmung geben, wenn die außerordentliche Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Kündigt der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Menschen nur aus Anlass eines Streiks oder einer Aussperrung fristlos, muss er diesen nach Ende des Streiks oder der Aussperrung wieder einstellen (§ 174 SGB IX).
Bei der Entscheidung des Integrationsamtes wird besonders berücksichtigt, inwieweit der Arbeitnehmer gerade wegen seiner Behinderung im konkreten Fall besonderen Schutz benötigt. Daher prüft das Amt bei einer betriebsbedingten Kündigung genau, warum gerade der Arbeitsplatz dieses schwerbehinderten Mitarbeiters wegfallen soll, oder ob er oder sie womöglich auch auf einem anderen, gleichwertigen Arbeitsplatz im Betrieb eingesetzt werden könnte.
Besondere Regeln gelten bei einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Der besondere Kündigungsschutz hilft hier dem Schwerbehinderten nicht. Stattdessen gelten die gleichen Regeln, wie für alle Arbeitnehmer. Das heißt: Eine verhaltensbedingte Kündigung erfordert in der Regel eine vorherige erfolglose Abmahnung. Darauf kann in besonderen Fällen, etwa bei Straftaten gegen den Arbeitgeber, verzichtet werden.
Wenn der Chef ohne die Zustimmung des Integrationsamts gekündigt hat, kann der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung klagen. Hat das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt, kann diese Entscheidung durch einen fristgerechten Widerspruch angefochten werden. Hat das Integrationsamt seine Zustimmung erteilt und ist die Kündigung bereits erfolgt, kann der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erheben. Dies muss innerhalb der Klagefrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung passieren. Wichtig: Diese Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Arbeitnehmer auch die Entscheidung des Integrationsamtes zugestellt bekommen hat (§ 4 KSchG).
Das Arbeitsverhältnis eines Schwerbehinderten kann ohne Zustimmung des Integrationsamtes beendet werden, wenn der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag schließt, selbst kündigt oder das Arbeitsverhältnis wegen einer Befristung durch Zeitablauf endet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist jedoch immer zustimmungsbedürftig, wenn sie beim Eintritt der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit oder bei teilweiser und voller Erwerbsminderung auf Zeit ohne Kündigung stattfindet (§ 175 SGB IX).
Viele Arbeitgeber machen bei Kündigungen von Schwerbehinderten Fehler. Daher kann es sich lohnen, eine Kündigung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen. Unter Umständen lässt sich auch eine Abfindung aushandeln. Denken Sie an die Klagefrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung!
Das Wichtigste in Kürze
1. Besonderer Kündigungsschutz: Schwerbehinderte haben den gleichen Kündigungsschutz wie alle anderen Arbeitnehmer. Zusätzlich bedarf es aber der Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gilt auch für eine außerordentliche Kündigung.
2. Zustimmung durch Integrationsamt: Der Arbeitgeber muss zur Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters die Zustimmung des Integrationsamtes beantragen. Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung werden um Stellungnahme gebeten, der Arbeitnehmer hat ein Recht auf Anhörung.
3. Kündigung: Stimmt das Integrationsamt der Kündigung des Schwerbehinderten zu, darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier Wochen.
4. Kündigungsschutz: Bei fehlender Zustimmung des Integrationsamts kann derArbeitnehmer auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung klagen. Ist die Zustimmung vorhanden, kann der Schwerbehinderte innerhalb drei Wochen ab Zustellung der Kündigung und der Entscheidung des Integrationsamtes Kündigungsschutzklage erheben.
1. Besonderer Kündigungsschutz: Schwerbehinderte haben den gleichen Kündigungsschutz wie alle anderen Arbeitnehmer. Zusätzlich bedarf es aber der Zustimmung des Integrationsamtes. Dies gilt auch für eine außerordentliche Kündigung.
2. Zustimmung durch Integrationsamt: Der Arbeitgeber muss zur Kündigung eines schwerbehinderten Mitarbeiters die Zustimmung des Integrationsamtes beantragen. Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung werden um Stellungnahme gebeten, der Arbeitnehmer hat ein Recht auf Anhörung.
3. Kündigung: Stimmt das Integrationsamt der Kündigung des Schwerbehinderten zu, darf der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung kündigen. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier Wochen.
4. Kündigungsschutz: Bei fehlender Zustimmung des Integrationsamts kann derArbeitnehmer auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung klagen. Ist die Zustimmung vorhanden, kann der Schwerbehinderte innerhalb drei Wochen ab Zustellung der Kündigung und der Entscheidung des Integrationsamtes Kündigungsschutzklage erheben.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Welche Arbeitnehmer sind schwerbehindert? Welche Quotenregelung für Schwerbehinderte gilt für Betriebe? Welchen Kündigungsschutz haben Schwerbehinderte? Welche Rolle spielt das Integrationsamt? Wie funktioniert das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt? Wann greift der Kündigungsschutz bei Schwerbehinderten nicht? Welche Ausnahmen gibt es sonst noch? Was gilt bei einer außerordentlichen Kündigung? Welche Besonderheiten bestehen bei einer betriebsbedingten Kündigung? Was gilt bei einer verhaltensbedingten Kündigung von Schwerbehinderten? Wie können sich schwerbehinderte Arbeitnehmer gegen die Kündigung wehren? Wie kann ein Arbeitsverhältnis ohne Formalien beendet werden? Praxistipp zur Kündigung von Schwerbehinderten Welche Arbeitnehmer sind schwerbehindert?
Dies ist in § 2 des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX) geregelt. Als behindert gelten zunächst Menschen, deren körperliche Funktion, geistige Fähigkeit oder seelische Gesundheit mit hoher Wahrscheinlichkeit länger als sechs Monate von dem für ihr Lebensalter typischen Zustand abweichen, sodass ihre Teilnahme am Leben in der Gesellschaft beeinträchtigt ist. Dabei spielt es keine Rolle, ob diese Probleme angeboren sind, oder ob sie durch einen Unfall oder durch eine Krankheit verursacht wurden.
Als schwerbehindert definiert das Gesetz Menschen, bei denen ein Grad der Behinderung von mindestens 50 besteht. Ihnen gleichgestellt sind behinderte Menschen mit einem Grad der Behinderung von mindestens 30, die durch ihre Behinderung ohne diese Gleichstellung keinen geeigneten Arbeitsplatz finden oder behalten können.
Die Versorgungsämter oder andere nach Landesrecht zuständige Stellen haben die Aufgabe, die Schwerbehinderteneigenschaft bei einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer festzustellen. Von diesen Behörden erhält man dann auch den Schwerbehindertenausweis.
Welche Quotenregelung für Schwerbehinderte gilt für Betriebe?
Hat ein Unternehmen mindestens 20 Mitarbeiter, muss es grundsätzlich mindestens fünf Prozent der Stellen mit Schwerbehinderten besetzen. Wenn es diese vorgeschriebene Quote nicht erfüllt, hat es eine Ausgleichsabgabe zu zahlen. Diese sinkt jedoch, je näher das Unternehmen der Quote kommt. Dies gilt für private und öffentliche Arbeitgeber und unabhängig davon, ob die Arbeitsagentur dem Betrieb schwerbehinderte Bewerber schickt. Die Ausgleichsabgabe beträgt 140 bis 360 Euro pro Monat und unbesetztem Arbeitsplatz.
Welchen Kündigungsschutz haben Schwerbehinderte?
Schwerbehinderte haben zunächst einmal den gleichen Kündigungsschutz wie alle anderen Arbeitnehmer. Wenn ein Betrieb mehr als zehn Mitarbeiter (ohne Azubis) beschäftigt, gilt das Kündigungsschutzgesetz. Davon profitieren jedoch nur Mitarbeiter, die seit mindestens sechs Monaten im Betrieb arbeiten. Die Folge ist zum Beispiel, dass der Arbeitgeber zum Kündigen einen gesetzlich zulässigen Grund benötigt. Infrage kommen betriebliche Gründe (Umstrukturierung, Auftragsmangel), personenbedingte Gründe (dauerhafte Krankheit, Gefängnisaufenthalt) oder verhaltensbedingte Gründe (Diebstahl, Beleidigung des Chefs).
Zusätzlich genießen Schwerbehinderte aber noch einen besonderen Kündigungsschutz: Möchte der Arbeitgeber einem Schwerbehinderten kündigen, muss er dafür zuerst die Zustimmung des Integrationsamtes einholen. Dieses wiederum bittet zuvor den Betriebs- oder Personalrat und die Schwerbehindertenvertretung des Betriebes um eine Stellungnahme. Auch den Arbeitnehmer selbst hört es an. Ohne eine solche Anhörung darf das Integrationsamt nicht der Kündigung zustimmen.
Erteilt das Integrationsamt seine Zustimmung nicht, ist die Kündigung unwirksam.
Die gesetzliche Regelung findet sich in den §§ 168 bis 175 des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX).
Nach § 169 SGB IX beträgt die Kündigungsfrist für Schwerbehinderte mindestens vier Wochen.
Welche Rolle spielt das Integrationsamt?
Aufgabe des Integrationsamtes ist es, die Beschäftigung schwerbehinderter Menschen zu sichern und zu fördern. Finanziert wird es durch die Ausgleichsabgabe der Unternehmen. Diese müssen Betriebe zahlen, die nicht die vorgeschriebene Quote an Schwerbehinderten beschäftigen. Auch berät das Integrationsamt Arbeitgeber und Arbeitnehmer über Förderungen, zum Beispiel zur Einrichtung behindertengerechter Arbeitsplätze oder für den Erwerb von Hilfsmitteln.
Im Rahmen des Zustimmungsverfahrens zur Kündigung soll das Integrationsamt in jeder Lage des Verfahrens versuchen, eine gütliche Einigung zwischen Arbeitgeber und Schwerbehinderten zu erreichen.
Wie funktioniert das Zustimmungsverfahren beim Integrationsamt?
Für die Kündigung eines Schwerbehinderten muss der Arbeitgeber die Zustimmung des Integrationsamtes beantragen. Das Amt soll innerhalb eines Monats eine Entscheidung treffen. Dazu ersucht es Betriebsrat und Schwerbehindertenvertretung um eine Stellungnahme. Die vorgeschriebene Anhörung des betroffenen Arbeitnehmers selbst kann das Integrationsamt mündlich durchführen, wenn es dies für erforderlich hält. Eine solche Anhörung kann aber auch schriftlich durchgeführt werden. Dabei kann der Arbeitnehmer auch darauf verzichten, Angaben zu machen.
Wenn das Integrationsamt der Kündigung zustimmt, darf der Arbeitgeber innerhalb eines Monats nach Zustellung der Entscheidung kündigen – danach nicht mehr. Die Frist beginnt mit der Zustellung. Die Entscheidung wird auch dem Arbeitnehmer zugestellt. Eine Kopie erhält die Bundesagentur für Arbeit. Die Kündigungsfrist beträgt mindestens vier Wochen.
Wann greift der Kündigungsschutz bei Schwerbehinderten nicht?
Die besonderen Kündigungsschutz-Regeln für Schwerbehinderte gelten nicht für Menschen, die ihre Schwerbehinderten-Eigenschaft zur Zeit der Kündigung nicht ausreichend nachgewiesen haben. Als Nachweis wird gefordert, dass das Versorgungsamt oder die jeweils zuständige Landesbehörde einen Grad der Behinderung von mindestens 50 festgestellt haben oder die Agentur für Arbeit der betreffenden Person einen Gleichstellungsbescheid erteilt hat.
Welche Ausnahmen gibt es sonst noch?
Die Regelungen über das Integrationsamt gelten nicht für schwerbehinderte Menschen, deren Arbeitsverhältnis weniger als sechs Monate lang bestanden hat.
Ausgenommen sind außerdem bestimmte Arbeitsstellen, zum Beispiel solche,
- die karitativ oder religiös ausgerichtet sind und nicht in erster Linie dem Lebensunterhalt des Betreffenden dienen (einschließlich Arbeitsstellen von Geistlichen),
- die der Heilung oder Erziehung des Schwerbehinderten oder
- Arbeitsbeschaffungsmaßnahmen dienen.
Ausgenommen sind auch Kündigungen von Menschen, die das 58. Lebensjahr vollendet haben und die Anspruch auf eine Abfindung oder Leistungen aus einem Sozialplan haben. Diese Arbeitnehmer muss jedoch der Chef rechtzeitig auf seine Kündigungsabsicht hinweisen. Sie haben dann ein Widerspruchsrecht bis zum Ausspruch der Kündigung.
Der besondere Kündigungsschutz findet auch bei witterungsbedingten Kündigungen keine Anwendung, wenn sichergestellt ist, dass der Arbeitnehmer bei besserem Wetter wieder eingestellt wird.
Geregelt sind alle diese Ausnahmen in § 173 SGB IX.
Was gilt bei einer außerordentlichen Kündigung?
Der besondere Kündigungsschutz für Schwerbehinderte gilt auch für eine außerordentliche Kündigung. Hier gelten jedoch andere Fristen: Die Zustimmung des Integrationsamtes kann der Arbeitgeber nur innerhalb von zwei Wochen beantragen, gerechnet ab dem Tag, an dem er von den Tatsachen erfahren hat, die die Kündigung begründen. Dann hat sich das Integrationsamt innerhalb von zwei Wochen ab Eingang des Antrags zu entscheiden, ob es die Kündigung zulässt. Trifft es keine Entscheidung, gilt seine Zustimmung als erteilt.
Das Integrationsamt soll seine Zustimmung geben, wenn die außerordentliche Kündigung nicht im Zusammenhang mit der Behinderung steht. Kündigt der Arbeitgeber einem schwerbehinderten Menschen nur aus Anlass eines Streiks oder einer Aussperrung fristlos, muss er diesen nach Ende des Streiks oder der Aussperrung wieder einstellen (§ 174 SGB IX).
Welche Besonderheiten bestehen bei einer betriebsbedingten Kündigung?
Bei der Entscheidung des Integrationsamtes wird besonders berücksichtigt, inwieweit der Arbeitnehmer gerade wegen seiner Behinderung im konkreten Fall besonderen Schutz benötigt. Daher prüft das Amt bei einer betriebsbedingten Kündigung genau, warum gerade der Arbeitsplatz dieses schwerbehinderten Mitarbeiters wegfallen soll, oder ob er oder sie womöglich auch auf einem anderen, gleichwertigen Arbeitsplatz im Betrieb eingesetzt werden könnte.
Was gilt bei einer verhaltensbedingten Kündigung von Schwerbehinderten?
Besondere Regeln gelten bei einem Fehlverhalten des Arbeitnehmers. Der besondere Kündigungsschutz hilft hier dem Schwerbehinderten nicht. Stattdessen gelten die gleichen Regeln, wie für alle Arbeitnehmer. Das heißt: Eine verhaltensbedingte Kündigung erfordert in der Regel eine vorherige erfolglose Abmahnung. Darauf kann in besonderen Fällen, etwa bei Straftaten gegen den Arbeitgeber, verzichtet werden.
Wie können sich schwerbehinderte Arbeitnehmer gegen die Kündigung wehren?
Wenn der Chef ohne die Zustimmung des Integrationsamts gekündigt hat, kann der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht auf Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung klagen. Hat das Integrationsamt der Kündigung zugestimmt, kann diese Entscheidung durch einen fristgerechten Widerspruch angefochten werden. Hat das Integrationsamt seine Zustimmung erteilt und ist die Kündigung bereits erfolgt, kann der Arbeitnehmer vor dem Arbeitsgericht Kündigungsschutzklage erheben. Dies muss innerhalb der Klagefrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung passieren. Wichtig: Diese Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn der Arbeitnehmer auch die Entscheidung des Integrationsamtes zugestellt bekommen hat (§ 4 KSchG).
Wie kann ein Arbeitsverhältnis ohne Formalien beendet werden?
Das Arbeitsverhältnis eines Schwerbehinderten kann ohne Zustimmung des Integrationsamtes beendet werden, wenn der Arbeitnehmer mit dem Arbeitgeber einen Aufhebungsvertrag schließt, selbst kündigt oder das Arbeitsverhältnis wegen einer Befristung durch Zeitablauf endet. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses ist jedoch immer zustimmungsbedürftig, wenn sie beim Eintritt der Berufsunfähigkeit oder der Erwerbsunfähigkeit auf Zeit oder bei teilweiser und voller Erwerbsminderung auf Zeit ohne Kündigung stattfindet (§ 175 SGB IX).
Praxistipp zur Kündigung von Schwerbehinderten
Viele Arbeitgeber machen bei Kündigungen von Schwerbehinderten Fehler. Daher kann es sich lohnen, eine Kündigung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht prüfen zu lassen. Unter Umständen lässt sich auch eine Abfindung aushandeln. Denken Sie an die Klagefrist von drei Wochen ab Zugang der Kündigung!
(Bu)