Dienstreisen: Bezahlung, Arbeitszeit, Spesen, Unfall, Steuern...

23.04.2019, Redaktion Anwalt-Suchservice
Autos,Verkehrsunfall,Dienstreise Was gilt aus arbeitsrechtlicher Sicht für Dienstreisen? © Rh - Anwalt-Suchservice

Dienstreisen sorgen immer wieder für Streit zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer. Was gilt zum Beispiel als Arbeitszeit? Wer haftet für Unfälle? Und welche Spesen bezahlt der Chef?

Bei Dienstreisen können sich viele rechtliche Fragen ergeben. Was zählt als Arbeitszeit? Gehört die Fahrtzeit dazu und muss bezahlt werden? Ist alles, was schiefgeht, von der gesetzlichen Unfallversicherung abgedeckt – auch der Sturz nach dem geselligen Ausklang in der Hotelbar? Welche Spesen muss der Arbeitgeber zahlen? Und was passiert, wenn Dienstreisende allzu wild feiern?

Gibt es Regeln für Dienstreisen?


Gerade vor längeren Dienstreisen sollten Unklarheiten geklärt werden. In vielen Betrieben gibt es deshalb eine Dienstreiseordnung, die einheitliche Regeln aufstellt. Ein solches Regelwerk kann zum Beispiel durch einen Verweis im Arbeitsvertrag verbindlich werden. Zum Teil gibt es auch Regelungen in Arbeitsverträgen oder in einer Betriebsvereinbarung.

Was versteht man unter einer Dienstreise?


Von einer Dienstreise spricht man, wenn ein Arbeitnehmer seine berufliche Tätigkeit vorübergehend außerhalb seiner regelmäßigen Arbeitsstätte und auch nicht an seinem Arbeits- oder Wohnort ausübt.

Welche Zeiten zählen zur Arbeitszeit?


Arbeitswege gehören normalerweise nicht zur Arbeitszeit, die der Chef zu bezahlen hat. Auf Dienstreisen ist es nicht ganz so einfach.
Der Grundsatz ist zunächst: Die Wegezeit eines Dienstreisenden gilt als Arbeitszeit, wenn sie sich innerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit abspielt. Der Umgang mit Reisezeiten, die sich außerhalb der betriebsüblichen Arbeitszeit abspielen, ist oft in Arbeitsverträgen, Betriebsvereinbarungen oder Tarifverträgen geregelt.

Ist dies nicht der Fall, muss man unterscheiden: Steht es dem Arbeitnehmer frei, mit was er die Zeit im Flugzeug oder Zug verbringt, wird die Wegezeit nicht als Arbeitszeit angesehen. Sobald er aber selbst am Steuer eines Autos sitzen muss oder wenn der Vorgesetzte ihm Arbeit mitgegeben hat, die im Zug oder Flugzeug noch zu erledigen ist, handelt es sich um Arbeitszeit.

Dies betonte auch das Bundesarbeitsgericht in einem Verfahren, in dem es um die Dienstreisen eines wissenschaftlichen Angestellten bei einer Bundesbehörde ging.
Dieser musste etwa zehn Tage im Monat Dienstreisen unternehmen. Der Arbeitgeber verlangte von ihm, öffentliche Verkehrsmittel zu benutzen. Der Arbeitnehmer wollte die Hin- und Rückfahrtzeiten als Arbeitszeit gutgeschrieben bekommen. Das Gericht lehnte ab: Da er sich frei aussuchen könne, wie er die Zeit in den öffentlichen Verkehrsmitteln nutze, handle es sich nicht um Arbeitszeit (Urteil vom 11.7.2006, Az. 9 AZR 519/05).

Übrigens: Lässt der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer die Wahl, welches Verkehrsmittel er nutzt, und wählt dieser den PKW, gilt seine Fahrzeit nicht als Arbeitszeit. Als Arbeit zählt Autofahren nur, wenn der Beschäftigte zur PKW-Nutzung angewiesen wurde.
Auch Leerlaufzeiten zwischen Geschäftsterminen und die Zeit im Hotel sind keine Arbeitszeit.

Was muss man zu Spesen wissen?


Als Spesen kann man Fahrtkosten bzw. Reisekosten, Übernachtungskosten oder Verpflegungskosten auf Geschäftsreisen ansehen. Eine klare gesetzliche Regelung, nach der der Arbeitgeber diese Kosten zu übernehmen hat, gibt es nicht. Hier empfiehlt es sich, rechtzeitig abzusprechen, was der Betrieb übernimmt und was nicht. Manchmal finden sich entsprechende Regelungen im Arbeitsvertrag.
Hotelkosten werden meist vom Arbeitgeber erstattet und mit Belegen nachgewiesen. Passiert dies nicht, kann der Arbeitnehmer sie auch als Werbungskosten in seiner Steuererklärung absetzen, und zwar unabhängig davon, ob sie höher oder niedriger sind als die Übernachtungspauschalen des Bundesfinanzministeriums.
Bei Fahrtkosten erstattet der Arbeitgeber meist für Fahrten mit dem eigenen PKW 30 Cent pro Kilometer. Wenn nicht, kann der Arbeitnehmer die Kilometerpauschale wiederum als Werbungskosten geltend machen. Bei Reisen mit öffentlichen Verkehrsmitteln werden regelmäßig die nachgewiesenen Ticketkosten erstattet.
Bei den Verpflegungsmehraufwendungen werden vom Arbeitgeber in der Regel nicht die tatsächlich angefallenen Aufwendungen ausgezahlt. Denn der Arbeitgeber kann seinen Mitarbeitern Verpflegungsmehraufwendungen nur in der Höhe bestimmter Pauschalen steuerfrei erstatten. Diese betragen bei eintägiger Auswärtstätigkeit und Abwesenheit von mehr als acht Stunden 12 Euro, bei mehrtägiger Auswärtstätigkeit für den An- und Abreisetag je 12 Euro und bei mehrtägiger Auswärtstätigkeit und kalendertäglicher Abwesenheit von mindestens 24 Stunden 24 Euro.

Wann haftet die gesetzliche Unfallversicherung?


Nach einer Entscheidung des Landessozialgerichts Niedersachsen kann ein privates Abendessen im Rahmen einer Geschäftsreise durchaus unter dem Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung stehen. Bei einer Geschäftsreise über mehrere Tage seien private Treffen durchaus üblich und führten nicht dazu, dass der Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung verloren ginge, so die Richter (Az. L 3 U 28/12).

Anders erging es einem Flugbegleiter, der nach einem gemeinsamen Abendessen mit seiner Crew in einem Lokal auf Mallorca Opfer eines Überfalls wurde. Hier lehnte das Sozialgericht Wiesbaden einen Arbeitsunfall im Sinne der gesetzlichen Unfallversicherung ab. Es fehle an dem "inneren Zusammenhang" zwischen dem Beschäftigungsverhältnis und dem Verhalten des versicherten Arbeitnehmers (Az. S 1 U 1528/04 ).

Auch ein Fußballspiel auf einer Geschäftsreise ist nach Auffassung des Hessischen Landessozialgerichts nicht vom Schutz der gesetzlichen Unfallversicherung umfasst. Das Gericht begründete seine Entscheidung unter anderem damit, dass es keinen Versicherungsschutz "rund um die Uhr" gebe (Az. L 3 U 64/06).

Wem gehören die Bonusmeilen?


Sammelt ein Arbeitnehmer bei Geschäftsflügen von einer Fluggesellschaft Bonusmeilen im Rahmen eines Vielfliegerprogrammes, stehen diese dem Arbeitgeber zu. So entschied das Bundesarbeitsgericht. Denn immerhin habe der Arbeitnehmer auf Kosten des Arbeitgebers die Reise durchgeführt. Der Arbeitnehmer darf die Bonusmeilen also nicht privat nutzen (Az. 9 AZR 500/05).

Zuviel Alkohol auf der Dienstreise?


Betrinken sich Arbeitnehmer auf einer Geschäftsreise ständig mit Alkohol und haben dadurch entsprechende Ausfallerscheinungen, müssen sie nach einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Schleswig-Holstein mit einer fristlosen Kündigung rechnen (Az. 4 Sa 529/06).

Unfall: Welche Kosten sind von der Steuer absetzbar?


Bei einem Unfall auf einer Dienstreise können Arbeitnehmer die ihnen selbst entstehenden Kosten als Werbungskosten steuerlich geltend machen. Also zum Beispiel der Teil eines Unfallschadens, der von keiner Versicherung abgedeckt ist und auch nicht vom Unfallgegner oder vom Arbeitgeber bezahlt wird. Wer den Unfall verschuldet hat, spielt dabei keine Rolle. Allerdings: Wer mit 1 Promille Blutalkohol auf Dienstreise einen Totalschaden baut und deswegen von seiner Versicherung abgewiesen wird, braucht sich auch beim Finanzamt keine Hoffnung auf eine Steuererstattung zu machen.

Das Finanzgericht Rheinland-Pfalz befasste sich mit dem Fall eines Arbeitnehmers, der auf einer Dienstreise durch überhöhtes Tempo einen schweren Autounfall verursacht hatte. Er verschuldete dadurch den Tod einer jungen Frau, eine weitere wurde durch den Unfall querschnittsgelähmt. Der Autofahrer wurde strafrechtlich wegen fahrlässiger Tötung und vorsätzlicher Straßenverkehrsgefährdung zu einer Freiheitsstrafe auf Bewährung verurteilt. Anschließend versuchte er, die durch mehrere Gerichtsinstanzen angefallenen rund 66.000 Euro an Kosten für seinen Strafverteidiger als Werbungskosten von der Steuer abzusetzen.

Das Finanzgericht gestand ihm jedoch keinen Abzug des Betrages als Werbungskosten zu. Die Kosten seien nicht durch dienstliche Erfordernisse, sondern durch eine Straftat und in erster Linie durch sein rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr angefallen. Es handle sich daher nicht um Kosten, die der beruflichen Sphäre zugeordnet werden könnten, eine Vergleichbarkeit mit den unter bestimmten Voraussetzungen absetzbaren Unfallkosten, etwa Reparaturkosten für das beschädigte Fahrzeug, bestehe nicht. Auch als "außergewöhnliche Belastung" seien die Strafverteidigerkosten nicht absetzbar. Der Steuerzahler könne es jederzeit vermeiden, eine Straftat zu begehen – in diesem Fall durch einen Fahrstil, der keine Todesopfer fordere (Urteil vom 22.1.2016, Az. 4 K 1572/14).

Praxistipp


Besprechen Sie vor Ihrer ersten Dienstreise genau mit Chef oder Vorgesetzten, welche Kosten übernommen werden, und informieren Sie sich über etwaige Regelungen im Arbeitsvertrag oder in einer Betriebsvereinbarung. Kommt es zum Streit mit dem Arbeitgeber, kann ein Fachanwalt für Arbeitsrecht wertvolle Unterstützung leisten.

(Wk)


 Günter Warkowski
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