Darf ein Arzt (ungeimpfte) Patienten ablehnen?

08.12.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Arzt,Corona,Impfung,Behandlungspflicht Es gibt nur wenige Fälle, in denen ein Arzt die Behandlung verweigern darf. © - freepik

Immer wieder liest man in den Medien Meldungen über Ärzte, die nur noch gegen Corona geimpfte, genesene oder getestete, aber keine ungeimpften Patienten mehr behandeln wollen. Aber: Ist dies rechtlich überhaupt zulässig?

Einige niedergelassenen Ärzte reagieren gegenüber ungeimpften Zeitgenossen sehr verständnislos. Sie verkünden deshalb ungeimpfte Patienten nicht mehr behandeln zu wollen, oder entsprechend der 3-G-Regel nur noch Geimpfte, Genesene oder Getestete. Begründet wird dies unter anderem mit dem Schutz anderer Patienten und des eigenen Personals vor Infektionen, oder schlicht heraus damit, dass es "unsolidarisch" sei, sich nicht impfen zu lassen. Aber ist eine Ablehnung aus diesen Gründen überhaupt erlaubt? Wann darf ein Arzt überhaupt Patienten ablehnen - und zwar auch unabhängig von Corona? Und welche Voraussetzungen gibt es für die Ablehnung?

Dürfen gesetzlich versicherte Patienten abgelehnt werden?


Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen sind grundsätzlich dazu verpflichtet, gesetzlich Krankenversicherte zu behandeln. Rechtsgrundlage ist der sogenannte Bundesmantelvertrag für Ärzte (BMA-Ä). § 13 Abs. 7 Satz 3 dieses Vertragswerkes besagt, dass ein Vertragsarzt die Behandlung eines Patienten nur in begründeten Fällen ablehnen darf.

Was unter einem solchen begründeten Fall zu verstehen ist, hat das Bundessozialgericht 2001 entschieden. Demnach soll ein solcher Grund vorliegen, wenn das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gestört ist (Urteil vom 14.3.2001, Az. B 6 KA 54/00). Ob dies der Fall ist, richtet sich nach dem Einzelfall.

Natürlich begründen einige Ärzte ihre Weigerung, nicht gegen Corona geimpfte Patienten zu behandeln, mit einem solchen Verlust des Vertrauens: Denn diese Patienten wollen der ärztlichen Empfehlung, sich impfen zu lassen, nicht nachkommen und stellen damit die Kompetenz ihres Arztes in Frage. Ob dies jedoch wirklich als Begründung ausreicht, ist fraglich - zumal das Vertrauensverhältnis ja nur hinsichtlich der Erforderlichkeit der Corona-Impfung beeinträchtigt ist.

Wann ist eine Behandlungsablehnung durch einen Arzt eindeutig zulässig?


Ein "begründeter Fall" der Ablehnung liegt vor, wenn die Praxis schlicht überlastet ist und weitere Patienten nicht mehr betreut werden können. Dies gilt nicht bei Vorliegen eines akuten medizinischen Notfalls.
Eine Weigerung des Arztes ist übrigens auch zulässig, wenn sich ein volljähriger (gesetzlich versicherter) Patient weigert, seine Versichertenkarte vorzulegen.

Was sagen die Kassenärztlichen Vereinigungen zur Ablehnung eines Patienten?


Verschiedene Kassenärztliche Vereinigungen haben darauf hingewiesen, dass Kassenärzte nach ihrer Auslegung des Bundesmantelvertrages nicht dazu berechtigt sind, die Behandlung von ungeimpften gesetzlich versicherten Patienten zu verweigern. Es liege keine Störung des Vertrauensverhältnisses vor, weil ein Patient nicht geimpft sei.

Zum Teil wird in diesem Zusammenhang auch darauf verwiesen, dass der Gesetzgeber sich noch nicht zu einer allgemeinen Impfpflicht durchgerungen habe und es nicht Sache der Ärzte sei, hier eine eigene Wertung zu treffen und bei fehlender Impfung von einem gestörten Vertrauensverhältnis auszugehen. Nun ist es jedoch mittlerweile nicht mehr unwahrscheinlich, dass eine allgemeine Impfpflicht eingeführt wird. Zumindest eine Impfpflicht für Pflegekräfte und medizinisches Personal dürfte ab März 2022 gelten. Es bleibt abzuwarten, ob die Kassenärztlichen Vereinigungen bei Einführung einer Impfpflicht ihre Ansicht ändern. Zu berücksichtigen wird insoweit sein, dass das Vertrauensverhältnis nur in einem Punkt, nämlich die Corona-Impfung betreffend, gestört ist, in anderer Hinsicht dagegen nicht. Der Anlass des Arztbesuchs wird aber mit der fehlenden Impfung nichts zu tun haben, weder aus Sicht des Patienten, noch der des Arztes.

Dürfen Privatpatienten vom Arzt abgelehnt werden?


Bei Privatpatienten gilt der Bundesmantelvertrag nicht. Hier steht der Behandlungsvertrag zwischen Arzt und Patient im Vordergrund. Und es gilt Vertragsfreiheit: Niemand wird gezwungen, einen Vertrag mit jemand anderem abzuschließen. Hier dürfen sich die Ärzte daher weigern, bestimmte Patienten zu behandeln. Ausnahme: Es liegt ein medizinischer Notfall vor.

Ein Urteil des Kammergerichts Berlin - ohne Coronabezug von 2009 - beschäftigte sich mit der Frage, ob ein Zahnarzt die Behandlung einer Patientin abbrechen - also den Behandlungsvertrag kündigen darf. Das Gericht lehnte hier eine Schadensersatzklage gegen den Zahnarzt ab: Ein Behandlungsvertrag könne jederzeit von beiden Seiten ohne wichtigen Grund gekündigt werden. Ein Schadensersatzanspruch setze voraus, dass die Kündigung zur Unzeit erfolge oder der Patient nicht die Möglichkeit habe, einen anderen Arzt aufzusuchen (Urteil vom 4.6.2009, Az. 20 U 49/07).

Allerdings ist eine solche Kündigung nur bei Privatpatienten möglich. Bei Kassenpatienten gelten wieder die Regeln des Bundesmantelvertrages: Eine Verweigerung der Behandlung ist nur in begründeten Fällen zulässig. Aus Sicht des Bundessozialgerichts sind dies Ausnahmefälle und die Klausel eng auszulegen.

Frage nach der Impfung: Was gilt aus Sicht des Datenschutzes?


Die Kassenärztliche Vereinigung Niedersachsen (KVN) gibt auf ihrer Homepage auch zu bedenken, dass der Datenschutz einer Behandlungs-Verweigerung entgegenstehen könnte: Es existiere keine ausdrückliche Rechtsgrundlage dafür, dass ein Arzt von seinen Patienten Auskunft über eine Corona-Impfung verlangen dürfe.

Die KVN weist aber darauf hin, dass es durchaus Fälle geben könne, in denen dies anders aussehen kann: Zum Beispiel, wenn der Arzt besonders sensible Patientengruppen behandelt, etwa Palliativpatienten, oder wenn er womöglich aus medizinischen Gründen selbst nicht gegen das Coronavirus geimpft ist.

Praxistipp


Ohne Weiteres dürfen Vertragsärzte der gesetzlichen Krankenkassen keine Patienten ablehnen - auch keine ungeimpften. Sehr wahrscheinlich werden sich noch die Gerichte damit befassen müssen, ob eine fehlende Impfung bereits auf ein gestörtes Vertrauensverhältnis hindeutet. Aus Sicht der Kassenärztlichen Vereinigungen ist dies in der Regel derzeit nicht der Fall. Beratung zu Rechtsfragen rund um das Verhältnis Arzt und Patient finden Sie bei einem Fachanwalt für Medizinrecht.

(Bu)


 Stephan Buch
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