Das Trennungsjahr und die sogenannte Härtefallscheidung
23.09.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Viele scheidungswillige Ehepaare wundern sich, dass sie nicht gleich nach ihrer Trennung die Scheidung einreichen können. Was ist das sogenannte Trennungsjahr und welchen Sinn hat es?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Wie lautet die gesetzliche Regelung zum Trennungsjahr? Wann verlängert sich die Trennungszeit? Was versteht man unter einer Härtefallscheidung? Welche Kriterien machen einen Härtefall unzumutbar? Beispiele für eine unzumutbare Härte Praxistipp zu Trennungsjahr und Härtefallscheidung Wie lautet die gesetzliche Regelung zum Trennungsjahr?
Das Trennungsjahr beruht auf § 1565 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Dort hat der Gesetzgeber festgelegt, dass eine Ehe nicht geschieden werden kann, wenn die Ehegatten noch nicht ein Jahr voneinander getrennt leben.
Der Grund dafür ist: Die Eheleute sollen ausreichend Zeit haben, um sich zu überlegen, ob es ihnen mit der Scheidung wirklich ernst ist. Es kommt nämlich gar nicht so selten vor, dass sich ein Paar nach einem üblen Streit und einer gewissen Zeit der Trennung wieder versöhnt und die Ehe fortsetzen möchte. Außerdem ist eine Ehe nun mal eine wichtige Lebensentscheidung, welche diverse rechtliche Folgen hat. Auch bei deren Beendigung ist es daher wichtig, dass sich die Ehepartner wirklich sicher sind.
Der Wortlaut der Vorschrift:
§ 1565 Scheitern der Ehe
(1) Eine Ehe kann geschieden werden, wenn sie gescheitert ist. Die Ehe ist gescheitert, wenn die Lebensgemeinschaft der Ehegatten nicht mehr besteht und nicht erwartet werden kann, dass die Ehegatten sie wiederherstellen.
(2) Leben die Ehegatten noch nicht ein Jahr getrennt, so kann die Ehe nur geschieden werden, wenn die Fortsetzung der Ehe für den Antragsteller aus Gründen, die in der Person des anderen Ehegatten liegen, eine unzumutbare Härte darstellen würde.
Wann verlängert sich die Trennungszeit?
Es kommt auch vor, dass sich nur einer der Ehepartner scheiden lassen will und der andere nicht. In diesem Fall gilt die Regel zum Trennungsjahr nicht. Stattdessen greift § 1566 Abs. 2 BGB: Eine Ehe gilt nach drei Jahren Trennung in jedem Fall als gescheitert. Dann kann sie geschieden werden.
Was versteht man unter einer Härtefallscheidung?
Natürlich gibt es auch einen Ausnahmefall. Eine sogenannte Härtefallscheidung nach § 1565 Abs. 2 BGB macht die Scheidung einer Ehe bereits vor Ablauf des Trennungsjahres möglich. Voraussetzung ist, dass das Fortbestehen der Ehe eine unzumutbare Härte für den Ehepartner darstellt, der die Scheidung will. Allerdings müssen dafür schon Umstände von erheblicher Bedeutung vorliegen und nicht nur normaler Streit. An diese Umstände stellen die Gerichte hohe Anforderungen.
Die Härtefallgründe müssen nicht unbedingt zum Scheitern der Ehe geführt haben. Sie müssen in der Person des Partners liegen, auch wenn nicht unbedingt ein Verschulden verlangt wird. In der Regel sind jedoch schuldhafte Verhaltensweisen ein gutes Argument für das Vorliegen einer unzumutbaren Härte.
Welche Kriterien machen einen Härtefall unzumutbar?
Eine unzumutbare Härte muss sich auf das Fortbestehen der Ehe beziehen, also darauf, weiter miteinander verheiratet zu bleiben. Dies muss man jedoch unterscheiden von der Unzumutbarkeit der Fortsetzung der ehelichen Lebensgemeinschaft, also des Zusammenlebens an sich. Dies zeigt bereits, dass ganz erhebliche Verfehlungen oder andere Härteumstände vorliegen müssen, damit man von einer unzumutbaren Härte ausgehen kann. Es muss also für denjenigen Ehepartner, der sich darauf beruft, vollkommen unerträglich sein, mit der Scheidung noch bis zum Ablauf des Trennungsjahres zu warten.
Dabei kommt es nicht nur auf das subjektive, persönliche Empfinden an. Die persönlich empfundene Härte muss auch nach ganz objektiven Gesichtspunkten dazu führen, dass eine Fortsetzung der Ehe unzumutbar ist. Das Gericht entscheidet individuell für jeden Einzelfall, ob es sich objektiv um einen Härtefall handelt. Die Härtefallscheidung soll nach dem Willen des Gesetzgebers ein echter Ausnahmefall zur Scheidung nach Ablauf des Trennungsjahres sein. Der Gesetzgeber will erreichen, dass eine Scheidung vor Ablauf des Trennungsjahres nicht völlig unmöglich ist, aber doch deutlich erschwert wird. Ein normales Scheitern der Ehe gilt in keinem Fall als Härtegrund.
Beispiele für eine unzumutbare Härte
Hier kommen einige Beispiele – Fälle, in denen Gerichte eine unzumutbare Härte angenommen oder abgelehnt haben.
Der häufigste Fall, in dem Eheleute selbst an unzumutbare Härte glauben, ist Untreue. Früher haben die Gerichte darin auch eine unzumutbare Härte gesehen. Dies hat sich jedoch inzwischen durch den Wandel der Sittlichkeits- und Moralvorstellungen geändert. Nicht einmal das andauernde eheähnliche Zusammenleben des einen Ehegatten mit einem neuen Partner gilt heute als ausreichend für einen Härtefall, sofern nicht zusätzliche tiefgreifende oder entwürdigende Umstände hinzukommen.
Wird eine Frau jedoch beim Fremdgehen schwanger, stellt dies sehr wohl einen Härtegrund dar. Der Grund: Wird ein Kind in der Ehe geboren, gilt es per Gesetz erst einmal als Kind des Ehemannes und dieser muss Unterhalt leisten (OLG Hamm, Urteil vom 16.6.14, Az. 8 WF 106/14). Auch das OLG Frankfurt/M. hat entsprechend entschieden (Beschluss vom 6.6.2005, Az. 1 WF 89/05).
Ein Grund für eine Härtefallscheidung kann bei Untreue auch vorliegen, wenn das ehebrecherische Verhältnis bereits vor der Trennung jahrelang bestanden hat oder wenn nach der Trennung eine Tätigkeit als Prostituierte begonnen wird (letzteres entschieden vom Hanseatischen OLG in Bremen, Urteil vom 26.9.1995, Az. 5 WF 66/95).
Nicht als unzumutbare Härte sehen die Gerichte die Hinwendung zu einem homosexuellen Partner ohne weitere erschwerende Umstände an (OLG Nürnberg, Beschluss vom 28.12.2006, Az. 10 WF 1526/06).
Anerkannte Fälle einer unzumutbaren Härte sind besonders schwere Beleidigungen oder körperliche Tätlichkeiten. Bei letzteren lehnen allerdings manche Gerichte wieder eine unzumutbare Härte ab, wenn sie aus dem Affekt heraus begangen wurden, also zum Beispiel einmalig bei einem Streit (AG Kitzingen, Beschluss vom 15.6.2005, Az. 2 F 187/05). Dabei kommt es wieder sehr auf den Einzelfall an.
Droht ein Ehemann wiederholt auch gegenüber Dritten damit, seine Frau umzubringen, ist dies ein Grund für eine Härtefallscheidung (Brandenburgisches OLG, Urteil vom 18.1.2001, Az. 9 UF 166/00).
Auch eine Alkohol- oder Drogenabhängigkeit kann einen Härtegrund darstellen, wenn der betreffende Ehepartner entsprechende Therapien verweigert oder die Sucht mit wirtschaftlicher Not oder Gewalt verbunden ist.
In jedem Fall berücksichtigen die Gerichte die besonderen Umstände der Ehe. Hat sich also das Eheleben in ungewöhnlichen Verhältnissen abgespielt, müssen die außergewöhnlichen Umstände für die Härtefallscheidung noch außergewöhnlicher sein.
Praxistipp zu Trennungsjahr und Härtefallscheidung
Nur in Ausnahmefällen gehen die Familiengerichte von einer unzumutbaren Härte aus. In den allermeisten Fällen wird das weitere Festhalten an der Ehe als zumutbar angesehen – zumindest bis zum Ablauf des Trennungsjahres. Dabei betrachten die Gerichte jeden Einzelfall sehr genau und beurteilen die konkrete Situation. Streben Sie selbst eine Härtefallscheidung an? Dann empfiehlt sich eine Beratung bei einem Fachanwalt für Familienrecht. Dieser kann Ihren individuellen Fall am besten beurteilen.
(Ma)