Arbeitsunfall: Welche Leistungen muss die gesetzliche Unfallversicherung erbringen?

08.08.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Unfallversicherung,Berufsgenossenschaft,Leistungen,Reha Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt nicht nur die Behandlungskosten. © Bu - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Begriff: Die gesetzliche Unfallversicherung ist eine von den Arbeitgebern finanzierte Krankenversicherung für den speziellen Bereich von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten.

2. Leistungen: Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt z.B. für Heilbehandlungen und Rehabilitation, übernimmt bei andauernder Arbeitsunfähigkeit ein Verletztengeld und gewährt bei bleibender Beeinträchtigung eine Rente.

3. Keine Leistungen: Ist der Zusammenhang zwischen einem gesundheitlichen Leiden eines Arbeitnehmers und einem Arbeitsunfall nicht erwiesen, zahlt die gesetzliche Unfallversicherung nicht.
Die gesetzliche Unfallversicherung übernimmt beispielsweise die Behandlung durch einen sogenannten Durchgangsarzt. Sie zahlt auch das sogenannte Verletztengeld, Rehabilitationsmaßnahmen sowie Hilfsmittel, die eine schnelle Genesung fördern. Ist ein Arbeitnehmer für längere Zeit arbeitsunfähig, kommt sie unter Umständen auch für eine Verletztenrente auf. In manchen Fällen trägt sie noch weitere Kosten.

Was ist die gesetzliche Unfallversicherung?


Die gesetzliche Unfallversicherung ist nicht gleichzusetzen mit der gesetzlichen Krankenversicherung. Sie ist eine allein von den Arbeitgebern finanzierte Krankenversicherung für den speziellen Fall von Arbeitsunfällen und Berufskrankheiten. Sie zahlt unter anderem für die medizinische Behandlungen, übernimmt Entschädigungen und Verletztenrenten.

Welche Behandlungskosten übernimmt die Unfallversicherung?


Die Unfallversicherung bezahlt an erster Stelle für Heilbehandlungen. Dazu gehören die ärztliche Behandlung selbst sowie die notwendigen Medikamente und Verbandsstoffe sowie Heil- und Hilfsmittel. Auch übernimmt sie die Kosten von Krankenhausaufenthalten, häuslicher Krankenpflege, Reha-Kliniken, Physio- und Psychotherapie.

Wann kann die Unfallversicherung die Zahlung verweigern?


Ist nicht erwiesen, dass ein Arbeitsunfall tatsächlich ursächlich für eine körperliche Schädigung des Arbeitnehmers ist, wird die gesetzliche Unfallversicherung in der Regel nicht zahlen.

Dazu ein Fall: Ein Metallbauer hatte bei einem Sturz im Betrieb einige Blessuren erlitten. Die Durchgangsärztin fand zuerst nur Prellungen und Schürfwunden. Seine Knie schienen unverletzt zu sein. Es wurden mehrere Folgebehandlungen durchgeführt, unter anderem wegen eines Lymphödems am Fuß. Der Patient hatte dann jedoch drei Monate nach dem Unfall permanent Schmerzen im Knie. Eine MRT-Untersuchung ergab: Er hatte einen umfangreichen Meniskusriss.

Daraufhin verweigerte die Berufsgenossenschaft als Trägerin der Unfallversicherung die Bezahlung der Behandlungskosten für den Meniskusschaden und auch die Bezahlung von Verletztengeld. Sie ging nämlich davon aus, dass die Knieverletzung nicht von dem Arbeitsunfall herrührte. Dies wurde vom Sozialgericht Karlsruhe bestätigt. Ein Anspruch auf Versicherungsleistungen setze voraus, dass ein direkter Zusammenhang mit dem Arbeitsunfall bewiesen sei. Dies sei hier nicht gegeben. Der vom Kläger geschilderte Unfallhergang könne nicht zu einem Innenmeniskusriss führen. Wenn er sich beim Sturz das Knie verdreht hätte, hätte man typische Begleitverletzungen an Gelenkkapsel und Bändern sehen müssen - was nicht der Fall war. Die Unfallversicherung musste nicht zahlen (Urteil vom 14.10.2016, Az. S 1 U 2298/16).

Update vom 8.8.2024: Ist auch ein Verwandter als ehrenamtlicher Betreuer unfallversichert?


Auch ehrenamtliche, von Betreuungsgericht bestellte Betreuer sind gesetzlich unfallversichert, wenn sich ein Arbeitsunfall im Rahmen ihrer Tätigkeit ereignet. Das Landessozialgericht Sachsen-Anhalt hat entschieden, dass auch ein tätlicher Angriff eines geistig Behinderten auf seinen Betreuer als Arbeitsunfall zählen kann. Betreuer war in diesem Fall der Vater des Betreuten, der auch für die gesundheitlichen Angelegenheiten seines Sohnes verantwortlich war. Beide wohnten in einer Wohnung. Eines Tages war es zum Streit gekommen, weil der erwachsene Sohn sein Zimmer nicht aufräumen wollte. Der Sohn wurde wütend und schlug dem Vater eine Vase über den Kopf. Für die zuständige Versicherung lief dies nicht unter Arbeitsunfall, sondern unter Familienalltag. Das Sozialgericht war jedoch anderer Meinung. Der Vater habe schon vor dem Schlag den Notruf gewählt, um ärztliche Hilfe für seinen gerade tobsüchtigen Sohn anzufordern. Somit habe eine Situation vorgelegen, die der Gesundheitsfürsorge und damit dem Betreuungsbereich des Vaters zuzuordnen sei. Die Unfallversicherung musste zahlen (Urteil vom 26.6.2024, Az. L 6 U 19/23).

Was übernimmt die Unfallversicherung bei Vorschäden und Folgeschäden?


Die gesetzliche Unfallversicherung zahlt nur für die Behandlungskosten, die tatsächlich durch einen Arbeitsunfall verursacht worden sind. Dies kann zu Komplikationen führen. Wie in diesem Fall:

Ein Lagerarbeiter war auf dem Betriebsgelände von einer "Ameise" angefahren und unter einem Stapel Gitterboxen begraben worden. Dabei erlitt er Prellungen und Schürfwunden und verlor seine beiden oberen Schneidezähne. Sein Kiefer wurde so stark beschädigt, dass sich das Ganze nur über Kronen und Teilkronen an weiteren Zähnen stabilisieren ließ. Der Zahnarzt führte mit weiteren Kronen eine sogenannte "Bisshebung" durch, weil die Stellung seiner Zähne schon vor dem Unfall nicht optimal gewesen war. Die neuen Vorderzähne des Unfallopfers waren weiß, die umliegenden, alten Zähne abgenutzt. Daher ließ der Mann den Zahnarzt die alten Zähne farblich an die neuen anpassen.

Das Landessozialgericht Baden-Württemberg entschied: Die Unfallversicherung müsse in diesem Fall nur die Kosten für den Ersatz der Frontzähne und deren stabilen Einbau übernehmen. Die Bisskorrektur sei nicht durch den Unfall notwendig geworden. Die helle Farbe der Frontzähne habe der Kläger selbst gewählt. Die gesetzliche Unfallversicherung müsse keine kosmetische Folgebehandlung bezahlen. Der Mann musste schließlich etwa 2.400 Euro selbst zahlen (Urteil vom 30.1.2017, Az. L 1 U 120/16).

Was ist das Verletztengeld?


Wird ein Arbeitnehmer durch einen Arbeitsunfall arbeitsunfähig, bezahlt ihm sein Arbeitgeber den Arbeitslohn zunächst sechs Wochen lang weiter. Dies setzt jedoch voraus, dass der Beschäftigte seit mindestens vier Wochen im Betrieb gearbeitet hat. Ist er nach Ablauf der sechs Wochen noch immer nicht wieder einsatzfähig, übernimmt die Berufsgenossenschaft und zahlt Verletztengeld. Ausgezahlt wird es von der Krankenkasse des Arbeitnehmers. Seine Höhe beträgt 80 Prozent des üblichen Bruttogehalts, abzüglich den Beiträgen zur Arbeitslosen- und Rentenversicherung. Das Verletztengeld wird grundsätzlich für maximal 78 Wochen gezahlt. Aber: siehe unten.

78-Wochen sind keine feste Grenze


Die Zahlung von Verletztengeld wird zum Teil nach Ablauf von 78 Wochen ohne weitere Prüfung der Sachlage einfach beendet. So einfach ist die Sache jedoch nicht: Die betreffende Regelung im Sozialgesetzbuch beginnt mit den Worten "wenn mit dem Wiedereintritt der Arbeitsfähigkeit nicht zu rechnen ist". Das bedeutet: Zunächst muss eine entsprechende Prognoseentscheidung der Unfallversicherung stattgefunden haben, sinnvollerweise auf Grundlage ärztlicher Befunde. Kommt dabei eine negative Prognose heraus, darf sich die Berufsgenossenschaft auf den Ablauf der 78 Wochen berufen und die Zahlungen einstellen - sonst nicht.

Auch bei noch laufenden Reha-Maßnahmen endet das Verletztengeld nicht, nur weil die 78 Wochen abgelaufen sind. Ebenso läuft es unabhängig von der Wochenzahl weiter, solange der Arbeitnehmer noch stationär behandelt wird (§ 46 Abs. 3 S. 2 SGB VII). Dies hat das Bundessozialgericht bestätigt (Urteil vom 30. Oktober 2007, Az. B 2 U 31/06 R).

Welche Reha-Maßnahmen zahlt die gesetzliche Unfallversicherung?


Von der gesetzlichen Unfallversicherung werden auch Rehabilitationsmaßnahmen bezahlt. Eines ihrer Ziele besteht schließlich darin, Arbeitnehmer so schnell wie möglich wieder arbeitsfähig zu machen. Zu den möglichen Maßnahmen gehören zum Beispiel der Aufenthalt in einer Rehaklinik und die Versorgung mit Hilfsmitteln wie Rollstuhl und Krücken. Unter Umständen finanziert die Unfallversicherung sogar ein bedarfsgerecht umgerüstetes Auto oder eine besondere Umrüstung am Arbeitsplatz. Ist eine Wiederaufnahme der alten Tätigkeit nach der Genesung nicht mehr möglich, kann die Versicherung auch die Kosten einer Umschulung übernehmen.

Wann erhält man Verletztenrente?


Die Wiederherstellung der Arbeitsfähigkeit steht nach einem Arbeitsunfall an erster Stelle. Ist jedoch die Erwerbsfähigkeit des oder der Betreffenden in der 27. Woche nach dem Arbeitsunfall immer noch um mindestens 20 Prozent reduziert, ist die Zahlung einer Verletztenrente möglich. Verletztengeld und Verletztenrente werden nicht gleichzeitig gezahlt.

In der gesetzlichen Unfallversicherung bemisst sich die Verletztenrente nach dem Jahresarbeitsverdienst (JAV), dem Gesamtbetrag der Arbeitsentgelte in den 12 Kalendermonaten vor dem Arbeitsunfall.

Übrigens: Das Bayerische Landessozialgericht hat entschieden, dass Spesen unter Umständen die Verletztenrente erhöhen. Vor Gericht ging es um einen LKW-Fernfahrer, der von seinem Chef pauschal versteuerte und steuerfreie Spesen wegen betrieblicher Auswärtstätigkeiten bekam. Diese berechnete die Berufsgenossenschaft bei der Berechnung des JAV nicht mit ein. Der Fernfahrer hatte tatsächlich keinen Mehraufwand, da er in der Fahrerkabine des Lkw übernachtete, der Lkw mit Kühlschrank, Kaffeemaschine und Wasserkocher ausgestattet war und er Lebensmittel von zu Hause mitnahm.

Nach dem Bayerischen Landessozialgericht sind jedoch die Spesen trotzdem als Arbeitsentgelt beim JAV zu berücksichtigen. Dem Kläger seien keine tatsächlichen Mehraufwendungen entstanden. Daher hätten sich die Spesen einkommenserhöhend ausgewirkt und seien beim JAV einzurechnen (Az. L 3 U 619/11).

Wann bezahlt die Unfallversicherung Haushaltshilfe und Kinderbetreuungskosten?


Unter Umständen finanziert die gesetzliche Unfallversicherung auch eine Haushaltshilfe. Die Voraussetzungen sind:

- dem Arbeitnehmer / der Arbeitnehmerin ist wegen laufender Reha oder einer anderen Leistung zur Teilhabe am Arbeitsleben die Weiterführung des Haushalts nicht möglich,
- keine andere im Haushalt lebende Person kann den Haushalt weiterführen und
- im Haushalt lebt ein Kind, das bei Beginn der Haushaltshilfe noch nicht zwölf Jahre alt ist oder das wegen einer Behinderung auf Hilfe angewiesen ist.

Ersatzweise können die Kosten entsprechend der Haushaltshilfe übernommen werden, wenn das Kind anderweitig untergebracht und betreut werden kann.

Leistungen für Haushaltshilfe kommen insbesondere in Betracht, wenn das Unfallopfer sich in ambulanter Behandlung befindet und auf diese Weise eine teurere stationäre Behandlung vermieden werden kann.

Auch eine Kinderbetreuung kann finanziert werden, allerdings nicht zusätzlich zu einer Haushaltshilfe. Rechtsgrundlage für diese Leistungen ist § 64 des neunten Sozialgesetzbuches (SGB IX). Die Übernahme von Kinderbetreuungskosten setzt voraus, dass diese "durch die Ausführung einer Leistung zur medizinischen Rehabilitation oder zur Teilhabe am Arbeitsleben unvermeidbar entstehen." Liegt man also zum Beispiel in der Rehaklinik, weil es nicht anders geht, werden nach § 74 SGB IX Kinderbetreuungskosten in Höhe von 160 Euro pro Kind und Monat übernommen.

Was gilt, wenn man durch einen Arbeitsunfall zum Pflegefall wird?


Wird ein Beschäftigter durch einen Arbeitsunfall zum Pflegefall, zahlt ihm die Unfallversicherung ein Pflegegeld. Dessen Höhe hängt vom Pflegegrad des Betreffenden (früher: Pflegestufe) ab.

Nach der am 1. Juli 2024 in Kraft getretenen Rentenwertbestimmungsverordnung 2024 liegt der Rahmen für das Pflegegeld der gesetzlichen Unfallversicherung zwischen 445 Euro und 1.772 Euro. Die tatsächliche Höhe hängt von den Verhältnissen des Versicherten ab..

Voraussetzung für das Pflegegeld ist, dass der Verletzte infolge eines Arbeitsunfalles oder einer Berufskrankheit in erheblichem Maße Pflege und Unterstützung benötigt. Arbeitnehmer können beantragen, dass die Unfallversicherung die Kosten für eine Pflegekraft oder die Pflege in einem Heim trägt.

Nochmal kurz gefragt und kurz geantwortet



1. Was deckt die gesetzliche Unfallversicherung ab?
Sie deckt Unfälle, die während der Arbeit oder auf dem Weg zur Arbeit passieren, sowie Berufskrankheiten ab.

2. Welche medizinischen Leistungen werden erbracht?
Die Versicherung übernimmt die Kosten für die Heilbehandlung, einschließlich ärztlicher Behandlung, Krankenhausaufenthalt, Medikamente und Reha-Maßnahmen.

3. Welche finanziellen Leistungen gibt es bei Arbeitsunfähigkeit?
Bei Arbeitsunfähigkeit zahlt die Versicherung Verletztengeld, das in der Regel 80% des letzten Bruttoeinkommens beträgt.

4. Was passiert bei dauerhaften gesundheitlichen Schäden?
Bei dauerhaften Schäden gibt es eine Verletztenrente, deren Höhe vom Grad der Minderung der Erwerbsfähigkeit abhängt.

5. Gibt es Leistungen für Hinterbliebene?
Ja, im Todesfall werden Hinterbliebenenrenten gezahlt, und die Beerdigungskosten werden übernommen.

6. Welche Rolle spielt die Prävention?
Die Versicherung unterstützt Maßnahmen zur Unfallverhütung am Arbeitsplatz, um zukünftige Unfälle zu vermeiden.

Praxistipp zur gesetzlichen Unfallversicherung


Falls möglich, sollte man vor einer Behandlung die Zustimmung der Berufsgenossenschaft zur Kostenübernahme einholen. Dies gilt insbesondere bei aufwändigen Behandlungen, bei denen die Erstellung eines Heil- und Kostenplans möglich ist, zum Beispiel bei Zahnprothesen. Will die Berufsgenossenschaft die Kosten nicht übernehmen, empfiehlt sich die Beratung durch einen im Sozialversicherungsrecht erfahrenen Rechtsanwalt.

(Wk)


 Günter Warkowski
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