Gilt für Kutscher dieselbe Promillegrenze, wie für Autofahrer?
15.10.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Alkoholdelikte im Straßenverkehr können sowohl durch Radfahrer, als auch durch Autofahrer begangen werden. An Verkehrsteilnehmer, die nur ein oder zwei natürliche PS bewegen, denkt man dabei meist eher nicht. Aber: Auch diese nehmen gelegentlich am Straßenverkehr teil.
Zwei Polizeibeamte waren 2012 zu später Stunde auf einer Landstraße einem Fahrzeug begegnet, das man heute auf öffentlichen Straßen eher selten antrifft: Einer von zwei Pferden gezogenen Kutsche. Zwar fiel diese nicht durch ein ungewöhnliches Fahrverhalten auf. Die Beamten überprüften dennoch den Fahrzeuglenker. Mit Erfolg: Wie sich zeigte, hatte der Kutscher reichlich Alkohol getrunken. Seine Blutalkoholkonzentration (BAK) lag bei 1,98 Promille. Der Fall kam vor das Amtsgericht Papenburg. Dieses verurteilte den Kutscher zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr.
Der Kutscher legte jedoch Rechtsmittel ein. Daraufhin entschied das Landgericht als nächste Instanz, dass hier weder die Promillegrenze für Autofahrer anwendbar sei (eine Kutsche habe schließlich keinen Motor), noch die für Radfahrer. Letztere sei entwickelt worden, indem man mit Radfahrern Versuche zum Gleichgewichtssinn gemacht habe – eine Kutsche könne aber nicht umfallen. Daher sprach das Landgericht den Kutscher frei.
Damit war aber der Fall noch nicht ausgestanden, denn den zuständigen Staatsanwalt plagte nun eine Schreckensvision: Was würde passieren, wenn sich dies herumsprach? Unzählige Pferdekutschen, ein-, zwei- und dreispännig, mit betrunkenen Kutschern am Samstagabend in Schlangenlinien auf dem Heimweg von Dorfkneipe und Disko, amokfahrende Pferdegespanne in der Stadt, Kutschenparkplätze vor jeder Gaststätte, Pferdeäpfel auf jeder Straße. Das durfte nicht sein. Er legte umgehend Revision ein.
In der nächsten Instanz befasste sich das Oberlandesgericht mit dem Fall. Es kam zu dem Ergebnis, dass eine Pferdekutsche durchaus ein Fahrzeug im Sinne der Straßenverkehrsordnung und der strafrechtlichen Vorschriften sei. Auch ein Sachverständiger wurde hinzugezogen – seines Zeichens Pferdezüchter und Turnierrichter für Gespannfahrten. Der Fachmann erläuterte vor Gericht, dass Kutschenfahren durchaus eine anspruchsvolle Sache sei.
Pferde seien Fluchttiere. Sie könnten durch Autos oder laute Geräusche in Panik geraten und durchgehen. Eine Kutsche mit durchgehenden Pferden erreiche leicht eine Geschwindigkeit von 40 km/h und komme dann womöglich erst am nächsten massiven Hindernis zum Stehen. Ein Kutscher müsse deswegen ständig aufmerksam bleiben, auf die Ohren der Tiere achten und ihrem unkontrollierbaren Durchgehen rechtzeitig entgegenwirken. Zusätzlich müsse er ständig die Leinen richtig halten. Im Normalfall würden Pferde nicht eigenständig auf Verkehrssituationen reagieren, sondern die Kommandos des Kutschers abwarten. Man könne sie daher nicht einfach im Verkehr laufen lassen.
In Anbetracht dieser Ausführungen kam das Oberlandesgericht zu dem Schluss, dass die Anforderungen an das Kutschenfahren mit denen an das Autofahren vergleichbar seien. Die Gefährdung durch eine große, schwere Kutsche sei deutlich höher einzuschätzen, als diejenige durch ein Fahrrad. Daher wendete das Gericht hier die Alkohol-Grenzwerte für Autofahrer an. Somit lag die absolute Fahruntüchtigkeit bei 1,1 Promille.
Damit blieb das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts bestehen. Der Kutscher musste sich damit abfinden, es seinen Pferden gleichzutun und vor der Kutschfahrt nur anti-alkoholische Getränke zu konsumieren. Der Staatsanwalt konnte aufatmen (OLG Oldenburg, Urteil vom 24.2.2014, Az. 1 Ss 204/13).
Zwar existiert keine ausdrückliche Promillegrenze für Reiter. Das Urteil zur Kutsche hat aber gezeigt, dass dies keine Garantie dafür darstellt, bei Alkohol im Straßenverkehr keine Folgen fürchten zu müssen. Hinzu kommt § 3 der Fahrerlaubnisverordnung, der besagt:
"Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen." Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Autoführerschein in Gefahr ist, wenn die Fahrerlaubnisbehörde denkt, dass ein betrunkener Reiter auch beim Autofahren Alkohol trinken würde. Bei höheren Promillewerten wird schnell eine Sucht angenommen. Bei einem Unfall droht eine Haftung.
Bei Reitturnieren gilt in Deutschland laut Regelwerk, dass Reiter mit stark herabgesetzter Leistungsfähigkeit durch übermäßigen Alkoholkonsum (0,5 Promille) nicht zugelassen sind oder disqualifiziert werden müssen.
Alkoholdelikte im Straßenverkehr werden oft als Straftat gewertet. Dann geht es schnell um mehr, als den Führerschein. Natürlich besteht zusätzlich die Gefahr einer Haftung bei Unfällen. Auch Pferde-Kutscher dürfen nicht alkoholisiert auf öffentlichen Straßen unterwegs sein. Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht kann Sie zu Ihrem konkreten Problem zielgerichtet beraten.
Das Wichtigste in Kürze
1. Straßenverkehrsordnung: Laut der Rechtsprechung sind die Anforderungen an das Fahren einer Kutsche mit denen an das Autofahren vergleichbar. Deshalb ist die StVO auch auf das Führen von Kutschen anwendbar.
2. Alkoholgrenze: Wegen der Anwendbarkeit der StVO gilt für Kutscher dieselbe Promillegrenze, wie für Autofahrer. Ab 1,1 Promille ist deshalb auch ein Kutscher absolut fahruntüchtig.
3. Reiter: Wie für Kutscher, gibt es auch für Reiter keine gesetzlich geregelte Promillegrenze. Aber wer als Reiter trinkt, könnte auch als Autofahrer trinken. Würde eine Fahrerlaubnisbehörde derart argumentieren, ist der Führerschein futsch.
1. Straßenverkehrsordnung: Laut der Rechtsprechung sind die Anforderungen an das Fahren einer Kutsche mit denen an das Autofahren vergleichbar. Deshalb ist die StVO auch auf das Führen von Kutschen anwendbar.
2. Alkoholgrenze: Wegen der Anwendbarkeit der StVO gilt für Kutscher dieselbe Promillegrenze, wie für Autofahrer. Ab 1,1 Promille ist deshalb auch ein Kutscher absolut fahruntüchtig.
3. Reiter: Wie für Kutscher, gibt es auch für Reiter keine gesetzlich geregelte Promillegrenze. Aber wer als Reiter trinkt, könnte auch als Autofahrer trinken. Würde eine Fahrerlaubnisbehörde derart argumentieren, ist der Führerschein futsch.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Der Fall: Mit der Pferdekutsche durch die Nacht Ist eine Kutsche ein Fahrzeug im Sinne der StVO? Wehret den Anfängen! Wie hat das Oberlandesgericht entschieden? Gibt es eine Promillegrenze für Reiter? Welche Promillegrenze gilt im Turniersport? Praxistipp zum Kutschenfahren unter Alkoholeinfluss Der Fall: Mit der Pferdekutsche durch die Nacht
Zwei Polizeibeamte waren 2012 zu später Stunde auf einer Landstraße einem Fahrzeug begegnet, das man heute auf öffentlichen Straßen eher selten antrifft: Einer von zwei Pferden gezogenen Kutsche. Zwar fiel diese nicht durch ein ungewöhnliches Fahrverhalten auf. Die Beamten überprüften dennoch den Fahrzeuglenker. Mit Erfolg: Wie sich zeigte, hatte der Kutscher reichlich Alkohol getrunken. Seine Blutalkoholkonzentration (BAK) lag bei 1,98 Promille. Der Fall kam vor das Amtsgericht Papenburg. Dieses verurteilte den Kutscher zu einer Geldstrafe von 30 Tagessätzen zu je 20 Euro wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr.
Ist eine Kutsche ein Fahrzeug im Sinne der StVO?
Der Kutscher legte jedoch Rechtsmittel ein. Daraufhin entschied das Landgericht als nächste Instanz, dass hier weder die Promillegrenze für Autofahrer anwendbar sei (eine Kutsche habe schließlich keinen Motor), noch die für Radfahrer. Letztere sei entwickelt worden, indem man mit Radfahrern Versuche zum Gleichgewichtssinn gemacht habe – eine Kutsche könne aber nicht umfallen. Daher sprach das Landgericht den Kutscher frei.
Wehret den Anfängen!
Damit war aber der Fall noch nicht ausgestanden, denn den zuständigen Staatsanwalt plagte nun eine Schreckensvision: Was würde passieren, wenn sich dies herumsprach? Unzählige Pferdekutschen, ein-, zwei- und dreispännig, mit betrunkenen Kutschern am Samstagabend in Schlangenlinien auf dem Heimweg von Dorfkneipe und Disko, amokfahrende Pferdegespanne in der Stadt, Kutschenparkplätze vor jeder Gaststätte, Pferdeäpfel auf jeder Straße. Das durfte nicht sein. Er legte umgehend Revision ein.
Wie hat das Oberlandesgericht entschieden?
In der nächsten Instanz befasste sich das Oberlandesgericht mit dem Fall. Es kam zu dem Ergebnis, dass eine Pferdekutsche durchaus ein Fahrzeug im Sinne der Straßenverkehrsordnung und der strafrechtlichen Vorschriften sei. Auch ein Sachverständiger wurde hinzugezogen – seines Zeichens Pferdezüchter und Turnierrichter für Gespannfahrten. Der Fachmann erläuterte vor Gericht, dass Kutschenfahren durchaus eine anspruchsvolle Sache sei.
Pferde seien Fluchttiere. Sie könnten durch Autos oder laute Geräusche in Panik geraten und durchgehen. Eine Kutsche mit durchgehenden Pferden erreiche leicht eine Geschwindigkeit von 40 km/h und komme dann womöglich erst am nächsten massiven Hindernis zum Stehen. Ein Kutscher müsse deswegen ständig aufmerksam bleiben, auf die Ohren der Tiere achten und ihrem unkontrollierbaren Durchgehen rechtzeitig entgegenwirken. Zusätzlich müsse er ständig die Leinen richtig halten. Im Normalfall würden Pferde nicht eigenständig auf Verkehrssituationen reagieren, sondern die Kommandos des Kutschers abwarten. Man könne sie daher nicht einfach im Verkehr laufen lassen.
In Anbetracht dieser Ausführungen kam das Oberlandesgericht zu dem Schluss, dass die Anforderungen an das Kutschenfahren mit denen an das Autofahren vergleichbar seien. Die Gefährdung durch eine große, schwere Kutsche sei deutlich höher einzuschätzen, als diejenige durch ein Fahrrad. Daher wendete das Gericht hier die Alkohol-Grenzwerte für Autofahrer an. Somit lag die absolute Fahruntüchtigkeit bei 1,1 Promille.
Damit blieb das ursprüngliche Urteil des Amtsgerichts bestehen. Der Kutscher musste sich damit abfinden, es seinen Pferden gleichzutun und vor der Kutschfahrt nur anti-alkoholische Getränke zu konsumieren. Der Staatsanwalt konnte aufatmen (OLG Oldenburg, Urteil vom 24.2.2014, Az. 1 Ss 204/13).
Gibt es eine Promillegrenze für Reiter?
Zwar existiert keine ausdrückliche Promillegrenze für Reiter. Das Urteil zur Kutsche hat aber gezeigt, dass dies keine Garantie dafür darstellt, bei Alkohol im Straßenverkehr keine Folgen fürchten zu müssen. Hinzu kommt § 3 der Fahrerlaubnisverordnung, der besagt:
"Erweist sich jemand als ungeeignet oder nur noch bedingt geeignet zum Führen von Fahrzeugen oder Tieren, hat die Fahrerlaubnisbehörde ihm das Führen zu untersagen, zu beschränken oder die erforderlichen Auflagen anzuordnen." Es ist nicht ausgeschlossen, dass der Autoführerschein in Gefahr ist, wenn die Fahrerlaubnisbehörde denkt, dass ein betrunkener Reiter auch beim Autofahren Alkohol trinken würde. Bei höheren Promillewerten wird schnell eine Sucht angenommen. Bei einem Unfall droht eine Haftung.
Welche Promillegrenze gilt im Turniersport?
Bei Reitturnieren gilt in Deutschland laut Regelwerk, dass Reiter mit stark herabgesetzter Leistungsfähigkeit durch übermäßigen Alkoholkonsum (0,5 Promille) nicht zugelassen sind oder disqualifiziert werden müssen.
Praxistipp zum Kutschenfahren unter Alkoholeinfluss
Alkoholdelikte im Straßenverkehr werden oft als Straftat gewertet. Dann geht es schnell um mehr, als den Führerschein. Natürlich besteht zusätzlich die Gefahr einer Haftung bei Unfällen. Auch Pferde-Kutscher dürfen nicht alkoholisiert auf öffentlichen Straßen unterwegs sein. Ein Fachanwalt für Verkehrsrecht kann Sie zu Ihrem konkreten Problem zielgerichtet beraten.
(Wk)