Arzttermin abgesagt: Darf der Arzt Honorar verlangen?

25.07.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Terminabsage,Arzttermin,Ausfallhonorar,Arztpraxis Nicht immer ist es kostenlos, einen Arzttermin ausfallen zu lassen. © Ma - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Grundsatz: Bleibt ein Patient einem Termin fern, besteht nicht automatisch ein Entschädigungsanspruch des Arztes. Ausnahme: Es wurde ausdrücklich ein individueller Termin vereinbart, bei dem der Arzt sonst keine anderen Patienten hätte behandeln können.

2. nachweisbarer Schaden: Ein Arzt kann nur dann eine Entschädigung verlangen, wenn er den Verdienstausfall konkret darlegen kann. Das ist regelmäßig nur bei Bestellpraxen mit fest eingeplanten Zeitfenstern der Fall.

3. Höhe des Ausfallhonorars: Die Höhe der Entschädigung richtet sich nicht automatisch nach dem vollen Behandlungspreis. Sie muss angemessen und gerichtlich überprüfbar sein.
Viele Ärzte behandeln Patienten nur noch nach einer vorherigen Terminabsprache. Trotz Terminvereinbarung kommt es jedoch immer wieder vor, dass Patienten ihren Arzttermin nicht wahrnehmen oder kurzfristig absagen. Dies kann unterschiedliche Gründe haben: Vielleicht hat der Patient den lange vorher vereinbarten Arzttermin einfach vergessen. Oder dem Patienten ist etwas dazwischengekommen – wie etwa ein krankes Kind oder sein Beruf. Vielleicht aber hatte auch nur ein anderer Arzt früher einen Termin frei. Für eine Arztpraxis sind solche verpassten Termine jedoch immer ein Problem. Nicht immer sind genug Patienten ohne Termin vorhanden, um die freigewordene Zeit anders sinnvoll zu nutzen. Sitzen Arzt und Personal untätig herum, entstehen für den Inhaber der Praxis Kosten. Daher verlangen viele Ärzte ein Ausfallhonorar. Vor Gericht kommen sie damit jedoch nicht immer durch.

Bin ich als Patient verpflichtet, zum Arzttermin tatsächlich zu erscheinen?


Zwischen Arzt und Patient besteht ein Behandlungsvertrag. Nach Meinung einiger Juristen kommt dieser mit der Terminvereinbarung zustande, nach Ansicht anderer erst mit der Abgabe der Versichertenkarte am Empfang der Praxis. Einen solchen Behandlungsvertrag kann man jederzeit wieder kündigen. Dies kann nach Ansicht einiger Gerichte durch eine Terminabsage geschehen, aber auch durch Nichterscheinen zum Termin. Nach Ansicht der meisten Gerichte sind Patienten nicht verpflichtet, einen vereinbarten Arzttermin tatsächlich wahrzunehmen, da die Terminvereinbarung nur eine sinnvolle Organisation des Arbeitsablaufs in der Praxis sicherstellen soll. So entschied zum Beispiel das OLG Stuttgart (Urteil vom 12.4.2007, Az. 1 U 154/06).

Das Amtsgericht Bremen sah einen Patienten als berechtigt an, seinen vereinbarten Arzttermin kurzfristig zu stornieren. Terminabsprachen seien nur organisatorische Maßnahmen und begründeten noch keine Vergütungspflicht.
Auch, wenn man hier von einem Behandlungsvertrag ausgehen würde, wäre der Patient aus Sicht des Gerichts berechtigt gewesen, diesen fristlos zu kündigen.

Ein Ausfallhonorar könne ein Arzt nur verlangen, wenn der Patient den vereinbarten Termin ohne triftigen Grund absage, nachdem er vorher beim Arzt besonderes Vertrauen in das Zustandekommen des Vertrages geweckt habe. Hier war der Grund für den ausgefallenen Arzttermin gewesen, dass der Patient einem Freund in einer Notlage habe helfen wollen.

Zusätzlich erklärte das Gericht: Einen entgangenen Gewinn als Schadensersatz könne der Arzt nur dann geltend machen, wenn er beweisen könne, dass ihm genau durch den Ausfall dieses Patienten ein konkreter finanzieller Schaden entstanden sei (Urteil vom 9.2.2012, Az. 9 C 0566/11).

Was gilt für eine Bestellpraxis?


Eine abweichende Rechtslage gilt in einer sogenannten Bestellpraxis. Damit ist eine Arztpraxis gemeint, in der ausschließlich mit Terminen gearbeitet wird. Hier sehen viele Gerichte die Einhaltung von Arztterminen als vertragliche Nebenpflicht des Patienten an und es gibt mehrere Fallgestaltungen, in denen Ärzten Ausfallhonorare zugestanden worden sind.

Muss der Arzt den konkreten Verdienstausfall nachweisen?


Im Fall einer Bestellpraxis sprach das Oberlandesgericht Stuttgart zum Beispiel von der Verletzung einer vertraglichen Nebenpflicht des Patienten aus dem Behandlungsvertrag. Sagt der Patient einen Arzttermin verspätet ab – hier waren es vier Stunden vorher – verletzt er diese Pflicht. Dann erwarten die Richter allerdings vom Arzt, dass er seinen Verdienstausfall nachweisen kann. Er muss beweisen, dass der Patient so kurzfristig abgesagt hat, dass für diesen Termin nachweislich kein anderer Patient mehr vorgemerkt werden konnte (Urteil vom 17.4.2007, Az. 1 U 154/06).

Zusätzlich fordet das Gericht den Nachweis, dass es tatsächlich einen anderen Patienten gegeben hat, der allein wegen der kurzfristigen Absage nicht einspringen konnte. Möchte ein Zahnarzt also zum Beispiel einen Schadenersatz in Höhe von mehreren tausend Euro für eine ausgefallene aufwändige zahnmedizinische Behandlung verlangen, müsste er beweisen, dass er in der entstandenen Leerlaufzeit bei rechtzeitiger Absage tatsächlich einen anderen Patienten mit einer ebenso aufwändigen Behandlung gehabt hätte. Oder dass dies zumindest seinem üblichen Praxisablauf entsprochen hätte. Diese Punkte konnten im konkreten Fall nicht bewiesen werden. Dem Zahnarzt wurde daher kein Ausfallhonorar zugesprochen, obwohl der Patient eine vertragliche Nebenpflicht verletzt hatte.

Muss für mögliche Alternativarbeiten ein Abzug vorgenommen werden?


Laut Amtsgericht Nettetal hat ein Arzt in einer Bestellpraxis bei Nichterscheinen seines Patienten grundsätzlich einen Schadenersatzanspruch. Der Patient befände sich nach § 615 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) im Annahmeverzug. Das Gericht geht allerdings davon aus, dass der Arzt in der durch den Terminausfall gewonnenen Zeit durchaus sinnvolle Verwaltungstätigkeiten ausführen kann. Daher sei ein Honorarabzug vorzunehmen (Urteil vom 12.9.2006, Az. 17 C 71/93). Ähnlich hat das Amtsgericht Diepholz entschieden. Dieses Gericht verlangt allerdings eine ausdrückliche vorherige Vereinbarung über das Ausfallhonorar (Urteil vom 26.6.2011, Az. 2 C 92/11).

Kann ein Ausfallhonorar bei Terminabsage vertraglich vereinbart werden?


Manche Ärzte vereinbaren mit ihren Patienten, dass diese bei einer Terminabsage ein Ausfallhonorar zahlen müssen. Eine solche Vereinbarung sollte schriftlich geschlossen werden. Wichtig ist die Formulierung.

Zum Beispiel wies das Landgericht Berlin die Klage eines Zahnarztes auf ein Ausfallhonorar auf Grundlage einer solchen Vereinbarung ab. Der Zahnarzt hatte seine Patienten ein Formular unterschreiben lassen. Danach hatten sie 75 Euro zu zahlen, wenn sie den Termin bei Verhinderung nicht mindestens 24 Stunden vorher absagten. Das Gericht hielt diese Vereinbarung nach den Regeln des Bürgerlichen Gesetzbuches über Allgemeine Geschäftsbedingungen für unwirksam.

Der Grund: Der Patient hätte in jeden Fall bei einem verpassten Termin Schadensersatz zahlen müssen. Er müsse jedoch trotz allem die Möglichkeit behalten, zu beweisen, dass er den Termin unverschuldet abgesagt und dann nichts zu bezahlen habe. Verweigere ihm der Arzt diese Möglichkeit, sei dies eine unangemessene Benachteiligung des Patienten und die Vereinbarung über das Ausfallhonorar sei unwirksam (Urteil vom 15.4.2005, Az. 55 S 310/04).

Wie hoch darf das Ausfallhonorar bei Nichterscheinen des Patienten maximal sein?


Eine Vereinbarung über ein Ausfallhonorar bei Terminversöumnis ist ebenfalls unwirksam, wenn der verlangte Betrag nicht genau beziffert wird oder schlicht zu hoch ist. Darin sollte also ein konkreter Betrag genannt werden. Die Gerichte entscheiden bei der Höhe des Ausfallhonorars für einen Arzttermin nicht einheitlich. Zum Teil erlauben sie hier knapp das Doppelte von dem, was nach der ärztlichen Gebührenordnung (GOÄ) einem Arzt zusteht, der sich ohne medizinische Leistungen bei einem Patienten aufhält (B IV, Nr. 56, 1,8facher Satz). Andere Gerichte machen die Höhe des Ausfallhonorares vom nachweisbaren Verdienstausfall im konkreten Fall abhängig.

Wie lange vorher muss ich einen Arzttermin absagen?


Ärzte erwarten von Patienten meist, dass sie einen Arzttermin mindestens 24 Stunden vorher absagen. Dies sehen die Gerichte als legitim an. Soll der Arzttermin zum Beispiel am Montagmorgen stattfinden, muss sich der Patient schon am Freitag melden.

Praxistipp zu Ihren Rechten bei verpassten Arztterminen


Wenn Sie als Patient Ihren Arzttermin nicht wahrnehmen können, sollten Sie diesen möglichst rechtzeitig absagen. So können Sie von vornherein Streit über mögliche Ausfallhonorare vermeiden. Bei einem fest vereinbarten Termin für eine teure und aufwändige Behandlung sollten Sie darauf achten, die Absage und ihren Zeitpunkt beweisen zu können – zum Beispiel durch Zeugen oder durch eine schriftliche Absage. Falls es dann doch zu einem Streit mit Ihrem Arzt kommt, ist ein Fachanwalt für Medizinrecht der beste Ansprechpartner.

(Wk)


 Günter Warkowski
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