Digitales Erbe - Was passiert mit dem Online-Nachlass?
25.03.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Rh - Anwalt-Suchservice Viele Anbieter von Online-Dienstleistungen haben nach wie vor keine klare Vorgehensweise für den Fall entwickelt, dass einer ihrer Nutzer stirbt. So hat zum Beispiel Facebook ein entsprechendes Vorgehen geschaffen, der Umgang mit Nutzerkonten verstorbener Nutzer sorgt jedoch für hartnäckige Rechtsstreitigkeiten. 2020 hat es dazu ein wichtiges Urteil gegeben. Aber: Auch ganz unabhängig von Sozialen Netzwerken bereitet der Umgang mit dem digitalen Nachlass oft Probleme. Häufig stellt sich die Frage, wem Zugang zu gespeicherten Daten eingeräumt werden darf.
Im deutschen Erbrecht gilt die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge. Das bedeutet: Wer erbt, erbt alles – nicht nur die Vermögenswerte, sondern auch die Schulden des Verstorbenen. Ein Erbe kann sich daher nicht Wertgegenstände nach seiner Wahl herauspicken und alles, was Arbeit macht oder Geld kostet, ignorieren.
Viele Menschen kaufen und verkaufen heute Waren auf Ebay, Amazon oder anderen Online-Plattformen. Sie zahlen mit PayPal oder anderen Bezahldienstleistern, sie betätigen sich in Sozialen Netzwerken und besitzen Nutzerkonten bei Mail- und Messenger-Diensten. Häufig findet auf diesen Wegen wichtige private und geschäftliche Kommunikation statt.
Die Erben eines Nutzers müssen damit rechnen, dass es hier Zahlungsverpflichtungen für sie gibt – etwa noch offene Rechnungen oder Abogebühren. Womöglich stehen auch noch eingehende Zahlungen aus oder es sind bestellte Waren irgendwo unterwegs. Wenn kostenpflichtige Dienste weiterlaufen, kann dies teuer werden.
Ein weiteres Thema sind fröhliche Urlaubsfotos und Geburtstagseinladungen: Lebt der Inhaber eines Accounts nicht mehr, möchten seine Angehörigen solche nun unpassenden Inhalte oft gern löschen. Ein Problem: Woher sollen sie wissen, wo der Verstorbene überall Nutzerkonten gehabt hat? Und wie können sie ohne Zugangsdaten und Passwörter darauf Zugriff bekommen?
Bei Facebook kann man ein Nutzerkonto in den sogenannten Gedenkzustand versetzen. Diesen Schritt führt auch Facebook selbst durch, wenn es irgendwie erfährt, dass ein Nutzer verstorben ist. Gedenkzustand heißt: Neben dem Profilnamen erscheint der Zusatz ”in Erinnerung an”. Je nach den Privatsphäre-Einstellungen des Accounts können Freunde dort Erinnerungen teilen. Gespeicherte Inhalte können weiter von den Personen angesehen werden, mit denen sie geteilt wurden. Das öffentliche Verbreiten solcher Profile als ”Person, die du vielleicht kennst” sowie die Nutzung des Profils in Werbeanzeigen werden gestoppt, ebenso das Versenden von Geburtstagserinnerungen. Und: Niemand kann sich mehr auf dem Konto anmelden.
Allein eine Person, die der Nutzer zu Lebzeiten zum Nachlasskontakt ernannt hat, kann auf dem Profil dann noch Änderungen vornehmen. Auch diese Person kann sich jedoch nicht mehr normal auf dem Konto anmelden, sondern erhält nur eingeschränkten Zugriff. Beispielsweise kann sie das Foto ändern, einen fest bleibenden letzten Beitrag erstellen und neue Freundschaftsanfragen beantworten. Einen Nachlasskontakt benennen können nur Volljährige. Auch können Facebook-Nutzer zu Lebzeiten bestimmen, ob Facebook ihr Nutzerkonto im Falle ihres Ablebens in den Gedenkstatus versetzen oder ganz löschen soll.
2012 kam in Berlin ein 15-jähriges Mädchen ums Leben, das von einer U-Bahn überfahren wurde. Ihren Eltern ließ die Frage keine Ruhe, ob es sich um einen Suizid gehandelt hatte. War womöglich Mobbing im Spiel gewesen? Um dies zu erfahren, wollten sie Zugriff zum Facebook-Account ihrer Tochter erhalten. Auf diese Weise hätten sie auch nicht öffentliche Unterhaltungen lesen können.
Im Normalfall wäre dies kein Problem gewesen. Die Tochter hatte der Mutter nämlich ihre Zugangsdaten anvertraut. Nur: Bevor die Eltern auf das Konto zugreifen konnten, meldete ein Unbekannter Facebook den Tod der Tochter. Facebook handelte sofort und versetzte das Konto in den Gedenkstatus. Nun konnte sich niemand mehr darauf anmelden. Die Mutter klagte daraufhin gegen Facebook, um Zugang zum Account ihrer Tochter zu erhalten.
In erster Instanz stellte sich das Landgericht Berlin noch auf die Seite der Mutter. Aber: Das Berliner Kammergericht wies 2017 deren Klage ab. Das Fernmeldegeheimnis beziehe sich auch auf die Kommunikation in Sozialen Netzwerken, wenn sich diese in kleinen, von der Öffentlichkeit abgeschirmten Gruppen oder Zweier-Chats abspiele. Es schütze auch die unbekannten Chatpartner des Mädchens, denn diese hätten ja nicht in eine Einsichtnahme durch dessen Eltern eingewilligt (KG Berlin, Beschluss vom 31. Mai 2017, Az. 21 W 23/16).
Zunächst hat der Bundesgerichtshof den Grundsatz aufgestellt, dass ein Nutzerkonto bei einem Sozialen Netzwerk vererbbar ist. Die Folge: Die Erben eines verstorbenen Facebook-Nutzers haben Anspruch auf Zugang zu seinem Account und zu allen darauf gespeicherten Inhalten (Urteil vom 12. Juli 2018, Az. III ZR 183/17).
Der Nutzungsvertrag des Mädchens mit Facebook sei mit ihrem Tod auf ihre Erben übergegangen, also auf ihre Eltern. Vertragliche Absprachen, die dies verhindert hätten, hätten nicht existiert. Die Facebook-Regeln über den Gedenkzustand seien nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden und obendrein schlicht unwirksam. Fremde, die zu Lebzeiten mit einem Social-Media-Nutzer kommunizierten, müssten damit rechnen, dass später Dritte diese Kommunikation lesen könnten.
Das Gericht stellte hier eine Parallele zu Tagebüchern und persönlichen Briefen auf. Diese würden ebenfalls vererbt. Auch sie dienten der persönlichen Kommunikation – wie ein Facebook-Konto. Das Fernmeldegeheimnis gelte hier nicht, weil der Erbe vollständig rechtlicher Nachfolger des Erblassers werde. Er sei gerade kein ”anderer” im Sinne des Telekommunikationsgesetzes, dem das Fernmeldegeheimnis einen Zugriff auf fremde Kommunikation verwehre. Auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ändere daran nichts. Durch diese würden nur die Daten lebender Personen geschützt.
Dieses Urteil hat große Bedeutung für ähnliche Fälle. Es gilt beispielsweise auch für den Fall, dass Kinder auf die Social-Media-Accounts ihrer verstorbenen Eltern zugreifen möchten. Es bleibt abzuwarten, ob Facebook seine Nutzungsbedingungen auf eine Art ändert, die dies unterbindet. Allerdings legt der Bundesgerichtshof an die Wirksamkeit solcher Klauseln strenge Maßstäbe an.
Überraschenderweise war der Rechtsstreit mit dem BGH-Urteil jedoch nicht zu Ende. Facebook stellte sich nämlich auf den Standpunkt, dass es technisch nicht möglich sei, den Eltern schlicht und einfach Zugang zum Account ihrer Tochter zu gewähren. Stattdessen schickte man den Eltern per Post einen USB-Stick mit einem 14.000 Seiten langen PDF-Dokument zu, der angeblich den Inhalt des Accounts enthalten sollte.
Die Eltern waren der Ansicht, dass Facebook so nicht seiner Verpflichtung aus dem BGH-Urteil nachgekommen war, ihnen Zugang zu geben. Erneut gingen sie vor Gericht. Auch diese Klage lief durch alle Instanzen bis zum BGH.
Und wieder entschied der Bundesgerichtshof zugunsten der Eltern. Facebook müsse es den Erben ermöglichen, auf die gleiche Art Zugang auf den Account zu bekommen, wie die verstorbene Nutzerin. Ihnen dürfe lediglich eine aktive Nutzung des Kontos untersagt werden. "Zugang" heiße, dass die Erben Zutritt zum Herrschaftsbereich des Kontos bekämen und sich auf dem Konto bewegen könnten wie vorher ihre Tochter. Es reiche nicht aus, nur gespeicherte Daten in anderer Form weiterzugeben. Die Erben hätten als neue Nutzungsberechtigte einen Hauptleistungsanspruch gegen Facebook. Dieser sei auf einen vollen Zugang zum Account gerichtet.
Mit der Entscheidung des BGH wurde außerdem ein Zwangsgeldbeschluss des Berliner Landgerichts gegen Facebook in Höhe von 10.000 Euro rechtskräftig (Beschluss vom 27.8.2020, Az. III ZB 30/20).
Dazu existieren keine besonderen gesetzlichen Regelungen. Ob das oben erwähnte BGH-Urteil auf solche Konten anwendbar ist, werden die Gerichte noch entscheiden.
Bis dahin sind die AGB der Anbieter ausschlaggebend. Nicht alle Anbieter betrachten die Vertragsbeziehung zwischen Anbieter und Nutzer als vererblich. Manche – zum Beispiel WEB.de oder GMX – geben Erben Zugriff auf den Account und auch die Möglichkeit, diesen weiterzunutzen oder zu löschen. Voraussetzung ist ein Erbnachweis. Für eine Löschung kann eine Sterbeurkunde ausreichend sein, für einen Zugriff auf das Konto wird oft ein vom Nachlassgericht ausgestellter Erbschein plus Identitätsnachweis des Erben verlangt sowie ein schriftlicher Antrag mit eigenhändiger Unterschrift. Gibt es mehrere Miterben, müssen alle schriftlich zustimmen. Wenn nur einer auf das Konto zugreifen will, müssen die anderen eine Vollmacht erteilen. Diese Vorgänge zu organisieren, nimmt einige Zeit in Anspruch.
Manche Anbieter deaktivieren automatisch nach einer gewissen Zeit inaktive Konten. Beim E-Mail-Dienst Yahoo etwa erlöschen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem Tod des Nutzers einfach dessen Rechte an seinem Konto und seinen Daten. Yahoo sieht das Nutzungsverhältnis als nicht übertragbar an und gewährt Erben keinen Zugriff. Der Cloud-Speicher-Dienst Dropbox ermöglicht Angehörigen verstorbener Nutzer zwar theoretisch auf Antrag Zugang zu deren Daten. Allerdings wird hier die Zusendung vieler Unterlagen per Post in die USA verlangt – einschließlich einer Gerichtsentscheidung, aus der sich das Erbrecht des Antragstellers und die Verpflichtung zur Herausgabe der Daten ergeben.
Viele Menschen meinen, dass mit dem Tod einer Person auch automatisch Verträge enden, die diese abgeschlossen hat. Dies gilt jedoch nur für sogenannte höchstpersönliche Verträge, also solche, bei denen eine Leistung von der verstorbenen Person selbst erbracht werden soll. Beispiel: Der Arbeitsvertrag.
Abonnements aller Art gehören nicht zu diesen Verträgen, sie laufen einfach weiter bis zu einer Kündigung. Und manche Verträge verlängern sich ohne Kündigung automatisch immer wieder, etwa beim Online-Dating. Die entstehenden Kosten trägt der Erbe. Dieser sollte sich daher schnellstmöglich um die Kündigung solcher Verträge kümmern.
Die Anbieter verlangen oft als Nachweis eine Sterbeurkunde oder einen Erbschein. Hier ist darauf hinzuweisen, dass der – teure – Erbschein inzwischen nicht einmal mehr von Banken pauschal verlangt werden kann.
Mit einem Erbschein bestätigt das Nachlassgericht, dass jemand etwas geerbt hat, von wem und zu welchem Erbanteil. Häufig wird er als Standard-Nachweis und erbrechtliches ”Allheilmittel” angesehen. Allerdings kostet er ordentlich Geld. Der genaue Betrag richtet sich nach dem Umfang des Nachlasses. Angehörige sollten sich also gut überlegen, ob sie überhaupt einen Erbschein brauchen. Oft reicht für die Kündigung eines Online-Abos die Sterbeurkunde oder das vom Nachlassgericht eröffnete Testament aus. Dies scheint jedoch von jedem Anbieter unterschiedlich gehandhabt zu werden.
Zwar gibt es keine direkte Rechtsprechung zum Erbnachweis bei Online-Accounts. Es existiert jedoch ein Urteil zum Bankkonto: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Erben nicht dazu verpflichtet werden können, einen Erbschein vorzulegen, um Zugriff auf das Bankkonto des Erblassers zu bekommen. Entsprechende AGB-Klauseln sind unwirksam. Ein Testament mit Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts ist ausreichend (Urteil vom 8.10.2013, Az. XI ZR 401/12).
Es gibt einen neuen Beruf: Den digitalen Nachlassverwalter. So bezeichnen sich Dienstleister, die im Auftrag von Erben feststellen, wo der Verstorbene online aktiv war und ob er irgendwo Guthaben oder Schulden hatte. Manche Dienstleister übernehmen auch die Deaktivierung von Nutzerkonten. Dazu müssen sie die Hardware des Erblassers auswerten, also dessen verwendete Geräte wie PC und Smartphone. Meist recherchieren sie auch bei den üblichsten Online-Diensten.
Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass der Ermittlungsdienst alle Daten und persönlichen Informationen über den Verstorbenen erhält. Daher sollten sich die Erben genau überlegen, wem sie eine derart sensible Aufgabe anvertrauen. Und: Soziale Netzwerke und Online-Dienstleister aller Art sind nicht dazu verpflichtet, mit dem digitalen Nachlassverwalter zusammenzuarbeiten – dies tun sie höchstens freiwillig.
Der Bezahldienstleister Paypal erlaubt eine Auszahlung des Guthabens des Verstorbenen und die Kündigung durch die Erben, verlangt aber Nachweise. Erforderlich ist in der Regel eine Kopie der Sterbeurkunde, eine Kopie des Testamentes, eine Kopie des Personalausweises des Erben und eine schriftliche Erklärung, dass der Kontoinhaber verstorben ist und der Erbe das Konto kündigen möchte.
Kein besonders geregeltes Vorgehen für den Todesfall eines Nutzers gibt es bei Ebay. Der einzige Weg ist eine Kontaktaufnahme mit dem Kundenservice. Sehr wahrscheinlich wird der Account bei Vorlage einer Sterbeurkunde geschlossen. Die Erben bekommen jedoch keinen Zugriff auf den Account oder auf gespeicherte Daten.
Jeder Internetnutzer kann zu Lebzeiten sicherstellen, dass seine Angehörigen später nicht hilflos vor dem digitalen Chaos stehen.
Es gibt Dienstleister, die anbieten, alle Passwörter eines Nutzers zu verwalten und mit einem Masterpasswort zu sichern. Hier ist nur die Frage: Ist es wirklich der Sinn von Passwörtern, diese unbekannten Personen im Ausland zu geben, die dann Zugriff auf jede private Information aus dem eigenen Leben einschließlich Bank- und Kreditkartenkonten bekommen? Nichts anderes passiert hier.
Es ist eher empfehlenswert, die Passwörter aufzuschreiben und die Liste so aufzubewahren, dass nicht jeder daran kommt, die Erben jedoch im Ernstfall schnell und einfach darauf zugreifen können. Vielleicht im gleichen Umschlag wie das eigene Testament? Abzuraten ist von der Hinterlegung von Passwörtern bei einem Notar, da die Passwortliste regelmäßig aktualisiert werden sollte. Passwörter sollte man regelmäßig ändern.
Ein auf dem PC abgespeichertes Masterpasswort ist hervorragend geeignet - um Hackern und Identitätsdieben die Arbeit zu erleichtern. Auch ein Shareware-Passwortsafe-Programm ändert daran wenig.
Eine Möglichkeit der Vorsorge besteht darin, einer Vertrauensperson eine schriftliche Vollmacht zu geben. Diese erlaubt es der Person, den digitalen Nachlass zu verwalten und Nutzerkonten zu kündigen. Nicht ausreichend ist hier eine allgemein formulierte Vollmacht. Ein Fachanwalt für Informationstechnologierecht (IT-Recht) kann Sie kompetent zum digitalen Nachlass beraten.
Stirbt heutzutage ein Mensch, hinterlässt dieser nicht allein Geld und Sachwerte. Fast jeder hat heute auch einen digitalen Nachlass – etwa in Form von Social-Media- und E-Mail-Accounts, Cloud-Daten und Abos.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Worin besteht das Grundproblem? Wie geht Facebook beim Tod eines Nutzers vor? Jahrelanger Rechtsstreit um Zugang zu Facebook-Account Wie hat der Bundesgerichtshof zu Facebook entschieden? Wie ging es weiter? BGH: Datensalat auf USB-Stick nicht ausreichend Was passiert mit Mail-Konten und Cloud-Daten? Was passiert mit Abos und Mitgliedschaften? Was ist ein Erbschein? Wer übernimmt die digitale Nachlassverwaltung? Was gilt bei PayPal und Ebay? Wie kann man vorsorgen? Praxistipp Worin besteht das Grundproblem?
Im deutschen Erbrecht gilt die sogenannte Gesamtrechtsnachfolge. Das bedeutet: Wer erbt, erbt alles – nicht nur die Vermögenswerte, sondern auch die Schulden des Verstorbenen. Ein Erbe kann sich daher nicht Wertgegenstände nach seiner Wahl herauspicken und alles, was Arbeit macht oder Geld kostet, ignorieren.
Viele Menschen kaufen und verkaufen heute Waren auf Ebay, Amazon oder anderen Online-Plattformen. Sie zahlen mit PayPal oder anderen Bezahldienstleistern, sie betätigen sich in Sozialen Netzwerken und besitzen Nutzerkonten bei Mail- und Messenger-Diensten. Häufig findet auf diesen Wegen wichtige private und geschäftliche Kommunikation statt.
Die Erben eines Nutzers müssen damit rechnen, dass es hier Zahlungsverpflichtungen für sie gibt – etwa noch offene Rechnungen oder Abogebühren. Womöglich stehen auch noch eingehende Zahlungen aus oder es sind bestellte Waren irgendwo unterwegs. Wenn kostenpflichtige Dienste weiterlaufen, kann dies teuer werden.
Ein weiteres Thema sind fröhliche Urlaubsfotos und Geburtstagseinladungen: Lebt der Inhaber eines Accounts nicht mehr, möchten seine Angehörigen solche nun unpassenden Inhalte oft gern löschen. Ein Problem: Woher sollen sie wissen, wo der Verstorbene überall Nutzerkonten gehabt hat? Und wie können sie ohne Zugangsdaten und Passwörter darauf Zugriff bekommen?
Wie geht Facebook beim Tod eines Nutzers vor?
Bei Facebook kann man ein Nutzerkonto in den sogenannten Gedenkzustand versetzen. Diesen Schritt führt auch Facebook selbst durch, wenn es irgendwie erfährt, dass ein Nutzer verstorben ist. Gedenkzustand heißt: Neben dem Profilnamen erscheint der Zusatz ”in Erinnerung an”. Je nach den Privatsphäre-Einstellungen des Accounts können Freunde dort Erinnerungen teilen. Gespeicherte Inhalte können weiter von den Personen angesehen werden, mit denen sie geteilt wurden. Das öffentliche Verbreiten solcher Profile als ”Person, die du vielleicht kennst” sowie die Nutzung des Profils in Werbeanzeigen werden gestoppt, ebenso das Versenden von Geburtstagserinnerungen. Und: Niemand kann sich mehr auf dem Konto anmelden.
Allein eine Person, die der Nutzer zu Lebzeiten zum Nachlasskontakt ernannt hat, kann auf dem Profil dann noch Änderungen vornehmen. Auch diese Person kann sich jedoch nicht mehr normal auf dem Konto anmelden, sondern erhält nur eingeschränkten Zugriff. Beispielsweise kann sie das Foto ändern, einen fest bleibenden letzten Beitrag erstellen und neue Freundschaftsanfragen beantworten. Einen Nachlasskontakt benennen können nur Volljährige. Auch können Facebook-Nutzer zu Lebzeiten bestimmen, ob Facebook ihr Nutzerkonto im Falle ihres Ablebens in den Gedenkstatus versetzen oder ganz löschen soll.
Jahrelanger Rechtsstreit um Zugang zu Facebook-Account
2012 kam in Berlin ein 15-jähriges Mädchen ums Leben, das von einer U-Bahn überfahren wurde. Ihren Eltern ließ die Frage keine Ruhe, ob es sich um einen Suizid gehandelt hatte. War womöglich Mobbing im Spiel gewesen? Um dies zu erfahren, wollten sie Zugriff zum Facebook-Account ihrer Tochter erhalten. Auf diese Weise hätten sie auch nicht öffentliche Unterhaltungen lesen können.
Im Normalfall wäre dies kein Problem gewesen. Die Tochter hatte der Mutter nämlich ihre Zugangsdaten anvertraut. Nur: Bevor die Eltern auf das Konto zugreifen konnten, meldete ein Unbekannter Facebook den Tod der Tochter. Facebook handelte sofort und versetzte das Konto in den Gedenkstatus. Nun konnte sich niemand mehr darauf anmelden. Die Mutter klagte daraufhin gegen Facebook, um Zugang zum Account ihrer Tochter zu erhalten.
In erster Instanz stellte sich das Landgericht Berlin noch auf die Seite der Mutter. Aber: Das Berliner Kammergericht wies 2017 deren Klage ab. Das Fernmeldegeheimnis beziehe sich auch auf die Kommunikation in Sozialen Netzwerken, wenn sich diese in kleinen, von der Öffentlichkeit abgeschirmten Gruppen oder Zweier-Chats abspiele. Es schütze auch die unbekannten Chatpartner des Mädchens, denn diese hätten ja nicht in eine Einsichtnahme durch dessen Eltern eingewilligt (KG Berlin, Beschluss vom 31. Mai 2017, Az. 21 W 23/16).
Wie hat der Bundesgerichtshof zu Facebook entschieden?
Zunächst hat der Bundesgerichtshof den Grundsatz aufgestellt, dass ein Nutzerkonto bei einem Sozialen Netzwerk vererbbar ist. Die Folge: Die Erben eines verstorbenen Facebook-Nutzers haben Anspruch auf Zugang zu seinem Account und zu allen darauf gespeicherten Inhalten (Urteil vom 12. Juli 2018, Az. III ZR 183/17).
Der Nutzungsvertrag des Mädchens mit Facebook sei mit ihrem Tod auf ihre Erben übergegangen, also auf ihre Eltern. Vertragliche Absprachen, die dies verhindert hätten, hätten nicht existiert. Die Facebook-Regeln über den Gedenkzustand seien nicht wirksam Vertragsbestandteil geworden und obendrein schlicht unwirksam. Fremde, die zu Lebzeiten mit einem Social-Media-Nutzer kommunizierten, müssten damit rechnen, dass später Dritte diese Kommunikation lesen könnten.
Das Gericht stellte hier eine Parallele zu Tagebüchern und persönlichen Briefen auf. Diese würden ebenfalls vererbt. Auch sie dienten der persönlichen Kommunikation – wie ein Facebook-Konto. Das Fernmeldegeheimnis gelte hier nicht, weil der Erbe vollständig rechtlicher Nachfolger des Erblassers werde. Er sei gerade kein ”anderer” im Sinne des Telekommunikationsgesetzes, dem das Fernmeldegeheimnis einen Zugriff auf fremde Kommunikation verwehre. Auch die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) ändere daran nichts. Durch diese würden nur die Daten lebender Personen geschützt.
Dieses Urteil hat große Bedeutung für ähnliche Fälle. Es gilt beispielsweise auch für den Fall, dass Kinder auf die Social-Media-Accounts ihrer verstorbenen Eltern zugreifen möchten. Es bleibt abzuwarten, ob Facebook seine Nutzungsbedingungen auf eine Art ändert, die dies unterbindet. Allerdings legt der Bundesgerichtshof an die Wirksamkeit solcher Klauseln strenge Maßstäbe an.
Wie ging es weiter?
Überraschenderweise war der Rechtsstreit mit dem BGH-Urteil jedoch nicht zu Ende. Facebook stellte sich nämlich auf den Standpunkt, dass es technisch nicht möglich sei, den Eltern schlicht und einfach Zugang zum Account ihrer Tochter zu gewähren. Stattdessen schickte man den Eltern per Post einen USB-Stick mit einem 14.000 Seiten langen PDF-Dokument zu, der angeblich den Inhalt des Accounts enthalten sollte.
Die Eltern waren der Ansicht, dass Facebook so nicht seiner Verpflichtung aus dem BGH-Urteil nachgekommen war, ihnen Zugang zu geben. Erneut gingen sie vor Gericht. Auch diese Klage lief durch alle Instanzen bis zum BGH.
BGH: Datensalat auf USB-Stick nicht ausreichend
Und wieder entschied der Bundesgerichtshof zugunsten der Eltern. Facebook müsse es den Erben ermöglichen, auf die gleiche Art Zugang auf den Account zu bekommen, wie die verstorbene Nutzerin. Ihnen dürfe lediglich eine aktive Nutzung des Kontos untersagt werden. "Zugang" heiße, dass die Erben Zutritt zum Herrschaftsbereich des Kontos bekämen und sich auf dem Konto bewegen könnten wie vorher ihre Tochter. Es reiche nicht aus, nur gespeicherte Daten in anderer Form weiterzugeben. Die Erben hätten als neue Nutzungsberechtigte einen Hauptleistungsanspruch gegen Facebook. Dieser sei auf einen vollen Zugang zum Account gerichtet.
Mit der Entscheidung des BGH wurde außerdem ein Zwangsgeldbeschluss des Berliner Landgerichts gegen Facebook in Höhe von 10.000 Euro rechtskräftig (Beschluss vom 27.8.2020, Az. III ZB 30/20).
Was passiert mit Mail-Konten und Cloud-Daten?
Dazu existieren keine besonderen gesetzlichen Regelungen. Ob das oben erwähnte BGH-Urteil auf solche Konten anwendbar ist, werden die Gerichte noch entscheiden.
Bis dahin sind die AGB der Anbieter ausschlaggebend. Nicht alle Anbieter betrachten die Vertragsbeziehung zwischen Anbieter und Nutzer als vererblich. Manche – zum Beispiel WEB.de oder GMX – geben Erben Zugriff auf den Account und auch die Möglichkeit, diesen weiterzunutzen oder zu löschen. Voraussetzung ist ein Erbnachweis. Für eine Löschung kann eine Sterbeurkunde ausreichend sein, für einen Zugriff auf das Konto wird oft ein vom Nachlassgericht ausgestellter Erbschein plus Identitätsnachweis des Erben verlangt sowie ein schriftlicher Antrag mit eigenhändiger Unterschrift. Gibt es mehrere Miterben, müssen alle schriftlich zustimmen. Wenn nur einer auf das Konto zugreifen will, müssen die anderen eine Vollmacht erteilen. Diese Vorgänge zu organisieren, nimmt einige Zeit in Anspruch.
Manche Anbieter deaktivieren automatisch nach einer gewissen Zeit inaktive Konten. Beim E-Mail-Dienst Yahoo etwa erlöschen nach den Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit dem Tod des Nutzers einfach dessen Rechte an seinem Konto und seinen Daten. Yahoo sieht das Nutzungsverhältnis als nicht übertragbar an und gewährt Erben keinen Zugriff. Der Cloud-Speicher-Dienst Dropbox ermöglicht Angehörigen verstorbener Nutzer zwar theoretisch auf Antrag Zugang zu deren Daten. Allerdings wird hier die Zusendung vieler Unterlagen per Post in die USA verlangt – einschließlich einer Gerichtsentscheidung, aus der sich das Erbrecht des Antragstellers und die Verpflichtung zur Herausgabe der Daten ergeben.
Was passiert mit Abos und Mitgliedschaften?
Viele Menschen meinen, dass mit dem Tod einer Person auch automatisch Verträge enden, die diese abgeschlossen hat. Dies gilt jedoch nur für sogenannte höchstpersönliche Verträge, also solche, bei denen eine Leistung von der verstorbenen Person selbst erbracht werden soll. Beispiel: Der Arbeitsvertrag.
Abonnements aller Art gehören nicht zu diesen Verträgen, sie laufen einfach weiter bis zu einer Kündigung. Und manche Verträge verlängern sich ohne Kündigung automatisch immer wieder, etwa beim Online-Dating. Die entstehenden Kosten trägt der Erbe. Dieser sollte sich daher schnellstmöglich um die Kündigung solcher Verträge kümmern.
Die Anbieter verlangen oft als Nachweis eine Sterbeurkunde oder einen Erbschein. Hier ist darauf hinzuweisen, dass der – teure – Erbschein inzwischen nicht einmal mehr von Banken pauschal verlangt werden kann.
Was ist ein Erbschein?
Mit einem Erbschein bestätigt das Nachlassgericht, dass jemand etwas geerbt hat, von wem und zu welchem Erbanteil. Häufig wird er als Standard-Nachweis und erbrechtliches ”Allheilmittel” angesehen. Allerdings kostet er ordentlich Geld. Der genaue Betrag richtet sich nach dem Umfang des Nachlasses. Angehörige sollten sich also gut überlegen, ob sie überhaupt einen Erbschein brauchen. Oft reicht für die Kündigung eines Online-Abos die Sterbeurkunde oder das vom Nachlassgericht eröffnete Testament aus. Dies scheint jedoch von jedem Anbieter unterschiedlich gehandhabt zu werden.
Zwar gibt es keine direkte Rechtsprechung zum Erbnachweis bei Online-Accounts. Es existiert jedoch ein Urteil zum Bankkonto: Der Bundesgerichtshof hat entschieden, dass Erben nicht dazu verpflichtet werden können, einen Erbschein vorzulegen, um Zugriff auf das Bankkonto des Erblassers zu bekommen. Entsprechende AGB-Klauseln sind unwirksam. Ein Testament mit Eröffnungsprotokoll des Nachlassgerichts ist ausreichend (Urteil vom 8.10.2013, Az. XI ZR 401/12).
Wer übernimmt die digitale Nachlassverwaltung?
Es gibt einen neuen Beruf: Den digitalen Nachlassverwalter. So bezeichnen sich Dienstleister, die im Auftrag von Erben feststellen, wo der Verstorbene online aktiv war und ob er irgendwo Guthaben oder Schulden hatte. Manche Dienstleister übernehmen auch die Deaktivierung von Nutzerkonten. Dazu müssen sie die Hardware des Erblassers auswerten, also dessen verwendete Geräte wie PC und Smartphone. Meist recherchieren sie auch bei den üblichsten Online-Diensten.
Ein Nachteil dieses Verfahrens ist, dass der Ermittlungsdienst alle Daten und persönlichen Informationen über den Verstorbenen erhält. Daher sollten sich die Erben genau überlegen, wem sie eine derart sensible Aufgabe anvertrauen. Und: Soziale Netzwerke und Online-Dienstleister aller Art sind nicht dazu verpflichtet, mit dem digitalen Nachlassverwalter zusammenzuarbeiten – dies tun sie höchstens freiwillig.
Was gilt bei PayPal und Ebay?
Der Bezahldienstleister Paypal erlaubt eine Auszahlung des Guthabens des Verstorbenen und die Kündigung durch die Erben, verlangt aber Nachweise. Erforderlich ist in der Regel eine Kopie der Sterbeurkunde, eine Kopie des Testamentes, eine Kopie des Personalausweises des Erben und eine schriftliche Erklärung, dass der Kontoinhaber verstorben ist und der Erbe das Konto kündigen möchte.
Kein besonders geregeltes Vorgehen für den Todesfall eines Nutzers gibt es bei Ebay. Der einzige Weg ist eine Kontaktaufnahme mit dem Kundenservice. Sehr wahrscheinlich wird der Account bei Vorlage einer Sterbeurkunde geschlossen. Die Erben bekommen jedoch keinen Zugriff auf den Account oder auf gespeicherte Daten.
Wie kann man vorsorgen?
Jeder Internetnutzer kann zu Lebzeiten sicherstellen, dass seine Angehörigen später nicht hilflos vor dem digitalen Chaos stehen.
Es gibt Dienstleister, die anbieten, alle Passwörter eines Nutzers zu verwalten und mit einem Masterpasswort zu sichern. Hier ist nur die Frage: Ist es wirklich der Sinn von Passwörtern, diese unbekannten Personen im Ausland zu geben, die dann Zugriff auf jede private Information aus dem eigenen Leben einschließlich Bank- und Kreditkartenkonten bekommen? Nichts anderes passiert hier.
Es ist eher empfehlenswert, die Passwörter aufzuschreiben und die Liste so aufzubewahren, dass nicht jeder daran kommt, die Erben jedoch im Ernstfall schnell und einfach darauf zugreifen können. Vielleicht im gleichen Umschlag wie das eigene Testament? Abzuraten ist von der Hinterlegung von Passwörtern bei einem Notar, da die Passwortliste regelmäßig aktualisiert werden sollte. Passwörter sollte man regelmäßig ändern.
Ein auf dem PC abgespeichertes Masterpasswort ist hervorragend geeignet - um Hackern und Identitätsdieben die Arbeit zu erleichtern. Auch ein Shareware-Passwortsafe-Programm ändert daran wenig.
Praxistipp
Eine Möglichkeit der Vorsorge besteht darin, einer Vertrauensperson eine schriftliche Vollmacht zu geben. Diese erlaubt es der Person, den digitalen Nachlass zu verwalten und Nutzerkonten zu kündigen. Nicht ausreichend ist hier eine allgemein formulierte Vollmacht. Ein Fachanwalt für Informationstechnologierecht (IT-Recht) kann Sie kompetent zum digitalen Nachlass beraten.
(Ma)