Demonstrationen und Kundgebungen: Ist eine unangemeldete Versammlung illegal?

18.01.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
Versammlung,Demostration,Anmeldung,Versammlungsrecht Demonstrationen und Versammlungen: Was muss man rechtlich dazu wissen? © - freepik

Immer wieder hört man von nicht genehmigten oder nicht angemeldeten Versammlungen. Aber: Wann darf man sich eigentlich versammeln und wann ist eine Versammlung illegal?

Zu unangemeldeten Versammlungen mit politischer Aussage kommt es immer wieder - derzeit besonders häufig im Zusammenhang mit Protesten gegen Corona-Maßnahmen. Viele Menschen wissen jedoch nicht, was im Bereich "Versammlungen" eigentlich erlaubt ist. Muss man bei einer ungenehmigten Versammlung ein Einschreiten der Polizei befürchten? Oder ist die Polizei verpflichtet, die Versammlung aufzulösen? Und welche Regeln gelten generell bei Versammlungen und Demonstrationen?

Was ist eine Versammlung und was beinhaltet die Versammlungsfreiheit?


Unter einer Versammlung versteht man eine örtliche Zusammenkunft von mehr als zwei Personen, die dabei gemeinschaftlich etwas erörtern oder kundgeben wollen, und dabei zur öffentlichen Meinungsbildung beitragen wollen. Ist die Versammlung nicht auf einen bestimmten Personenkreis beschränkt (z. B. Mitglieder einer Partei), spricht man von einer öffentlichen Versammlung.

Bewegt sich die versammelte Gruppe im Rahmen einer Demonstration auf einer zuvor festgelegten Strecke durch die Stadt (meist unter Zeigen von Transparenten und ggf. begleitet von Sprechchören) spricht man von einem Aufzug.

Das Versammlungsrecht ist ein Grundrecht, das sich aus Art. 8 des Grundgesetzes ergibt. Dort heißt es:

"Alle Deutschen haben das Recht, sich ohne Anmeldung oder Erlaubnis friedlich und ohne Waffen zu versammeln."

Hier kann man also festhalten: Eine Versammlung kann grundsätzlich auch ohne Anmeldung oder Genehmigung stattfinden. Sie ist deshalb noch nicht automatisch illegal.

Aber: Art. 8 Grundgesetz fährt im zweiten Absatz fort:

"Für Versammlungen unter freiem Himmel kann dieses Recht durch Gesetz oder auf Grund eines Gesetzes beschränkt werden."

Genauere Einzelheiten regelt in diesem Fall das Versammlungsgesetz.

Was regelt das Versammlungsgesetz?


§ 1 des Versammlungsgesetzes besagt:

"Jedermann hat das Recht, öffentliche Versammlungen und Aufzüge zu veranstalten und an solchen Veranstaltungen teilzunehmen."

Aber: Dieses Recht hat man laut Gesetz nicht, wenn man

- es zum Kampf gegen die freiheitlich demokratische Grundordnung missbraucht (Art. 8 GG),
- wenn mit der Durchführung oder Teilnahme die Ziele einer Partei oder Ersatzorganisation einer Partei gefördert werden sollen, die das Bundesverfassungsgericht für verfassungswidrig erklärt hat,
- wenn man selbst eine für verfassungswidrig erklärte Partei ist,
- wenn man eine nach Art. 9 Abs. 2 Grundgesetz verbotene Partei ist.

Das Versammlungsgesetz enthält auch einige Regeln für Versammlungen. Dazu gehört: Wer zu einer öffentlichen Versammlung oder zu einem Aufzug einlädt, muss in der Einladung seinen vollen Namen nennen. Jedermann hat Störungen zu unterlassen, die die ordnungsgemäße Durchführung der Versammlung verhindern. Darüber hinaus darf niemand Waffen mit sich führen - oder irgendwelche Gegenstände, die zum Verletzen von Menschen oder zur Beschädigung von Sachen geeignet oder bestimmt sind. Was verboten ist, richtet sich hier nicht nach dem Waffengesetz, sondern allein nach dem möglichen Schaden. Auch eine Zaunlatte, ein Pfefferspray oder ein Hammer sind also verboten. Das Verbot gilt auch für sogenannte Schutzwaffen (Helme, Schilde).
Verboten sind außerdem Versammlungen und Aufzüge, deren Teilnehmer Uniform tragen (§ 3 VersammlG).

Der Leiter der Versammlung ist für den ordnungsgemäßen Ablauf verantwortlich. Er oder sie kann auch ehrenamtliche Ordner zum Einsatz bringen, wenn dies erforderlich ist. Ordner dürfen natürlich nicht bewaffnet sein.

Gibt es eine Anmeldepflicht für Versammlungen?


§ 14 VersammlG schreibt für öffentliche Versammlungen und Aufzüge unter freiem Himmel eine Anmeldepflicht vor. Die Versammlung muss 48 Stunden vor ihrer Bekanntgabe der zuständigen Behörde gemeldet werden, dabei ist der Behörde auch eine verantwortliche Person mitzuteilen.

Die Anmeldepflicht ist nicht zu verwechseln mit einer Genehmigungspflicht. Die zuständige Behörde muss nur über die geplante Versammlung in Kenntnis gesetzt werden. Dann hat sie die Möglichkeit, die Versammlung zu verbieten oder Auflagen festzulegen. Dies setzt jedoch voraus, dass ansonsten die öffentliche Sicherheit und Ordnung unmittelbar in Gefahr wäre. Ein Verbot ist das letzte Mittel, wenn andere Mittel (etwa Auflagen) keinen Erfolg versprechen. Bloße Befürchtungen, dass es zu Störungen der öffentlichen Ordnung kommen könnte, reichen nicht aus - hier muss die Behörde schon gute Gründe liefern. Und: Bei Auflagen und Verboten muss die Behörde immer das Verhältnismäßigkeitsprinzip wahren. Sie muss also immer das mildeste verfügbare Mittel anwenden.

Wer als Leiter oder Veranstalter eine öffentliche Versammlung unter freiem Himmel veranstaltet, ohne diese anzumelden, riskiert nach § 26 Nr. 2 Versammlungsgesetz eine Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr oder eine Geldstrafe. Hier handelt es sich also um eine Straftat. Dies gilt auch für eine Versammlung trotz Verbots.

Für die Nichtbeachtung von Auflagen drohen dem Versammlungsleiter oder -Veranstalter sechs Monate Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe bis 180 Tagessätzen.

Zusammenfassend kann man sagen: Eine Versammlung unter freiem Himmel ist nicht erlaubnispflichtig. Sie muss aber angemeldet werden, wenn sich der Organisator nicht strafbar machen will. Ein Verbot oder Auflagen sind möglich, müssen aber von der Behörde ausreichend begründet werden.

Wann darf eine Versammlung aufgelöst werden?


Eine Versammlung oder ein Aufzug können aufgelöst werden, wenn gegen Auflagen verstoßen wird, die Versammlung nicht angemeldet ist oder die öffentliche Sicherheit und Ordnung in Gefahr sind.

Dies bedeutet jedoch nicht, dass eine nicht angemeldete Versammlung in jedem Fall aufgelöst wird. Die zuständige Behörde hat hier einen Ermessensspielraum. Jeder Einzelfall muss gesondert beurteilt werden. Zwingend aufzulösen ist eine Versammlung nur nach einem Verbot, welches jedoch - wie oben erwähnt - das letzte Mittel ist.

Wo darf keine Versammlung durchgeführt werden?


Immer verboten sind öffentliche Versammlungen unter freiem Himmel oder Aufzüge in den sogenannten Bannkreisen. Dies sind gesetzlich festgelegte Bereiche um die Gesetzgebungsorgane des Bundes und der Länder herum, also um Bundestag, Bundesrat und Länderparlamente. Landesgesetze können weitere Bannmeilen festlegen.

Welche rechtlichen Schritte sind gegen ein Versammlungsverbot möglich?


Gegen das Verbot einer Versammlung sind Rechtsmittel möglich. So bietet sich zum Beispiel der Widerspruch nach § 68 Verwaltungsgerichtsordnung gegen die behördliche Entscheidung an. Dieser ist an die Behörde zu adressieren, die die Versammlung verboten hat, zum Beispiel die Polizei.
Um die sofortige Vollziehung des Verbots zu verhindern, muss beim Verwaltungsgericht die Wiederherstellung der aufschiebenden Wirkung des Widerspruchs beantragt werden.

In einigen Bundesländern ist kein Widerspruch mehr möglich, so etwa in Bayern, Nordrhein-Westfalen und Niedersachsen. Hier ist gleich Klage beim Verwaltungsgericht zu erheben. Möglich sind auch Verfahren im Wege des einstweiligen Rechtsschutzes, also Eilverfahren, die auf eine einstweilige Anordnung des Gerichts abzielen.

Praxistipp


Möchten Sie gegen ein Versammlungsverbot oder Auflagen einer Behörde vorgehen, ist ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht der beste Ansprechpartner. Dieser kann Ihnen das effektivste Vorgehen empfehlen und kennt die aktuelle Rechtsprechung.

(Bu)


 Stephan Buch
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