Arzthaftung: Wenn Ärzte Behandlungsfehler machen
19.12.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Rh - Anwalt-Suchservice Häufig fühlen sich Patienten Ärzten und Krankenhäusern ausgeliefert. Schließlich können sie selbst nicht beurteilen, ob etwas schiefgelaufen ist oder ob eine Komplikation beispielsweise durch ihren körperlichen Zustand oder eine Vorerkrankung zustande gekommen ist. Mittlerweile gehen Patienten aber immer öfter gerichtlich gegen ihre Ärzte vor und machen Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld wegen Behandlungsfehlern geltend.
Zwischen einem Arzt und einem Patienten kommt ein sogenannter Behandlungsvertrag zustande. Für den Arzt ist damit eine Reihe von Sorgfaltspflichten verknüpft, deren Verletzung zu einer Haftung führen kann.
Wichtig zu wissen: Ein Arzt ist nach dem Vertrag nicht dazu verpflichtet, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen – wie die Heilung. Stattdessen hat er die Pflicht, sich fachgerecht unter Berücksichtigung des aktuellen medizinischen Wissens um die Genesung des Patienten oder zumindest die Besserung seines Zustandes zu bemühen.
Zu einer Arzthaftung kann es wegen Behandlungsfehlern kommen, aber auch wegen Fehlern bei der Aufklärung des Patienten, bei der Dokumentation der Behandlung oder bei der Organisation von Arbeitsabläufen in der Praxis. Die Haftung kann sich auch aus dem sogenannten Deliktsrecht ergeben. Diese Möglichkeit besteht, wenn der Arzt eine vom Behandlungsvertrag nicht abgedeckte, unerlaubte Handlung am Patienten vornimmt.
Die Haftung des Krankenhauses hängt vom jeweiligen Behandlungsvertrag ab. Wenn der Patient oder die Patientin mit dem Krankenhaus einen sogenannten einheitlichen Behandlungsvertrag abgeschlossen haben, der sämtliche Leistungen einschließt, haftet das Krankenhaus für alle Verstöße gegen vertragliche Pflichten.
Wenn zusätzlich ein Vertrag mit einem externen Belegarzt abgeschlossen oder eine Chefarztbehandlung vereinbart wurde, müssen diese Ärzte auch selbst für ihre Fehler einstehen. Findet ein Wechsel des Krankenhauses statt - zum Beispiel wegen Verlegung in eine Fachklinik oder nach einer Operation vom Krankenhaus in die Reha-Klinik – kommt auch ein ganz neuer Behandlungsvertrag zustande. Passiert nun im neuen Krankenhaus ein Behandlungsfehler – kommt es etwa zu einer Infektion durch mangelnde Hygiene – haftet grundsätzlich das neue Krankenhaus.
Schmerzensgeld stellt keinen Schadensersatz für materielle Schäden dar. Vielmehr soll es die immateriellen Schäden kompensieren. Es wird also für Dinge bezahlt, die man schwer in Geld aufwiegen kann. Beispiele sind Schmerzen, Leiden körperlicher und psychischer Art, Beeinträchtigungen des normalen Lebens und Tagesablaufs, im Bereich der Medizin auch für zusätzlich nötige Operationen, dauerhafte Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit und Ähnliches. Die Höhe des Schmerzensgeldes ist nicht gesetzlich festgelegt. Hier entscheiden die Gerichte jeweils im Einzelfall und verwenden als unverbindliches Hilfsmittel Tabellen, die aus den Gerichtsurteilen früherer Fälle zusammengestellt worden sind.
Hohe Schmerzensgelder sind in Deutschland weniger üblich als etwa in den USA. Je grundlegender ein Behandlungsfehler allerdings ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht ein Schmerzensgeld zuspricht.
Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich mit dem Fall eines Patienten, der beim Fußballspielen eine Schultereckgelenksprengung erlitten hatte. Diese war noch am gleichen Tag im Krankenhaus mit einer Verschraubung des Schlüsselbeins operativ versorgt worden. Wenige Wochen später musste die Schraube mit einer Revisionsoperation entfernt werden, da sie ausgerissen war. Der Patient meinte nun, dass die Schraube nicht richtig platziert worden wäre. Vom Krankenhaus verlangte er Schadensersatz und ein Schmerzensgeld von 8.000 Euro.
Das Gericht stimmte ihm zu. Hier liege ein grober Befunderhebungsfehler vor. Die bei der ersten Operation eingesetzte Schraube sei falsch positioniert worden und habe zu nahe am Gelenk gesessen. Zwar könne so etwas auch einem erfahrenen Chirurgen passieren. Nur: Dieser Fehler hätte während der OP durch Röntgenaufnahmen aus verschiedenen Projektionsrichtungen erkannt und dann korrigiert werden müssen. Stattdessen habe der Operateur auf die gebotene Überprüfung mit Röntgenaufnahmen verzichtet und sich mit zwei Aufnahmen aus zwei dicht beieinander liegenden Winkeln begnügt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die zweite Operation vermeidbar gewesen wäre. Daher ginge die Revisionsoperation zulasten des Krankenhauses (OLG Hamm, Az. 26 U 152/13).
Das OLG Köln hat sich mit der Frage befasst, ob ein Arzt bei einem aus seiner Sicht kontrollbedürftigen Befund verpflichtet ist, Patienten zur Kontrolluntersuchung in seine Praxis zu bestellen. Es ging dabei um eine Frau, bei der im Rahmen einer Brustkrebsvorsorgeuntersuchung Auffälligkeiten wie eine Verhärtung und bei einer weiteren Untersuchung eine Hautrötung aufgetreten waren. Der Arzt hatte zunächst eine Kontrolle nach drei Monaten empfohlen und bei der zweiten Untersuchung eine Kontrolle bei jeder weiteren Veränderung. Fünf Monate später meldete sich die Patientin und berichtete über deutliche Veränderungen. Sie erkrankte an Brustkrebs und musste mehrmals operiert werden. Sie warf dem Arzt vor, sie nicht zur Kontrolluntersuchung einbestellt zu haben, und verlangte 85.000 Euro Schmerzensgeld.
Das OLG wies ihre Klage ab. Das Gericht berief sich dabei auf das Gutachten eines Sachverständigen, der die Abläufe bei den erfolgten Untersuchungen geprüft habe. Der Arzt habe alle Unersuchungen vorgenommen, die bei den gegebenen Befunden erforderlich gewesen seien, einschließlich einer Mammasonographie. Fehler seien ihm nicht vorzuwerfen. Wenn die Patientin von sich aus auf die ihr nahegelegten Kontrolluntersuchungen verzichte, sei dies nicht dem Arzt zum Vorwurf zu machen. Den Arzt treffe keine Verpflichtung, seine Patienten von sich aus zur Kontrolluntersuchung einzubestellen (Urteil vom 17.6.2024, Az. 5 U 133/23).
Ein Behandlungsfehler liegt auch vor, wenn die sachgerechte Aufklärung des Patienten fehlt oder unzureichend ist. Denn: In diesem Fall kann der Patient keine gültige Zustimmung zur Behandlung erteilen, da er nicht ausreichend zum Beispiel über mögliche Risiken informiert ist. Dann ist die Behandlung rechtswidrig. Das Landgericht Frankenthal hat 2022 entschieden, dass eine Aufklärung auch nicht zu spät erfolgen darf. Finde sie erst am Tag vorher oder erst während der Vorbereitung der Operation statt, sei die Zustimmung des Patienten zu dieser unwirksam. Im konkreten Fall ging es um eine Augenoperation wegen erhöhten Augeninnendrucks. Einer Patientin war eine Linse mit mehreren Sehstärken eingesetzt worden. Die Aufklärung fand erst 30 Minuten vor der OP statt. Bei dieser kam es zu Komplikationen, die die Sehfähigkeit auf dem betreffenden Auge sehr verschlechterten. Die Patientin erklärte, dass sie sich für eine andere, weniger riskante Methode entschieden hätte, wenn sie Bedenkzeit gehabt hätte. Das Gericht sprach ihr 10.000 Euro Schmerzensgeld zu (Urteil vom 30.5.2022, Az. 4 O 147/21).
Eine Frau war nach einem Treppensturz ins Krankenhaus gekommen. Eine MRT-Untersuchung zeigte einen teilweisen Sehnenriss in der Schulter. Allerdings bestätigte eine Ultraschalluntersuchung dies nicht. Nun wurde zu Untersuchungszwecken noch eine Arthroskopie vorgenommen. Auch diese bestätigte den Sehnenriss nicht. Später kam es zu postoperativen Beschwerden. Die Patientin meinte, dass die Arthroskopie unnötig gewesen sei. Sie forderte Schmerzensgeld.
Das Oberlandesgericht Hamm sah dies anders. Es erläuterte, dass eine Arthroskopie durchaus zur Klärung eines per MRT festgestellten Sehnenrisses erforderlich sein könne. Das Krankenhaus hätte die Patientin nicht über die Möglichkeit einer anderen konservativen (also nicht operativen) Behandlung aufklären müssen, wenn diese nicht medizinisch zumindest ebenso sehr angezeigt sei, wie die Arthroskopie (OLG Hamm, Az. 26 U 101/12).
Eine schwangere Frau hatte ihren Sohn traurigerweise tot in einem Krankenhaus zur Welt gebracht. Dies führte sie auf das fehlerhafte Unterlassen eines Notfallkaiserschnitts zurück. Allerdings sah das Oberlandesgericht Hamm hier keinen Behandlungsfehler: Als die Frau am Tag der Geburt im Krankenhaus eingetroffen sei, habe das Kind bereits nicht mehr gerettet werden können. Unmittelbar nach ihrem Eintreffen sei sie an ein CTG-Gerät angeschlossen worden. Dabei seien bereits keine kindlichen Herztöne mehr festzustellen gewesen. Auch nach dem Ergebnis weiterer Untersuchungen habe das Kind nicht mehr gelebt. Ein Notfallkaiserschnitt sei deswegen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr indiziert gewesen.
Ein Notkaiserschnitt setze eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass das Kind noch lebe und ohne den Eingriff zu versterben drohe. Nur in diesem Fall sei es gerechtfertigt, zur Rettung des Kindes Leben und Gesundheit der Mutter zu riskieren. Die Klage auf Schmerzensgeld wies das Gericht ab (OLG Hamm, Az. 26 U 191/12).
Seit ihrem zehnten Lebensjahr litt ein junges Mädchen an Diabetes. Die mittlerweile 19-Jährige hatte wiederholt ihre Augenärztin aufgesucht, da sie an sich eine zunehmende Sehschwäche feststellte. Allerdings führte die Ärztin bei keinem der Termine eine Messung des Augeninnendrucks durch – eigentlich hier eine Routineuntersuchung, da besonders bei Diabetes die Gefahr einer Erblindung durch einen zu hohen Augeninnendruck vorliegt. Schließlich kam die junge Frau mit stark überhöhtem Augeninnendruck als Notfall in eine Klinik. Dort wurde fortgeschrittener Grüner Star festgestellt. Ihre Sehfähigkeit ließ sich trotz mehrerer Operationen nicht richtig wieder herstellen, weil die Augen zu sehr geschädigt waren. Vorher hatte die junge Frau noch eine Sehfähigkeit von mehr als 60 Prozent gehabt, nun waren es unter 30 Prozent.
Die Patientin verklagte ihre Augenärztin wegen der nicht durchgeführten Untersuchung auf zunächst 45.000 Euro Schmerzensgeld. Als sie erfuhr, dass sie bei ihrem Krankheitsbild durchaus auch komplett erblinden könne, erhöhte sie ihre Forderung auf 80.000 Euro.
Das Oberlandesgericht Hamm sprach ihr die verlangte Summe zu. Ein medizinischer Sachverständiger hatte vor Gericht ausgesagt, dass die Ärztin unbedingt eine Augeninnendruck- und eine Gesichtsfeldmessung hätte durchführen müssen, um den Grund für die sich verschlechternde Sehfähigkeit zu finden. Bei einer solchen Untersuchung wäre die Ursache entdeckt worden und es hätte die Möglichkeit gegeben, den Augeninnendruck medikamentös zu senken und die Patientin zusätzlich stationär in eine Augenklinik einzuweisen. So hätte der weitergehende Verlust der Sehfähigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit gestoppt werden können. Dieser beruhe auf einem schwerwiegenden Befunderhebungsfehler und somit auf einem Arztfehler der Augenärztin.
Das Gericht begründete das hohe Schmerzensgeld damit, dass die junge Klägerin durch die zu späte Behandlung keine Möglichkeit mehr habe, ein normales Leben zu führen. Sie werde nie Auto fahren lernen können, könne kaum Sport treiben und sich auch ihren Beruf nicht frei aussuchen. Sie brauche für jede Arbeit einen speziell eingerichteten Arbeitsplatz – mit entsprechenden Folgen für ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Schon all dies rechtfertige das Schmerzensgeld von 80.000 Euro. Hier berücksichtigte das Gericht noch nicht einmal die Gefahr einer vollständigen Erblindung - schließlich könne man die weitere Entwicklung nicht sicher vorhersagen (Urteil vom 10.5.2016, Az. 26 U 107/15).
Seit Jahren sind Zahnfüllungen aus Amalgam umstritten. Amalgam ist eine Legierung, die neben Silber auch Quecksilber enthält. Eine Patientin hatte seit ihrer Kindheit Amalgamfüllungen. Eine Zahnärztin setzte ihr zusätzliche ein. Allerdings hatte die Patientin einen Metallgeschmack im Mund und viele ungeklärte medizinische Probleme. Diese schrieb sie dem Amalgam zu und ließ alle Amalgamfüllungen von einem neuen Zahnarzt entfernen. Ihrer ursprünglichen Zahnärztin warf sie Behandlungsfehler vor. Sie habe unsachgemäß Amalgam und andere Metalle wie Gold zusammen verarbeitet und eine Amalgamallergie nicht erkannt. Deswegen hätten zwei Zähne gezogen werden müssen und es seien viele weitere Beschwerden entstanden. Insgesamt verlangte sie 12.000 Euro Schmerzensgeld, über 11.000 Euro Schadensersatz und die Feststellung einer Einstandspflicht für künftige Schäden.
Das Oberlandesgericht Hamm hörte dazu einen Sachverständigen an. Es kam zu dem Ergebnis, dass Amalgam in Zahnfüllungen grundsätzlich unbedenklich sei. Immerhin werde die Oberfläche von Silberamalgamen bei Kontakt mit Speichel mit einem Niederschlag überzogen, der weitere elektrochemische Reaktionen unterbinde. Der von den Gegnern von Amalgamfüllungen angenommene Zusammenhang zwischen verschiedenen Krankheiten und diesen Füllungen sei dem Sachverständigen zufolge nicht bewiesen. Es existierten auch keine neuen Erkenntnisse zu Amalgam; die aktuelle Forschung beschäftige sich mit Nachfolgematerialien. Bei der Patientin seien keine üblichen Allergiesymptome festzustellen. Daher liege hier kein Behandlungsfehler vor und die Klage sei abzuweisen (OLG Hamm, Urteil vom 4.3.2016, Az. 26 U 16/15).
Eine Patientin hatte an erheblichen Magenbeschwerden gelitten, die durch eine Magenanomalie namens "Upside-Down-Stomach" verursacht wurden. Diese ließ sie in einem Krankenhaus in Recklinghausen operieren. Bei der Operation wurden jedoch die Nähte falsch gesetzt. Die Folge war, dass der Magen sich verdrehte und abkippte. In einer weiteren Operation in einer Klinik in Herne sollte dies korrigiert werden. Dort löste der Operateur zwar die fehlerhaften Nähte der ersten Operation, versäumte es aber, den Magen korrekt zu befestigen. Dieser kippte erneut in eine falsche Position, daher kam es nach einiger Zeit zu einer Magenblähung. Wegen dieser musste ein Teil des Magens operativ entfernt werden. Danach kam es zu Schwierigkeiten bei der Wundheilung. Die Patientin wurde vier Jahre lang immer wieder operiert. Schließlich verlangte sie vom ersten Krankenhaus 70.000 Euro Schmerzensgeld und einen Ersatz von Haushaltsführungskosten von der Zeit der ersten Operation an. Ihrer Ansicht nach war das erste Krankenhaus auch für die Fehler bei der Folgeoperation und die weiteren Operationen verantwortlich.
Das Oberlandesgericht Hamm gab ihr überwiegend recht. Das Krankenhaus in Recklinghausen hafte nicht nur für den ersten Behandlungsfehler bei der Operation, sondern auch für alles Weitere. Die Revisionsoperation sei nur durch die erste, fehlerhafte Operation überhaupt erforderlich geworden. In derartigen Fällen hafte grundsätzlich das erste Krankenhaus auch für die Folgefehler.
Eine Ausnahme bestünde nur dann, wenn der zweite Operateur in ganz außergewöhnlichem Maße seine ärztlichen Pflichten verletzt und gegen alle ärztlichen Regeln verstoßen habe. Dies sei hier nicht der Fall.
Das Gericht gestand der Patientin ein Schmerzensgeld von 70.000 Euro zu. Dieser relativ hohe Betrag komme durch die vielfachen Operationen und Krankenhausaufenthalte zustande, denen die Klägerin wegen der ärztlichen Behandlungsfehler ausgesetzt gewesen sei. Obendrein werde sie ihr Leben lang unter Schmerzen leiden. Zusätzlich bekam sie eine Haushaltsführungsentschädigung für rund vier Jahre zugesprochen – über 30.000 Euro (Urteil vom 15.11.2016, Az. 26 U 37/14).
Das Landgericht Münster hat entschieden, dass bei der Entscheidung über eine Operation die behandelnen Ärzte einzubeziehen sind. Es ging dabei um eine Patientin, bei der eine Sleeve-Gastrektomie (Magen-Verkleinerung) durchgeführt worden war, um eine Gewichtsverringerung zu erreichen. Der behandelnde Hausarzt hatte deutlich von dieser Operation abgeraten und die Klinik aufgefordert, den Eingriff nicht durchzuführen. Er hatte darauf hingewiesen, dass die Patientin psychisch erkrankt und nicht in der Lage sei, Risiken und mögliche Komplikationen der Operation zu verstehen. Sie liebe gutes und reichhaltiges Essen seit vielen Jahren und werde sich nach der OP keiner Diät unterziehen. Die Klinik operierte trotzdem. Wenige Tage später wurde die Patientin als Notfall eingeliefert, mit Schüttelfrost, Fieber und Erbrechen. Nach wochenlanger Behandlung wurde sie entlassen, ihre Beschwerden traten aber sofort wieder auf. In einem anderen Krankenhaus wurde ihr daraufhin der Magen insgesamt entfernt. Schließlich verklagte die Patientin die erste Klinik auf 125.000 Euro Schmerzensgeld, weil diese die Beurteilung ihres Hausarztes ignoriert habe.
Das Gericht entschied: Die Operation sei nicht indiziert gewesen, da die notwendige Mitwirkung der Patientin nach der OP nicht sichergestellt gewesen sei. Die Klinik hätte nach Ansicht des Gerichts zumindest Kontakt zum Hausarzt aufnehmen oder die Klägerin mit dessen Befund erneut zu ihrem Psychiater schicken müssen, bevor die Entscheidung zur Operation fiel. Der Befund des Hausarztes habe das komplette Nachbehandlungskonzept der Operation in Frage gestellt und hätte nicht ignoriert werden dürfen. Das Gericht gestand ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zu, welches es für ausreichend hielt (Urteil vom 14.11.2024, Az. 111 O 6/23).
Bei Rechtsstreitigkeiten über mögliche Behandlungsfehler und die Arzthaftung ist ein Fachanwalt für Medizinrecht der richtige Ansprechpartner. Gerade in diesem Bereich sind Spezialkenntnisse unbedingt erforderlich.
Das Wichtigste in Kürze
1. Behandlungsvertrag: Ein Arzt ist zwar nicht verpflichtet, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Aus dem Behandlungsvertrag ergeben sich für ihn aber Sorgfaltspflichten, deren Verletzung zu einer Schadensersatzpflicht führen können.
2. Arzthaftung: Potenzielle auslösende Ursachen für eine Haftung des Arztes sind Behandlungsfehler, Fehler bei der Aufklärung des Patienten, bei der Dokumentation der Behandlung oder bei der Organisation von Arbeitsabläufen. Eine Haftung kann sich zudem aus dem Deliktsrecht ergeben.
3. Schmerzensgeld: Hat ein Patient im Zuge der Behandlung unnötige Schmerzen, unnötige Leiden psychischer Art, oder auch dauerhafte Schäden erlitten, kann er einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den behandelnden Arzt haben.
1. Behandlungsvertrag: Ein Arzt ist zwar nicht verpflichtet, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen. Aus dem Behandlungsvertrag ergeben sich für ihn aber Sorgfaltspflichten, deren Verletzung zu einer Schadensersatzpflicht führen können.
2. Arzthaftung: Potenzielle auslösende Ursachen für eine Haftung des Arztes sind Behandlungsfehler, Fehler bei der Aufklärung des Patienten, bei der Dokumentation der Behandlung oder bei der Organisation von Arbeitsabläufen. Eine Haftung kann sich zudem aus dem Deliktsrecht ergeben.
3. Schmerzensgeld: Hat ein Patient im Zuge der Behandlung unnötige Schmerzen, unnötige Leiden psychischer Art, oder auch dauerhafte Schäden erlitten, kann er einen Anspruch auf Schmerzensgeld gegen den behandelnden Arzt haben.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wann haftet ein Arzt für Behandlungsfehler? Wann haftet ein Krankenhaus für einen Behandlungsfehler? Wann erhält man nach einem Arztfehler Schmerzensgeld? Wann liegt ein Behandlungsfehler vor? Beispiel Schulteroperation Ist der Arzt verpflichtet, Patienten zur Kontrolluntersuchung einzubestellen? Bis wann muss die Aufklärung des Patienten erfolgt sein? Welche Untersuchung ist die richtige? Kein Schmerzensgeld nach Totgeburt Augeninnendruck-Messung vergessen: 80.000 Euro Schmerzensgeld Zahnmedizin: Streit um Amalgamfüllungen Arzthaftung: Wer haftet, wenn mehrere Ärzte Behandlungsfehler machen? Arzthaftung: Müssen Krankenhausärzte vor einer OP den Hausarzt einbeziehen? Praxistipp zur Arzthaftung bei Behandlungsfehlern Wann haftet ein Arzt für Behandlungsfehler?
Zwischen einem Arzt und einem Patienten kommt ein sogenannter Behandlungsvertrag zustande. Für den Arzt ist damit eine Reihe von Sorgfaltspflichten verknüpft, deren Verletzung zu einer Haftung führen kann.
Wichtig zu wissen: Ein Arzt ist nach dem Vertrag nicht dazu verpflichtet, einen bestimmten Erfolg herbeizuführen – wie die Heilung. Stattdessen hat er die Pflicht, sich fachgerecht unter Berücksichtigung des aktuellen medizinischen Wissens um die Genesung des Patienten oder zumindest die Besserung seines Zustandes zu bemühen.
Zu einer Arzthaftung kann es wegen Behandlungsfehlern kommen, aber auch wegen Fehlern bei der Aufklärung des Patienten, bei der Dokumentation der Behandlung oder bei der Organisation von Arbeitsabläufen in der Praxis. Die Haftung kann sich auch aus dem sogenannten Deliktsrecht ergeben. Diese Möglichkeit besteht, wenn der Arzt eine vom Behandlungsvertrag nicht abgedeckte, unerlaubte Handlung am Patienten vornimmt.
Wann haftet ein Krankenhaus für einen Behandlungsfehler?
Die Haftung des Krankenhauses hängt vom jeweiligen Behandlungsvertrag ab. Wenn der Patient oder die Patientin mit dem Krankenhaus einen sogenannten einheitlichen Behandlungsvertrag abgeschlossen haben, der sämtliche Leistungen einschließt, haftet das Krankenhaus für alle Verstöße gegen vertragliche Pflichten.
Wenn zusätzlich ein Vertrag mit einem externen Belegarzt abgeschlossen oder eine Chefarztbehandlung vereinbart wurde, müssen diese Ärzte auch selbst für ihre Fehler einstehen. Findet ein Wechsel des Krankenhauses statt - zum Beispiel wegen Verlegung in eine Fachklinik oder nach einer Operation vom Krankenhaus in die Reha-Klinik – kommt auch ein ganz neuer Behandlungsvertrag zustande. Passiert nun im neuen Krankenhaus ein Behandlungsfehler – kommt es etwa zu einer Infektion durch mangelnde Hygiene – haftet grundsätzlich das neue Krankenhaus.
Wann erhält man nach einem Arztfehler Schmerzensgeld?
Schmerzensgeld stellt keinen Schadensersatz für materielle Schäden dar. Vielmehr soll es die immateriellen Schäden kompensieren. Es wird also für Dinge bezahlt, die man schwer in Geld aufwiegen kann. Beispiele sind Schmerzen, Leiden körperlicher und psychischer Art, Beeinträchtigungen des normalen Lebens und Tagesablaufs, im Bereich der Medizin auch für zusätzlich nötige Operationen, dauerhafte Einschränkungen der Bewegungsfähigkeit und Ähnliches. Die Höhe des Schmerzensgeldes ist nicht gesetzlich festgelegt. Hier entscheiden die Gerichte jeweils im Einzelfall und verwenden als unverbindliches Hilfsmittel Tabellen, die aus den Gerichtsurteilen früherer Fälle zusammengestellt worden sind.
Hohe Schmerzensgelder sind in Deutschland weniger üblich als etwa in den USA. Je grundlegender ein Behandlungsfehler allerdings ist, umso höher ist die Wahrscheinlichkeit, dass das Gericht ein Schmerzensgeld zuspricht.
Wann liegt ein Behandlungsfehler vor? Beispiel Schulteroperation
Das Oberlandesgericht Hamm befasste sich mit dem Fall eines Patienten, der beim Fußballspielen eine Schultereckgelenksprengung erlitten hatte. Diese war noch am gleichen Tag im Krankenhaus mit einer Verschraubung des Schlüsselbeins operativ versorgt worden. Wenige Wochen später musste die Schraube mit einer Revisionsoperation entfernt werden, da sie ausgerissen war. Der Patient meinte nun, dass die Schraube nicht richtig platziert worden wäre. Vom Krankenhaus verlangte er Schadensersatz und ein Schmerzensgeld von 8.000 Euro.
Das Gericht stimmte ihm zu. Hier liege ein grober Befunderhebungsfehler vor. Die bei der ersten Operation eingesetzte Schraube sei falsch positioniert worden und habe zu nahe am Gelenk gesessen. Zwar könne so etwas auch einem erfahrenen Chirurgen passieren. Nur: Dieser Fehler hätte während der OP durch Röntgenaufnahmen aus verschiedenen Projektionsrichtungen erkannt und dann korrigiert werden müssen. Stattdessen habe der Operateur auf die gebotene Überprüfung mit Röntgenaufnahmen verzichtet und sich mit zwei Aufnahmen aus zwei dicht beieinander liegenden Winkeln begnügt. Es könne nicht ausgeschlossen werden, dass die zweite Operation vermeidbar gewesen wäre. Daher ginge die Revisionsoperation zulasten des Krankenhauses (OLG Hamm, Az. 26 U 152/13).
Ist der Arzt verpflichtet, Patienten zur Kontrolluntersuchung einzubestellen?
Das OLG Köln hat sich mit der Frage befasst, ob ein Arzt bei einem aus seiner Sicht kontrollbedürftigen Befund verpflichtet ist, Patienten zur Kontrolluntersuchung in seine Praxis zu bestellen. Es ging dabei um eine Frau, bei der im Rahmen einer Brustkrebsvorsorgeuntersuchung Auffälligkeiten wie eine Verhärtung und bei einer weiteren Untersuchung eine Hautrötung aufgetreten waren. Der Arzt hatte zunächst eine Kontrolle nach drei Monaten empfohlen und bei der zweiten Untersuchung eine Kontrolle bei jeder weiteren Veränderung. Fünf Monate später meldete sich die Patientin und berichtete über deutliche Veränderungen. Sie erkrankte an Brustkrebs und musste mehrmals operiert werden. Sie warf dem Arzt vor, sie nicht zur Kontrolluntersuchung einbestellt zu haben, und verlangte 85.000 Euro Schmerzensgeld.
Das OLG wies ihre Klage ab. Das Gericht berief sich dabei auf das Gutachten eines Sachverständigen, der die Abläufe bei den erfolgten Untersuchungen geprüft habe. Der Arzt habe alle Unersuchungen vorgenommen, die bei den gegebenen Befunden erforderlich gewesen seien, einschließlich einer Mammasonographie. Fehler seien ihm nicht vorzuwerfen. Wenn die Patientin von sich aus auf die ihr nahegelegten Kontrolluntersuchungen verzichte, sei dies nicht dem Arzt zum Vorwurf zu machen. Den Arzt treffe keine Verpflichtung, seine Patienten von sich aus zur Kontrolluntersuchung einzubestellen (Urteil vom 17.6.2024, Az. 5 U 133/23).
Bis wann muss die Aufklärung des Patienten erfolgt sein?
Ein Behandlungsfehler liegt auch vor, wenn die sachgerechte Aufklärung des Patienten fehlt oder unzureichend ist. Denn: In diesem Fall kann der Patient keine gültige Zustimmung zur Behandlung erteilen, da er nicht ausreichend zum Beispiel über mögliche Risiken informiert ist. Dann ist die Behandlung rechtswidrig. Das Landgericht Frankenthal hat 2022 entschieden, dass eine Aufklärung auch nicht zu spät erfolgen darf. Finde sie erst am Tag vorher oder erst während der Vorbereitung der Operation statt, sei die Zustimmung des Patienten zu dieser unwirksam. Im konkreten Fall ging es um eine Augenoperation wegen erhöhten Augeninnendrucks. Einer Patientin war eine Linse mit mehreren Sehstärken eingesetzt worden. Die Aufklärung fand erst 30 Minuten vor der OP statt. Bei dieser kam es zu Komplikationen, die die Sehfähigkeit auf dem betreffenden Auge sehr verschlechterten. Die Patientin erklärte, dass sie sich für eine andere, weniger riskante Methode entschieden hätte, wenn sie Bedenkzeit gehabt hätte. Das Gericht sprach ihr 10.000 Euro Schmerzensgeld zu (Urteil vom 30.5.2022, Az. 4 O 147/21).
Welche Untersuchung ist die richtige?
Eine Frau war nach einem Treppensturz ins Krankenhaus gekommen. Eine MRT-Untersuchung zeigte einen teilweisen Sehnenriss in der Schulter. Allerdings bestätigte eine Ultraschalluntersuchung dies nicht. Nun wurde zu Untersuchungszwecken noch eine Arthroskopie vorgenommen. Auch diese bestätigte den Sehnenriss nicht. Später kam es zu postoperativen Beschwerden. Die Patientin meinte, dass die Arthroskopie unnötig gewesen sei. Sie forderte Schmerzensgeld.
Das Oberlandesgericht Hamm sah dies anders. Es erläuterte, dass eine Arthroskopie durchaus zur Klärung eines per MRT festgestellten Sehnenrisses erforderlich sein könne. Das Krankenhaus hätte die Patientin nicht über die Möglichkeit einer anderen konservativen (also nicht operativen) Behandlung aufklären müssen, wenn diese nicht medizinisch zumindest ebenso sehr angezeigt sei, wie die Arthroskopie (OLG Hamm, Az. 26 U 101/12).
Kein Schmerzensgeld nach Totgeburt
Eine schwangere Frau hatte ihren Sohn traurigerweise tot in einem Krankenhaus zur Welt gebracht. Dies führte sie auf das fehlerhafte Unterlassen eines Notfallkaiserschnitts zurück. Allerdings sah das Oberlandesgericht Hamm hier keinen Behandlungsfehler: Als die Frau am Tag der Geburt im Krankenhaus eingetroffen sei, habe das Kind bereits nicht mehr gerettet werden können. Unmittelbar nach ihrem Eintreffen sei sie an ein CTG-Gerät angeschlossen worden. Dabei seien bereits keine kindlichen Herztöne mehr festzustellen gewesen. Auch nach dem Ergebnis weiterer Untersuchungen habe das Kind nicht mehr gelebt. Ein Notfallkaiserschnitt sei deswegen zu diesem Zeitpunkt nicht mehr indiziert gewesen.
Ein Notkaiserschnitt setze eine hinreichende Wahrscheinlichkeit dafür voraus, dass das Kind noch lebe und ohne den Eingriff zu versterben drohe. Nur in diesem Fall sei es gerechtfertigt, zur Rettung des Kindes Leben und Gesundheit der Mutter zu riskieren. Die Klage auf Schmerzensgeld wies das Gericht ab (OLG Hamm, Az. 26 U 191/12).
Augeninnendruck-Messung vergessen: 80.000 Euro Schmerzensgeld
Seit ihrem zehnten Lebensjahr litt ein junges Mädchen an Diabetes. Die mittlerweile 19-Jährige hatte wiederholt ihre Augenärztin aufgesucht, da sie an sich eine zunehmende Sehschwäche feststellte. Allerdings führte die Ärztin bei keinem der Termine eine Messung des Augeninnendrucks durch – eigentlich hier eine Routineuntersuchung, da besonders bei Diabetes die Gefahr einer Erblindung durch einen zu hohen Augeninnendruck vorliegt. Schließlich kam die junge Frau mit stark überhöhtem Augeninnendruck als Notfall in eine Klinik. Dort wurde fortgeschrittener Grüner Star festgestellt. Ihre Sehfähigkeit ließ sich trotz mehrerer Operationen nicht richtig wieder herstellen, weil die Augen zu sehr geschädigt waren. Vorher hatte die junge Frau noch eine Sehfähigkeit von mehr als 60 Prozent gehabt, nun waren es unter 30 Prozent.
Die Patientin verklagte ihre Augenärztin wegen der nicht durchgeführten Untersuchung auf zunächst 45.000 Euro Schmerzensgeld. Als sie erfuhr, dass sie bei ihrem Krankheitsbild durchaus auch komplett erblinden könne, erhöhte sie ihre Forderung auf 80.000 Euro.
Das Oberlandesgericht Hamm sprach ihr die verlangte Summe zu. Ein medizinischer Sachverständiger hatte vor Gericht ausgesagt, dass die Ärztin unbedingt eine Augeninnendruck- und eine Gesichtsfeldmessung hätte durchführen müssen, um den Grund für die sich verschlechternde Sehfähigkeit zu finden. Bei einer solchen Untersuchung wäre die Ursache entdeckt worden und es hätte die Möglichkeit gegeben, den Augeninnendruck medikamentös zu senken und die Patientin zusätzlich stationär in eine Augenklinik einzuweisen. So hätte der weitergehende Verlust der Sehfähigkeit mit großer Wahrscheinlichkeit gestoppt werden können. Dieser beruhe auf einem schwerwiegenden Befunderhebungsfehler und somit auf einem Arztfehler der Augenärztin.
Das Gericht begründete das hohe Schmerzensgeld damit, dass die junge Klägerin durch die zu späte Behandlung keine Möglichkeit mehr habe, ein normales Leben zu führen. Sie werde nie Auto fahren lernen können, könne kaum Sport treiben und sich auch ihren Beruf nicht frei aussuchen. Sie brauche für jede Arbeit einen speziell eingerichteten Arbeitsplatz – mit entsprechenden Folgen für ihre Chancen auf dem Arbeitsmarkt. Schon all dies rechtfertige das Schmerzensgeld von 80.000 Euro. Hier berücksichtigte das Gericht noch nicht einmal die Gefahr einer vollständigen Erblindung - schließlich könne man die weitere Entwicklung nicht sicher vorhersagen (Urteil vom 10.5.2016, Az. 26 U 107/15).
Zahnmedizin: Streit um Amalgamfüllungen
Seit Jahren sind Zahnfüllungen aus Amalgam umstritten. Amalgam ist eine Legierung, die neben Silber auch Quecksilber enthält. Eine Patientin hatte seit ihrer Kindheit Amalgamfüllungen. Eine Zahnärztin setzte ihr zusätzliche ein. Allerdings hatte die Patientin einen Metallgeschmack im Mund und viele ungeklärte medizinische Probleme. Diese schrieb sie dem Amalgam zu und ließ alle Amalgamfüllungen von einem neuen Zahnarzt entfernen. Ihrer ursprünglichen Zahnärztin warf sie Behandlungsfehler vor. Sie habe unsachgemäß Amalgam und andere Metalle wie Gold zusammen verarbeitet und eine Amalgamallergie nicht erkannt. Deswegen hätten zwei Zähne gezogen werden müssen und es seien viele weitere Beschwerden entstanden. Insgesamt verlangte sie 12.000 Euro Schmerzensgeld, über 11.000 Euro Schadensersatz und die Feststellung einer Einstandspflicht für künftige Schäden.
Das Oberlandesgericht Hamm hörte dazu einen Sachverständigen an. Es kam zu dem Ergebnis, dass Amalgam in Zahnfüllungen grundsätzlich unbedenklich sei. Immerhin werde die Oberfläche von Silberamalgamen bei Kontakt mit Speichel mit einem Niederschlag überzogen, der weitere elektrochemische Reaktionen unterbinde. Der von den Gegnern von Amalgamfüllungen angenommene Zusammenhang zwischen verschiedenen Krankheiten und diesen Füllungen sei dem Sachverständigen zufolge nicht bewiesen. Es existierten auch keine neuen Erkenntnisse zu Amalgam; die aktuelle Forschung beschäftige sich mit Nachfolgematerialien. Bei der Patientin seien keine üblichen Allergiesymptome festzustellen. Daher liege hier kein Behandlungsfehler vor und die Klage sei abzuweisen (OLG Hamm, Urteil vom 4.3.2016, Az. 26 U 16/15).
Arzthaftung: Wer haftet, wenn mehrere Ärzte Behandlungsfehler machen?
Eine Patientin hatte an erheblichen Magenbeschwerden gelitten, die durch eine Magenanomalie namens "Upside-Down-Stomach" verursacht wurden. Diese ließ sie in einem Krankenhaus in Recklinghausen operieren. Bei der Operation wurden jedoch die Nähte falsch gesetzt. Die Folge war, dass der Magen sich verdrehte und abkippte. In einer weiteren Operation in einer Klinik in Herne sollte dies korrigiert werden. Dort löste der Operateur zwar die fehlerhaften Nähte der ersten Operation, versäumte es aber, den Magen korrekt zu befestigen. Dieser kippte erneut in eine falsche Position, daher kam es nach einiger Zeit zu einer Magenblähung. Wegen dieser musste ein Teil des Magens operativ entfernt werden. Danach kam es zu Schwierigkeiten bei der Wundheilung. Die Patientin wurde vier Jahre lang immer wieder operiert. Schließlich verlangte sie vom ersten Krankenhaus 70.000 Euro Schmerzensgeld und einen Ersatz von Haushaltsführungskosten von der Zeit der ersten Operation an. Ihrer Ansicht nach war das erste Krankenhaus auch für die Fehler bei der Folgeoperation und die weiteren Operationen verantwortlich.
Das Oberlandesgericht Hamm gab ihr überwiegend recht. Das Krankenhaus in Recklinghausen hafte nicht nur für den ersten Behandlungsfehler bei der Operation, sondern auch für alles Weitere. Die Revisionsoperation sei nur durch die erste, fehlerhafte Operation überhaupt erforderlich geworden. In derartigen Fällen hafte grundsätzlich das erste Krankenhaus auch für die Folgefehler.
Eine Ausnahme bestünde nur dann, wenn der zweite Operateur in ganz außergewöhnlichem Maße seine ärztlichen Pflichten verletzt und gegen alle ärztlichen Regeln verstoßen habe. Dies sei hier nicht der Fall.
Das Gericht gestand der Patientin ein Schmerzensgeld von 70.000 Euro zu. Dieser relativ hohe Betrag komme durch die vielfachen Operationen und Krankenhausaufenthalte zustande, denen die Klägerin wegen der ärztlichen Behandlungsfehler ausgesetzt gewesen sei. Obendrein werde sie ihr Leben lang unter Schmerzen leiden. Zusätzlich bekam sie eine Haushaltsführungsentschädigung für rund vier Jahre zugesprochen – über 30.000 Euro (Urteil vom 15.11.2016, Az. 26 U 37/14).
Arzthaftung: Müssen Krankenhausärzte vor einer OP den Hausarzt einbeziehen?
Das Landgericht Münster hat entschieden, dass bei der Entscheidung über eine Operation die behandelnen Ärzte einzubeziehen sind. Es ging dabei um eine Patientin, bei der eine Sleeve-Gastrektomie (Magen-Verkleinerung) durchgeführt worden war, um eine Gewichtsverringerung zu erreichen. Der behandelnde Hausarzt hatte deutlich von dieser Operation abgeraten und die Klinik aufgefordert, den Eingriff nicht durchzuführen. Er hatte darauf hingewiesen, dass die Patientin psychisch erkrankt und nicht in der Lage sei, Risiken und mögliche Komplikationen der Operation zu verstehen. Sie liebe gutes und reichhaltiges Essen seit vielen Jahren und werde sich nach der OP keiner Diät unterziehen. Die Klinik operierte trotzdem. Wenige Tage später wurde die Patientin als Notfall eingeliefert, mit Schüttelfrost, Fieber und Erbrechen. Nach wochenlanger Behandlung wurde sie entlassen, ihre Beschwerden traten aber sofort wieder auf. In einem anderen Krankenhaus wurde ihr daraufhin der Magen insgesamt entfernt. Schließlich verklagte die Patientin die erste Klinik auf 125.000 Euro Schmerzensgeld, weil diese die Beurteilung ihres Hausarztes ignoriert habe.
Das Gericht entschied: Die Operation sei nicht indiziert gewesen, da die notwendige Mitwirkung der Patientin nach der OP nicht sichergestellt gewesen sei. Die Klinik hätte nach Ansicht des Gerichts zumindest Kontakt zum Hausarzt aufnehmen oder die Klägerin mit dessen Befund erneut zu ihrem Psychiater schicken müssen, bevor die Entscheidung zur Operation fiel. Der Befund des Hausarztes habe das komplette Nachbehandlungskonzept der Operation in Frage gestellt und hätte nicht ignoriert werden dürfen. Das Gericht gestand ihr ein Schmerzensgeld in Höhe von 25.000 Euro zu, welches es für ausreichend hielt (Urteil vom 14.11.2024, Az. 111 O 6/23).
Praxistipp zur Arzthaftung bei Behandlungsfehlern
Bei Rechtsstreitigkeiten über mögliche Behandlungsfehler und die Arzthaftung ist ein Fachanwalt für Medizinrecht der richtige Ansprechpartner. Gerade in diesem Bereich sind Spezialkenntnisse unbedingt erforderlich.
(Wk)