Autodiebstahl – Wie hoch ist der Wiederbeschaffungswert?

07.07.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Autodiebstahl,Wiederbeschaffungswert,Versicherung,Gutachten Mancher Versicherungskunde ist mit der Abwicklung nach einem Autodiebstahl unzufrieden. © - freepik

Wenn es zu einem Autodiebstahl gekommen ist, gehen die Vorstellungen von Bestohlenen und Versicherungen vom Fahrzeugwert oft weit auseinander. Häufig ist die Beurteilung der Versicherung angreifbar.

Nach dem Diebstahl eines PKW zahlt die Kaskoversicherung in der Regel den Wiederbeschaffungswert abzüglich eines möglicherweise vorhandenen Restwertes. Ein solcher Restwert existiert nur dann, wenn das – häufig beschädigte – Auto wiedergefunden wird. Unter dem Wiederbeschaffungswert versteht man den Betrag, den ein gleichwertiges gebrauchtes Fahrzeugs am Tag des Schadens kosten würde. Dabei heißt gleichwertig: Möglichst gleiche Ausstattung, ungefähr gleicher Zustand und Kilometerstand. Grundsätzlich wird der Kaufpreis beim Händler angesetzt, nicht der beim Kauf von privat. Es gibt jedoch Ausnahmen, wenn keine vergleichbaren Fahrzeuge bei Händlern angeboten werden.

Wie ist der Unterschied zum Zeitwert?


Unter dem Zeitwert versteht man den Betrag, den der Fahrzeugeigentümer derzeit selbst bekommen würde, wenn er sein Auto verkauft. Dieser Wert liegt üblicherweise deutlich unter dem Wiederbeschaffungswert. Da der Wiederbeschaffungswert der Preis ist, zu dem ein Gebrauchtwagenhändler ein gleichwertiges Auto verkaufen würde, kommen nämlich Unkosten und Gewinnspanne des Händlers hinzu.

Wie wird der Wiederbeschaffungswert ermittelt?


Wie hoch der Wiederbeschaffungswert ist, wird von der Versicherung durch einen Gutachter, also einen eigenen Sachverständigen, festgestellt. Dieser ist naturgemäß nicht neutral, sondern orientiert sich an den Interessen seines Arbeit- bzw. Auftraggebers. Wenn das Fahrzeug wieder aufgefunden wird, weil der Dieb damit zum Beispiel gegen den nächsten Baum gefahren ist, hat der Sachverständige etwas zum Anschauen und Bewerten. Hier ist dann auch ein Restwert feststellbar. Bleibt das Auto verschwunden, ist eine direkte Begutachtung nicht möglich, und der Restwert muss außer Ansatz bleiben.

Wie wird der Restwert ermittelt?


Der Restwert ist der Betrag, zu dem sich das wiedergefundene Fahrzeug im Istzustand verwerten bzw. verkaufen ließe. Oft lässt sich die Versicherung ein Angebot von einem Schrotthändler machen und verwendet dessen Gebot als Restwert. Häufig sind dies dann Beträge wie 100 Euro.

Wonach wird der Wiederbeschaffungswert beurteilt?


Prinzipiell können sich Gutachter hier an Tabellen orientieren, etwa der "Schwacke-Liste" oder der "DAT-Liste". Diese Listen werden aufgrund der Angaben von Händlern erstellt, die melden, zu welchem Preis sie welches Auto verkauft haben. Differenziert wird dabei nach Autotypen, Baujahren, Motorleistung usw., wobei die Liste Durchschnittswerte angibt. Aufgabe des Sachverständigen ist es dann, diese Bewertung an das jeweilige Fahrzeug anpassen und etwa die Kilometer-Laufleistung, die Zeit bis zur nächsten HU oder besondere Ausstattungen zu berücksichtigen.
Es kommt allerdings auch vor, dass der Wiederbeschaffungswert anhand von drei oder vier möglichst preisgünstigen Angeboten in einem der bekannten Gebrauchtwagen-Portale ermittelt wird, ohne die letztgenannten Kriterien zu beachten. Dies ist besonders bei älteren Fahrzeugen der Fall.

Fahrzeughalter contra Versicherung


Die Aufgabe einer Versicherung ist es nicht, ihren Versicherten möglichst viel zu zahlen, damit diese glücklich sind – sondern vielmehr, ihre Aktionäre durch hohe Gewinne und Dividenden glücklich zu machen. Es ist daher kein Wunder, dass oft alles versucht wird, um im Einklang mit den Gesetzen und den eigenen AGB bzw. AVB (Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. Versicherungsbedingungen) möglichst geringe Beträge an die Kunden auszuzahlen. Auch der Sachverständige, der für die KfZ-Versicherung das Gutachten erstellt, hat natürlicherweise mehr das Wohl seines Auftraggebers als dasjenige des Geschädigten im Sinne. All dies ist durchaus legitim. Trotzdem muss sich der Kunde auch nicht alles bieten lassen.

Was ist das Sachverständigenverfahren?


Vom Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft wurden Muster-Bedingungen für die KfZ-Versicherung herausgegeben. Viele Versicherungsgesellschaften übernehmen diese, zum Teil mit Abwandlungen. Der Fall, dass ein Versicherungskunde nicht mit dem ermittelten Wiederbeschaffungswert einverstanden ist, wird dort auch behandelt. Vorgesehen ist dafür das sogenannte Sachverständigenverfahren. Wenn dies vertraglich (also im "Kleingedruckten") vereinbart ist, muss ein Sachverständigenausschuss den Wert ermitteln, bevor der Kunde gegen die Versicherung vor Gericht ziehen darf.

Der Sachverständigenausschuss


Dieser Ausschuss entsteht so, dass Kunde und Versicherung je einen eigenen Sachverständigen ihrer Wahl benennen. Die beiden Sachverständigen einigen sich dann auf einen dritten als Ombudsmann. Nun erstellen die zwei ersten Gutachter jeweils eigene Gutachten. Kommt es zu Abweichungen, wird eine Einigung versucht. Wenn diese nicht möglich ist, entscheidet der Ombudsmann. Dabei muss seine Wertermittlung zwischen den Werten der anderen beiden Sachverständigen liegen. Für die Parteien - also Kunde und Versicherung - ist die Entscheidung des Sachverständigenausschusses bindend. Als Kunde hat man zwei Wochen Zeit, einen eigenen Sachverständigen zu benennen.

Wer trägt die Kosten für das Verfahren?


Beide Beteiligte müssen die Kosten für das Sachverständigenverfahren anteilig in dem Verhältnis tragen, in dem sie verlieren. Wenn sich die Gutachter beispielsweise auf einen Mittelwert zwischen ihren beiden Einschätzungen einigen, haben Versicherung und Kunde sich die Kosten aller beteiligten Sachverständigen hälftig zu teilen.

Dies führt dazu, dass sich ein solches Sachverständigenverfahren nur bei größeren Schäden bzw. recht hochwertigen Fahrzeugen lohnt - und, wenn die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass dabei am Ende ein höherer Wert herauskommt, als von der Versicherung zunächst angeboten. Einige Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten eines Sachverständigenverfahrens – andere aber nicht. Hier sollte man sich rechtzeitig informieren, was die eigene Rechtsschutzversicherung zahlt.

Anfechtung des Gutachtens vor Gericht


Obwohl die Entscheidung des Sachverständigenausschusses grundsätzlich bindend ist, kann sie vor Gericht angefochten werden. Erfolgversprechend ist dies regelmäßig nur bei sehr offensichtlichen Fehlern oder Unstimmigkeiten, zum Beispiel der Zugrundelegung eines falschen Autotyps.

Tipp: Dokumente aufbewahren


Wichtig: Nach einem Autodiebstahl sollten Sie dazu in der Lage sein, den Wert des eigenen Fahrzeugs untermauern zu können - zum Beispiel durch Unterlagen. Sie sollten daher den Kaufvertrag unbedingt aufbewahren, auch das Serviceheft oder Werkstattrechnungen, auf denen der Kilometerstand verzeichnet ist. Rechnungen für Zubehör und Sonderausstattungen sollten ebenfalls unbedingt aufbewahrt werden, etwa für Tuningteile, Autoradio, Felgen, Einbaunavi oder für neue Reifen.

Tipp: Oldtimer und Youngtimer


Für Oldtimer und Youngtimer empfiehlt sich eine herkömmliche Versicherung zum Wiederbeschaffungswert nicht. Dieser ist schwer feststellbar und es besteht die Gefahr, dass das Fahrzeug einfach anhand seines Alters als praktisch wertlos angesehen oder dass schrottreife Fahrzeuge aus Online-Portalen als Vergleichsbasis herangezogen werden. Die bekannten Wertermittlungslisten berücksichtigen nämlich keine Autos, die älter sind als 12 Jahre.

Hier empfiehlt sich eine besondere Versicherung für Young- oder Oldtimer. Bei dieser kann das Fahrzeug auch zum Marktwert oder zum Wiederherstellungswert versichert werden. Zwar wird nicht immer ein Wertgutachten verlangt, dieses ist jedoch unbedingt zu empfehlen, damit im Schadensfall ein realistischer Betrag festgestellt werden kann. Auch ist bei derartigen Verträgen in der Regel Vandalismus mitversichert, was bei einer herkömmlichen Teilkasko nicht der Fall ist. Voraussetzungen sind in der Regel ein sicherer nächtlicher Unterstellplatz und ein zusätzliches Alltagsfahrzeug mit herkömmlicher Versicherung.

Praxistipp


Leicht kann es bei der Schadensabwicklung nach einem Diebstahl zum Streit mit der Autoversicherung kommen. Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht oder auch für Versicherungsrecht kann Sie dazu beraten, was im Einzelfall zu tun ist.

(Bu)


 Stephan Buch
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Juristische Redaktion
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