Corona und Fitness: Vertragslaufzeit, nicht genutzte Zeiten, Beitragszahlung, Kündigung
02.11.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Auch im zweiten Lockdown waren Fitnessstudios aufgrund der Landesverordnungen zur Eindämmung des Coronavirus geschlossen. Für Kunden stellten sich einige rechtliche Fragen: Hatten sie ein außerordentliches Kündigungsrecht hinsichtlich der meist ein- oder zweijährigen Verträge? Musste man überhaupt Beiträge zahlen, wenn eine Gegenleistung nicht erbracht werden konnte? Die Studios ihrerseits bieten unterschiedliche Lösungen zum Ausgleich an oder bestehen sogar auf diesen. Inzwischen scheint sich in der Rechtsprechung eine einheitlichere Linie herauszubilden.
Eine Frage, die sich viele Fitnessstudio-Besucher gestellt haben: Kann man fristlos kündigen, weil das Studio seine vertraglichen Leistungen nicht erbringt - wenn auch aufgrund behördlicher Anordnungen?
Eine solche fristlose Kündigung wäre nicht gerechtfertigt. Schließlich liegt ja kein Hindernis auf Seiten eines einzelnen Studios vor oder eine schuldhafte Verletzung vertraglicher Pflichten. Vielmehr geht es um ein Problem, das alle Studios betrifft – und das nur vorübergehend bestand. Inzwischen ist der Besuch wieder möglich.
Aber: Wie sieht die Rechtslage bei einer regulären, ordentlichen Kündigung mit Frist aus? Hier werden zwei Rechtsansichten vertreten:
1. Vertrag ist Vertrag. Wenn der Vertrag nachweislich fristgerecht gekündigt wurde, ist die Kündigung zum Ende der regulären Vertragslaufzeit auch wirksam.
2. Corona ist gewissermaßen "höhere Gewalt". Die Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wurde, haben sich geändert. Das Studio darf nach § 313 BGB eine Vertragsanpassung vornehmen und den Vertrag um den Zeitraum der Schließung verlängern. Dementsprechend verschiebt sich das Vertragsende bei einer regulären Kündigung nach hinten.
Die erste Ansicht vertrat im Dezember 2020 zuerst das Amtsgericht Papenburg. Nach dem Urteil kann es einem Fitnessstudio zugemutet werden, das Risiko der lockdownbedingten Schließungen allein zu tragen. Immerhin bekämen die Studios auch staatliche Hilfen. Man könne nicht voraussetzen, dass die Beteiligten bei vorheriger Kenntnis des Pandemierisikos einen Vertrag mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten. § 313 BGB mit seinen Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sei nicht anwendbar (Urteil vom 18.12.2020, Az. 3 C 337/20).
Es gibt aber auch Entscheidungen zu Gunsten der zweiten Ansicht:
Das Amtsgericht Ibbenbüren entschied im November 2020, dass die Corona-Pandemie eine Störung der "großen Geschäftsgrundlage" des Vertrages sei. Durch sie hätten sich die kompletten Rahmenbedingungen geändert, vergleichbar mit einem Krieg oder einem Währungsverfall. Dem Betreiber eines Fitnessstudios könne man es nicht zumuten, am bisherigen Vertrag festzuhalten. Die Corona-Pandemie als Anlass der Schließung sorge für Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, die beide Parteien beträfen. Es könne nicht nur eine Seite mit den Folgen belastet werden. Eine Verlängerung des Vertrages entspreche dem hypothetischen Willen der Parteien, wenn diese zuvor das Risiko gekannt hätten (AG Ibbenbüren, Urteil vom 27.11.2020, Az. 3 C 300/20).
Ähnlich entschied im Dezember 2020 das Amtsgericht Zeitz: Dem Betreiber wurde das Recht auf eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB eingeräumt. Den Kunden sei es zumutbar, auch während der pandemiebedingten Schließung Beiträge zu zahlen und dafür nachträglich eine beitragsfreie Zeit gewährt zu bekommen. Auch ein Grund für eine fristlose Kündigung liege nicht vor (Urteil vom 1.12.2020, Az. 4 C 112/20).
Überall, wo die 2G-Regel in Kraft gesetzt wurde, hatten Ungeimpfte keinen Zutritt mehr zu ihrem Fitnessstudio und können folglich ihren Vertrag nicht mehr nutzen. Etliche Mitglieder fragten sich nun, ob sie ihren Vertrag vor diesem Hintergrund außerordentlich kündigen können.
Hier kommt § 313 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ins Spiel. Nach dieser Vorschrift kann ein Dauerschuldverhältnis - und dazu gehören auch Fitnessverträge - gekündigt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Vertragsparteien den Vertrag unter diesen Umständen nicht geschlossen hätten. Weitere Voraussetzung für das Sonderkündigungsrecht ist, dass dem Mitglied eine Anpassung des Vertrages nicht zumutbar sein darf.
Dass die zeitlich nicht eingeschränkten Corona-Einschränkungen die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben, dürfte unstrittig sein.
Es stellt sich als nächstes die Frage, ob das ungeimpfte Mitglied den Vertrag mit dem Fitnessstudio auch dann abgeschlossen hätte, wenn es schon bei Vertragsschluss von den künftigen Einschränkungen gewusst hätte. Die Vermutung liegt nahe, diese Frage zu verneinen. Denn ein Fitnessvertrag, den man über längere Zeit nicht nutzen kann, macht mit Blick auf den beabsichtigten Effekt in Sachen persönlicher Fitness keinen Sinn.
Bleibt letztlich die Frage, ob dem ungeimpften Mitglied eine Anpassung des Vertrages zumutbar ist. Nur, wie sollte eine solche Vertragsanpassung überhaupt aussehen, wenn die vertragliche Leistung durch das Fitnessstudio wegen des Teil-Lockdowns gegenüber dem ungeimpften Mitglied nicht erbracht werden kann? Es gibt bei vollständigem Leistungsausschluss einer Seite schlicht keine Möglichkeit zur Vertragsanpassung. Damit steht nicht geimpften Mitgliedern grundsätzlich ein Kündigungsrecht nach § 313 BGB zu - und zwar ein außerordentliches. Das bedeutet, dass der eigentliche vertragliche Kündigungszeitpunkt keine Rolle spielt, sondern zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt werden darf.
HINWEIS: Zu dieser Problematik gibt es noch keine Gerichtsentscheidungen. Mitglieder müssen sich also auf einen Rechtsstreit einstellen, wenn das Fitnessstudio die Kündigung nicht akzeptiert.
Nach dem Landgericht Würzburg darf ein Fitnessstudio auf Facebook die Rechtsansicht verbreiten, dass eine einseitige Vertragsverlängerung wegen Corona rechtens ist. Dies sei keine unlautere Werbung, und die Frage, ob so etwas tatsächlich rechtens sei, könne nicht in einem Wettbewerbsrechtsprozess geklärt werden (Urteil vom 23.10.2020, Az. 1 HK O 1250/20).
Aber: Die Zivilkammer des Landgerichts Würzburg hat mittlerweile komplett entgegengesetzt zur Kammer für Handelssachen im oben zitierten Urteil entschieden. Demnach kann die zeitweise Schließung nicht zu einer Verlängerung der Vertragslaufzeit für die Verbraucher führen. Eine entsprechende briefliche Mitteilung an die Kunden eines Fitnessstudios bewertete das Gericht als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und Irreführung des Verbrauchers. Insbesondere hätten die im Schreiben zitierten Urteile nichts mit dem Thema "Schließung wegen Corona" zu tun. Beide Vertragspartner seien während einer pandemiebedingten Schließung von ihrer Leistungspflicht befreit. Kunden, die etwa wegen eines Umzugs oder einer Erkrankung das Studio nicht mehr nutzen könnten, hätten keine Möglichkeit, die "Extra-Monate" in Anspruch zu nehmen (Urteil vom 24.8.2021, Az. 11 O 684/21 UWG).
Hier liegt grundsätzlich ein Fall der Unmöglichkeit der Leistung vor: Das Studio kann seine Leistung - wenn auch unverschuldet - nicht erbringen. Dadurch wird der Kunde von seiner Pflicht zur Gegenleistung frei. Für die Monate der Schließung muss er keinen Betrag bezahlen.
Dies möchten die Studios nun umgehen, indem sie die Verträge verlängern. Dabei gibt es zwei Varianten:
1. Der Beitrag wird während der Schließung weiter abgebucht. Nach der Schließung werden dafür kostenfreie Monate an die reguläre Vertragslaufzeit angehängt.
2. Die Mitgliedschaft ist während der Schließung beitragsfrei. Dafür wird der Vertrag nach der Schließung um so viele kostenpflichtige Monate verlängert, wie die Schließung gedauert hat.
Das Landgericht Osnabrück befasste sich in der Berufungsinstanz mit dem oben erwähnten Urteil des Amtsgerichts Papenburg. Auch das Landgericht entschied, dass das Studio dem Mitglied seine Beiträge für den Zeitraum der Schließung zurückzuzahlen habe.
Die Erbringung der geschuldeten Leistung sei für das Fitnessstudio wegen der Schließung unmöglich geworden. Daher entfalle sein Anspruch auf Entrichtung der Monatsbeträge für die Schließungszeit. Das Gericht war der Ansicht, dass die geschuldete Leistung nicht nachholbar sei. Auch könne das Studio keine Anpassung des Vertrages in der Weise verlangen, dass der Schließungszeitraum beitragsfrei an das Ende der Vertragslaufzeit angehängt werde. Denn: Der Gesetzgeber habe für Miet- und Pachtverhältnisse in Art. 240 § 7 EGBGB ausdrücklich eine Anpassung der Verträge für die Zeit der coronabedingten Schließung vorgesehen. Für Freizeiteinrichtungen habe er dies gerade nicht getan. Für diese sehe Art. 240 § 5 EGBGB lediglich eine Gutscheinlösung vor (Urteil vom 9.7.2021, Az. 2 S 35/21).
Die erwähnte Regelung für Miet- und Pachtverhältnisse bezieht sich auf Verträge, die keine Wohnräume betreffen - also zum Beispiel Mietverträge über Gewerbeflächen. Eine Revision gegen das Urteil ist möglich.
Ähnlich entschied das Amtsgericht Frankenthal. Auch dieses Gericht verwies auf die Corona-spezifischen Regelungen im EGBGB, also im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich für Gewerberaummiete die Möglichkeit der Vertragsänderung vorgesehen habe, gelte dies nicht für andere Verträge. Insbesondere dann nicht, wenn es für Sport- und Freizeiteinrichtungen eine besondere Regelung mit der Gutscheinlösung gebe. Das Gericht betonte allerdings, dass sich diese Entscheidung nur auf bereits gekündigte Verträge beziehe. Auch bei diesem Urteil sind noch Rechtsmittel möglich (Pressemitteilung des Gerichts vom 30.7.2021, Az. 3c C 4/21).
Update vom 02.11.2022: Das Berliner Kammergericht hat am 29.08.2022 entschieden, dass Mitglieder von Fitnessstudios während einer coronabedingten Schließung keine Beiträge zahlen müssen. Es handelte sich hier um eine Musterfeststellungsklage des Bundesverbands Verbraucherzentrale (vzbv) gegen die Kette Superfit. Das Urteil bezieht sich daher zunächst nur auf Kunden dieses Unternehmens, die sich der Klage angeschlossen haben. Diese können nun gezahlte Beiträge zurückverlangen. Das Urteil hat aber auch durchaus Signalwirkung für weitere Rechtsstreitigkeiten.
Das Kammergericht hat ebenfalls entschieden, dass ein Fitnessstudio nicht einfach Verträge verlängern darf, indem es die Monate der Schließung an den regulären Vertragszeitraum anhängt.
Das Urteil entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Dieser hat bereits am 4. Mai 2022 entschieden, dass ein Fitnnessstudio per Lastschrift eingezogene Mitgliedsbeiträge für die Zeit der Corona-Schließung zurückzahlen muss. Der BGH erklärte auch, dass der Betreiber nicht mit einer Störung der Geschäftsgrundlage argumentieren könne, um den Vertrag so anzupassen, dass die Monate der Schließung hinten an die Laufzeit angehängt würden (Urteil vom 4.5.2022, Az. XII ZR 64/21).
Manche Fitnessstudios bieten ihren Kunden statt einer Erstattung der Mitgliedsbeiträge für die Zeit der Schließung Gutscheine an. Diese - in den obigen Urteilen angesprochene - Möglichkeit ist vom Gesetzgeber wegen der COVID-19-Pandemie geschaffen worden. Die Regelung findet sich in Art. 240 § 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB).
Kunden sind (nur dann) verpflichtet, diese Gutscheinlösung zu akzeptieren, wenn diese genau der gesetzlichen Regelung entspricht. Die Voraussetzungen:
- Der Vertrag wurde vor dem 8. März 2020 geschlossen,
- der Wert des Gutscheins entspricht dem gesamten Preis der ausgefallenen Leistung,
- für Ausstellung und Übersendung des Gutscheins werden keine Kosten berechnet,
- aus dem Gutschein geht hervor, dass dieser wegen der COVID-Pandemie ausgestellt wurde und dass sein Besitzer bei Vorliegen einer der folgenden Voraussetzungen die Auszahlung seines Wertes fordern kann:
1. für den Kunden ist ein Verweis auf einen Gutschein wegen seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar,
2. der Gutschein wurde bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst.
Manche Fitnessstudios bieten ihren Kunden als Entschädigung für den Trainingsausfall auch andere Leistungen an - von Verzehrgutscheinen bis hin zu Trainingsgutscheinen, die jedoch nur für Nichtmitglieder gelten. Hier bleibt es jedem selbst überlassen, dies zu akzeptieren oder es nicht zu tun. Meist entsprechen diese Angebote nicht der oben dargestellten Gutscheinlösung und müssen deshalb nicht angenommen werden. Es geht dabei eher um einen Anreiz, dem Fitnessstudio treu zu bleiben.
Auch während einer solchen Krise laufen die Kosten der Studios weiter. Hier ist es eine Überlegung wert, ob man nicht aus Solidarität seinen Beitrag einfach weiter zahlt. Die Insolvenz kleinerer Sporteinrichtungen bedeutet für Verbraucher langfristig: Weniger Auswahl, nur größere Anbieter überleben, die Preise steigen. Derzeit sieht es nicht nach weiteren Schließungen aus - aber in die Zukunft sehen kann niemand.
Aber: Auch bei manchem Fitness-Kunden ist das Geld durch die Krise knapper geworden. Bei Streitigkeiten mit dem Fitnessstudio empfiehlt es sich, sich von einem Rechtsanwalt für Zivilrecht beraten zu lassen.
Corona-Lockdown, 2G-Regel etc. - auch Fitnessstudios waren und sind von den Einschränkungen stark betroffen. Viele Mitglieder fragen sich, ob sie den Beitrag weiterzahlen müssen, oder kündigen können. Auch erste Gerichtsurteile gibt es.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Kündigung oder erzwungene Vertragsverlängerung? Darf ein ungeimpftes Mitglied wegen der 2G-Regel den Vertrag kündigen? Wie dürfen sich Fitnessstudios öffentlich zu dieser Problematik äußern? Muss ich Beiträge zahlen, wenn das Studio geschlossen ist? Neuere Urteile: Was sagen die Gerichte? Was muss man zu Gutscheinen wissen? Ersatzleistung durch andere Vergünstigungen Praxistipp Kündigung oder erzwungene Vertragsverlängerung?
Eine Frage, die sich viele Fitnessstudio-Besucher gestellt haben: Kann man fristlos kündigen, weil das Studio seine vertraglichen Leistungen nicht erbringt - wenn auch aufgrund behördlicher Anordnungen?
Eine solche fristlose Kündigung wäre nicht gerechtfertigt. Schließlich liegt ja kein Hindernis auf Seiten eines einzelnen Studios vor oder eine schuldhafte Verletzung vertraglicher Pflichten. Vielmehr geht es um ein Problem, das alle Studios betrifft – und das nur vorübergehend bestand. Inzwischen ist der Besuch wieder möglich.
Aber: Wie sieht die Rechtslage bei einer regulären, ordentlichen Kündigung mit Frist aus? Hier werden zwei Rechtsansichten vertreten:
1. Vertrag ist Vertrag. Wenn der Vertrag nachweislich fristgerecht gekündigt wurde, ist die Kündigung zum Ende der regulären Vertragslaufzeit auch wirksam.
2. Corona ist gewissermaßen "höhere Gewalt". Die Umstände, unter denen der Vertrag geschlossen wurde, haben sich geändert. Das Studio darf nach § 313 BGB eine Vertragsanpassung vornehmen und den Vertrag um den Zeitraum der Schließung verlängern. Dementsprechend verschiebt sich das Vertragsende bei einer regulären Kündigung nach hinten.
Die erste Ansicht vertrat im Dezember 2020 zuerst das Amtsgericht Papenburg. Nach dem Urteil kann es einem Fitnessstudio zugemutet werden, das Risiko der lockdownbedingten Schließungen allein zu tragen. Immerhin bekämen die Studios auch staatliche Hilfen. Man könne nicht voraussetzen, dass die Beteiligten bei vorheriger Kenntnis des Pandemierisikos einen Vertrag mit anderem Inhalt abgeschlossen hätten. § 313 BGB mit seinen Grundsätzen über den Wegfall der Geschäftsgrundlage sei nicht anwendbar (Urteil vom 18.12.2020, Az. 3 C 337/20).
Es gibt aber auch Entscheidungen zu Gunsten der zweiten Ansicht:
Das Amtsgericht Ibbenbüren entschied im November 2020, dass die Corona-Pandemie eine Störung der "großen Geschäftsgrundlage" des Vertrages sei. Durch sie hätten sich die kompletten Rahmenbedingungen geändert, vergleichbar mit einem Krieg oder einem Währungsverfall. Dem Betreiber eines Fitnessstudios könne man es nicht zumuten, am bisherigen Vertrag festzuhalten. Die Corona-Pandemie als Anlass der Schließung sorge für Gesundheits- und Sicherheitsrisiken, die beide Parteien beträfen. Es könne nicht nur eine Seite mit den Folgen belastet werden. Eine Verlängerung des Vertrages entspreche dem hypothetischen Willen der Parteien, wenn diese zuvor das Risiko gekannt hätten (AG Ibbenbüren, Urteil vom 27.11.2020, Az. 3 C 300/20).
Ähnlich entschied im Dezember 2020 das Amtsgericht Zeitz: Dem Betreiber wurde das Recht auf eine Vertragsanpassung nach § 313 BGB eingeräumt. Den Kunden sei es zumutbar, auch während der pandemiebedingten Schließung Beiträge zu zahlen und dafür nachträglich eine beitragsfreie Zeit gewährt zu bekommen. Auch ein Grund für eine fristlose Kündigung liege nicht vor (Urteil vom 1.12.2020, Az. 4 C 112/20).
Darf ein ungeimpftes Mitglied wegen der 2G-Regel den Vertrag kündigen?
Überall, wo die 2G-Regel in Kraft gesetzt wurde, hatten Ungeimpfte keinen Zutritt mehr zu ihrem Fitnessstudio und können folglich ihren Vertrag nicht mehr nutzen. Etliche Mitglieder fragten sich nun, ob sie ihren Vertrag vor diesem Hintergrund außerordentlich kündigen können.
Hier kommt § 313 BGB (Bürgerliches Gesetzbuch) ins Spiel. Nach dieser Vorschrift kann ein Dauerschuldverhältnis - und dazu gehören auch Fitnessverträge - gekündigt werden, wenn sich die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben und die Vertragsparteien den Vertrag unter diesen Umständen nicht geschlossen hätten. Weitere Voraussetzung für das Sonderkündigungsrecht ist, dass dem Mitglied eine Anpassung des Vertrages nicht zumutbar sein darf.
Dass die zeitlich nicht eingeschränkten Corona-Einschränkungen die Umstände, die zur Grundlage des Vertrages geworden sind, nach Vertragsabschluss schwerwiegend verändert haben, dürfte unstrittig sein.
Es stellt sich als nächstes die Frage, ob das ungeimpfte Mitglied den Vertrag mit dem Fitnessstudio auch dann abgeschlossen hätte, wenn es schon bei Vertragsschluss von den künftigen Einschränkungen gewusst hätte. Die Vermutung liegt nahe, diese Frage zu verneinen. Denn ein Fitnessvertrag, den man über längere Zeit nicht nutzen kann, macht mit Blick auf den beabsichtigten Effekt in Sachen persönlicher Fitness keinen Sinn.
Bleibt letztlich die Frage, ob dem ungeimpften Mitglied eine Anpassung des Vertrages zumutbar ist. Nur, wie sollte eine solche Vertragsanpassung überhaupt aussehen, wenn die vertragliche Leistung durch das Fitnessstudio wegen des Teil-Lockdowns gegenüber dem ungeimpften Mitglied nicht erbracht werden kann? Es gibt bei vollständigem Leistungsausschluss einer Seite schlicht keine Möglichkeit zur Vertragsanpassung. Damit steht nicht geimpften Mitgliedern grundsätzlich ein Kündigungsrecht nach § 313 BGB zu - und zwar ein außerordentliches. Das bedeutet, dass der eigentliche vertragliche Kündigungszeitpunkt keine Rolle spielt, sondern zum nächstmöglichen Zeitpunkt gekündigt werden darf.
HINWEIS: Zu dieser Problematik gibt es noch keine Gerichtsentscheidungen. Mitglieder müssen sich also auf einen Rechtsstreit einstellen, wenn das Fitnessstudio die Kündigung nicht akzeptiert.
Wie dürfen sich Fitnessstudios öffentlich zu dieser Problematik äußern?
Nach dem Landgericht Würzburg darf ein Fitnessstudio auf Facebook die Rechtsansicht verbreiten, dass eine einseitige Vertragsverlängerung wegen Corona rechtens ist. Dies sei keine unlautere Werbung, und die Frage, ob so etwas tatsächlich rechtens sei, könne nicht in einem Wettbewerbsrechtsprozess geklärt werden (Urteil vom 23.10.2020, Az. 1 HK O 1250/20).
Aber: Die Zivilkammer des Landgerichts Würzburg hat mittlerweile komplett entgegengesetzt zur Kammer für Handelssachen im oben zitierten Urteil entschieden. Demnach kann die zeitweise Schließung nicht zu einer Verlängerung der Vertragslaufzeit für die Verbraucher führen. Eine entsprechende briefliche Mitteilung an die Kunden eines Fitnessstudios bewertete das Gericht als Verstoß gegen das Wettbewerbsrecht und Irreführung des Verbrauchers. Insbesondere hätten die im Schreiben zitierten Urteile nichts mit dem Thema "Schließung wegen Corona" zu tun. Beide Vertragspartner seien während einer pandemiebedingten Schließung von ihrer Leistungspflicht befreit. Kunden, die etwa wegen eines Umzugs oder einer Erkrankung das Studio nicht mehr nutzen könnten, hätten keine Möglichkeit, die "Extra-Monate" in Anspruch zu nehmen (Urteil vom 24.8.2021, Az. 11 O 684/21 UWG).
Muss ich Beiträge zahlen, wenn das Studio geschlossen ist?
Hier liegt grundsätzlich ein Fall der Unmöglichkeit der Leistung vor: Das Studio kann seine Leistung - wenn auch unverschuldet - nicht erbringen. Dadurch wird der Kunde von seiner Pflicht zur Gegenleistung frei. Für die Monate der Schließung muss er keinen Betrag bezahlen.
Dies möchten die Studios nun umgehen, indem sie die Verträge verlängern. Dabei gibt es zwei Varianten:
1. Der Beitrag wird während der Schließung weiter abgebucht. Nach der Schließung werden dafür kostenfreie Monate an die reguläre Vertragslaufzeit angehängt.
2. Die Mitgliedschaft ist während der Schließung beitragsfrei. Dafür wird der Vertrag nach der Schließung um so viele kostenpflichtige Monate verlängert, wie die Schließung gedauert hat.
Neuere Urteile: Was sagen die Gerichte?
Das Landgericht Osnabrück befasste sich in der Berufungsinstanz mit dem oben erwähnten Urteil des Amtsgerichts Papenburg. Auch das Landgericht entschied, dass das Studio dem Mitglied seine Beiträge für den Zeitraum der Schließung zurückzuzahlen habe.
Die Erbringung der geschuldeten Leistung sei für das Fitnessstudio wegen der Schließung unmöglich geworden. Daher entfalle sein Anspruch auf Entrichtung der Monatsbeträge für die Schließungszeit. Das Gericht war der Ansicht, dass die geschuldete Leistung nicht nachholbar sei. Auch könne das Studio keine Anpassung des Vertrages in der Weise verlangen, dass der Schließungszeitraum beitragsfrei an das Ende der Vertragslaufzeit angehängt werde. Denn: Der Gesetzgeber habe für Miet- und Pachtverhältnisse in Art. 240 § 7 EGBGB ausdrücklich eine Anpassung der Verträge für die Zeit der coronabedingten Schließung vorgesehen. Für Freizeiteinrichtungen habe er dies gerade nicht getan. Für diese sehe Art. 240 § 5 EGBGB lediglich eine Gutscheinlösung vor (Urteil vom 9.7.2021, Az. 2 S 35/21).
Die erwähnte Regelung für Miet- und Pachtverhältnisse bezieht sich auf Verträge, die keine Wohnräume betreffen - also zum Beispiel Mietverträge über Gewerbeflächen. Eine Revision gegen das Urteil ist möglich.
Ähnlich entschied das Amtsgericht Frankenthal. Auch dieses Gericht verwies auf die Corona-spezifischen Regelungen im EGBGB, also im Einführungsgesetz zum Bürgerlichen Gesetzbuch. Wenn der Gesetzgeber ausdrücklich für Gewerberaummiete die Möglichkeit der Vertragsänderung vorgesehen habe, gelte dies nicht für andere Verträge. Insbesondere dann nicht, wenn es für Sport- und Freizeiteinrichtungen eine besondere Regelung mit der Gutscheinlösung gebe. Das Gericht betonte allerdings, dass sich diese Entscheidung nur auf bereits gekündigte Verträge beziehe. Auch bei diesem Urteil sind noch Rechtsmittel möglich (Pressemitteilung des Gerichts vom 30.7.2021, Az. 3c C 4/21).
Update vom 02.11.2022: Das Berliner Kammergericht hat am 29.08.2022 entschieden, dass Mitglieder von Fitnessstudios während einer coronabedingten Schließung keine Beiträge zahlen müssen. Es handelte sich hier um eine Musterfeststellungsklage des Bundesverbands Verbraucherzentrale (vzbv) gegen die Kette Superfit. Das Urteil bezieht sich daher zunächst nur auf Kunden dieses Unternehmens, die sich der Klage angeschlossen haben. Diese können nun gezahlte Beiträge zurückverlangen. Das Urteil hat aber auch durchaus Signalwirkung für weitere Rechtsstreitigkeiten.
Das Kammergericht hat ebenfalls entschieden, dass ein Fitnessstudio nicht einfach Verträge verlängern darf, indem es die Monate der Schließung an den regulären Vertragszeitraum anhängt.
Das Urteil entspricht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofes. Dieser hat bereits am 4. Mai 2022 entschieden, dass ein Fitnnessstudio per Lastschrift eingezogene Mitgliedsbeiträge für die Zeit der Corona-Schließung zurückzahlen muss. Der BGH erklärte auch, dass der Betreiber nicht mit einer Störung der Geschäftsgrundlage argumentieren könne, um den Vertrag so anzupassen, dass die Monate der Schließung hinten an die Laufzeit angehängt würden (Urteil vom 4.5.2022, Az. XII ZR 64/21).
Was muss man zu Gutscheinen wissen?
Manche Fitnessstudios bieten ihren Kunden statt einer Erstattung der Mitgliedsbeiträge für die Zeit der Schließung Gutscheine an. Diese - in den obigen Urteilen angesprochene - Möglichkeit ist vom Gesetzgeber wegen der COVID-19-Pandemie geschaffen worden. Die Regelung findet sich in Art. 240 § 5 des Einführungsgesetzes zum Bürgerlichen Gesetzbuch (EGBGB).
Kunden sind (nur dann) verpflichtet, diese Gutscheinlösung zu akzeptieren, wenn diese genau der gesetzlichen Regelung entspricht. Die Voraussetzungen:
- Der Vertrag wurde vor dem 8. März 2020 geschlossen,
- der Wert des Gutscheins entspricht dem gesamten Preis der ausgefallenen Leistung,
- für Ausstellung und Übersendung des Gutscheins werden keine Kosten berechnet,
- aus dem Gutschein geht hervor, dass dieser wegen der COVID-Pandemie ausgestellt wurde und dass sein Besitzer bei Vorliegen einer der folgenden Voraussetzungen die Auszahlung seines Wertes fordern kann:
1. für den Kunden ist ein Verweis auf einen Gutschein wegen seiner persönlichen Lebensumstände unzumutbar,
2. der Gutschein wurde bis zum 31. Dezember 2021 nicht eingelöst.
Ersatzleistung durch andere Vergünstigungen
Manche Fitnessstudios bieten ihren Kunden als Entschädigung für den Trainingsausfall auch andere Leistungen an - von Verzehrgutscheinen bis hin zu Trainingsgutscheinen, die jedoch nur für Nichtmitglieder gelten. Hier bleibt es jedem selbst überlassen, dies zu akzeptieren oder es nicht zu tun. Meist entsprechen diese Angebote nicht der oben dargestellten Gutscheinlösung und müssen deshalb nicht angenommen werden. Es geht dabei eher um einen Anreiz, dem Fitnessstudio treu zu bleiben.
Praxistipp
Auch während einer solchen Krise laufen die Kosten der Studios weiter. Hier ist es eine Überlegung wert, ob man nicht aus Solidarität seinen Beitrag einfach weiter zahlt. Die Insolvenz kleinerer Sporteinrichtungen bedeutet für Verbraucher langfristig: Weniger Auswahl, nur größere Anbieter überleben, die Preise steigen. Derzeit sieht es nicht nach weiteren Schließungen aus - aber in die Zukunft sehen kann niemand.
Aber: Auch bei manchem Fitness-Kunden ist das Geld durch die Krise knapper geworden. Bei Streitigkeiten mit dem Fitnessstudio empfiehlt es sich, sich von einem Rechtsanwalt für Zivilrecht beraten zu lassen.
(Wk)