Autodiebstahl – wie hoch ist der Wiederbeschaffungswert?

10.12.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Autodiebstahl,Wiederbeschaffungswert,Versicherung,Gutachten Mancher Versicherungskunde ist mit der Abwicklung nach einem Autodiebstahl unzufrieden. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Begriff: Der Wiederbeschaffungswert ist der Preis eines gestohlenen Kfz, zu dem ein Gebrauchtwagenhändler ein gleichwertiges Auto verkaufen würde. Er unterscheidet sich vom Zeitwert.

2. Ermittlung: Zur Ermittlung der Höhe des Wiederbeschaffungswertes beauftragt die Kfz-Versicherung einen Gutachter (Sachverständigen). Dieser orientiert sich in der Regel an der "Schwacke-Liste" oder der "DAT-Liste". Oft werden aber auch nur drei oder vier möglichst preisgünstigen Angebote in einem der bekannten Gebrauchtwagen-Portale zur Preisfindung herangezogen.

3. Streit: Sind sich Versicherung und versicherter Kunde über den Wiederbeschaffungswert des gestohlenen Kfz nicht einig, bestimmen die Versicherungsbedingungen zumeist ein Sachverständigenverfahren, das einer gerichtlichen Überprüfung vorgelagert ist. Die Kosten hierfür teilen sich beide Seiten hälftig.
Nach dem Diebstahl eines PKW bezahlt die Kaskoversicherung in der Regel den Wiederbeschaffungswert abzüglich eines möglicherweise vorhandenen Restwertes. Einen solchen Restwert gibt es jedoch nur dann, wenn das – häufig beschädigte – Auto wiedergefunden wird. Unter dem Wiederbeschaffungswert versteht man den Betrag, den ein gleichwertiges gebrauchtes Fahrzeug am Tag des Schadens kosten würde. Gleichwertig bedeutet: möglichst gleiche Ausstattung, ungefähr gleicher Zustand und Kilometerstand. Dabei wird grundsätzlich der Kaufpreis bei einem Autohändler angesetzt und nicht der beim Kauf von privat. Ausnahmen gibt es, wenn keine vergleichbaren Fahrzeuge bei Händlern angeboten werden.

Was ist der Unterschied zwischen Wiederbeschaffungswert und Zeitwert?


Der Zeitwert ist der Betrag, den der Fahrzeugeigentümer aktuell selbst erzielen würde, wenn er sein Auto verkauft. Dieser Wert liegt üblicherweise deutlich unter dem Wiederbeschaffungswert. Weil der Wiederbeschaffungswert der Preis ist, zu dem ein Gebrauchtwagenhändler ein gleichwertiges Auto verkaufen würde, kommen nämlich die Gewinnspanne und mögliche Kosten des Händlers hinzu.

Wie ermittelt die Versicherung den Wiederbeschaffungswert eines PKW?


Die Versicherung beauftragt einen Gutachter, also einen eigenen Sachverständigen, mit der Feststellung des Wiederbeschaffungswerts. Dieser Sachverständige ist naturgemäß nicht neutral, sondern orientiert sich an den Interessen seines Arbeit- bzw. Auftraggebers. Wird das Fahrzeug wieder aufgefunden, weil der Dieb damit zum Beispiel gegen den nächsten Baum gefahren ist, hat der Sachverständige etwas zum Anschauen und Bewerten. Dann lässt sich auch ein Restwert feststellen. Wenn das Auto verschwunden bleibt, ist eine direkte Begutachtung nicht möglich. Dann muss der Restwert außer Ansatz bleiben.

Wie wird der Restwert ermittelt?


Der Restwert ist der Betrag, zu dem man das wiedergefundene, gestohlene Fahrzeug im Istzustand verwerten oder verkaufen könnte. Bei beschädigten Fahrzeugen lässt sich die Versicherung oft ein Angebot von einem Schrotthändler machen und setzt dessen Gebot als Restwert an. Häufig sind dies dann Beträge wie 100 Euro.

Wonach richtet sich der Wiederbeschaffungswert eines Autos?


Bei der Ermittlung des Wiederbeschaffungswerts können sich Gutachter prinzipiell an Tabellen orientieren, etwa der "Schwacke-Liste" oder der "DAT-Liste". Diese Listen beruhen auf den Angaben von Händlern, die melden, zu welchem Preis sie welches Auto verkauft haben. Dabei wird unterschieden nach Autotypen, Baujahren, Motorleistung usw., wobei die Liste Durchschnittswerte angibt. Dann ist es die Aufgabe des Sachverständigen, diese Bewertung an das konkrete Fahrzeug anzupassen. Dabei muss er die Kilometer-Laufleistung, die Zeit bis zur nächsten HU oder besondere Ausstattungen berücksichtigen.

Trotzdem kommt es vor, dass der Wiederbeschaffungswert anhand von drei oder vier möglichst preisgünstigen Angeboten in einem der bekannten Gebrauchtwagen-Portale ermittelt wird, ohne die letztgenannten Kriterien zu beachten. Insbesondere ist dies bei älteren Fahrzeugen der Fall.

Fahrzeughalter kontra Versicherung


Aufgabe einer Versicherung ist es nicht, ihren Versicherten möglichst viel zu zahlen, damit diese glücklich sind. Stattdessen soll sie ihre Aktionäre durch hohe Gewinne und Dividenden glücklich machen. Daher ist es nicht überraschend, dass oft alles versucht wird, um im Einklang mit den Gesetzen und den eigenen AGB bzw. AVB (Allgemeine Geschäftsbedingungen bzw. Versicherungsbedingungen) möglichst geringe Beträge an die Kunden auszuzahlen. Natürlicherweise hat auch der Sachverständige, der für die Kfz-Versicherung das Gutachten erstellt, eher das Wohl seines Auftraggebers als dasjenige des Geschädigten im Sinne. All dies ist durchaus legitim. Durch einen Autodiebstahl Geschädigte müssen sich jedoch auch nicht alles bieten lassen.

Was ist das Sachverständigenverfahren?


Der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft hat Musterbedingungen für die Kfz-Versicherung herausgegeben. Viele Versicherungsgesellschaften übernehmen diese, zum Teil mit Abwandlungen. Dort wird auch der Fall behandelt, dass ein Versicherungskunde nicht mit dem ermittelten Wiederbeschaffungswert einverstanden ist. Dann ist ein sogenanntes Sachverständigenverfahren vorgesehen. Ist dies vertraglich (also im "Kleingedruckten") vereinbart, muss ein Sachverständigenausschuss den Wert ermitteln, bevor der Kunde gegen die Versicherung vor Gericht ziehen darf.

Was ist der Sachverständigenausschuss?


Der Sachverständigenausschuss entsteht, indem Kunde und Versicherung je einen eigenen Sachverständigen ihrer Wahl benennen. Die beiden Sachverständigen einigen sich dann auf einen dritten als Ombudsmann. Dann fertigen die zwei ersten Gutachter jeweils eigene Gutachten an. Bei Abweichungen wird eine Einigung versucht. Ist keine möglich, entscheidet der Ombudsmann. Dabei muss seine Wertermittlung zwischen den Werten der anderen beiden Sachverständigen liegen. Die Parteien – also Kunde und Versicherung – sind an die Entscheidung des Sachverständigenausschusses gebunden. Als Kunde hat man zwei Wochen Zeit, einen eigenen Sachverständigen zu benennen.

Wer trägt die Kosten für das Sachverständigenverfahren?


Versicherung und Geschädigter müssen die Kosten für das Sachverständigenverfahren anteilig in dem Verhältnis tragen, in dem sie verlieren. Einigen sich die Gutachter zum Beispiel auf einen Mittelwert zwischen ihren beiden Einschätzungen, müssen Versicherung und Kunde sich die Kosten aller beteiligten Sachverständigen hälftig teilen.

Diese Kostenaufteilung führt dazu, dass sich ein solches Sachverständigenverfahren nur bei größeren Schäden bzw. hochwertigen Fahrzeugen lohnt – und, wenn die Wahrscheinlichkeit relativ hoch ist, dass dabei am Ende ein höherer Wert herauskommt, als ihn die Versicherung zunächst angeboten hat. Manche Rechtsschutzversicherungen übernehmen die Kosten eines Sachverständigenverfahrens, andere nicht. Wer von einem Autodiebstahl betroffen ist, sollte sich am besten rechtzeitig informieren, was die eigene Rechtsschutzversicherung bezahlt.

Kann man die Entscheidung des Sachverständigenausschusses vor Gericht anfechten?


Zwar ist die Entscheidung des Sachverständigenausschusses grundsätzlich bindend. Trotzdem kann sie vor Gericht angefochten werden. Erfolg verspricht dies jedoch nur bei offensichtlichen Fehlern oder Unstimmigkeiten, zum Beispiel der Zugrundelegung eines falschen Autotyps.

Tipp: Dokumente aufbewahren


Es ist wichtig, nach einem Kfz-Diebstahl den Wert des eigenen Fahrzeugs nachweisen oder zumindest untermauern zu können – zum Beispiel durch Unterlagen. Daher sollte man den Kaufvertrag unbedingt aufbewahren, ebenso das Serviceheft oder Werkstattrechnungen, auf denen der Kilometerstand verzeichnet ist. Ebenso sollten Rechnungen für Zubehör und Sonderausstattungen unbedingt aufbewahrt werden, etwa für Tuningteile, Autoradio, Felgen, Einbaunavi oder für neue Reifen.

Welche Versicherung eignet sich für Oldtimer und Youngtimer?


Für Oldtimer und Youngtimer empfiehlt sich eine herkömmliche Versicherung zum Wiederbeschaffungswert nicht. Denn: Dieser ist bei solchen Fahrzeugen nur schwer feststellbar. Es besteht die Gefahr, dass das Fahrzeug einfach anhand seines Alters als praktisch wertlos angesehen oder dass schrottreife Fahrzeuge aus Online-Portalen als Vergleichsbasis herangezogen werden. Die bekannten Wertermittlungslisten berücksichtigen keine Autos, die älter sind als 12 Jahre.

Daher empfiehlt sich eine besondere Versicherung für Young- oder Oldtimer. Bei dieser lässt sich das Fahrzeug auch zum Marktwert oder zum Wiederherstellungswert versichern. Ein Wertgutachten wird nicht immer verlangt, ist jedoch dringend zu empfehlen. Damit kann im Schadensfall ein realistischer Betrag festgestellt werden. Auch ist bei einer Oldtimer- oder Youngtimerversicherung in der Regel Vandalismus mitversichert. Dies ist bei einer herkömmlichen Teilkasko nicht der Fall. Voraussetzungen für den Abschluss einer solchen Versicherung sind in der Regel ein sicherer nächtlicher Unterstellplatz und ein zusätzliches Alltagsfahrzeug mit herkömmlicher Versicherung.

Praxistipp zur Schadensabwicklung nach einem Autodiebstahl


Bei der Schadensabwicklung nach einem Autodiebstahl kann es schnell zum Streit mit der Autoversicherung über den Wiederbeschaffungswert kommen. Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht oder auch für Versicherungsrecht kann Sie zum richtigen Vorgehen in Ihrem Fall beraten.

(Bu)


 Stephan Buch
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