Bußgeld im Ausland - kann es in Deutschland vollstreckt werden?

06.02.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Bußgeld,Ausland,EU,Vollstreckung,Inkasso Verkehrsverstöße in anderen EU-Ländern können teuer werden. © Bu - Anwalt-Suchservice

Viele Deutsche verstoßen im Ausland gegen Verkehrsregeln und erhalten dann Bußgeldbescheide von ausländischen Behörden. Können diese Bescheide auch in Deutschland vollstreckt werden?

Die Deutschen reisen gerne mit dem Auto. Daher rollen in den Ferien oder an Feiertagen viele deutsche Fahrzeuge ins benachbarte Ausland und legen oft weite Strecken in Europa zurück. Und auch so mancher Geschäftsreisende nutzt das Auto. Allerdings müssen sich Autofahrer auch im Ausland an die Verkehrsregeln halten, ansonsten gibt es ein Bußgeld. Die Bußgeldbescheide können in vielen Ländern deutlich höher als in Deutschland ausfallen. Während man in Polen für das Fahren ohne Licht tagsüber mit 25 Euro und, sobald die Dämmerung einsetzt, mit 50 Euro noch recht günstig wegkommt, zahlt man in Norwegen für das Fahren ohne Tagfahrlicht ab 250 Euro. Wer dort die Vorfahrt missachtet, wird mit mindestens 600 Euro zur Kasse gebeten. Nach der Heimkehr flattert Verkehrssündern dann oft ein Bußgeldbescheid ins Haus.

Verkehrsverstoß im Ausland: Welche Folgen drohen?


Einige Länder gehen beim Eintreiben von Bußgeldern äußerst rigoros vor – vom Kassieren an Ort und Stelle bis zur vorläufigen Beschlagnahme des Fahrzeugs ist alles möglich. In vielen Ländern sind die Bußgelder empfindlich höher, als in Deutschland. Ignoriert man einen ausländischen Bußgeldbescheid, besteht erst einmal – unabhängig vom Land – das Risiko, dass der Autofahrer bei einer erneuten Einreise mit den Folgen seiner Verfehlungen konfrontiert wird.

Bei Verkehrsdelikten gelten zum Teil jahrelange Verjährungsfristen. Beispiel: In Spanien verjähren die Bußgelder erst nach vier Jahren. Wer sich also eine böse Überraschung an spanischen Flughäfen ersparen will, sollte vorher lieber prüfen, ob er dort noch irgendeine Rechnung offen hat.

Wichtig: Innerhalb der EU ist eine grenzüberschreitende Vollstreckung von Bußgeldbescheiden möglich. Bei Ländern außerhalb der EU ist dies nicht der Fall.

Wann geben deutsche Behörden Halterdaten heraus?


Gemäß § 37 und § 39 des Straßenverkehrsgesetzes (StVG) können deutsche Behörden die Anschriften und weitere Daten von Fahrzeughaltern an ausländische Stellen herausgeben. Dazu müssen diese unter Vorlage des Fahrzeugkennzeichens angeben, einen Verkehrsverstoß verfolgen zu wollen. Inzwischen ermöglichen europaweite Datenbanken einen Direktzugriff auf Halterdaten.

Seit dem Brexit dürfen nach deutscher Auffassung keine Halterdaten mehr nach Großbritannien übermittelt werden. Dies ist jedoch in letzter Zeit trotzdem vorgekommen, dabei wurden Datenbankzugänge in anderen EU-Ländern genutzt.

Wie wird ein ausländischer Bußgeldbescheid in Deutschland vollstreckt?


Wenn ein deutscher Urlauber im EU-Ausland "geblitzt" wird, muss er durchaus mit einem Bußgeldbescheid aus dem Ausland rechnen. Dieser muss ihm in deutscher Übersetzung zugesandt werden und eine Rechtsbehelfsbelehrung enthalten. Wenn der Fahrzeughalter nicht bezahlt, kann sich der EU-Staat an das Bundesamt für Justiz wenden und eine Vollstreckung in Deutschland beantragen.

In Deutschland wurde zum 28.10.2010 der europäische Rahmenbeschluss über die Anwendung des Grundsatzes der gegenseitigen Anerkennung von Geldstrafen und Geldbußen umgesetzt. Seitdem dürfen Geldbußen über einer Bagatellgrenze von 70 Euro aus dem EU-Ausland auch in Deutschland vollstreckt werden. Alles unter 70 Euro bleibt Sache des Staates, in dem das Delikt begangen wurde. Verkehrssünder müssen bei einer späteren Wiedereinreise damit rechnen, dass sie mit dem Betrag zuzüglich eines ordentlichen Zuschlages wegen der Zahlungsverweigerung zur Kasse gebeten werden - im Rahmen einer Verkehrskontrolle oder bei der Einreise an Grenze oder Flughafen.

Dies betrifft alle EU-Mitgliedsstaaten, außer Griechenland. Dagegen werden Bußgeldbescheide aus Nicht-EU-Ländern in Deutschland nicht vollstreckt.
Für Österreich gilt eine Besonderheit: Hier gilt ein bilaterales Abkommen mit Deutschland. Danach werden Geldbußen schon ab 25 Euro in Deutschland vollstreckt.

Welche Voraussetzungen hat eine Vollstreckung in Deutschland?


Für eine Vollstreckung in Deutschland muss die ausländische Behörde mehrere Voraussetzungen einhalten. Sie muss entweder das Original oder eine beglaubigte Abschrift des Bußgeldbescheides vorlegen und zusätzlich ein Vorblatt mit der Beschreibung des Sachverhaltes in deutscher Sprache. Die ausländische Behörde muss der beschuldigten Person zumindest die Möglichkeit zu einer Anhörung gegeben haben, bevor eine Sanktion ausgesprochen wurde. Ist alles erfüllt, erlässt das Bundesamt für Justiz auf Antrag der ausländischen Behörde einen Vollstreckungsbescheid, der in Deutschland vollstreckt werden kann.

Was gilt für Führerschein und Punkte?


Bei Verkehrsverstößen im Ausland müssen sich deutsche Autofahrer nicht um ihren Führerschein sorgen. Es gibt keinen grenzüberschreitenden Fahrerlaubnisentzug. Im Ausland verhängte Fahrverbote sind nur dort gültig. Auch ein Punkteeintrag im Flensburger Fahreignungsregister ist bei Verkehrsverstößen im Ausland nicht möglich.

Welche Besonderheit gilt für die Halterhaftung?


Halterhaftung bedeutet, dass der Fahrzeughalter für einen Verkehrsverstoß zur Verantwortung gezogen wird - obwohl gar nicht feststeht, ob er selbst gefahren ist. In manchen Ländern wird dies bei Verkehrsverstößen grundsätzlich so gehandhabt. In Deutschland gilt die Halterhaftung nur bei Parkverstößen. Ausländische Bußgelder aufgrund einer bei uns nicht üblichen Halterhaftung werden in Deutschland nicht vollstreckt. Allerdings muss der Beschuldigte dem Bundesamt für Justiz mitteilen, dass er nicht selbst gefahren ist und dass es sich um einen solchen Fall handelt.

Wie kann man Einspruch gegen einen Bußgeldbescheid aus dem Ausland einlegen?


Akzeptiert das Bundesamt für Justiz das Ersuchen des anderen Landes, schreibt es den Halter des betreffenden Autos an. Dieser hat dann 14 Tage Zeit, sich zu äußern. Legt er keinen Einspruch ein, ist die Vollstreckung rechtskräftig. Wird das Bußgeld nicht fristgerecht bezahlt, kann es per Gerichtsvollzieher vollstreckt werden. Ein Einspruch lohnt sich auf jeden Fall, wenn man aufgrund einer in Deutschland nicht vorgesehenen Halterhaftung einen Bußgeldbescheid bekommt.

Gibt es im Ausland einen Rabatt auf Strafzettel?


Durch eine sofortige Zahlung des Bußgeldbescheids lässt sich viel Geld sparen. Einige EU-Länder bieten nämlich Rabatte für Schnellzahler an. Zum Beispiel erhält man in Spanien einen Rabatt von 50 Prozent für die Bezahlung des Bußgeldes innerhalb von 20 Tagen ab Zustellung. Ganz so kulant sind jedoch nicht alle EU-Staaten.

Was tun, wenn ich Post von einem Inkassobüro bekomme?


Immer öfter versuchen ausländische Inkassobüros oder Rechtsanwälte, Geld von Autofahrern aus Deutschland einzutreiben. Dabei werden deren oft erhebliche Gebühren auf den Betrag des Bußgelds aufgeschlagen. Dabei geht es zum Teil um Parkgebühren und -tickets, oft aber auch um Mautgebühren – also um Beträge, bei denen das eigentliche Bußgeld unter der 70-Euro-Grenze liegt.

Wenn Bußgeldbescheide über das Bundesamt für Justiz vollstreckt werden, behält nach den EU-Regeln der Staat den Vollstreckungserlös, der vollstreckt hat. Dies ist also Deutschland. Der ausländische Staat hat zwar Verwaltungsaufwand, geht aber leer aus.

Daher können Inkassobüros nicht den Weg der Behörden über das Bundesamt für Justiz gehen. Es gibt jedoch auch Vollstreckungsabkommen, die es ermöglichen, ausländische Ansprüche zivilrechtlich in Deutschland zu verfolgen.

Dies kommt insbesondere bei Verstößen in Italien und in Kroatien vor. Dort ist besonders die Parkflächenverwaltung der Stadt Pula berüchtigt. Zum Teil werden durch Anwalts- bzw. Inkassokosten Bagatellbeträge etwa für Parkverstöße derart in die Höhe getrieben, dass sich eine Vollstreckung im Ausland erst lohnt. Aus 15 Euro für einen Parkverstoß werden dann schnell 400 Euro. Die Rechtslage in diesem Bereich ist unübersichtlich. Eine anwaltliche Beratung ist zu empfehlen.

Zu empfehlen ist eine Zahlung vor Ort bei der zuständigen Behörde. In diesem Fall sollte der Beleg unbedingt aufgehoben werden, falls sich später ein Inkassobüro mit Geldforderungen meldet.

Bußgeld aus Großbritannien nach dem Brexit bezahlen?


Viele deutsche Autofahrer sind auch in Großbritannien unterwegs und verstoßen dort gegen Verkehrsregeln. In letzter Zeit haben besonders die beiden unübersichtlichen Londoner Umweltzonen für Schlagzeilen gesorgt, denn die Einfahrt in diese kostet Fahrzeuge, welche die Abgasgrenzen nicht einhalten, hohe Gebühren - zusätzlich zur City-Maut.

In der "Low Emission Zone" (LEZ), die sich auch weit in die Vorstadtbereiche erstreckt, müssen sich alle im Ausland zugelassenen, dieselbetriebenen Wohnmobile ab 2,5 t sowie Vans und große Transporter ab 1,205 t vorher (!) für die Einfahrt online registrieren. Die Bearbeitungszeit kann zehn Tage dauern. Dieselnutzfahrzeuge inklusive Wohnmobile mit der Abgasnorm Euro 0-2 (bis 3,5 t) bzw. Euro 1-5 müssen Tagesgebühren zahlen. Diese liegen bei 100 Pfund am Tag für Fahrzeuge bis 3,5 t und 300 Pfund für Fahrzeuge über 3,5 t. Die Überwachung erfolgt lückenlos durch Kameras und Nummernschild-Erkennungssysteme. Eine fehlende Registrierung oder Gebührenzahlung kann zu einem Bußgeld von mehreren hundert bis mehreren tausend Pfund führen.

Seit dem Brexit können Bußgelder aus Großbritannien nicht mehr von deutschen Behörden vollstreckt werden. Bei weiteren Besuchen im Land droht jedoch Ärger. Wer mit einem Familienvan in die Londoner Umweltzonen-Falle geraten ist und als Halter eines vermeintlichen Nutzfahrzeugs Bußgelder zahlen soll, kann bei der Londoner Behörde Einspruch einlegen unter Vorlage einer Kopie des Fahrzeugscheins.

Praxistipp zum Strafzettel aus dem Ausland


Auch Bußgeldbescheide aus anderen EU-Ländern können in Deutschland vollstreckt werden. Dabei spielt es keine Rolle, ob die Bußgelder für das jeweilige Delikt in Deutschland niedriger sind. Daher empfiehlt es sich, auch im Ausland auf die Einhaltung der Verkehrsregeln zu achten und sich vorher über diese zu informieren. Dies gilt auch für Maut und Umweltzonen. Im Ernstfall kann ein Fachanwalt für Verkehrsrecht Ihnen beratend zur Seite stehen.

(Bu)


 Stephan Buch
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