Darf das Pflegeheim einseitig die Preise erhöhen?

25.02.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
Mann,Pflegerin Heimbetreiber dürfen nicht ohne weiteres die Preise erhöhen. © - freepik

Pflegeheime sind nicht gerade billig. Um so ärgerlicher ist es, wenn nach dem Einzug auch noch die Preise erhöht werden. Vor einiger Zeit hat der Bundesgerichtshof über die Wirksamkeit solcher Preiserhöhungen entschieden.

Das Verhältnis zwischen dem Heim und den einzelnen Bewohnern ist in Pflegeheimen und Altenheimen durch sogenannte Heimverträge geregelt. Diese enthalten nicht nur Regelungen über das Wohnen im Heim, sondern auch über dessen Leistungen. Dabei geht es zum Beispiel darum, in welchem Umfang eine Pflege oder Betreuung stattfinden soll. Es gibt gesetzliche Vorgaben für derartige Verträge. Sie müssen unter anderem in Schriftform geschlossen werden (mit eigenhändiger Unterschrift). Der vom Bewohner zu zahlende Betrag muss im Vertrag klar geregelt sein, ebenso der Leistungsumfang des Heimträgers. Auch muss das Entgelt in angemessenem Verhältnis zu den Leistungen stehen. Der Träger des Heims muss das Entgelt für alle Bewohner nach den gleichen Grundsätzen berechnen.

Welches Gesetz gilt für Pflegeheime?


Lange Zeit war das Heimgesetz entscheidend. Es enthielt grundsätzliche Regelungen über Heime – wie das Recht der Bewohner auf Mitbestimmung oder die behördliche Heimaufsicht. Alten- und Pflegeheime werden nämlich überwacht – von der Heimaufsicht. Dies ist eine Behörde der örtlichen Gemeinde, bei welcher sich die Heime auch registrieren lassen müssen.

Aber: Mittlerweile sind die Vorschriften des bundesweiten Heimgesetzes durch Landesrecht der Bundesländer ersetzt worden. Den Heimvertrag regelt seit 2009 nicht mehr das Heimgesetz, sondern das bundesweite Wohn- und Betreuungsvertragsgesetz (WBVG). Dessen Ziel war eine Stärkung der Rechte der Heimbewohner. Das WBVG ist auf herkömmliche Alten- und Pflegeheime anzuwenden und außerdem auf typische Arten des Betreuten Wohnens. Nicht anwendbar ist es jedoch auf die Varianten des "Servicewohnens". Bei diesen stellt der Betreiber hauptsächlich den Wohnraum zur Verfügung, während Drittanbieter dann weitere Leistungen wie etwa Pflege erbringen.

Was sagt das Gesetz zum Thema Preiserhöhung?


Nach § 9 des Wohn- und Betreuungsvertragsgesetzes kann der Heimbetreiber durchaus eine Erhöhung der Vergütung verlangen, wenn sich die Berechnungsgrundlage geändert hat. Allerdings müssen sowohl das erhöhte Entgelt als auch die Erhöhung selbst immer noch angemessen sein. Preiserhöhungen für die Finanzierung von Investitionen darf es nur geben, soweit sie nach der Art des Betriebs notwendig sind und nicht durch öffentliche Fördergelder gedeckt werden.

Der Heimunternehmer muss den Bewohnern die Erhöhung schriftlich mitteilen und sie ausführlich begründen.

Dabei hat er folgende Angaben zu machen:

- den Zeitpunkt, zu dem die Erhöhung wirksam werden soll,
- die Positionen, für die die Kosten gestiegen sind, mit Vergleich der alten und der neuen Kostenbestandteile,
- den Umlagemaßstab, mit dem die Kosten auf die Bewohner verteilt werden.

Die Bewohner haben das Recht, Einsicht in die Kalkulationsunterlagen zu nehmen. Diese Einsichtnahme muss Ihnen der Unternehmer rechtzeitig gewähren. Das erhöhte Entgelt schulden sie ihm dann frühestens vier Wochen nach Erhalt des ausreichend begründeten Erhöhungsverlangens.

Der Fall: Einseitige Erhöhung vertraglich geregelt


Vor dem Bundesgerichtshof wurde der Fall eines Pflegeheim-Betreibers verhandelt, der sich in seinem Heimvertrag das Recht vorbehalten hatte, seine Preise für Pflege, Unterbringung, Betreuung, Verpflegung und Investitionskostenpauschalen einseitig zu erhöhen, sofern sich während der Vertragslaufzeit die Berechnungsgrundlage ändern sollte. Solche Klauseln sind nicht ungewöhnlich – sie finden sich in ähnlicher Form in vielen Heimverträgen. Allerdings ging nun der Bundesverband der Verbraucherzentralen gerichtlich dagegen vor.

Preiserhöhung im Pflegeheim: Wie hat der BGH entschieden?


Der Bundesgerichtshof entschied zu Gunsten der Heimbewohner. Nach dem Urteil darf das Heim nicht einfach einseitig die Gebühren erhöhen, wenn die Kosten gestiegen sind. Der Heimvertrag ist dem BGH zufolge ein eigenständiger Vertragstyp. Auf ihn sind die herkömmlichen Regeln für Verträge anwendbar.
Im Klartext: Für Abschluss und Änderung eines Vertrages braucht man die Zustimmung beider Seiten.

§ 9 des WBVG besagt laut Gericht nichts anderes. Der Betreiber des Heims dürfe zwar eine Erhöhung verlangen, jedoch nicht direkt einseitig auch mehr Geld. Zuerst müsse der einzelne Bewohner der verlangten Erhöhung zugestimmt haben – wie bei jedem normalen Mietvertrag auch.

Der Betreiber könne zwar auf diese Zustimmung des Bewohners einen Rechtsanspruch haben. Dies setze jedoch voraus, dass die Erhöhung alle gesetzlichen Voraussetzungen erfülle. Die hier verwendete Vertragsklausel erfülle jedoch nicht die üblichen Anforderungen an Allgemeine Geschäftsbedingungen. Daher sei sie unwirksam.

Welche Anforderungen sind an die Zustimmung zu stellen?


Nach dem Bundesgerichtshof muss die Zustimmung des Heimbewohners nicht unbedingt ausdrücklich oder schriftlich erteilt werden. Dies könne durchaus sogar stillschweigend passieren – etwa einfach durch Zahlung der erhöhten Gebühr über einen längeren Zeitraum. Stimme der Heimbewohner jedoch in keiner Weise zu, werde eine einseitige Erhöhung auch nicht wirksam. In diesem Fall müsse der Heimbetreiber den Bewohner erst gerichtlich auf Zustimmung zur Erhöhung verklagen.

Abschließend erklärte der Bundesgerichtshof, dass es bei alledem nicht darauf ankomme, ob der Heimbewohner für seine Heimgebühr selbst oder mit Hilfe der Sozialversicherung aufkomme (Urteil vom 12.5.2016, Az. III ZR 279/15).

Neues Urteil: Reservierungsgebühren sind unzulässig


2021 hat der Bundesgerichtshof ein weiteres interessantes Urteil für Heimbewohner gefällt: Reservierungsgebühren, die für die Zeit bis zum Einzug erhoben werden, sind nicht erlaubt. Dies gilt für gesetzlich Versicherte ebenso wie für privat Versicherte: Heimgebühren dürfen erst dann kassiert werden, wenn der Betreffende tatsächlich im Heim wohnt. In diesem Fall waren für eine Reservierungszeit von 14 Tagen über 1.100 Euro Reservierungsgebühr verlangt worden (Urteil vom 15.7.2021, Az. III ZR 225/20).

Praxistipp


Ein Pflegeheim-Betreiber darf nicht einseitig die Preise erhöhen, weil sich seine Kosten erhöht haben. Er hat dabei gesetzliche Vorgaben zu beachten und zuerst die Zustimmung der Bewohner einzuholen. Diese kann er notfalls auch einklagen, jedoch nur, wenn er sich an alle gesetzlichen Regeln gehalten hat. In solchen Fällen kann ein Fachanwalt für Sozialrecht die Verträge und die Erhöhungsforderung prüfen und Rat für den konkreten Fall erteilen.

(Wk)


 Günter Warkowski
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