15.04.2021: Berliner Mietendeckel verfassungswidrig - was gilt jetzt für die Mieter?

15.04.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Mietshaus,Mietendeckel Mietendeckel: Welche Schritte können Mieter unternehmen? © Bu - Anwalt-Suchservice

Am 15.04.2021 hat das Bundesverfassungsgericht den Berliner Mietendeckel für nichtig erklärt. Was gilt nun für die Berliner Mieter?

Am 23.2.2020 ist der Berliner Mietendeckel in Kraft getreten. Damit wurden die Mieten in Berlin eingefroren. Vermieter durften grundsätzlich keine höhere Miete fordern, als am Stichtag 18. Juni 2019. Eine Erhöhung sollte als Inflationsausgleich ab 22. Januar 2022 möglich sein - allerdings nur um bis zu 1,3 Prozent und die genaue Höhe würde auch nicht der Vermieter bestimmen, sondern der Senat. Die zweite Stufe des Berliner Mietendeckels ist am 23.11.2020 in Kraft getreten. Damit mussten Mieten, die mehr als 20 Prozent über der Mietobergrenze lagen, abgesenkt werden.

UPDATE 15.04.2021: Bundesverfassungsgericht erklärt Berliner Mietendeckel für verfassungswidrig


Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat den sogenannten Berliner Mietendeckel (= Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin) für nichtig, weil verfassungswidrig, erklärt. Er ist somit rechtswidrig und nicht mehr anwendbar.
Die Richter begründeten ihre Entscheidung damit, dass die Regelungen zum Mietrecht laut Grundgesetz der sogenannten konkurrierenden Gesetzgebung unterlägen. Dies bedeute, dass die Länder zur Gesetzgebung in Sachen Mieten nur in den Fällen berechtigt seien, in denen der Bund von seinen Regelungsmöglichkeiten keinen Gebrauch gemacht habe. In Sachen Regelung der Miethöhe sei dies aber nicht der Fall, da der Bund seine Gesetzgebungskompetenz für das Mietrecht abschließend wahrgenommen habe. Die Länder könnten deshalb keine eigenen Regelungen mehr treffen (Beschluss vom 25. März 2021, Az. 2 BvF 1/20, 2 BvL 4/20, 2 BvL 5/20). Was bedeutet dies nun für Mieter?

Mieterhöhung nach dem Stichtag


Unter dem Mietendeckel galt:
Eine Erhöhung der Nettokaltmiete über den Stand vom 18.6.2019 hinaus war unter dem Mietendeckel verboten. Sie war für den Vermieter eine Ordnungswidrigkeit; dieser riskierte ein Bußgeld bis 500.000 Euro.

Wenn ein Vermieter zwischen dem 18.6.2019 und dem 22.2.2020 eine Zustimmung zur Mieterhöhung verlangt und der Mieter ihm diese auch erteilt hat, war diese Vereinbarung zunächst einmal wirksam. Damit musste der Mieter die erhöhte Miete auch zahlen.

Aber: Mit dem Inkrafttreten des Berliner Mietendeckels am 23.2.2020 ist diese Mieterhöhung unzulässig geworden. Der Vermieter hatte nun also die Erhöhung wieder zurückzunehmen: Er durfte in einem laufenden Mietverhältnis nach dem 23.2.2020 keine Miete verlangen, die höher war, als am 18.6.2019. Eine anderslautende Vereinbarung war unwirksam (§ 134 BGB).

Ignorierte der Vermieter dies, konnten Mieter

- ihre Nettokaltmiete auf den Stand vom 18.6.2019 reduzieren,
- vor Gericht gehen und dort feststellen lassen, dass sie maximal die Miete vom 18.6.2019 zahlen müssen.

Zusätzlich konnten sie sich auch an das Bezirksamt wenden, das den Vermieter dann (verbunden mit einem Bußgeld) dazu aufforderte, die Miete auf das zulässige Maß zu reduzieren.

Update: Einziger Maßstab für die Legalität von Mieterhöhungen ist nun das Bürgerliche Gesetzbuch. Erhöhungen über das nach dem Mietendeckel höchstzulässige Maß hinaus sind also erlaubt, solange sie den bundesweiten Regeln entsprechen.
Gerichtsentscheidungen aufgrund der Mietendeckel-Regelungen bleiben gültig. Noch offene Forderungen aufgrund solcher Urteile können jedoch nicht mehr vollstreckt werden (§ 79 Abs. 2 BVerfGG).
Vereinbarungen zwischen Mietern und Vermietern dürften Bestand haben. Eine unter dem Mietendeckel erfolgte und vereinbarte unerlaubte Mieterhöhung, die nicht ausdrücklich zurückgenommen wurde, muss nun als gültig angesehen werden. Damit drohen erhebliche Nachzahlungen.

Was hat sich am 23.11.2020 geändert?


Am 23.11.2020 ist die sogenannte zweite Stufe des Berliner Mietendeckels in Kraft getreten. Wenn Ihre Miete schon am Stichtag 18.6.2019 um mehr als 20 Prozent über der Mietobergrenze laut Tabelle lag, galt diese Miete laut Mietendeckelgesetz als überhöht. Ihr Vermieter war dann verpflichtet, die Miete um den Betrag, der über den 20 Prozent lag, abzusenken. Diesen Fall regelte § 5, der klar sagte: "Eine überhöhte Miete im Sinne dieses Gesetzes ist verboten."

Die Vorschrift berücksichtigte auch die Wohnlage. Dazu sollten bei einfachen Wohnlagen 0,28 Euro und bei mittleren 0,09 Euro von der Obergrenze abgezogen werden. Bei guten Wohnlagen dagegen gab es einen Aufschlag von 0,74 Euro auf die Mietobergrenze.

Mieter mussten eine Absenkung nicht extra beim Vermieter beantragen. Dieser handelte vielmehr rechtswidrig, wenn er sie nicht durchführte. Laut Gesetz überwachte die Senatsverwaltung die Einhaltung der Regelungen. Sie konnte "von Amts wegen alle Maßnahmen treffen, die insoweit zur Durchsetzung erforderlich sind."

Mehr sagte das Gesetz dazu nicht. Natürlich empfiehlt es sich im Mietverhältnis immer, zuerst das Gespräch mit dem Vermieter zu suchen. War dieser nicht bereit, die Miete zu senken, konnten sich Betroffene an das Bezirksamt wenden. Dieses konnte entweder per Bescheid eine Miete in wirksamer Höhe festsetzen oder den Vermieter unter Bußgeldandrohung zur Senkung der Miete auffordern.
Eine weitere Möglichkeit war, vor einem Zivilgericht auf die Absenkung der Miete zu klagen und gleichzeitig die zu viel gezahlte Miete zurückzufordern.

Update: Gerichtsentscheidungen aus der Zeit des Mietendeckels bleiben gültig. Aufgrund dieser Urteile noch offene Forderungen können jetzt nicht mehr vollstreckt werden. Hat der Vermieter die Miete ausdrücklich abgesenkt, droht zumindest keine Nachzahlung. Jetzt kann aber eine Erhöhung erfolgen.

Mietendeckelrechner


Wie berechnete man, um welchen Betrag der Vermieter die Miete kürzen musste? Gab man in einer Suchmaschine den Suchbegriff "Mietendeckelrechner" ein, erhielt man zahlreiche Websites, mittels derer sich dies berechnen ließ. Erforderliche Angaben waren Adresse, Wohnfläche, aktuelle Kaltmiete, Baujahr der Wohnung und wohnwerterhöhende Merkmale.

Neuer Mietvertrag mit überhöhter Miete


Für Mietverträge, die erst nach Inkrafttreten des Berliner Gesetzes geschlossen wurden, galt: Der Vermieter durfte höchstens die Miete fordern, die mit dem vorherigen Mieter am 18.6.2019 vereinbart war. War diese Stichtagsmiete höher, als die Mietobergrenze nach der Tabelle aus dem Gesetz, galt die gesetzliche Mietobergrenze als Maximalbetrag. Die nötigen Daten zur Ermittlung dieser Grenze nach der Tabelle musste der Vermieter den neuen Mietern schon vor Vertragsabschluss zukommen lassen.

Update: Die Stichtagsregelung gilt nicht mehr. Für Mieterhöhungen gelten nun ausschließlich die Einschränkungen aus dem Bürgerlichen Gesetzbuch, bei Neuverträgen die Regelungen zur Mietpreisbremse.

Hatte man einen Vertrag mit höherer Miete unterschrieben und war der Vermieter nicht zum Einlenken bereit, konnte man die höhere Miete vorerst weiter zahlen und bei Gericht die Feststellung beantragen, dass man nur die niedrigere Miete schuldete. Diese Klage konnte verbunden sein mit der Rückforderung des zu viel gezahlten Betrages. Hilfreich war eine schriftliche Auskunft des Bezirksamtes über die höchstzulässige Miete.

Update: Wie erwähnt behalten Gerichtsentscheidungen aus der Zeit des Mietendeckels ihre Gültigkeit. Probleme kann es geben, wenn Mieter ihre Miete eigenmächtig reduziert haben. Hier kann es zu Nachforderungen kommen. Unter Umständen steht der Mieter dann sogar mit so hohen Mietschulden da, dass eine Kündigung des Mietvertrages möglich ist.

Kreative Mietverträge: Papier ist geduldig


Nun gab es Vermieter, die in neue Mietverträge eine Miete deutlich über dem Erlaubten hineinschrieben. Vom Mieter verlangten sie jedoch tatsächlich nur den erlaubten Betrag.
Update: Nachdem der Mietendeckel nun nichtig ist, gilt nach bisherigem Wissensstand die erhöhte Miete. Zu prüfen wäre, ob diese den bisherigen BGB-Regelungen entspricht.

Ein mögliches Argument dagegen: Stehen solche Klauseln in einem gedruckten Formular, sind die Regeln über Allgemeine Geschäftsbedingungen anwendbar. Dann könnte man von einer überraschenden AGB-Klausel sprechen, die unwirksam ist.

Hier gab es noch eine andere Variante: Einige Vermieter forderten ihre Mieter dazu auf, den überhöhten Teil der Miete auf ein Treuhandkonto einzuzahlen. Sofern der Mietendeckel für unzulässig erklärt werden würde, wollte der Vermieter das Geld einstreichen, ansonsten sollte es der Mieter zurückbekommen.
Update: Wer sich als Mieter auf so etwas eingelassen hat, erhält sein Geld voraussichtlich nicht zurück.

Welche Auskunftspflicht haben Vermieter?


Berliner Vermieter waren verpflichtet, bis 23.4.2020 ihren Mietern die maßgeblichen Daten zur Ermittlung der Mietobergrenze zukommen zu lassen. Bei neuen Mietverträgen musste dies vor Vertragsabschluss erfolgen.
Update: Diese Pflicht existiert nicht mehr. Allerdings hat der Vermieter bei Mieterwechsel eine Aufklärungspflicht nach den Regeln zur Mietpreisbremse, falls die Miete des Vormieters höher war, als heute erlaubt.

Praxistipp / Update


Einige große Vermietungsgesellschaften in Berlin haben bereits signalisiert, dass sie keine Nachforderungen erheben werden. Wer sich als Mieter mit Mietnachforderungen oder erheblichen Mieterhöhungen konfrontiert sieht, sollte prüfen lassen, ob diese den gängigen Regeln des bürgerlichen Gesetzbuches entsprechen. Ein Fachanwalt für Mietrecht ist der beste Ansprechpartner für eine entsprechende Beratung.

(Bu)


 Stephan Buch
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