BGH: Wie konkret muss eine Patientenverfügung sein?
29.06.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Rh - Anwalt-Suchservice In einer Patientenverfügung legt ein Mensch schriftlich fest, welche ärztlichen Maßnahmen er für den Fall wünscht oder nicht wünscht, dass er sich selbst nicht mehr äußern kann. Dahinter steckt häufig die Befürchtung, ohne Chancen auf Genesung an irgendwelche Apparate angeschlossen lange vor sich hin zu vegetieren. In vielen Patientenverfügungen wird daher festgelegt, dass der Patient unter bestimmten Umständen keine lebensverlängernden Maßnahmen möchte. Ebenso kann eine Patientenverfügung aber auch den Wunsch äußern, dass jede wissenschaftliche Möglichkeit ausgeschöpft werden soll, um den Patienten am Leben zu halten. Oder sie kann bestimmen, welche genaue Art der Behandlung bei einer ganz bestimmten Erkrankung stattfinden soll. Oft gibt es ja verschiedene Möglichkeiten. Der Inhalt der Patientenverfügung ist allein Sache des Patienten. Man sollte jedoch wissen: Geht es um die Beendigung eines Menschenlebens, legen die Gerichte strenge Maßstäbe an den Inhalt dieses Dokuments an.
Die Patientenverfügung ist seit 2009 im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Seit der Reform des Betreuungsrechts zum 1.1.2023 findet sich die zentrale Regelung in § 1827 BGB. Dort ist festgelegt, was eine Patientenverfügung ist und dass in ihr Regelungen über Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe getroffen werden können. Auch ist dort geregelt, dass ein für einen einwilligungsunfähigen Patienten eingesetzter Betreuer prüfen muss, ob die in einer Patientenverfügung beschriebene Lebens- und Behandlungssituation eingetreten ist. Ist dies der Fall, muss er dem Willen des Patienten Geltung verschaffen.
Wichtig ist auch die Regelung in § 630d BGB, die eine Patientenverfügung auch für den Arzt verbindlich macht.
Grundsätzlich muss eine Patientenverfügung schriftlich abgefasst werden. Nur ein einwilligungsfähiger Volljähriger kann eine wirksame Patientenverfügung verfassen. Einwilligungsfähig bedeutet: Der oder die Betreffende muss in der Lage sein, die eigene Situation geistig zu erfassen und zu verstehen, worüber da entschieden wird.
Wichtig: Die Patientenverfügung ist nur wirksam, wenn sie sich auf eine Situation bezieht, die noch nicht unmittelbar bevorsteht.
Eine Patientenverfügung lässt sich jederzeit formlos widerrufen. Dies besagt § 1827 Abs. 1 BGB. Das bedeutet: Sie kann auch mündlich widerrufen werden und sogar durch Zeichen wie Kopfnicken oder Kopfschütteln auf eine entsprechende Frage hin, wenn man zu anderen Äußerungen nicht mehr in der Lage ist.
Patientenverfügungen werden oft mit Hilfe von Mustern aus dem Internet erstellt oder auch auf Formularen, die kirchliche und andere Organisationen in Umlauf bringen. Viele dieser Muster bestehen jedoch lediglich aus ein paar Fragen zum Ankreuzen und einem Feld für die Unterschrift. Derartige Patientenverfügungen haben kaum Chancen, wirklich ernst genommen, von Ärzten beachtet oder gar von einem Gericht anerkannt zu werden.
Der Grund: Hier geht es um Leben und Tod - die wichtigste Entscheidung, die man treffen kann. Für Ihren Arzt geht es darum, ob er sich strafbar macht, weil er Maßnahmen durchführt oder unterlässt, die nicht dem wirksam geäußerten Willen seines Patienten entsprechen.
Daher verlangen die Gerichte, dass man sich mit der Angelegenheit ernsthaft und gründlich befasst. Ein paar Kreuzchen auf einem Zettel oder eine Unterschrift unter irgendeinem Muster reichen also nicht aus.
Der Bundesgerichtshof verhandelte 2016 den Fall einer älteren Frau, die einen Hirnschlag erlitten hatte. Danach war sie in ein Pflegeheim gekommen und mit einer Magensonde künstlich ernährt worden. Ein Jahr später erlitt sie einige epileptische Anfälle. Schließlich war sie nicht mehr fähig, zu sprechen. Die Frau hatte im Abstand von mehreren Jahren zwei gleichlautende Schriftstücke unterschrieben und als "Patientenverfügung" betitelt. Daraus ergab sich, dass lebensverlängernde Maßnahmen bei ihr nicht stattfinden sollten, falls es durch Krankheit oder Unfall zu schweren Dauerschäden des Gehirns gekommen sei.
Einer ihrer drei Töchter hatte die Frau eine Vorsorgevollmacht gegeben, um die Patientenverfügung gegenüber Ärzten durchzusetzen und sich um die medizinischen Belange ihrer Mutter zu kümmern. Die Tochter besaß schon seit 2003 eine Generalvollmacht. Auch darin stand, dass die Mutter bei einer zum Tode führenden Krankheit keinen Wert auf lebensverlängernde Maßnahmen legte, wenn feststehen sollte, dass keine Besserung ihres Zustands zu erwarten sei.
Allerdings meinten sowohl die bevollmächtigte Tochter als auch die Hausärztin, dass ein Abbruch der künstlichen Ernährung im gegenwärtigen Zustand der Mutter nicht deren Wünschen entspreche. Die beiden anderen Töchter waren anderer Meinung und gingen vor Gericht. Sie wollten einen sogenannten Kontrollbetreuer einsetzen lassen, der die Vollmachten ihrer Schwester widerrufen könnte. Der Prozess ging durch alle Gerichtsinstanzen.
Der Bundesgerichtshof betonte, dass eine Patientenverfügung nur dann bindend sei, wenn aus ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in ganz bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen hervorgingen. Andererseits seien allgemeine Aussagen nicht ausreichend, nach denen beispielsweise ein würdevolles Sterben ermöglicht werden solle, wenn kein Heilungserfolg abzusehen sei.
Damit die Verfügung bindend sei, müsse der Betroffene darin umschreibend festlegen, was er sich für eine ganz bestimmte Lebens- und Behandlungssituation wünsche und was nicht. Der Wunsch, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wollen, sei allein keine ausreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Dies müsse der Verfasser der Patientenverfügung schon genauer ausführen. So könne man etwa bestimmte ärztliche Maßnahmen aufzählen oder auf bestimmte Krankheiten oder Behandlungssituationen Bezug nehmen.
Im konkreten Fall war dem Bundesgerichtshof die Patientenverfügung zu allgemein. Hinzu kam: Ein Kontrollbetreuer hätte nach dem BGH nur bestellt werden können, wenn die Bevollmächtigte sich offensichtlich über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzte. Davon sei hier jedoch nicht auszugehen (Beschluss vom 6. Juli 2016, Az. XII ZB 61/16).
2017 bestätigte der Bundesgerichtshof die oben genannten Grundsätze. Diesmal ging es um eine Frau, die nach einem Herz-Kreislaufstillstand im Wachkoma lag. Wieder gab es eine relativ allgemein formulierte Patientenverfügung. In dieser lehnte die Frau lebensverlängernde Maßnahmen bei einer schweren Dauerschädigung des Gehirns oder fehlender Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins ab. Sie schloss aktive Sterbehilfe aber aus. Bei ihrer letzten Möglichkeit, etwas zu sagen, äußerte sie 2008 den Wunsch, zu sterben. Sie hatte auch in gesunden Zeiten mehrfach vor Zeugen gesagt, dass sie nicht im Wachkoma künstlich am Leben erhalten werden wolle.
Trotzdem wurde sie noch jahrelang am Leben erhalten. Ihr Sohn (als Betreuer) und ihr Mann waren nämlich unterschiedlicher Ansicht: Der Sohn wollte die lebensverlängernden Maßnahmen beenden, sein Vater nicht. Das Landgericht meinte, dass die Beendigung der künstlichen Ernährung unter "aktive Sterbehilfe" falle. Der Bundesgerichtshof sah dies anders und verwies den Fall zur weiteren Klärung ans Landgericht zurück (Beschluss vom 8.2.2017, Az. XII ZB 604/15).
Das Landgericht holte dann ein Gutachten zu der Frage ein, ob die Frau noch ein Bewusstsein habe bzw. ob Aussicht darauf bestehe, dieses wiederzuerlangen. Laut Gutachten war beides im konkreten Fall nicht gegeben. Schließlich entschied das Landgericht, dass hier keine gerichtliche Erlaubnis nötig sei, um die lebensverlängernden Maßnahmen zu beenden. Die Patientenverfügung sei nach erneuter Auslegung konkret genug.
Allerdings klagte der Ehemann erneut gegen diese Entscheidung. 2018 kam der Fall daher erneut vor den Bundesgerichtshof. Dieser bestätigte nun die Entscheidung des Landgerichts und betonte wieder:
Allgemeine Anweisungen seien in einer Patientenverfügung nicht ausreichend - zum Beispiel die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn kein Therapieerfolg mehr erwartet werden könne. Auch die Äußerung, "keine lebensverlängernden Maßnahmen" zu wünschen, sei für sich genommen noch nicht konkret genug.
Im Einzelfall könne sich aber die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen aus einer Bezugnahme auf bestimmte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. In solchen Fällen müsse immer auf den jeweiligen Fall bezogen durch Auslegung festgestellt werden, ob die Patientenverfügung hinreichend konkret sei.
Tatsächlich sei hier die Patientenverfügung insgesamt konkret genug. Die Frau habe unter anderem festgelegt, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünsche, wenn sie keine Chance habe, das Bewusstsein wiederzuerlangen. Genau dieser Fall sei eingetreten (Beschluss vom 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18).
Beim Aufsetzen einer Patientenverfügung empfiehlt es sich, sich eingehend mit dem Thema zu befassen und sich unbedingt mit seinem Hausarzt zu beraten. Auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz gibt es ausführliche Informationen zu diesem Thema und eine Broschüre zum Download. Wenn anwaltliche Beratung und Hilfe erforderlich ist, ist ein Fachanwalt für Medizinrecht der sinnvollste Ansprechpartner.
Das Wichtigste in Kürze
1. Sinn und Zweck: Eine Patientenverfügung ermöglicht es einer Person, im Voraus festzulegen, welche medizinischen Maßnahmen sie in Situationen wünscht oder ablehnt, in denen sie selbst die erforderlichen Entscheidungen nicht treffen kann.
2. Bindungswirkung: Die Patientenverfügung ist rechtlich bindend. Ärzte und medizinisches Personal müssen sich an die vom Patienten festgelegten Regelungen halten. Voraussetzung ist, dass sie hinreichend konkret formuliert sind.
3. Widerruf: Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden, § 1827 Abs. 1 BGB. Dies geht also mündlich oder auf Nachfrage auch durch Zeichen wie Kopfnicken oder Kopfschütteln, wenn es nicht möglich ist, sich anderweitig verständlich zu machen.
1. Sinn und Zweck: Eine Patientenverfügung ermöglicht es einer Person, im Voraus festzulegen, welche medizinischen Maßnahmen sie in Situationen wünscht oder ablehnt, in denen sie selbst die erforderlichen Entscheidungen nicht treffen kann.
2. Bindungswirkung: Die Patientenverfügung ist rechtlich bindend. Ärzte und medizinisches Personal müssen sich an die vom Patienten festgelegten Regelungen halten. Voraussetzung ist, dass sie hinreichend konkret formuliert sind.
3. Widerruf: Eine Patientenverfügung kann jederzeit formlos widerrufen werden, § 1827 Abs. 1 BGB. Dies geht also mündlich oder auf Nachfrage auch durch Zeichen wie Kopfnicken oder Kopfschütteln, wenn es nicht möglich ist, sich anderweitig verständlich zu machen.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Welche gesetzlichen Regelungen gibt es zur Patientenverfügung? Welche Formalien müssen bei der Patientenverfügung beachtet werden? Kann man eine Patientenverfügung widerrufen? Was ist das Problem bei vielen Patientenverfügungen? Drei Schwestern im Streit: Ein Fall vor dem BGH Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden? Wann ist eine Patientenverfügung eindeutig genug? Praxistipp zur Patientenverfügung Welche gesetzlichen Regelungen gibt es zur Patientenverfügung?
Die Patientenverfügung ist seit 2009 im Bürgerlichen Gesetzbuch geregelt. Seit der Reform des Betreuungsrechts zum 1.1.2023 findet sich die zentrale Regelung in § 1827 BGB. Dort ist festgelegt, was eine Patientenverfügung ist und dass in ihr Regelungen über Untersuchungen des Gesundheitszustands, Heilbehandlungen oder ärztliche Eingriffe getroffen werden können. Auch ist dort geregelt, dass ein für einen einwilligungsunfähigen Patienten eingesetzter Betreuer prüfen muss, ob die in einer Patientenverfügung beschriebene Lebens- und Behandlungssituation eingetreten ist. Ist dies der Fall, muss er dem Willen des Patienten Geltung verschaffen.
Wichtig ist auch die Regelung in § 630d BGB, die eine Patientenverfügung auch für den Arzt verbindlich macht.
Welche Formalien müssen bei der Patientenverfügung beachtet werden?
Grundsätzlich muss eine Patientenverfügung schriftlich abgefasst werden. Nur ein einwilligungsfähiger Volljähriger kann eine wirksame Patientenverfügung verfassen. Einwilligungsfähig bedeutet: Der oder die Betreffende muss in der Lage sein, die eigene Situation geistig zu erfassen und zu verstehen, worüber da entschieden wird.
Wichtig: Die Patientenverfügung ist nur wirksam, wenn sie sich auf eine Situation bezieht, die noch nicht unmittelbar bevorsteht.
Kann man eine Patientenverfügung widerrufen?
Eine Patientenverfügung lässt sich jederzeit formlos widerrufen. Dies besagt § 1827 Abs. 1 BGB. Das bedeutet: Sie kann auch mündlich widerrufen werden und sogar durch Zeichen wie Kopfnicken oder Kopfschütteln auf eine entsprechende Frage hin, wenn man zu anderen Äußerungen nicht mehr in der Lage ist.
Was ist das Problem bei vielen Patientenverfügungen?
Patientenverfügungen werden oft mit Hilfe von Mustern aus dem Internet erstellt oder auch auf Formularen, die kirchliche und andere Organisationen in Umlauf bringen. Viele dieser Muster bestehen jedoch lediglich aus ein paar Fragen zum Ankreuzen und einem Feld für die Unterschrift. Derartige Patientenverfügungen haben kaum Chancen, wirklich ernst genommen, von Ärzten beachtet oder gar von einem Gericht anerkannt zu werden.
Der Grund: Hier geht es um Leben und Tod - die wichtigste Entscheidung, die man treffen kann. Für Ihren Arzt geht es darum, ob er sich strafbar macht, weil er Maßnahmen durchführt oder unterlässt, die nicht dem wirksam geäußerten Willen seines Patienten entsprechen.
Daher verlangen die Gerichte, dass man sich mit der Angelegenheit ernsthaft und gründlich befasst. Ein paar Kreuzchen auf einem Zettel oder eine Unterschrift unter irgendeinem Muster reichen also nicht aus.
Drei Schwestern im Streit: Ein Fall vor dem BGH
Der Bundesgerichtshof verhandelte 2016 den Fall einer älteren Frau, die einen Hirnschlag erlitten hatte. Danach war sie in ein Pflegeheim gekommen und mit einer Magensonde künstlich ernährt worden. Ein Jahr später erlitt sie einige epileptische Anfälle. Schließlich war sie nicht mehr fähig, zu sprechen. Die Frau hatte im Abstand von mehreren Jahren zwei gleichlautende Schriftstücke unterschrieben und als "Patientenverfügung" betitelt. Daraus ergab sich, dass lebensverlängernde Maßnahmen bei ihr nicht stattfinden sollten, falls es durch Krankheit oder Unfall zu schweren Dauerschäden des Gehirns gekommen sei.
Einer ihrer drei Töchter hatte die Frau eine Vorsorgevollmacht gegeben, um die Patientenverfügung gegenüber Ärzten durchzusetzen und sich um die medizinischen Belange ihrer Mutter zu kümmern. Die Tochter besaß schon seit 2003 eine Generalvollmacht. Auch darin stand, dass die Mutter bei einer zum Tode führenden Krankheit keinen Wert auf lebensverlängernde Maßnahmen legte, wenn feststehen sollte, dass keine Besserung ihres Zustands zu erwarten sei.
Allerdings meinten sowohl die bevollmächtigte Tochter als auch die Hausärztin, dass ein Abbruch der künstlichen Ernährung im gegenwärtigen Zustand der Mutter nicht deren Wünschen entspreche. Die beiden anderen Töchter waren anderer Meinung und gingen vor Gericht. Sie wollten einen sogenannten Kontrollbetreuer einsetzen lassen, der die Vollmachten ihrer Schwester widerrufen könnte. Der Prozess ging durch alle Gerichtsinstanzen.
Wie hat der Bundesgerichtshof entschieden?
Der Bundesgerichtshof betonte, dass eine Patientenverfügung nur dann bindend sei, wenn aus ihr konkrete Entscheidungen des Betroffenen über die Einwilligung oder Nichteinwilligung in ganz bestimmte, noch nicht unmittelbar bevorstehende ärztliche Maßnahmen hervorgingen. Andererseits seien allgemeine Aussagen nicht ausreichend, nach denen beispielsweise ein würdevolles Sterben ermöglicht werden solle, wenn kein Heilungserfolg abzusehen sei.
Damit die Verfügung bindend sei, müsse der Betroffene darin umschreibend festlegen, was er sich für eine ganz bestimmte Lebens- und Behandlungssituation wünsche und was nicht. Der Wunsch, "keine lebenserhaltenden Maßnahmen" zu wollen, sei allein keine ausreichend konkrete Behandlungsentscheidung. Dies müsse der Verfasser der Patientenverfügung schon genauer ausführen. So könne man etwa bestimmte ärztliche Maßnahmen aufzählen oder auf bestimmte Krankheiten oder Behandlungssituationen Bezug nehmen.
Im konkreten Fall war dem Bundesgerichtshof die Patientenverfügung zu allgemein. Hinzu kam: Ein Kontrollbetreuer hätte nach dem BGH nur bestellt werden können, wenn die Bevollmächtigte sich offensichtlich über den Willen ihrer Mutter hinwegsetzte. Davon sei hier jedoch nicht auszugehen (Beschluss vom 6. Juli 2016, Az. XII ZB 61/16).
Wann ist eine Patientenverfügung eindeutig genug?
2017 bestätigte der Bundesgerichtshof die oben genannten Grundsätze. Diesmal ging es um eine Frau, die nach einem Herz-Kreislaufstillstand im Wachkoma lag. Wieder gab es eine relativ allgemein formulierte Patientenverfügung. In dieser lehnte die Frau lebensverlängernde Maßnahmen bei einer schweren Dauerschädigung des Gehirns oder fehlender Aussicht auf Wiedererlangung des Bewusstseins ab. Sie schloss aktive Sterbehilfe aber aus. Bei ihrer letzten Möglichkeit, etwas zu sagen, äußerte sie 2008 den Wunsch, zu sterben. Sie hatte auch in gesunden Zeiten mehrfach vor Zeugen gesagt, dass sie nicht im Wachkoma künstlich am Leben erhalten werden wolle.
Trotzdem wurde sie noch jahrelang am Leben erhalten. Ihr Sohn (als Betreuer) und ihr Mann waren nämlich unterschiedlicher Ansicht: Der Sohn wollte die lebensverlängernden Maßnahmen beenden, sein Vater nicht. Das Landgericht meinte, dass die Beendigung der künstlichen Ernährung unter "aktive Sterbehilfe" falle. Der Bundesgerichtshof sah dies anders und verwies den Fall zur weiteren Klärung ans Landgericht zurück (Beschluss vom 8.2.2017, Az. XII ZB 604/15).
Das Landgericht holte dann ein Gutachten zu der Frage ein, ob die Frau noch ein Bewusstsein habe bzw. ob Aussicht darauf bestehe, dieses wiederzuerlangen. Laut Gutachten war beides im konkreten Fall nicht gegeben. Schließlich entschied das Landgericht, dass hier keine gerichtliche Erlaubnis nötig sei, um die lebensverlängernden Maßnahmen zu beenden. Die Patientenverfügung sei nach erneuter Auslegung konkret genug.
Allerdings klagte der Ehemann erneut gegen diese Entscheidung. 2018 kam der Fall daher erneut vor den Bundesgerichtshof. Dieser bestätigte nun die Entscheidung des Landgerichts und betonte wieder:
Allgemeine Anweisungen seien in einer Patientenverfügung nicht ausreichend - zum Beispiel die Aufforderung, ein würdevolles Sterben zu ermöglichen oder zuzulassen, wenn kein Therapieerfolg mehr erwartet werden könne. Auch die Äußerung, "keine lebensverlängernden Maßnahmen" zu wünschen, sei für sich genommen noch nicht konkret genug.
Im Einzelfall könne sich aber die erforderliche Konkretisierung einer Patientenverfügung bei einer weniger detaillierten Benennung bestimmter ärztlicher Maßnahmen aus einer Bezugnahme auf bestimmte Krankheiten oder Behandlungssituationen ergeben. In solchen Fällen müsse immer auf den jeweiligen Fall bezogen durch Auslegung festgestellt werden, ob die Patientenverfügung hinreichend konkret sei.
Tatsächlich sei hier die Patientenverfügung insgesamt konkret genug. Die Frau habe unter anderem festgelegt, dass sie keine lebensverlängernden Maßnahmen wünsche, wenn sie keine Chance habe, das Bewusstsein wiederzuerlangen. Genau dieser Fall sei eingetreten (Beschluss vom 14.11.2018, Az. XII ZB 107/18).
Praxistipp zur Patientenverfügung
Beim Aufsetzen einer Patientenverfügung empfiehlt es sich, sich eingehend mit dem Thema zu befassen und sich unbedingt mit seinem Hausarzt zu beraten. Auf der Homepage des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz gibt es ausführliche Informationen zu diesem Thema und eine Broschüre zum Download. Wenn anwaltliche Beratung und Hilfe erforderlich ist, ist ein Fachanwalt für Medizinrecht der sinnvollste Ansprechpartner.
(Bu)