Darf die Eigentümerversammlung einen Grundstückskauf beschließen?
11.05.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Über die Angelegenheiten einer Wohnungseigentümergemeinschaft entscheidet die Eigentümerversammlung. Worüber die Eigentümer abstimmen dürfen, ist im Wohnungseigentumsgesetz (WEG) geregelt. Darüber können jedoch auch Vereinbarungen getroffen werden. Üblicherweise kann zum Beispiel über die Aufstellung einer Hausordnung abgestimmt werden, über die ordnungsgemäße Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums, den
Abschluss einer Feuerversicherung für das gemeinschaftliche Eigentum oder auch über bauliche Veränderungen. Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes vom 1. Dezember 2020 ist in der Regel ein einfacher Mehrheitsbeschluss ausreichend.
Bisher waren für verschiedene Beschlussgegenstände unterschiedliche Quoren vorgeschrieben. So mussten einer baulichen Veränderung am Haus alle davon betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen - oft waren dies alle, die es gab. Nach § 25 WEG ist nun der gesetzliche Normalfall der Mehrheitsbeschluss, bei dem jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat.
Dieses Kopfprinzip kann durch die Gemeinschaftsordnung abgeändert werden: Dann richtet sich das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen (Wertprinzip) oder jedem Teileigentum wird eine Stimme zugeordnet (Einheitsprinzip). Entsprechende Vereinbarungen, die vor der Reform getroffen wurden, behalten ihre Gültigkeit.
Gesetzlich ist dieser Begriff nicht definiert. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft gehören viele Aufgabenbereiche, über die entschieden werden muss, um eine Wohnanlage sinnvoll zu bewirtschaften. Nach § 19 Abs. 2 WEG gehören einige Aufgaben in jedem Fall zur ordnungsgemäßen Verwaltung, nämlich die Aufstellung einer Hausordnung, die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder die angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums. Von einem Grundstückskauf durch die WEG ist jedoch nirgendwo die Rede.
Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich - schon vor der großen Reform des Wohnungseigentumsgesetzes - mit dem Fall einer Eigentümergemeinschaft mit 31 Wohneinheiten. Deren Problem: Auf dem Grundstück gab es nur sechs Autostellplätze, die sechs Wohnungen zugeordnet waren. Die Eigentümer der anderen Wohnungen nutzten Stellplätze auf einem Nachbargrundstück. Früher hatte dieses der gleichen Eigentümerin wie das Grundstück der Eigentümergemeinschaft gehört. Die Nutzung der Stellplätze war durch eine öffentlich-rechtliche Baulast abgesichert. Mittlerweile hatte jedoch das Nachbargrundstück den Eigentümer gewechselt. Der neue Eigentümer wollte die Nutzung der Parkplätze durch die Nachbarn nicht mehr dulden. Er bot der Eigentümergemeinschaft aber den Parkplatz zum Kauf an.
Die Eigentümerversammlung entschied mit Stimmenmehrheit, das Nachbargrundstück für 75.000 Euro zu erwerben. Den Kaufpreis sollten nicht alle Eigentümer zu gleichen Teilen tragen. Vielmehr sollten 15 Prozent des Kaufpreises alle Eigentümer nach Wohneinheiten und 85 Prozent die Eigentümer der Wohnungen 1 bis 25 als Nutzer der Stellplätze auf dem Nachbargrundstück bezahlen. Mit diesem Vorgehen war jedoch eine Wohnungseigentümerin nicht einverstanden. Sie zog vor Gericht und erhob eine Anfechtungsklage, um den Beschluss der Eigentümerversammlung für nichtig erklären zu lassen. Sie war der Meinung, dass die Versammlung hier über etwas abgestimmt hatte, über das sie gar nicht hätte abstimmen dürfen.
Wie schon die Vorinstanz – das Landgericht Bremen – hat auch der Bundesgerichtshof bei der Revision die Klage abgewiesen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft sei teilrechtsfähig und könne grundsätzlich durchaus das Nachbargrundstück kaufen.
Auch entspreche der Beschluss der Eigentümerversammlung ordnungsgemäßer Verwaltung, da das Nachbargrundstück von Anfang an und dauerhaft von den Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft genutzt worden sei. Seit Gründung der Gemeinschaft habe die Fläche als deren Parkplatz gedient. Sie sei erforderlich, um die baurechtlich erforderliche Anzahl von Stellplätzen für die Wohnanlage nachweisen zu können.
Allerdings gewähre die bestehende Baulast den Grundstückseigentümern kein Nutzungsrecht und verpflichte den Eigentümer des Nachbargrundstücks auch nicht zur Duldung der Nutzung. Daher habe die Eigentümerversammlung lediglich klare Rechtsverhältnisse geschaffen, um einen von Anfang an bestehenden Zustand abzusichern. Auch den von der Versammlung festgesetzten Kostenschlüssel sah das Gericht als vollkommen in Ordnung an (BGH, Urteil vom 18. März 2016, Az. V ZR 75/15).
Zwar wurde das Urteil noch nach dem alten Gesetz gefällt. Trotzdem: Die Argumentation des BGH dürfte auch nach der neuen Rechtslage Bestand haben, insbesondere, da es hier nicht um das Abstimmungsverfahren ging, sondern um die Bewertung der Entscheidung als Teil einer ordnungsgemäßen Verwaltung.
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft kommt es oft zu Streitigkeiten etwa über die Wirksamkeit von Beschlüssen der Eigentümerversammlung. In diesem Fall ist es ratsam, einen Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht zu konsultieren.
Kann ein Grundstückskauf durch eine Wohnungseigentümergemeinschaft im Rahmen der ordnungsgemäßen Verwaltung zulässig sein? Mit dieser Frage hat sich vor einigen Jahren der Bundesgerichtshof befasst.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was muss man zum Abstimmungsverfahren wissen? Was bedeutet "ordnungsgemäße Verwaltung?" Fall vor dem BGH: Ankauf eines benachbarten Parkplatzes Welchen umstrittenen Beschluss fasste die Eigentümerversammlung? War der Beschluss aus Sicht der Gerichte wirksam? Ändert die neue Rechtslage etwas? Praxistipp Abschluss einer Feuerversicherung für das gemeinschaftliche Eigentum oder auch über bauliche Veränderungen. Seit der Reform des Wohnungseigentumsgesetzes vom 1. Dezember 2020 ist in der Regel ein einfacher Mehrheitsbeschluss ausreichend.
Was muss man zum Abstimmungsverfahren wissen?
Bisher waren für verschiedene Beschlussgegenstände unterschiedliche Quoren vorgeschrieben. So mussten einer baulichen Veränderung am Haus alle davon betroffenen Wohnungseigentümer zustimmen - oft waren dies alle, die es gab. Nach § 25 WEG ist nun der gesetzliche Normalfall der Mehrheitsbeschluss, bei dem jeder Wohnungseigentümer eine Stimme hat.
Dieses Kopfprinzip kann durch die Gemeinschaftsordnung abgeändert werden: Dann richtet sich das Stimmrecht nach Miteigentumsanteilen (Wertprinzip) oder jedem Teileigentum wird eine Stimme zugeordnet (Einheitsprinzip). Entsprechende Vereinbarungen, die vor der Reform getroffen wurden, behalten ihre Gültigkeit.
Was bedeutet "ordnungsgemäße Verwaltung?"
Gesetzlich ist dieser Begriff nicht definiert. Zur ordnungsgemäßen Verwaltung einer Wohnungseigentümergemeinschaft gehören viele Aufgabenbereiche, über die entschieden werden muss, um eine Wohnanlage sinnvoll zu bewirtschaften. Nach § 19 Abs. 2 WEG gehören einige Aufgaben in jedem Fall zur ordnungsgemäßen Verwaltung, nämlich die Aufstellung einer Hausordnung, die ordnungsmäßige Erhaltung des gemeinschaftlichen Eigentums oder die angemessene Versicherung des gemeinschaftlichen Eigentums. Von einem Grundstückskauf durch die WEG ist jedoch nirgendwo die Rede.
Fall vor dem BGH: Ankauf eines benachbarten Parkplatzes
Der Bundesgerichtshof beschäftigte sich - schon vor der großen Reform des Wohnungseigentumsgesetzes - mit dem Fall einer Eigentümergemeinschaft mit 31 Wohneinheiten. Deren Problem: Auf dem Grundstück gab es nur sechs Autostellplätze, die sechs Wohnungen zugeordnet waren. Die Eigentümer der anderen Wohnungen nutzten Stellplätze auf einem Nachbargrundstück. Früher hatte dieses der gleichen Eigentümerin wie das Grundstück der Eigentümergemeinschaft gehört. Die Nutzung der Stellplätze war durch eine öffentlich-rechtliche Baulast abgesichert. Mittlerweile hatte jedoch das Nachbargrundstück den Eigentümer gewechselt. Der neue Eigentümer wollte die Nutzung der Parkplätze durch die Nachbarn nicht mehr dulden. Er bot der Eigentümergemeinschaft aber den Parkplatz zum Kauf an.
Welchen umstrittenen Beschluss fasste die Eigentümerversammlung?
Die Eigentümerversammlung entschied mit Stimmenmehrheit, das Nachbargrundstück für 75.000 Euro zu erwerben. Den Kaufpreis sollten nicht alle Eigentümer zu gleichen Teilen tragen. Vielmehr sollten 15 Prozent des Kaufpreises alle Eigentümer nach Wohneinheiten und 85 Prozent die Eigentümer der Wohnungen 1 bis 25 als Nutzer der Stellplätze auf dem Nachbargrundstück bezahlen. Mit diesem Vorgehen war jedoch eine Wohnungseigentümerin nicht einverstanden. Sie zog vor Gericht und erhob eine Anfechtungsklage, um den Beschluss der Eigentümerversammlung für nichtig erklären zu lassen. Sie war der Meinung, dass die Versammlung hier über etwas abgestimmt hatte, über das sie gar nicht hätte abstimmen dürfen.
War der Beschluss aus Sicht der Gerichte wirksam?
Wie schon die Vorinstanz – das Landgericht Bremen – hat auch der Bundesgerichtshof bei der Revision die Klage abgewiesen. Die Wohnungseigentümergemeinschaft sei teilrechtsfähig und könne grundsätzlich durchaus das Nachbargrundstück kaufen.
Auch entspreche der Beschluss der Eigentümerversammlung ordnungsgemäßer Verwaltung, da das Nachbargrundstück von Anfang an und dauerhaft von den Mitgliedern der Eigentümergemeinschaft genutzt worden sei. Seit Gründung der Gemeinschaft habe die Fläche als deren Parkplatz gedient. Sie sei erforderlich, um die baurechtlich erforderliche Anzahl von Stellplätzen für die Wohnanlage nachweisen zu können.
Allerdings gewähre die bestehende Baulast den Grundstückseigentümern kein Nutzungsrecht und verpflichte den Eigentümer des Nachbargrundstücks auch nicht zur Duldung der Nutzung. Daher habe die Eigentümerversammlung lediglich klare Rechtsverhältnisse geschaffen, um einen von Anfang an bestehenden Zustand abzusichern. Auch den von der Versammlung festgesetzten Kostenschlüssel sah das Gericht als vollkommen in Ordnung an (BGH, Urteil vom 18. März 2016, Az. V ZR 75/15).
Ändert die neue Rechtslage etwas?
Zwar wurde das Urteil noch nach dem alten Gesetz gefällt. Trotzdem: Die Argumentation des BGH dürfte auch nach der neuen Rechtslage Bestand haben, insbesondere, da es hier nicht um das Abstimmungsverfahren ging, sondern um die Bewertung der Entscheidung als Teil einer ordnungsgemäßen Verwaltung.
Praxistipp
In einer Wohnungseigentümergemeinschaft kommt es oft zu Streitigkeiten etwa über die Wirksamkeit von Beschlüssen der Eigentümerversammlung. In diesem Fall ist es ratsam, einen Fachanwalt für Miet- und Wohnungseigentumsrecht zu konsultieren.
(Bu)