Coronavirus: Was muss man zur Ausgangssperre wissen?
08.12.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Rh - Anwalt-Suchservice Eine Ausgangssperre ist eine extreme Maßnahme. In Deutschland hatte es so etwas seit dem Zweiten Weltkrieg nicht gegeben. Trotzdem wurde diese Maßnahme während der Corona-Pandemie in mehreren Bundesländern ergriffen. Anlass war durchaus, dass sich die Bevölkerung vielerorts nicht ansatzweise an die Verhaltensempfehlungen von Seuchenexperten und Regierung hielt. So traf man sich zur Freizeitgestaltung in Parks und auf Spielplätzen oder veranstaltete gar "Corona-Partys". Von staatlicher Seite galt es in dieser Situation, hohe Infektionszahlen wie etwa in Italien zu vermeiden. Aber: Welche rechtlichen Grundlagen gibt es für eine Ausgangssperre in einer freiheitlichen Demokratie?
Am 22. März 2020 verkündete die Bundeskanzlerin neue Grundregeln für das Zusammenleben in Deutschland in der darauffolgenden Zeit. Das Wort "Ausgangssperre" fiel zwar dabei nicht, es gab jedoch erhebliche Ausgangsbeschränkungen. Zusammengefasst lauteten die Regeln:
1. Die Kontakte zu Menschen außerhalb des eigenen Haushalts sind auf ein Minimum zu reduzieren.
2. Zu anderen Leuten soll man in der Öffentlichkeit einen Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern einhalten.
3. Im öffentlichen Raum ist der Aufenthalt nur noch alleine, zusammen mit höchstens einer nicht im gleichen Haushalt wohnenden Person oder mit Angehörigen des eigenen Haushalts gestattet.
4. Erlaubt sind weiterhin unter anderem Wege zur Arbeit, zum Einkaufen, zu Prüfungen, Hilfe für andere – notwendige Erledigungen eben. Auch Spazierengehen zwecks frischer Luft ist erlaubt, oder individueller Sport (aber eben alleine bzw. unter Beachtung von Nr.3).
5. Verboten sind Gruppen feiernder Menschen. Dies wird polizeilich überwacht, Verstöße werden geahndet.
6. Alle Gastronomiebetriebe werden geschlossen. Ausnahme sind Lieferungen nach Hause oder Abholung von Speisen.
7. Geschlossen werden auch Friseure, Tattoostudios, Kosmetikstudios etc., also Betriebe, die eher mit Aussehen und Körperpflege zu tun haben und bei denen nahe Kontakte unvermeidbar sind. Medizinische Dienstleistungen bleiben erlaubt.
8. In allen Betrieben, besonders solchen mit Publikumsverkehr, sind Schutzmaßnahmen gegen Ansteckung zu ergreifen.
9. Diese Maßnahmen gelten für mindestens zwei Wochen.
10. Dies sind keine Empfehlungen, sondern Regeln. Die Nichteinhaltung hat Konsequenzen und wird ggf. bestraft.
Für die Umsetzung waren die Bundesländer verantwortlich. Diese erfolgte durch teils sehr unterschiedliche Regelungen.
Der bayerische Ministerpräsident verkündete am 20. März 2020 eine Ausgangssperre für den gesamten Freistaat Bayern. Von Mitternacht dieses Tages an war das Verlassen der eigenen Wohnung zeitweise nur noch bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt. Dazu gehörten unter anderem
- der Weg zur Arbeit, erforderliche Einkäufe,
- Arzt- und Apothekenbesuche,
- Hilfe für andere,
- Besuche von Lebenspartnern,
- Sport und Bewegung an der frischen Luft, jedoch nur alleine oder mit Personen, mit denen man zusammenlebt.
Bald darauf folgte das Saarland. Die dortige Ausgangssperre galt ab Samstag, 21. März 2020, 0:00 Uhr. Von diesem Zeitpunkt an durften die Bürger nur noch mit gutem Grund ihre Häuser verlassen. Als solche Gründe zählten erforderliche Einkäufe, Arztbesuche und der Weg zur Arbeit. Gemeinsame Spaziergänge - auch von Familien - waren erlaubt, aber mit Abstand zu anderen. Restaurants waren geschlossen.
Auch in Sachsen gab es dann ab Montag, 23. März 2020, 0:00 Uhr, eine Ausgangssperre. Das Verlassen von Haus und Wohnung war ohne triftigen Grund nicht mehr erlaubt. Erlaubt blieben Wege zur Arbeit, zum Einkaufen und zum Arzt, auch Sport und Bewegung an der frischen Luft sowie der Besuch des eigenen Kleingartens. All dies durfte grundsätzlich nur allein oder mit dem Partner stattfinden. Untersagt waren Gruppen über fünf Personen. Supermärkte, Tierbedarfsläden etc. blieben offen.
Andere Bundesländer waren bei diesem Thema zurückhaltender und erließen stattdessen Kontaktbeschränkungen für bestimmte Zahlen von Personen.
Es gab auch Ausgangssperren in einzelnen Orten. So verhängte Freiburg für größere Gruppen ein sogenanntes Betretungsverbot für öffentliche Orte bis 3. April 2020. In Bayern gab es auch vor der allgemeinen Ausgangssperre entsprechende Regelungen in der Gemeinde Mitterteich und zwei Gemeinden im Landkreis Wunsiedel.
In unseren Nachbarländern wurden landesweite Ausgangssperren unter anderem in Frankreich, Italien, Spanien und Belgien verhängt. Auch auf Mallorca bestand eine Ausgangssperre.
Man muss hier unterscheiden: Ein sogenanntes Betretungsverbot gilt zum Beispiel für öffentliche Orte, wie Parks, Sportanlagen oder Spielplätze. Es untersagt niemandem, das Haus zu verlassen. Ein Ausgangsverbot oder Ausgehverbot ist eine echte Ausgangssperre, die es den Bürgern verbietet, aus dem Haus zu gehen.
Grundsätzlich dürfen Menschen bei einer Ausgangssperre ihre Wohnungen nicht mehr verlassen. Bei den Ausgangssperren in einigen deutschen Bundesländern gab es Ausnahmen etwa für Lebensmitteleinkäufe, den Weg zur Bank, zum Arzt, zur Apotheke oder den Weg zur Arbeit, häufig auch für Sport im Freien. Welche Ausnahmen dies genau waren, regelte eine Verordnung des entsprechenden Bundeslandes.
Beispiele:
In Spanien gab es ebenfalls Ausnahmen, aber mit vielen Einschränkungen. So durfte man zwar zur Arbeit fahren, es durfte aber nur eine Person im Auto sitzen. Kontrolliert wurde dies mit Straßensperren der Guardia Civil. Auch Einkäufe waren allein zu erledigen, außer bei Personen, die dies etwa wegen Gebrechlichkeit nicht schafften.
In den bayerischen Gemeinden mit Ausgangssperre war die Fahrt zur Arbeit nur mit Bescheinigung des Arbeitgebers erlaubt. Erlaubt war auch die Betreuung von Hilfsbedürftigen oder Verwandten.
Bei einer häuslichen Quarantäne gibt es solche Ausnahmen nicht. Wer unter Quarantäne steht, darf also nicht mehr zur Arbeit oder zum Einkaufen, er darf das Haus nicht verlassen.
Grundsätzlich können die Behörden nach § 16 des Infektionsschutzgesetzes bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit "die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren" treffen.
Nach § 28 Abs. 1 S. 1 des Infektionsschutzgesetzes kann die zuständige Behörde Personen verpflichten, "den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind." Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) schränkt das Gesetz in diesem Fall ausdrücklich ein.
Polizei und Ordnungsämter waren dafür zuständig, die Einhaltung der Ausgangssperren zu kontrollieren. In der Regel wurden Verstöße mit Bußgeldern geahndet. Hier hatte und hat jedes Bundesland einen eigenen Bußgeldkatalog. Allerdings gilt nach § 75 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz ein Verstoß gegen die Corona-Vorschriften der Bundesländer, die unter den Voraussetzungen des § 28 erlassen worden sind, auch als Straftat. Grundsätzlich könnte diese dann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden - auch wenn dies in der Praxis eher unwahrscheinlich ist.
Zunächst einmal waren die beschriebenen Ausgangssperren unmittelbar zu beachten. Im Seuchenfall sind auch Grundrechtseingriffe möglich, solange diese geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind. Diese Voraussetzungen galten als erfüllt, seit das Robert-Koch-Institut die Gefahr durch das Coronavirus als "hoch" eingestuft hatte.
Bürger konnten jedoch vor einem Verwaltungsgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine solche Anordnung vorgehen. Bis zu einer Entscheidung des Gerichts hatten sie jedoch die Anordnung zu beachten.
Zu den Corona-Maßnahmen gibt es inzwischen eine Vielzahl von Urteilen. Manche bestätigen die Wirksamkeit angegriffener behördlicher Maßnahmen, manche erklären bestimmte Maßnahmen für unzulässig, und einheitliche Rechtsprechung zu vielen Themen existiert nicht.
Der BayVGH hat die in Bayern im März 2020 verhängte Ausgangssperre für unzulässig erklärt.
Zwar sah das Gericht die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes, auf deren Grundlage die bayerische Regelung erlassen worden war (§§ 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG) als wirksam an. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot vor. Problematisch war jedoch die Umsetzung in der bayerischen Verordnung.
Die bayerische Regelung, die auch Einzelpersonen ein Verlassen des Hauses ohne triftigen Grund untersagte, verstieß aus Sicht des Gerichts gegen das Übermaßverbot und damit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zwar sei die Maßnahme geeignet, Infektionen zu verhindern. Sie müsse jedoch auch erforderlich sein.
Der Verordnungsgeber habe von mehreren zur Verfügung stehenden, geeigneten Mitteln das jeweils mildeste zu wählen, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Dafür kämen hier auch andere Kontaktbeschränkungen in Frage. Es sei unklar, warum "das Verweilen alleine oder mit den Personen seines Haushalts im Freien außerhalb der eigenen Wohnung" einer Ausgangsbeschränkung unterworfen worden sei. Es könne nicht einfach davon ausgegangen werden, dass einzelne Personen automatisch zu Menschenansammlungen im Freien führten und sich Bürger generell nicht an die Regeln hielten. Die vom Freistaat vertretene Auffassung, dass die restriktivere Maßnahme immer die effektivere sei, könne nicht geteilt werden. Da ein Verbot des Aufenthalts im Freien auch allein oder mit Mitgliedern des eigenen Hausstands zur Eindämmung von Infektionen nicht erforderlich gewesen sei, verstoße die Regelung gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot (Beschluss vom 04.10.2021, Az. 20 N 20.767).
Die Bayerische Landesregierung hat angekündigt, gegen diese Entscheidung Rechtsmittel einzulegen. Auch das Bundesverwaltungsgericht wird sich nun also mit der ehemaligen bayerischen Ausgangssperre zu beschäftigen haben.
Am 30.11.2021 hat das Bundesverfassungsgericht zur sogenannten Bundes-Notbremse entschieden, die im April 2021 für zwei Monate eingeführt wurde und Ausgangsbeschränkungen bei Nacht und Kontaktbeschränkungen vorsah. Verstöße wurden mit Bußgeldern geahndet; die Maßnahmen traten bei Erreichen bestimmter Inzidenzwerte in Kraft.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundes-Notbremse für verfassungsgemäß erklärt. Die Kontakt- und die Ausgangsbeschränkungen seien in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei trotz des erheblichen Grundrechtseingriffs gewahrt worden.
Kontaktbeschränkungen seien ein geeignetes Mittel, um Menschen vor einer Infektionskrankheit zu schützen. Sie seien in der konkreten Situation auch erforderlich gewesen. Andere, mildere Mittel mit gleichen Erfolgsaussichten hätten zum entsprechenden Zeitpunkt nicht zur Verfügung gestanden. Auch hätten der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs gestanden. Das Gericht wies damit insgesamt sieben Verfassungsbeschwerden gegen die Regelung ab (Beschluss vom 19.11.2021, Az. 1 BvR 781/21 u. a.).
Eine Ausgangssperre ist ein Mittel, das nur im Notfall angewendet wird. Beratung über Fragen, die mit behördlichen Anordnungen zu tun haben, erteilt ein Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht.
Viele europäische Länder haben wegen des Coronavirus Ausgangssperren verhängt. Auch in Deutschland kam es dazu. Inwieweit war dies zulässig?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
22. März 2020: Einheitliche Regeln Wie sahen die einzelnen Bundesländer das Thema Ausgangssperre? In welchen Einzelgemeinden gab es Ausgangssperren? Was galt im EU-Ausland? Was wird bei einer Ausgangssperre angeordnet? Auf welcher Rechtsgrundlage beruht eine Ausgangssperre? Welche Folgen hatten Verstöße gegen die Ausgangssperre? Welchen Rechtsweg konnte man gegen die Ausgangssperren beschreiten? Wie hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zur bayerischen Ausgangssperre entschieden? Update 8.12.2021: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bundes-Notbremse Praxistipp 22. März 2020: Einheitliche Regeln
Am 22. März 2020 verkündete die Bundeskanzlerin neue Grundregeln für das Zusammenleben in Deutschland in der darauffolgenden Zeit. Das Wort "Ausgangssperre" fiel zwar dabei nicht, es gab jedoch erhebliche Ausgangsbeschränkungen. Zusammengefasst lauteten die Regeln:
1. Die Kontakte zu Menschen außerhalb des eigenen Haushalts sind auf ein Minimum zu reduzieren.
2. Zu anderen Leuten soll man in der Öffentlichkeit einen Mindestabstand von 1,5 bis 2 Metern einhalten.
3. Im öffentlichen Raum ist der Aufenthalt nur noch alleine, zusammen mit höchstens einer nicht im gleichen Haushalt wohnenden Person oder mit Angehörigen des eigenen Haushalts gestattet.
4. Erlaubt sind weiterhin unter anderem Wege zur Arbeit, zum Einkaufen, zu Prüfungen, Hilfe für andere – notwendige Erledigungen eben. Auch Spazierengehen zwecks frischer Luft ist erlaubt, oder individueller Sport (aber eben alleine bzw. unter Beachtung von Nr.3).
5. Verboten sind Gruppen feiernder Menschen. Dies wird polizeilich überwacht, Verstöße werden geahndet.
6. Alle Gastronomiebetriebe werden geschlossen. Ausnahme sind Lieferungen nach Hause oder Abholung von Speisen.
7. Geschlossen werden auch Friseure, Tattoostudios, Kosmetikstudios etc., also Betriebe, die eher mit Aussehen und Körperpflege zu tun haben und bei denen nahe Kontakte unvermeidbar sind. Medizinische Dienstleistungen bleiben erlaubt.
8. In allen Betrieben, besonders solchen mit Publikumsverkehr, sind Schutzmaßnahmen gegen Ansteckung zu ergreifen.
9. Diese Maßnahmen gelten für mindestens zwei Wochen.
10. Dies sind keine Empfehlungen, sondern Regeln. Die Nichteinhaltung hat Konsequenzen und wird ggf. bestraft.
Für die Umsetzung waren die Bundesländer verantwortlich. Diese erfolgte durch teils sehr unterschiedliche Regelungen.
Wie sahen die einzelnen Bundesländer das Thema Ausgangssperre?
Der bayerische Ministerpräsident verkündete am 20. März 2020 eine Ausgangssperre für den gesamten Freistaat Bayern. Von Mitternacht dieses Tages an war das Verlassen der eigenen Wohnung zeitweise nur noch bei Vorliegen triftiger Gründe erlaubt. Dazu gehörten unter anderem
- der Weg zur Arbeit, erforderliche Einkäufe,
- Arzt- und Apothekenbesuche,
- Hilfe für andere,
- Besuche von Lebenspartnern,
- Sport und Bewegung an der frischen Luft, jedoch nur alleine oder mit Personen, mit denen man zusammenlebt.
Bald darauf folgte das Saarland. Die dortige Ausgangssperre galt ab Samstag, 21. März 2020, 0:00 Uhr. Von diesem Zeitpunkt an durften die Bürger nur noch mit gutem Grund ihre Häuser verlassen. Als solche Gründe zählten erforderliche Einkäufe, Arztbesuche und der Weg zur Arbeit. Gemeinsame Spaziergänge - auch von Familien - waren erlaubt, aber mit Abstand zu anderen. Restaurants waren geschlossen.
Auch in Sachsen gab es dann ab Montag, 23. März 2020, 0:00 Uhr, eine Ausgangssperre. Das Verlassen von Haus und Wohnung war ohne triftigen Grund nicht mehr erlaubt. Erlaubt blieben Wege zur Arbeit, zum Einkaufen und zum Arzt, auch Sport und Bewegung an der frischen Luft sowie der Besuch des eigenen Kleingartens. All dies durfte grundsätzlich nur allein oder mit dem Partner stattfinden. Untersagt waren Gruppen über fünf Personen. Supermärkte, Tierbedarfsläden etc. blieben offen.
Andere Bundesländer waren bei diesem Thema zurückhaltender und erließen stattdessen Kontaktbeschränkungen für bestimmte Zahlen von Personen.
In welchen Einzelgemeinden gab es Ausgangssperren?
Es gab auch Ausgangssperren in einzelnen Orten. So verhängte Freiburg für größere Gruppen ein sogenanntes Betretungsverbot für öffentliche Orte bis 3. April 2020. In Bayern gab es auch vor der allgemeinen Ausgangssperre entsprechende Regelungen in der Gemeinde Mitterteich und zwei Gemeinden im Landkreis Wunsiedel.
Was galt im EU-Ausland?
In unseren Nachbarländern wurden landesweite Ausgangssperren unter anderem in Frankreich, Italien, Spanien und Belgien verhängt. Auch auf Mallorca bestand eine Ausgangssperre.
Was wird bei einer Ausgangssperre angeordnet?
Man muss hier unterscheiden: Ein sogenanntes Betretungsverbot gilt zum Beispiel für öffentliche Orte, wie Parks, Sportanlagen oder Spielplätze. Es untersagt niemandem, das Haus zu verlassen. Ein Ausgangsverbot oder Ausgehverbot ist eine echte Ausgangssperre, die es den Bürgern verbietet, aus dem Haus zu gehen.
Grundsätzlich dürfen Menschen bei einer Ausgangssperre ihre Wohnungen nicht mehr verlassen. Bei den Ausgangssperren in einigen deutschen Bundesländern gab es Ausnahmen etwa für Lebensmitteleinkäufe, den Weg zur Bank, zum Arzt, zur Apotheke oder den Weg zur Arbeit, häufig auch für Sport im Freien. Welche Ausnahmen dies genau waren, regelte eine Verordnung des entsprechenden Bundeslandes.
Beispiele:
In Spanien gab es ebenfalls Ausnahmen, aber mit vielen Einschränkungen. So durfte man zwar zur Arbeit fahren, es durfte aber nur eine Person im Auto sitzen. Kontrolliert wurde dies mit Straßensperren der Guardia Civil. Auch Einkäufe waren allein zu erledigen, außer bei Personen, die dies etwa wegen Gebrechlichkeit nicht schafften.
In den bayerischen Gemeinden mit Ausgangssperre war die Fahrt zur Arbeit nur mit Bescheinigung des Arbeitgebers erlaubt. Erlaubt war auch die Betreuung von Hilfsbedürftigen oder Verwandten.
Bei einer häuslichen Quarantäne gibt es solche Ausnahmen nicht. Wer unter Quarantäne steht, darf also nicht mehr zur Arbeit oder zum Einkaufen, er darf das Haus nicht verlassen.
Auf welcher Rechtsgrundlage beruht eine Ausgangssperre?
Grundsätzlich können die Behörden nach § 16 des Infektionsschutzgesetzes bei Auftreten einer übertragbaren Krankheit "die notwendigen Maßnahmen zur Abwendung der dem Einzelnen oder der Allgemeinheit hierdurch drohenden Gefahren" treffen.
Nach § 28 Abs. 1 S. 1 des Infektionsschutzgesetzes kann die zuständige Behörde Personen verpflichten, "den Ort, an dem sie sich befinden, nicht zu verlassen oder von ihr bestimmte Orte nicht zu betreten, bis die notwendigen Schutzmaßnahmen durchgeführt worden sind." Die Grundrechte der Freiheit der Person (Artikel 2 Absatz 2 Satz 2 des Grundgesetzes), der Versammlungsfreiheit (Artikel 8 des Grundgesetzes), der Freizügigkeit (Artikel 11 Absatz 1 des Grundgesetzes) und der Unverletzlichkeit der Wohnung (Artikel 13 Absatz 1 des Grundgesetzes) schränkt das Gesetz in diesem Fall ausdrücklich ein.
Welche Folgen hatten Verstöße gegen die Ausgangssperre?
Polizei und Ordnungsämter waren dafür zuständig, die Einhaltung der Ausgangssperren zu kontrollieren. In der Regel wurden Verstöße mit Bußgeldern geahndet. Hier hatte und hat jedes Bundesland einen eigenen Bußgeldkatalog. Allerdings gilt nach § 75 Abs. 1 Infektionsschutzgesetz ein Verstoß gegen die Corona-Vorschriften der Bundesländer, die unter den Voraussetzungen des § 28 erlassen worden sind, auch als Straftat. Grundsätzlich könnte diese dann mit einer Geldstrafe oder einer Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren geahndet werden - auch wenn dies in der Praxis eher unwahrscheinlich ist.
Welchen Rechtsweg konnte man gegen die Ausgangssperren beschreiten?
Zunächst einmal waren die beschriebenen Ausgangssperren unmittelbar zu beachten. Im Seuchenfall sind auch Grundrechtseingriffe möglich, solange diese geeignet, erforderlich und verhältnismäßig sind. Diese Voraussetzungen galten als erfüllt, seit das Robert-Koch-Institut die Gefahr durch das Coronavirus als "hoch" eingestuft hatte.
Bürger konnten jedoch vor einem Verwaltungsgericht im Verfahren des einstweiligen Rechtsschutzes gegen eine solche Anordnung vorgehen. Bis zu einer Entscheidung des Gerichts hatten sie jedoch die Anordnung zu beachten.
Zu den Corona-Maßnahmen gibt es inzwischen eine Vielzahl von Urteilen. Manche bestätigen die Wirksamkeit angegriffener behördlicher Maßnahmen, manche erklären bestimmte Maßnahmen für unzulässig, und einheitliche Rechtsprechung zu vielen Themen existiert nicht.
Wie hat der Bayerische Verwaltungsgerichtshof zur bayerischen Ausgangssperre entschieden?
Der BayVGH hat die in Bayern im März 2020 verhängte Ausgangssperre für unzulässig erklärt.
Zwar sah das Gericht die Vorschriften des Infektionsschutzgesetzes, auf deren Grundlage die bayerische Regelung erlassen worden war (§§ 32 Satz 1 i.V.m. § 28 Abs. 1 Satz 1 IfSG) als wirksam an. Insbesondere liege kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot vor. Problematisch war jedoch die Umsetzung in der bayerischen Verordnung.
Die bayerische Regelung, die auch Einzelpersonen ein Verlassen des Hauses ohne triftigen Grund untersagte, verstieß aus Sicht des Gerichts gegen das Übermaßverbot und damit gegen den Verhältnismäßigkeitsgrundsatz. Zwar sei die Maßnahme geeignet, Infektionen zu verhindern. Sie müsse jedoch auch erforderlich sein.
Der Verordnungsgeber habe von mehreren zur Verfügung stehenden, geeigneten Mitteln das jeweils mildeste zu wählen, um den angestrebten Zweck zu erreichen. Dafür kämen hier auch andere Kontaktbeschränkungen in Frage. Es sei unklar, warum "das Verweilen alleine oder mit den Personen seines Haushalts im Freien außerhalb der eigenen Wohnung" einer Ausgangsbeschränkung unterworfen worden sei. Es könne nicht einfach davon ausgegangen werden, dass einzelne Personen automatisch zu Menschenansammlungen im Freien führten und sich Bürger generell nicht an die Regeln hielten. Die vom Freistaat vertretene Auffassung, dass die restriktivere Maßnahme immer die effektivere sei, könne nicht geteilt werden. Da ein Verbot des Aufenthalts im Freien auch allein oder mit Mitgliedern des eigenen Hausstands zur Eindämmung von Infektionen nicht erforderlich gewesen sei, verstoße die Regelung gegen das Verhältnismäßigkeitsgebot (Beschluss vom 04.10.2021, Az. 20 N 20.767).
Die Bayerische Landesregierung hat angekündigt, gegen diese Entscheidung Rechtsmittel einzulegen. Auch das Bundesverwaltungsgericht wird sich nun also mit der ehemaligen bayerischen Ausgangssperre zu beschäftigen haben.
Update 8.12.2021: Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts zur Bundes-Notbremse
Am 30.11.2021 hat das Bundesverfassungsgericht zur sogenannten Bundes-Notbremse entschieden, die im April 2021 für zwei Monate eingeführt wurde und Ausgangsbeschränkungen bei Nacht und Kontaktbeschränkungen vorsah. Verstöße wurden mit Bußgeldern geahndet; die Maßnahmen traten bei Erreichen bestimmter Inzidenzwerte in Kraft.
Das Bundesverfassungsgericht hat die Bundes-Notbremse für verfassungsgemäß erklärt. Die Kontakt- und die Ausgangsbeschränkungen seien in der äußersten Gefahrenlage der Pandemie mit dem Grundgesetz vereinbar gewesen. Der Verhältnismäßigkeitsgrundsatz sei trotz des erheblichen Grundrechtseingriffs gewahrt worden.
Kontaktbeschränkungen seien ein geeignetes Mittel, um Menschen vor einer Infektionskrankheit zu schützen. Sie seien in der konkreten Situation auch erforderlich gewesen. Andere, mildere Mittel mit gleichen Erfolgsaussichten hätten zum entsprechenden Zeitpunkt nicht zur Verfügung gestanden. Auch hätten der mit der Maßnahme verfolgte Zweck und die zu erwartende Zweckerreichung nicht außer Verhältnis zur Schwere des Eingriffs gestanden. Das Gericht wies damit insgesamt sieben Verfassungsbeschwerden gegen die Regelung ab (Beschluss vom 19.11.2021, Az. 1 BvR 781/21 u. a.).
Praxistipp
Eine Ausgangssperre ist ein Mittel, das nur im Notfall angewendet wird. Beratung über Fragen, die mit behördlichen Anordnungen zu tun haben, erteilt ein Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht.
(Ma)