Probleme mit dem Zahnarzt: Wann darf ich wechseln?

16.01.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Zahnarzt,Behandlung,Bohrer,Patient Müssen Patienten ihren Zahnarzt bei Problemen nachbessern lassen? © - freepik

Muss ein Patient, den ein Zahnarzt falsch behandelt hat, diesem die Chance einer Nachbesserung einräumen, bevor er ihn auf Schadensersatz verklagen kann? Nicht nur eine Rechts-, sondern auch eine echte Vertrauensfrage.

Seit Jahren wird vor Gerichten darum gestritten, ob insbesondere Zahnärzte ein Nachbesserungsrecht haben, wenn Patienten mit ihrer Arbeit nicht zufrieden sind oder Komplikationen auftreten. Das würde bedeuten: Patienten können erst nach einem (erfolglosen) Nachbesserungsversuch einen anderen Zahnarzt aufsuchen und Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld gegen den ursprünglichen Behandler geltend machen. Was sagen die Gerichte?

Was muss man über den ärztlichen Behandlungsvertrag wissen?


Lange wurde darum gestritten, ob es sich beim ärztlichen Behandlungsvertrag um einen Dienstvertrag (wie ein Arbeitsverhältnis) oder um einen Werkvertrag (wie einen Handwerkerauftrag) handelt. Der Unterschied: Beim Dienstvertrag wird eine Tätigkeit geschuldet, beim Werkvertrag ein konkreter Erfolg. Beim Werkvertrag hängen Mängelansprüche des Patienten in der Regel davon ab, dass zuvor eine Nachbesserung ermöglicht wird.

Seit 2013 ist der ärztliche Behandlungsvertrag ein eigener, gesetzlich geregelter Vertragstyp. Die besonderen Vorschriften im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) beschäftigen sich allerdings nicht direkt mit dem Thema Schadensersatz für Behandlungsfehler, sondern unter anderem mit Informations- und Aufklärungspflichten, der Einsicht in die Patientenakte oder der Beweislast bei Fehlern. Ansonsten wird auf die Regelungen zum Dienstvertrag verwiesen.

Welche Regeln gelten für Schadensersatz und Schmerzensgeld?


Besondere Regelungen zum Schadensersatz bei Behandlungsfehlern gibt es in den besonderen Vorschriften zum Behandlungsvertrag nicht. Die Grundsätze der Haftung von Arbeitnehmern für Fehler gegenüber dem Arbeitgeber lassen sich kaum auf das Verhältnis zwischen Arzt und Patient übertragen. Wenn man nun die allgemeinen Regeln über schlechte Leistungen bei Vertragsverhältnissen heranzieht, findet man zum Beispiel § 281 BGB. Dieser gesteht dem Empfänger einer Leistung einen Schadensersatz anstelle dieser Leistung zu, wenn er dem Erbringer der Leistung zuvor erfolglos eine Frist zur Nachbesserung gesetzt hat. Aber gilt dies auch für ärztliche Behandlungsfehler?

Fall vor Gericht: Behandlungsfehler beim Zahnarzt


Vor dem thüringischen Oberlandesgericht in Jena ging es um eine Frau, die sich von ihrem Zahnarzt zunächst eine Kunststofffüllung und dann ein Goldinlay in einen Zahn hatte einsetzen lassen. Bei einem weiteren Zahn wurde eine alte Krone durch eine neue Keramikkrone ersetzt. Weitere Behandlungen erfolgten nicht. Nach einiger Zeit litt die Patientin unter so starken Zahnschmerzen, dass sie nachts den Notdienst der Uniklinik aufsuchen musste. Hier fand eine Nachbehandlung beider Zähne statt. Beide waren kariös; offenbar hatte der erste Zahnarzt die Kronen zum Teil über bestehendem Karies angebracht oder Hohlräume nicht ganz aufgefüllt. Die Patientin ging vor Gericht und verklagte ihn unter anderem auf die Zahlung von Schadensersatz in Höhe von etwa 4.800 Euro und Schmerzensgeld von 4.000 Euro.

Das Landgericht Erfurt wies ihre Klage zunächst jedoch ab. Es erklärte, dass sie dem Zahnarzt nicht die Möglichkeit gegeben habe, seine Leistungen zu beenden. Daher liege keine Schlechtleistung des Zahnarztes nach § 280 Abs. 1 BGB vor. Auch habe sie den Zahnarzt nicht nach §§ 280 Abs. 3, 281 BGB zur Nacherfüllung aufgefordert und ihm somit nicht die Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben. Daher würden Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld ausscheiden.

Wie entschied das OLG Jena zur Nachbesserung bei Behandlungsfehlern?


Das Oberlandesgericht Jena befasste sich als nächste Instanz mit dem Fall und kam zu einem ganz anderen Ergebnis. Es rügte zunächst, dass das Landgericht Beweisanträge der Klägerin einfach übergangen habe. Hier müsse durch Sachverständigengutachten genau geklärt werden, was medizinisch passiert sei. Auch sei es gar nicht relevant, ob die Klägerin ihrem Zahnarzt die Möglichkeit zur Nachbesserung gegeben habe. Dies sei nur für Schadenspositionen erforderlich, die unter den "Schadensersatz statt der Leistung" fallen würden - und das sei hier allenfalls teilweise der Fall. Das Gesetz schreibe weder für einen einfachen Schadensersatzanspruch nach § 280 Abs.1 BGB, noch für einen Schmerzensgeldanspruch vor, dass der Gegenseite zuerst eine Nacherfüllung (= Nachbesserung) ermöglicht werden müsse.

Welche Besonderheiten gelten für Nachbehandlungskosten?


Die Kosten einer erforderlichen Nachbehandlung könnten zum Beispiel als "Schadenersatz statt der Leistung" verlangt werden. Auch hier sei jedoch eine Aufforderung zur Nacherfüllung nicht erforderlich. Denn: Voraussetzung für einen solchen Nacherfüllungsanspruch des Arztes sei ein laufender Behandlungsvertrag. Diesen habe die Klägerin aber zuvor gekündigt, indem sie die Behandlung bei diesem Zahnarzt abgebrochen habe. Beende ein Patient die Behandlung bei einem Arzt wegen verlorenen Vertrauens und lehne weitere Behandlungsangebote ab, sei dies als Kündigung des Behandlungsvertrages anzusehen. Ein solcher Vertrag sei jederzeit kündbar. Nach dem Ende des Vertrages sei kein Raum mehr für eine Nachbesserung. Dies sei vorliegend der Fall gewesen.

Dies gelte umso mehr, als die fehlerhafte Behandlung hier auf einer fehlerhaften Befunderhebung beruhe - nämlich der übersehenen Karies in dem behandelten Zahn. Ein solcher Fehler bei der Diagnose könne nicht später nachgebessert werden, da die Situation dann eine ganz andere sei.

Das Gericht hielt damit fest: Die Patientin habe dem Zahnarzt nicht die Möglichkeit einer Nachbesserung einräumen müssen, bevor sie mit ihren Schmerzen zu einem anderen Zahnarzt ging und den ersten auf Schadensersatz und Schmerzensgeld verklagte. Der Fall wurde zum Landgericht zurückverwiesen, um eine weitere Aufklärung des Sachverhalts durchzuführen (OLG Jena, Urteil vom 29.5.2012, Az. 4 U 549/11).

Nachbesserungsrecht des Zahnarztes bei Zahnprothesen?


Das Oberlandesgericht Dresden entschied im Jahr 2016 in einem Fall, in dem es um eine mangelhafte Zahnprothese ging, genau gegenteilig. Der Patient war damit sogleich zu einem anderen Zahnarzt gegangen. Die Kosten in Höhe von mehreren tausend Euro wollte er vom ersten Zahnarzt ersetzt haben. Das OLG wies seine Klage ab, da er dem ursprünglichen Zahnarzt keine Gelegenheit zur Nachbesserung gegeben habe. Auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis könne sich der Patient in diesem Zusammenhang nicht berufen, da eine nicht passende Prothese in erster Linie auf einem Verschulden des zahntechnischen Labors beruhe und nicht auf einem Arztfehler (= Behandlungsfehler). Dass der Zahnarzt für Fehler des Labors grundsätzlich einstehen müsse, ändere daran nichts (Urteil vom 6.12.2016, Az. 4 U 1119/16).

Zahnprothese: Nachbesserung durch den Zahnarzt auch bei Unzumutbarkeit?


Das OLG Dresden schränkte in einem weiteren Urteil aus dem Jahr 2020 das Nachbesserungsrecht bei Zahnprothesen ein. Wichtig ist hier die Unterscheidung: Bei einer Zahnbehandlung schuldet der Zahnarzt laut Behandlungsvertrag nur eine sachgerechte Behandlung. Beim Zahnersatz hingegen schuldet er dem Patienten den Erfolg in Gestalt des Zahnersatzes. Hier handelt es sich um eine Werkleistung, bei der wie bei einem Handwerkerauftrag Werkvertragsrecht zur Anwendung kommt - und dieses sieht grundsätzlich ein Nachbesserungsrecht vor. Verweigert der Patient eine Nachbesserung, kann sein Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld entfallen.

Dies gilt allerdings dann nicht, wenn die Leistung des Zahnarztes beim Einsetzen der Prothese derartig schlecht ist, dass dem Patienten keine Nachbehandlung beim gleichen Zahnarzt mehr zugemutet werden kann. Dies war hier der Fall: Es bestand durch eine Fehlbehandlung die Gefahr dauerhafter Entzündungen. Im konkreten Fall konnte der Patient also ohne Nachbesserung Schadensersatz und Schmerzensgeld verlangen (Urteil vom 14.1.2020, Az. 4 U 1562/19).

Fazit zur Nachbesserung bei Behandlungsfehlern des Zahnarztes


Bei einer fehlerhaften Zahnbehandlung (kein Zahnersatz), wie beispielsweise dem Einsetzen einer Kunststofffüllung, eines Inlays oder einer Überkronung, muss der Patient keinen Nachbesserungsversuch durch den bis dahin behandelnden Zahnarzt über sich ergehen lassen. Er kann den Behandlungsvertrag einfach kündigen, zu einem anderen Zahnarzt wechseln und Schadensersatz sowie Schmerzensgeld verlangen.
Geht es dagegen um das Einfügen eines Zahnersatzes (Zahnprothese), liegt ein sogenannter Werkvertrag vor. Der Patient muss dem Zahnarzt dann zunächst die Möglichkeit zur Nachbesserung einräumen, bevor er Schadensersatz und Schmerzensgeld von ihm verlangen kann. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz besteht, wenn ihm die Weiterbehandlung bei diesem Zahnarzt nicht zuzumuten ist.

Praxistipp zur Nachbesserung beim Zahnarzt


Ob Patienten ihrem Zahnarzt bei Behandlungsfehlern die Möglichkeit zu einer Nachbesserung geben müssen, hängt sehr vom Einzelfall ab. Insbesondere bei fehlerhaften Kronen oder Prothesen kann dies der Fall sein. Wann es für den Patienten unzumutbar ist, eine Nachbesserung zuzulassen, ist ebenfalls sehr vom konkreten Fall abhängig. Kommt es wegen Behandlungsfehlern beim Zahnarzt zum Streit, empfiehlt sich eine Beratung durch einen Fachanwalt für Medizinrecht, der die Erfolgschancen einer Klage sinnvoll einschätzen kann.

(Wk)


 Günter Warkowski
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Juristische Redaktion
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