Chef oder Kollegen beleidigt: Kündigung zulässig?

17.06.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
Beleidigung,Drohung,Chef,Kollegen,Kündigung Beleidigungen im Betrieb oder online können zu einer fristlosen Kündigung führen. © Bu - Anwalt-Suchservice

Arbeitgeber können bei Beleidigungen oder ehrverletzenden Äußerungen gegen sie selbst oder Arbeitskollegen eine verhaltensbedingte Kündigung aussprechen. Sie müssen jedoch mehrere Voraussetzungen einhalten.

Im Arbeitsleben sind Konflikte zwischen Vorgesetztem und Mitarbeiter alltäglich. Allerdings muss sich der Arbeitgeber keine Beleidigungen gefallen lassen. Auch die sozialen Netzwerke spielen hier eine immer wichtigere Rolle. Meist lesen Chef und Kollegen nämlich mit, was hier gepostet wird. Aber: Ab wann handelt es sich um eine Beleidigung, und was gilt noch als erlaubte Kritik?

Was versteht man unter einer Beleidigung?


Auch am Arbeitsplatz gilt das Recht auf Meinungsfreiheit. Aber: Es gilt nicht schrankenlos. Wo die Rechte anderer verletzt werden, hört die eigene Freiheit schnell auf. Die Beleidigung ist in den §§ 185 ff. des Strafgesetzbuches (StGB) geregelt. Von einer Beleidigung spricht das Gesetz bei einer nach außen gerichteten Kundgabe der Nichtachtung oder Nichtbeachtung der Ehre eines anderen.

Das Landesarbeitsgericht Rheinland-Pfalz hat Äußerungen wie "Psychopath", "Arschloch" und "irre" als erhebliche Ehrverletzungen angesehen (Az. 5 Sa 55/14). Dies gilt auch für das Schimpfwort "Wichser" (Az. 2 Sa 232/11). Das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. sah den Ausdruck "fauler Sack" gegenüber dem Chef als klare Beleidigung an (Az. 7 Ca 9327/07).

Anders entschieden hat das LAG Köln beim Ausdruck "altes Arschloch". So hatte ein Sozialarbeiter seinen Vorgesetzten genannt, den er duzte und mit dem er enger verbunden war. In diesem Fall sei der Ausdruck keine schwere Beleidigung, sondern nur ein Anzeichen dafür, dass sich die beiden auseinandergelebt hätten, so das Gericht (Az. 10 Sa 337/96).

Als Beleidigung angesehen wurde jedoch der Spruch eines Gasinstallateurs gegenüber einer Kollegin "so Frauen wie dich hatte ich schon hunderte". Dies entschied das Arbeitsgericht Frankfurt a.M. (Az. 15 Ca 647/03).

Was versteht man unter einer verhaltensbedingten Kündigung?


Wenn für einen Betrieb das Kündigungsschutzgesetz gilt (mehr als zehn Mitarbeiter), benötigt der Chef für eine Kündigung einen gesetzlich zulässigen Grund. Dazu gehören personenbedingte Gründe (etwa Krankheit), betriebsbedingte Gründe (etwa Umstrukturierung) und verhaltensbedingte Gründe. Es gibt viele Verhaltensweisen, die sich der Arbeitgeber nicht von seinen Arbeitnehmern gefallen lassen muss.

Wann ist eine fristlose Kündigung möglich?


Eine fristlose Kündigung ist zum Beispiel aufgrund einer groben Beleidigung grundsätzlich möglich. Dies gilt insbesondere, wenn dem Betrieb die Weiterbeschäftigung nicht mehr zugemutet werden kann und Wiederholungsgefahr besteht. Die Gerichte berücksichtigen jedoch im Einzelfall immer die Dauer der Betriebszugehörigkeit und das bisherige Verhalten des Mitarbeiters. Wichtig sind auch die Umgangsformen im Betrieb, der Bildungsgrad und die psychische Situation des Arbeitnehmers und mögliche Provokationen durch den Arbeitgeber.
Generell stellt die fristlose Kündigung das letzte Mittel und damit eine Ausnahme dar. In der Regel muss ihr eine erfolglose Abmahnung vorangehen. Manchmal sehen die Gerichte diese jedoch als überflüssig an.

Unter welchen Voraussetzungen ist eine verhaltensbedingte Kündigung möglich?


Dafür müssen vier Voraussetzungen erfüllt sein:

- Es muss sich um einen erheblichen Verstoß gegen arbeitsvertragliche Pflichten handeln.
- Dieser muss rechtswidrig (und nicht durch irgendetwas gerechtfertigt) sein. Außerdem muss er schuldhaft, also vorsätzlich oder fahrlässig, begangen worden sein.
- Die Kündigung muss verhältnismäßig sein. Es darf also kein milderes Mittel (mehr) geben, um das Problem zu lösen – wie etwa eine Abmahnung.
- Es muss eine Interessenabwägung zwischen den Interessen beider Seiten durchgeführt werden. Das Interesse des Arbeitgebers an der Kündigung muss stärker sein.

Welche Folgen hat eine Beleidigung von Kollegen auf Facebook?


In einem vor dem Arbeitsgericht Duisburg verhandelten Fall hatte ein Arbeitnehmer seine Kollegen in einem Facebook-Post unter anderem als "Speckrollen" und "Klugscheißer" bezeichnet. Das Arbeitsgericht Duisburg wies hier darauf hin, dass grobe Beleidigungen des Arbeitgebers oder von Kollegen eine Kündigung auch ohne vorherige Abmahnung rechtfertigen können. Hier sah es die Kündigung trotzdem als unwirksam an (Az. 5 Ca 949/12).

Das Gericht berücksichtigte dabei, dass der Arbeitnehmer durch die falsche Anschuldigung, er würde krankfeiern, provoziert worden war. Aus seinem Post sei nicht erkennbar gewesen, welche Personen konkret gemeint gewesen seien. Eine fristlose Kündigung scheiterte außerdem schon daran, dass der Arbeitgeber die 14-Tages-Frist des § 626 Abs. 2 BGB verpasst hatte. Eine fristlose Kündigung ist nämlich nur innerhalb von zwei Wochen möglich, ab dem Zeitpunkt, zu dem der Chef von den Umständen erfahren hat, die dann zur Kündigung führen.

In einem anderen Fall bestätigte das Oberlandesgericht Hamm die fristlose Kündigung. Ein Auszubildender hatte seinen Chef auf seiner Facebook-Seite als "Menschenschinder" und "Ausbeuter" bezeichnet (Az. 3 Sa 644/12). Schmähkritik in der Öffentlichkeit stellt eine Verleumdung dar.

Können Emojis eine Beleidigung sein?


Tatsächlich kann auch das Verwenden von Emoticon-Symbolen bzw. Emojis eine schwerwiegende Beleidigung sein und zu einer fristlosen Kündigung führen. Dies zeigt ein Urteil des Landesarbeitsgerichts Baden-Württemberg (Az. 4 Sa 5/16). In diesem Fall hatte ein Mitarbeiter über seine Erkrankung in seiner Facebook-Chronik gepostet. Ein Arbeitskollege kommentierte dies mit der Äußerung "Das Fette Schwein dreht durch!!!". Für das Wort "Schwein" nutzte er jedoch ein Emoticon-Symbol. Namen nannte er nicht. Für das Gericht war der Zusammenhang jedoch eindeutig.

Warum kommt es auf die Art und Weise der Beleidigung an?


Ob eine Beleidigung tatsächlich zu einer Kündigung führt, ist unter anderem vom Berufsumfeld abhängig. Beispiel: Der Ausspruch "Du kannst mich mal am Arsch lecken" kann in einem Büro leicht zu einer Eskalation führen. Auf einer Baustelle wird dies vielleicht anders gesehen, da dort ein anderer Umgangston herrscht - zumindest, wenn es sich bei dem Angesprochenen nicht gerade um den Bauunternehmer oder den Bauherrn handelt.

Maßgeblich ist auch, ob die Beleidigung schriftlich oder mündlich geäußert wird. Bei einer schriftlichen Beleidigung wird eher davon ausgegangen, dass sie wohlüberlegt erfolgt ist. Bei einer mündlichen Beleidigung wird genauer hingeschaut, denn diese kann ja im Affekt erfolgt sein. Nicht jede böse, in der Verärgerung gemachte Äußerung ist aus Sicht der Gerichte gleich eine Beleidigung. Dabei kommt es auch auf den Bildungsgrad und die psychische Situation des Arbeitnehmers an. Natürlich kann auch eine Provokation durch den Arbeitgeber eine Rolle spielen. Und berücksichtigt wird auch ein langes, unproblematisches Arbeitsverhältnis.

Allerdings sollte man sich nicht darauf verlassen. Dies zeigt ein Urteil des LAG Schleswig-Holstein aus dem Jahr 2017 (Az. 3 Sa 244/16). Ein Arbeitnehmer mit sehr langjährigem Arbeitsverhältnis hatte seinen Chef als "soziales Arschloch" bezeichnet. Dem Gericht zufolge war hier eine fristlose Kündigung wegen Beleidigung gerechtfertigt.

Kann auch wegen einer Drohung gekündigt werden?


Der Arbeitgeber kann auch wegen einer Drohung zu einer verhaltensbedingten Kündigung berechtigt sein. Das Landesarbeitsgericht Schleswig-Holstein hat entschieden, dass die Drohung eines Arbeitnehmers mit einer Strafanzeige wegen Bestechung, Betrug und Beihilfe zur Steuerhinterziehung, um eine Lohnerhöhung durchzusetzen, eine gravierende Verletzung der arbeitsvertraglichen Rücksichtnahmepflicht ist (Az. 3 Sa 196/11).

Auch die Drohung, sich krankschreiben zu lassen, kann schnell den Weg zum Jobcenter ebnen. Wer seinem Arbeitgeber damit droht, sich krankschreiben zu lassen, falls sein Urlaub nicht genehmigt wird, muss mit Problemen rechnen. Dies gilt jedoch nur, wenn er zu diesem Zeitpunkt gesund ist, wie das LAG Berlin Brandenburg entschieden hat (Az. 10 Sa 2427/12).

Auch das Arbeitsgericht Mönchengladbach bestätigte eine Kündigung wegen einer Drohung (Az. 6 Ca 1749/12). Hier hatte der Arbeitnehmer seinem Vorgesetzten gesagt: "Ich hau dir vor die Fresse, ich nehme es in Kauf, nach einer Schlägerei gekündigt zu werden, Du kriegst von mir eine Schönheitsoperation, wenn ich dann die Kündigung kriege, ist mir das egal.” Zwar war der Arbeitnehmer vorher provoziert worden. Dies nützte ihm jedoch angesichts der erheblichen Drohungen nichts mehr.

Wie sieht es mit Lästern aus?


Grundsätzlich ist Lästern erlaubt. Schließlich fallen "vertrauliche Äußerungen unter den Schutzbereich des allgemeinen Persönlichkeitsrechts", wie das Bundesarbeitsgericht im Jahr 2009 entschieden hat (Az. 2 AZR 534/08). Trotzdem sollten sich Arbeitnehmer zurückhalten. Schnell ist die Grenze zur Beleidigung oder Schmähkritik überschritten und dann werden Persönlichkeitsrechte verletzt. Vielleicht bekommen die falschen Leute die Äußerungen mit. Übrigens besteht sogar nach der Arbeit eine gewisse Treuepflicht dem Arbeitgeber gegenüber. Arbeitnehmer haben auch nach Feierabend nicht nur eine Verschwiegenheitspflicht bei Betriebs- und Geschäftsgeheimnissen, sondern sie müssen auch ruf- oder kreditschädigende Äußerungen unterlassen.

Aber sachliche Kritik ist doch wohl erlaubt?


Sachliche Kritik ist erlaubt, Schmähkritik nicht. Wann die Schmähkritik anfängt, entscheidet jedes Gericht für den konkreten Einzelfall. Keine Kündigung muss zum Beispiel befürchten, wer ein Video von einem Gewerkschaftstreffen bei Youtube postet, in dem er sachliche Kritik am Betrieb übt, um zu begründen, dass dieser einen Betriebsrat braucht. Dies hat das Bundesarbeitsgericht entschieden (Urteil vom 31. Juli 2014, Az. 2 AZR 505/13).

Was gilt für fremdenfeindliche Äußerungen?


Wenn ein Kollege fremdenfeindlich diffamiert oder beleidigt wird, ist dies ein Grund für eine fristlose Kündigung. Dies befand das Arbeitsgericht Berlin. Im konkreten Fall hatte ein Arbeitnehmer einen Kollegen lange Zeit als ”Polenschwein” und ”Polendrecksau” betitelt (Az. 96 Ca 23147/05). Zwar hatte dieser Fall nichts mit den sozialen Netzwerken zu tun, dürfte aber übertragbar sein. Dem Gericht zufolge war hier eine vorherige Abmahnung entbehrlich: Der Arbeitnehmer habe von vornherein nicht damit rechnen können, dass sein Arbeitgeber dieses Verhalten tolerieren werde. Faustregel: Wenn fremdenfeindliche oder volksverhetzende Ansichten so geäußert werden, dass der Leser eine Verbindung zum Betrieb herstellen kann, wird eine Kündigung sehr wahrscheinlich vom Arbeitsgericht bestätigt. Schließlich steht hier der gute Ruf des Arbeitgebers auf dem Spiel – und womöglich dessen Beziehungen zu ausländischen Kunden.

Praxistipp zur Kündigung wegen Beleidigung

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Arbeitnehmer sollten sich mit unbedachten Äußerungen gegenüber Chef und Kollegen zurückhalten. Auch im Internet sollten sie nicht offen ihre Wut über betriebliche Vorgänge ausleben. Denn oft lesen Chef und Kollegen mit. Falls Ihnen wegen solcher Vorfälle verhaltensbedingt gekündigt wurde, empfiehlt es sich, einen Fachanwalt für Arbeitsrecht hinzuzuziehen.

(Wk)


 Günter Warkowski
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