Beförderungsrunde 2012 der Deutschen Telekom AG rechtswidrig – Beurteilungssystem mit höherrangigem Recht unvereinbar
06.06.2013, Autor: Herr Matthias Schütte / Lesedauer ca. 4 Min. (1393 mal gelesen)
Anmerkung zum Beschluss des OVG Lüneburg vom 16. Mai 2013 (Az. 5 ME 92/13).
Nach zahlreichen Verwaltungsgerichten im Bundesgebiet hat nunmehr auch das OVG Lüneburg mit Beschluss vom 16. Mai 2013 (Az. 5 ME 92/13) eine Entscheidung getroffen, die sich mit der Beförderungsrunde 2012 der Deutschen Telekom AG (DTAG) und dem Beurteilungsverfahren, das den streitgegenständlichen Beförderungen vorangegangen war, befasst. Das OVG Lüneburg schloss sich in seinem Richterspruch vergleichbaren Entscheidungen zahlreicher anderer Verwaltungsgerichte an (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15. März 2012, Az. 1 B 133/13; VGH Mannheim, Beschl. v. 21. März 2013, Az. 4 S 227/13; VG Göttingen, Beschl. v. 8. Februar 2013, Az. 1 B 288/12; VG Osnabrück, Beschl. v. 18. Februar 2013, Az. 3 B 36/12; VG Gelsenkirchen Beschl. v. 15. Januar 2013, Az. 12 L 1519/12; Beschl. v. 17. Januar 2013, Az. 12 L 1680/12; VG Darmstadt, Beschl. v. 15. Februar 2013, Az. 1 L 1653/12.DA). In diesen Verfahren hatten die Richter jeweils über Eilanträge konkurrierender Beamter zu entscheiden, durch die Beförderungen im Rahmen der Beförderungsrunde 2012 der DTAG verhindert werden sollten. Das OVG Lüneburg gelangte wie die anderen Gerichte zu dem Ergebnis, dass es mit dem höherrangigen Bundesrecht unvereinbar sei, im Rahmen eines Beurteilungsverfahrens die Anzahl der zu vergebenden Bestnoten vorab auf die Anzahl der zu besetzenden Beförderungsplanstellen zu begrenzen, und untersagte einstweilig die Durchführung der konkret angegriffenen Beförderung.
I. Gegenstand des Verfahrens
In dem Verfahren ging es um folgenden Sachverhalt:
Die DTAG führte zur Vorbereitung ihrer Beförderungsrunde 2012 ein Verfahren zur Beurteilung ihrer verbeamteten Mitarbeiter durch. In den einschlägigen Beurteilungsrichtlinien war festgelegt worden, dass eine Beurteilung mit Bestnote nicht häufiger erteilt werden dürfe, als letztlich zu besetzende Beförderungsplanstellen in der bevorstehenden Beförderungsrunde 2012 zur Verfügung stehen sollten. Dass die Anzahl der Beurteilungen mit Bestnote der Anzahl der später zu befördernden Beamten entsprach, wurde im Rahmen sog. Beurteilerkonferenzen sichergestellt. Dies führte im Einzelfall mutmaßlich dazu, dass einige verbeamtete Mitarbeiter der DTAG schlechter beurteilt wurden, als ursprünglich vorgesehen, da andernfalls die Anzahl der zu besetzenden Beförderungsplanstellen überschritten worden wäre.
Auf der Grundlage der so abgestimmten Beurteilungen nahm die DTAG sodann das Verfahren der Beförderungsrunde 2012 auf. Gegen die getroffenen Auswahlentscheidungen gingen zahlreiche verbeamtete Mitarbeiter der DTAG im Wege des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes vor.
II. Inhalt der Entscheidung
In rechtlicher Hinsicht hatte sich das Beurteilungssystem der DTAG an einer Norm des Bundeslaufbahnrechts orientiert. Und zwar ist in § 50 Abs. 2 der Laufbahnverordnung des Bundes (BLV) geregelt, dass der Anteil der Beamtinnen und Beamten einer Besoldungsgruppe oder einer Funktionsebene, die beurteilt werden, bei der höchsten Note 10 % und bei der zweihöchsten Note 20 % nicht überschreiten soll. Das OVG Lüneburg urteilte hierzu, dass es sich bei diesen gesetzlichen Werten um Soll-Obergrenzen handele. Die DTAG habe diese Richtwerte jedoch unterschritten. Dementsprechend war ihr Beurteilungssystem nicht mehr mit dem höherrangigen Laufbahnrecht vereinbar.
Zwar kann die gesetzliche Obergrenze des § 50 Abs. 2 BLV nach einer Einzelfallbetrachtung unterschritten werden, wenn die beurteilten Beamtinnen und Beamten tatsächlich nicht die höchste Note bzw. zweithöchste Note in ausreichender Zahl erreichen. Von der gebotenen Einzelfallbetrachtung war die DTAG jedoch abgewichen, als sie eine Verknüpfung mit der Anzahl der später zu besetzenden Beförderungsplanstellen vornahm und so eine eigene pauschale Soll-Obergrenze festlegte. Die Unvereinbarkeit des Beurteilungssystems mit dem höherrangigen Recht führt nicht nur zur Rechtswidrigkeit der Beurteilungen, sondern hat nach zutreffender Ansicht des OVG Lüneburg auch die Rechtswidrigkeit der „zielorientiert“ gesteuerten Auswahlentscheidung zur Folge.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass sämtliche Beurteilungen der DTAG, die auf der Grundlage des rechtswidrigen Beurteilungssystems verfasst wurden, rechtsfehlerhaft sind. Die Auswahlentscheidungen der Beförderungsrunde 2012 sind damit insgesamt rechtswidrig.
III. Folgen dieser Rechtsprechung
Von der hier dargestellten Rechtsprechung sind nicht nur jene Beamtinnen und Beamte der DTAG betroffen, die sich bereits mit Rechtsbehelfen gegen ihre Beurteilung bzw. Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren zur Wehr gesetzt haben. Darüber hinaus besteht auch für andere verbeamtete Mitarbeiter der DTAG grundsätzlich weiterhin die Möglichkeit gegen ihre rechtswidrige Beurteilung vorzugehen.
Bei einer beamtenrechtlichen Beurteilung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Außenwirkung. Gleichwohl ist nach § 126 Abs. 2 BBG vor Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage gegen die Beurteilung eines Bundesbeamten ein Widerspruchsverfahren nach den §§ 68 ff. VwGO durchzuführen. Dieser besondere Rechtsbehelf ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht an eine gesetzliche Frist (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. November 1975, Az. II C 16/72, m.w.N.). § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO und § 58 Abs. 2 VwGO finden auf einen Widerspruch, der gegen eine dienstliche Beurteilung gerichtet ist, keine Anwendung. In Betracht kommt allerdings eine Verwirkung des Widerspruchsrechts (z.B. wenn der Beamte innerhalb eines längeren Zeitablaufs untätig bleibt, so dass bei dem Dienstherrn der Anschein erweckt wird, bezüglich der Beurteilung werde nichts mehr unternommen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 6. Dezember 2012, Az. 5 ME 258/12 nach Ablauf von drei Jahren; OVG Münster, Beschl. v. 13. Oktober 2010, Az. 6 B 1001/10, nach Ablauf von 20 Monaten; VGH Mannheim, Beschl. 4. Juni 2009, Az. 4 S 213/09, nach Ablauf von drei Jahren). Maßgeblich ist hier stets die Betrachtung des Einzelfalls. Die Beurteilungen der DTAG, die den Beurteilten im Jahr 2012 bekannt gegeben wurden, sind nach diesen Maßstäben grundsätzlich auch weiterhin durch einen Widerspruch anfechtbar.
IV. Ausblick
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, wie die DTAG mit den Richtersprüchen umgehen wird. Theoretisch könnte die Rechtsfrage im Instanzenzug eines Hauptsacheverfahrens bis zur Revisionsinstanz weiterverfolgt werden. Denkbar wäre auch, dass die Beförderungsrunde auf der Grundlage neuer, rechtmäßiger Beurteilungen insgesamt wiederholt wird. Zu der Frage, ob im Jahr 2013 Beförderungen bei der DTAG stattfinden werden, erklärte die Abteilung „Human Resources“ der DTAG in einem öffentlichen Informationsschreiben vom März 2013, dass die „Leitentscheidung“ des OVG Münster und die nachfolgenden Entscheidungen aus anderen Bundesländern ausführlich analysiert und bewertet werden müssten. Danach werde man über den Zeithorizont einer neuen Beförderungsrunde Auskunft geben.
RA Dr. Matthias Schütte
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Nach zahlreichen Verwaltungsgerichten im Bundesgebiet hat nunmehr auch das OVG Lüneburg mit Beschluss vom 16. Mai 2013 (Az. 5 ME 92/13) eine Entscheidung getroffen, die sich mit der Beförderungsrunde 2012 der Deutschen Telekom AG (DTAG) und dem Beurteilungsverfahren, das den streitgegenständlichen Beförderungen vorangegangen war, befasst. Das OVG Lüneburg schloss sich in seinem Richterspruch vergleichbaren Entscheidungen zahlreicher anderer Verwaltungsgerichte an (vgl. OVG Münster, Beschl. v. 15. März 2012, Az. 1 B 133/13; VGH Mannheim, Beschl. v. 21. März 2013, Az. 4 S 227/13; VG Göttingen, Beschl. v. 8. Februar 2013, Az. 1 B 288/12; VG Osnabrück, Beschl. v. 18. Februar 2013, Az. 3 B 36/12; VG Gelsenkirchen Beschl. v. 15. Januar 2013, Az. 12 L 1519/12; Beschl. v. 17. Januar 2013, Az. 12 L 1680/12; VG Darmstadt, Beschl. v. 15. Februar 2013, Az. 1 L 1653/12.DA). In diesen Verfahren hatten die Richter jeweils über Eilanträge konkurrierender Beamter zu entscheiden, durch die Beförderungen im Rahmen der Beförderungsrunde 2012 der DTAG verhindert werden sollten. Das OVG Lüneburg gelangte wie die anderen Gerichte zu dem Ergebnis, dass es mit dem höherrangigen Bundesrecht unvereinbar sei, im Rahmen eines Beurteilungsverfahrens die Anzahl der zu vergebenden Bestnoten vorab auf die Anzahl der zu besetzenden Beförderungsplanstellen zu begrenzen, und untersagte einstweilig die Durchführung der konkret angegriffenen Beförderung.
I. Gegenstand des Verfahrens
In dem Verfahren ging es um folgenden Sachverhalt:
Die DTAG führte zur Vorbereitung ihrer Beförderungsrunde 2012 ein Verfahren zur Beurteilung ihrer verbeamteten Mitarbeiter durch. In den einschlägigen Beurteilungsrichtlinien war festgelegt worden, dass eine Beurteilung mit Bestnote nicht häufiger erteilt werden dürfe, als letztlich zu besetzende Beförderungsplanstellen in der bevorstehenden Beförderungsrunde 2012 zur Verfügung stehen sollten. Dass die Anzahl der Beurteilungen mit Bestnote der Anzahl der später zu befördernden Beamten entsprach, wurde im Rahmen sog. Beurteilerkonferenzen sichergestellt. Dies führte im Einzelfall mutmaßlich dazu, dass einige verbeamtete Mitarbeiter der DTAG schlechter beurteilt wurden, als ursprünglich vorgesehen, da andernfalls die Anzahl der zu besetzenden Beförderungsplanstellen überschritten worden wäre.
Auf der Grundlage der so abgestimmten Beurteilungen nahm die DTAG sodann das Verfahren der Beförderungsrunde 2012 auf. Gegen die getroffenen Auswahlentscheidungen gingen zahlreiche verbeamtete Mitarbeiter der DTAG im Wege des verwaltungsgerichtlichen Eilrechtsschutzes vor.
II. Inhalt der Entscheidung
In rechtlicher Hinsicht hatte sich das Beurteilungssystem der DTAG an einer Norm des Bundeslaufbahnrechts orientiert. Und zwar ist in § 50 Abs. 2 der Laufbahnverordnung des Bundes (BLV) geregelt, dass der Anteil der Beamtinnen und Beamten einer Besoldungsgruppe oder einer Funktionsebene, die beurteilt werden, bei der höchsten Note 10 % und bei der zweihöchsten Note 20 % nicht überschreiten soll. Das OVG Lüneburg urteilte hierzu, dass es sich bei diesen gesetzlichen Werten um Soll-Obergrenzen handele. Die DTAG habe diese Richtwerte jedoch unterschritten. Dementsprechend war ihr Beurteilungssystem nicht mehr mit dem höherrangigen Laufbahnrecht vereinbar.
Zwar kann die gesetzliche Obergrenze des § 50 Abs. 2 BLV nach einer Einzelfallbetrachtung unterschritten werden, wenn die beurteilten Beamtinnen und Beamten tatsächlich nicht die höchste Note bzw. zweithöchste Note in ausreichender Zahl erreichen. Von der gebotenen Einzelfallbetrachtung war die DTAG jedoch abgewichen, als sie eine Verknüpfung mit der Anzahl der später zu besetzenden Beförderungsplanstellen vornahm und so eine eigene pauschale Soll-Obergrenze festlegte. Die Unvereinbarkeit des Beurteilungssystems mit dem höherrangigen Recht führt nicht nur zur Rechtswidrigkeit der Beurteilungen, sondern hat nach zutreffender Ansicht des OVG Lüneburg auch die Rechtswidrigkeit der „zielorientiert“ gesteuerten Auswahlentscheidung zur Folge.
Im Ergebnis bedeutet dies, dass sämtliche Beurteilungen der DTAG, die auf der Grundlage des rechtswidrigen Beurteilungssystems verfasst wurden, rechtsfehlerhaft sind. Die Auswahlentscheidungen der Beförderungsrunde 2012 sind damit insgesamt rechtswidrig.
III. Folgen dieser Rechtsprechung
Von der hier dargestellten Rechtsprechung sind nicht nur jene Beamtinnen und Beamte der DTAG betroffen, die sich bereits mit Rechtsbehelfen gegen ihre Beurteilung bzw. Nichtberücksichtigung im Auswahlverfahren zur Wehr gesetzt haben. Darüber hinaus besteht auch für andere verbeamtete Mitarbeiter der DTAG grundsätzlich weiterhin die Möglichkeit gegen ihre rechtswidrige Beurteilung vorzugehen.
Bei einer beamtenrechtlichen Beurteilung handelt es sich nicht um einen Verwaltungsakt mit Außenwirkung. Gleichwohl ist nach § 126 Abs. 2 BBG vor Erhebung der verwaltungsgerichtlichen Klage gegen die Beurteilung eines Bundesbeamten ein Widerspruchsverfahren nach den §§ 68 ff. VwGO durchzuführen. Dieser besondere Rechtsbehelf ist nach höchstrichterlicher Rechtsprechung nicht an eine gesetzliche Frist (vgl. BVerwG, Urt. v. 13. November 1975, Az. II C 16/72, m.w.N.). § 70 Abs. 1 S. 1 VwGO und § 58 Abs. 2 VwGO finden auf einen Widerspruch, der gegen eine dienstliche Beurteilung gerichtet ist, keine Anwendung. In Betracht kommt allerdings eine Verwirkung des Widerspruchsrechts (z.B. wenn der Beamte innerhalb eines längeren Zeitablaufs untätig bleibt, so dass bei dem Dienstherrn der Anschein erweckt wird, bezüglich der Beurteilung werde nichts mehr unternommen (vgl. OVG Lüneburg, Beschl. v. 6. Dezember 2012, Az. 5 ME 258/12 nach Ablauf von drei Jahren; OVG Münster, Beschl. v. 13. Oktober 2010, Az. 6 B 1001/10, nach Ablauf von 20 Monaten; VGH Mannheim, Beschl. 4. Juni 2009, Az. 4 S 213/09, nach Ablauf von drei Jahren). Maßgeblich ist hier stets die Betrachtung des Einzelfalls. Die Beurteilungen der DTAG, die den Beurteilten im Jahr 2012 bekannt gegeben wurden, sind nach diesen Maßstäben grundsätzlich auch weiterhin durch einen Widerspruch anfechtbar.
IV. Ausblick
Zum gegenwärtigen Zeitpunkt ist noch nicht absehbar, wie die DTAG mit den Richtersprüchen umgehen wird. Theoretisch könnte die Rechtsfrage im Instanzenzug eines Hauptsacheverfahrens bis zur Revisionsinstanz weiterverfolgt werden. Denkbar wäre auch, dass die Beförderungsrunde auf der Grundlage neuer, rechtmäßiger Beurteilungen insgesamt wiederholt wird. Zu der Frage, ob im Jahr 2013 Beförderungen bei der DTAG stattfinden werden, erklärte die Abteilung „Human Resources“ der DTAG in einem öffentlichen Informationsschreiben vom März 2013, dass die „Leitentscheidung“ des OVG Münster und die nachfolgenden Entscheidungen aus anderen Bundesländern ausführlich analysiert und bewertet werden müssten. Danach werde man über den Zeithorizont einer neuen Beförderungsrunde Auskunft geben.
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