Ausrede kaputter Tacho - darf die Polizei das Auto stilllegen?
11.10.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik So mancher Autofahrer hat für die Polizei kreative Ausreden parat. Allein über die Begründungen, warum man beim Fahren ein Handy in der Hand halten musste, könnte man ein Buch schreiben. Vielleicht war es ja auch kein Handy, sondern ein Taschenrechner? Durch Gesetzesänderungen greifen solche Ausreden nicht mehr. Allerdings wird mancher auch bei Tempoverstößen kreativ. Eine Ausrede lautet zum Beispiel: Der Tacho war kaputt.
In Krefeld hatte die Polizei nachts ein Fahrzeug aufgehalten, das ganz offensichtlich viel zu schnell unterwegs war. Erlaubt waren 50 km/h. Das Mercedes-Coupè fuhr allerdings teilweise mit 100 km/h durch die Stadt. Nach mehreren Kilometern des Hinterherfahrens stoppten die Beamten das Auto. Am Lenkrad saß ein 20-Jähriger, der das Fahrzeug seines Vaters geliehen hatte.
Zwar gab er zu, etwas schneller als 50 gefahren zu sein. 100 km/h jedoch – das könne gar nicht angehen. Dies begründete er mit der Tachoanzeige des Autos. Der Tacho habe nur etwas über 50 km/h angezeigt.
Die Beamten handelten konsequent: Sie schickten eine Mängelmeldung an die Zulassungsstelle. Darin war vermerkt, dass der Tacho des Mercedes wahrscheinlich defekt sei. Daraufhin forderte die Zulassungsstelle den Vater als Fahrzeughalter auf, innerhalb einer Frist den Geschwindigkeitsmesser seines Autos prüfen zu lassen. Bei der zuständigen Prüfstelle wären dafür 135 Euro Gebühren angefallen. Der Vater ignorierte diese Aufforderung. Inzwischen lief gegen seinen Sohn ein eigenes Bußgeldverfahren. Die Zulassungsstelle blieb ebenfalls konsequent: Nach Ablauf der Frist untersagte sie die weitere Nutzung des PKW. Ohne funktionierenden Tacho sei dieser nicht verkehrstauglich. Nun ging der Vater vor Gericht.
Die Zulassungsstelle der Gemeinde hat die Möglichkeit, ein Fahrzeug zwangsweise stillzulegen. Dies wird zum Beispiel veranlasst, wenn die Beiträge für die Haftpflichtversicherung nicht gezahlt wurden, der Versicherungsschutz erloschen ist, die KfZ-Steuer nicht bezahlt wurde - aber auch, wenn das Auto nicht verkehrstauglich ist, die Hauptuntersuchung (HU / TÜV) abgelaufen ist oder das Fahrzeug nicht auf einen neuen Eigentümer umgeschrieben wurde.
Der Halter bekommt vor der Stilllegung in der Regel einen Bescheid, in dem ihm eine Frist gesetzt wird. Bis zu deren Ende kann er dem Problem abhelfen. Wenn er nicht reagiert, veranlasst die Behörde per Ordnungsverfügung die Stilllegung. Sobald man diese erhalten hat, darf man das Auto nicht mehr fahren. Städtische Außendienstmitarbeiter entsiegeln das Kennzeichen und ziehen die Zulassungsbescheinigung I ein. Sind diese Schritte nicht unmittelbar möglich, wird das Auto zur Fahndung ausgeschrieben.
Es können sogar Autos aus anderen Städten entsiegelt werden, wenn eine andere Ortsbehörde um Amtshilfe ersucht. Die Rechtsgrundlage für die Stilllegung eines Fahrzeugs wegen technischer Mängel ist § 5 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV).
Der Vater als Fahrzeughalter reichte nun gegen den Bescheid Klage beim Verwaltungsgericht ein. Da Verfahren vor dem Verwaltungsgericht recht lange dauern können, versuchte er zunächst, per Eilverfahren zu erreichen, dass er sein Auto bis zur Entscheidung weiter nutzen dürfe. Dies lehnte das Gericht jedoch ab: Das Verwaltungsgericht gestand ihm von Anfang an wenig Erfolgschancen zu. Daraufhin ließ der den Tacho nun tatsächlich technisch überprüfen. Dabei ergab sich, dass dieser einwandfrei funktionierte. Jetzt ließ der Mann es erst recht auf ein Verfahren ankommen, da ihm die Stilllegung nicht gerechtfertigt erschien.
Das Verwaltungsgericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Polizei und die Zulassungsstelle sich korrekt verhalten hatten. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle nach einem Tempoverstoß habe die Polizei gar nicht die Möglichkeit, den Tacho eines Autos auf korrekte Funktion zu überprüfen. Ihr bliebe also nichts anderes übrig, als eine Mitteilung an die Zulassungsstelle zu schicken. Deren Aufgabe sei es, entsprechende Maßnahmen wie eben eine Stilllegung des Fahrzeugs zu veranlassen, wenn sie von einem technisch möglicherweise verkehrsunsicheren Auto erfahre. Zwar habe der Vater und Fahrzeughalter behauptet, dass der Tacho ordnungsgemäß funktioniere. Die Behörde dürfe sich jedoch auf eine solche Aussage nicht verlassen. Andernfalls trage sie unter Umständen eine Mitverantwortung für einen Unfall.
Diesen Fall sah auch das Gericht jedoch als etwas kurios an. Im Normalfall geht es nach den Worten des Einzelrichters bei einer Fahrzeugstilllegung eher um andere technische Probleme: Oft würden Fahrzeughalter wegen abgefahrener Reifen, defekter Rücklichter oder Steinschlägen in der Scheibe zu Prüforganisationen wie TÜV, GTÜ oder Dekra geschickt, um sich dort die Verkehrssicherheit ihres fahrbaren Untersatzes bescheinigen zu lassen. Am Verhalten der Behörde sei hier trotzdem nichts auszusetzen. Der Fahrzeughalter ließ sich überzeugen und zog schließlich seine Klage zurück (VG Düsseldorf, 12.9.2016, Az. 6 K 5251/15).
Auch ein funktionierender Tacho macht eine Stilllegung des Autos nicht unzulässig - es reicht, dass ein Verdacht auf eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit besteht, etwa durch Äußerungen des Fahrers. Daher ist es nicht klug, einen Tempoverstoß auf das Auto zu schieben. Sind Sie von einer Stilllegung Ihres Autos betroffen? Dann kann Sie ein Fachanwalt für Verkehrsrecht fachkundig beraten und Ihnen das beste Vorgehen empfehlen.
Wer sich nach einem Tempoverstoß damit herausreden will, dass nicht er selbst schuld sei, sondern sein Auto, riskiert unschöne Folgen: nicht verkehrssichere Fahrzeuge können nämlich amtlich stillgelegt werden.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Der Fall: Zu schnell mit Vaters Benz Wann darf ein Auto stillgelegt werden? Technische Prüfung: Funktioniert der Tacho? Wie hat das Verwaltungsgericht entschieden? Kommentare des Richters und Klagerücknahme Praxistipp zur Stilllegung des Fahrzeugs Der Fall: Zu schnell mit Vaters Benz
In Krefeld hatte die Polizei nachts ein Fahrzeug aufgehalten, das ganz offensichtlich viel zu schnell unterwegs war. Erlaubt waren 50 km/h. Das Mercedes-Coupè fuhr allerdings teilweise mit 100 km/h durch die Stadt. Nach mehreren Kilometern des Hinterherfahrens stoppten die Beamten das Auto. Am Lenkrad saß ein 20-Jähriger, der das Fahrzeug seines Vaters geliehen hatte.
Zwar gab er zu, etwas schneller als 50 gefahren zu sein. 100 km/h jedoch – das könne gar nicht angehen. Dies begründete er mit der Tachoanzeige des Autos. Der Tacho habe nur etwas über 50 km/h angezeigt.
Die Beamten handelten konsequent: Sie schickten eine Mängelmeldung an die Zulassungsstelle. Darin war vermerkt, dass der Tacho des Mercedes wahrscheinlich defekt sei. Daraufhin forderte die Zulassungsstelle den Vater als Fahrzeughalter auf, innerhalb einer Frist den Geschwindigkeitsmesser seines Autos prüfen zu lassen. Bei der zuständigen Prüfstelle wären dafür 135 Euro Gebühren angefallen. Der Vater ignorierte diese Aufforderung. Inzwischen lief gegen seinen Sohn ein eigenes Bußgeldverfahren. Die Zulassungsstelle blieb ebenfalls konsequent: Nach Ablauf der Frist untersagte sie die weitere Nutzung des PKW. Ohne funktionierenden Tacho sei dieser nicht verkehrstauglich. Nun ging der Vater vor Gericht.
Wann darf ein Auto stillgelegt werden?
Die Zulassungsstelle der Gemeinde hat die Möglichkeit, ein Fahrzeug zwangsweise stillzulegen. Dies wird zum Beispiel veranlasst, wenn die Beiträge für die Haftpflichtversicherung nicht gezahlt wurden, der Versicherungsschutz erloschen ist, die KfZ-Steuer nicht bezahlt wurde - aber auch, wenn das Auto nicht verkehrstauglich ist, die Hauptuntersuchung (HU / TÜV) abgelaufen ist oder das Fahrzeug nicht auf einen neuen Eigentümer umgeschrieben wurde.
Der Halter bekommt vor der Stilllegung in der Regel einen Bescheid, in dem ihm eine Frist gesetzt wird. Bis zu deren Ende kann er dem Problem abhelfen. Wenn er nicht reagiert, veranlasst die Behörde per Ordnungsverfügung die Stilllegung. Sobald man diese erhalten hat, darf man das Auto nicht mehr fahren. Städtische Außendienstmitarbeiter entsiegeln das Kennzeichen und ziehen die Zulassungsbescheinigung I ein. Sind diese Schritte nicht unmittelbar möglich, wird das Auto zur Fahndung ausgeschrieben.
Es können sogar Autos aus anderen Städten entsiegelt werden, wenn eine andere Ortsbehörde um Amtshilfe ersucht. Die Rechtsgrundlage für die Stilllegung eines Fahrzeugs wegen technischer Mängel ist § 5 der Fahrzeug-Zulassungsverordnung (FZV).
Technische Prüfung: Funktioniert der Tacho?
Der Vater als Fahrzeughalter reichte nun gegen den Bescheid Klage beim Verwaltungsgericht ein. Da Verfahren vor dem Verwaltungsgericht recht lange dauern können, versuchte er zunächst, per Eilverfahren zu erreichen, dass er sein Auto bis zur Entscheidung weiter nutzen dürfe. Dies lehnte das Gericht jedoch ab: Das Verwaltungsgericht gestand ihm von Anfang an wenig Erfolgschancen zu. Daraufhin ließ der den Tacho nun tatsächlich technisch überprüfen. Dabei ergab sich, dass dieser einwandfrei funktionierte. Jetzt ließ der Mann es erst recht auf ein Verfahren ankommen, da ihm die Stilllegung nicht gerechtfertigt erschien.
Wie hat das Verwaltungsgericht entschieden?
Das Verwaltungsgericht kam jedoch zu dem Ergebnis, dass die Polizei und die Zulassungsstelle sich korrekt verhalten hatten. Im Rahmen einer Verkehrskontrolle nach einem Tempoverstoß habe die Polizei gar nicht die Möglichkeit, den Tacho eines Autos auf korrekte Funktion zu überprüfen. Ihr bliebe also nichts anderes übrig, als eine Mitteilung an die Zulassungsstelle zu schicken. Deren Aufgabe sei es, entsprechende Maßnahmen wie eben eine Stilllegung des Fahrzeugs zu veranlassen, wenn sie von einem technisch möglicherweise verkehrsunsicheren Auto erfahre. Zwar habe der Vater und Fahrzeughalter behauptet, dass der Tacho ordnungsgemäß funktioniere. Die Behörde dürfe sich jedoch auf eine solche Aussage nicht verlassen. Andernfalls trage sie unter Umständen eine Mitverantwortung für einen Unfall.
Kommentare des Richters und Klagerücknahme
Diesen Fall sah auch das Gericht jedoch als etwas kurios an. Im Normalfall geht es nach den Worten des Einzelrichters bei einer Fahrzeugstilllegung eher um andere technische Probleme: Oft würden Fahrzeughalter wegen abgefahrener Reifen, defekter Rücklichter oder Steinschlägen in der Scheibe zu Prüforganisationen wie TÜV, GTÜ oder Dekra geschickt, um sich dort die Verkehrssicherheit ihres fahrbaren Untersatzes bescheinigen zu lassen. Am Verhalten der Behörde sei hier trotzdem nichts auszusetzen. Der Fahrzeughalter ließ sich überzeugen und zog schließlich seine Klage zurück (VG Düsseldorf, 12.9.2016, Az. 6 K 5251/15).
Praxistipp zur Stilllegung des Fahrzeugs
Auch ein funktionierender Tacho macht eine Stilllegung des Autos nicht unzulässig - es reicht, dass ein Verdacht auf eine Beeinträchtigung der Verkehrssicherheit besteht, etwa durch Äußerungen des Fahrers. Daher ist es nicht klug, einen Tempoverstoß auf das Auto zu schieben. Sind Sie von einer Stilllegung Ihres Autos betroffen? Dann kann Sie ein Fachanwalt für Verkehrsrecht fachkundig beraten und Ihnen das beste Vorgehen empfehlen.
(Wk)