Direktionsrecht: Was darf der Chef anordnen?
05.12.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Gesetze, Arbeitsverträge und Tarifverträge regeln das Arbeitsleben. Nicht immer reichen sie aus, um jedes Detail der vertraglich vereinbarten Arbeitsleistung zu klären. Dies ist nicht verwunderlich, denn jeder Betrieb und jeder Arbeitsplatz hat vollkommen unterschiedliche Anforderungen, und diese bleiben nicht immer gleich. Wenn ein Betrieb funktionieren soll, muss jemand im Einzelfall Anweisungen geben können. Dafür kommen nur der Arbeitgeber und die Führungskräfte bzw. Vorgesetzten im Unternehmen in Frage. Damit diese handlungsfähig sind, hat der Arbeitgeber ein Weisungsrecht, in der Fachsprache auch Direktionsrecht genannt.
Im Arbeitsvertrag ist die Pflicht der Arbeitnehmer festgelegt, jeden Tag im Büro, auf der Baustelle usw. zu erscheinen und die vereinbarte Tätigkeit auszuüben. Was dabei genau zu tun ist, bestimmt der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechtes.
Weisungen, die im Rahmen des Direktionsrechtes gegeben werden, müssen die Beschäftigten nachkommen. Schließlich ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers ein Hauptkennzeichen der abhängigen Beschäftigung. Freie Mitarbeiter sind Weisungen von Vorgesetzten dagegen bei Weitem nicht so stark unterworfen. Ein Mitspracherecht haben die Arbeitnehmer hier nicht. Sie können auch gegen Weisungen des Chefs keinen Einspruch erheben, wenn diese vom Direktionsrecht gedeckt sind.
§ 106 der Gewerbeordnung (GewO) ist die rechtliche Grundlage des Weisungsrechtes des Arbeitgebers. Darin steht: Arbeitgeber dürfen Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung vorgeben, soweit diese nicht per Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt sind. Solche übergeordneten Vereinbarungen oder Vorschriften gehen einer individuellen Weisung nämlich vor.
Der Chef darf auch über die Ordnung im Betrieb und das Verhalten der Arbeitnehmer bestimmen. Seine Weisungen müssen sich dabei jedoch im Bereich des "billigen Ermessens" bewegen. Das bedeutet: Sie dürfen nicht ungerecht oder unverhältnismäßig sein. Der Chef hat hier also eine Abwägung vorzunehmen zwischen den Interessen und Verhältnissen des einzelnen Arbeitnehmers und denen des Unternehmens. Dabei muss auf individuelle Verhältnisse wie eine Behinderung des Beschäftigten oder dessen familiäre Situation Rücksicht genommen werden. Auch dessen berufliche Erfahrungen und Kenntnisse sind einzubeziehen.
Der Arbeitgeber darf bestimmen, welche Tätigkeiten die Mitarbeiter im Einzelnen durchführen sollen und auf welche Art und Weise. Damit bestimmt er also den Arbeitsablauf und die Reihenfolge der Arbeitsschritte. Er darf den Arbeitnehmer aber nicht anweisen, eine andere Tätigkeit, als die, die im Arbeitsvertrag konkret vereinbart wurde, durchzuführen. In keinem Fall darf der Chef einen Arbeitnehmer anweisen, gesetzlich verbotene oder sittenwidrige Tätigkeiten durchzuführen.
Der Arbeitgeber darf grundsätzlich festlegen, welche Kleidung die Angestellten bei der Arbeit tragen müssen. Es gibt hier aber viele Einschränkungen mit Blick auf dieses Direktionsrecht. Wenn für die Tätigkeit besondere Schutzkleidung nötig ist, darf der Chef diese natürlich anordnen. Ebenso kann er die Arbeitnehmer auch anweisen, unternehmenseinheitliche Kleidung zu tragen, wenn in dem Betrieb ein einheitliches Auftreten üblich ist, oder formelle Business-Kleidung, wenn die Mitarbeiter Kundenkontakt in einem Bereich haben, in dem dies erwartet wird (etwa bei Banken oder Versicherungen). Ganz frei ist der Arbeitgeber jedoch in solchen Fragen nicht – gerade zum Thema Kleidung existieren viele Gerichtsurteile, die sein Weisungsrecht einschränken. Eine der Folgen: Geht es nur um ein einheitliches Auftreten der Mitarbeiter, muss vor einer Einführung entsprechender Kleidungsvorschriften der Betriebsrat angehört werden.
Versetzungen an einen anderen Arbeitsort sind ein großer Streitpunkt beim Thema Direktionsrecht. Inwieweit der Arbeitgeber einen Beschäftigten an einen anderen Einsatzort versetzen kann, hängt in erster Linie vom Arbeitsvertrag und oft auch von Betriebsvereinbarungen ab. Das Nachweisgesetz (NachwG) hält Arbeitgeber dazu an, spätestens innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer eine vertragliche Absprache zu treffen, ob dieser an einem bestimmten Ort oder an wechselnden Orten eingesetzt werden soll.
Nennt der Arbeitsvertrag ausdrücklich einen bestimmten Arbeitsort, kann nicht ohne Weiteres einfach eine Versetzung im Wege des Direktionsrechts durchgeführt werden. Möglich ist dies dann höchstens auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages. Auch die Branchenüblichkeit spielt dabei eine Rolle (Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Flugbegleitern, 28.8.2013, Az. 10 AZR 569/12). Wenn es im Arbeitsvertrag keine konkrete Regelung des Arbeitsortes gibt, ist eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort im Rahmen des Direktionsrechtes erlaubt. Voraussetzung ist auch dann jedoch eine Interessenabwägung und die Beachtung des "billigen Ermessens". In bestimmten Fällen darf der Betriebsrat einer Versetzung widersprechen.
Ein Pilot der Fluggesellschaft Ryanair war wegen Schließung des Nürnberger Standorts nach Bologna in Italien versetzt worden. Nach seinem Arbeitsvertrag durfte er an jedem anderen Standort des Unternehmens eingesetzt werden - und die Bezahlung richtete sich dann nach den örtlichen Regeln. Damit hatte seine Versetzung auch Gehaltseinbußen zur Folge. Er klagte gegen die Versetzung. Der Fall ging durch alle Instanzen.
Das Bundesarbeitsgericht betonte: Der Arbeitgeber dürfe aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer auch anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten. Voraussetzung: Es sei nichts Gegenteiliges im Arbeitsvertrag vereinbart worden, weder ausdrücklich noch konkludent (= durch einverständliches Handeln). Allerdings müsse vor einer Versetzung ins Ausland eine zweistufige Billigkeitsprüfung stattfinden. Darin sei zu prüfen, ob die Versetzung rechtlich zulässig und im konkreten Fall zumutbar sei.
Das Direktionsrecht nach § 106 GewO beschränke sich nicht auf eine Versetzung innerhalb Deutschlands. Dies ginge aus der Vorschrift nicht hervor. Der Pilot durfte daher in diesem Fall ins Ausland versetzt werden (Urteil vom 30.11.2022, Az. 5 AZR 336/21).
In der Regel bestimmt der Arbeitsvertrag, wie viele Stunden ein Arbeitnehmer pro Woche arbeiten muss. Dafür gibt es gesetzliche Höchstgrenzen. Der Arbeitgeber kann auch hier im Rahmen seines Weisungsrechtes Einzelheiten festlegen. Ist zum Beispiel wegen besonderer Umstände (eiliger Auftrag, Inventur) die Anwesenheit eines bestimmten Arbeitnehmers ausnahmsweise auch an einem Samstag notwendig, kann der Arbeitgeber dies anordnen. Aber: Er muss dies in der nächsten Woche durch weniger Arbeitsstunden ausgleichen.
Die Anordnung von Überstunden muss in Arbeitsvertrag grundsätzlich vereinbart sein. Der Chef kann nicht einfach per Direktionsrecht eine vereinbarte 20-Stunden-Woche in eine 30-Stunden-Woche verwandeln. Individuelle Regelungen im Arbeitsvertrag gehen Weisungen vor. Bei Regelungen über die "betriebsübliche Arbeitszeit" darf der Betriebsrat mitbestimmen.
§ 14 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) schränkt das Weisungsrecht des Arbeitgebers ein. Danach dürfen Auszubildende nur für Tätigkeiten eingesetzt werden, die ihrer Berufsausbildung dienen und zu denen sie körperlich in der Lage sind. Alles, was diese Grenzen überschreitet, ist nicht zulässig.
Arbeitnehmer haben gegenüber ihrem Arbeitgeber eine Treuepflicht. Deshalb kann der Chef in einem echten Notfall durchaus erwarten, dass sie Tätigkeiten durchführen, die nicht zu ihrer normalen Arbeit gehören. Es muss sich jedoch um Situationen handeln, die der Arbeitgeber nicht vorhersehen konnte oder die durch vernünftige Personalplanung nicht zu regeln sind. Treten solche Fälle regelmäßig oder als Folge eines dauerhaften Arbeitskräftemangels auf, sind sie vom Weisungsrecht nicht mehr gedeckt.
Lange galt der Grundsatz, dass Arbeitnehmer auch eine unbillige oder rechtlich unzulässige Weisung des Chefs zuerst einmal zu befolgen hatten. Sie durften sich also nicht einfach weigern, sondern mussten erst vor Gericht ziehen, um die Sache klären zu lassen. Dies galt auch bei einer unzulässigen Versetzung in eine andere Stadt - obwohl ein Rechtsstreit durch mehrere Instanzen lange dauern kann. Wenn sich Arbeitnehmer weigerten, der Weisung nachzukommen, riskierten sie eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage hat sich im Juni 2017 geändert. Das Gericht betonte: Der Arbeitnehmer muss einer "unbilligen" Weisung nicht mehr monatelang Folge leisten, während der Gerichtsprozess läuft (Beschluss vom 14. Juni 2017, Az. 10 AZR 330/16, Antwortbeschluss des Fünften Senats vom 14. September 2017, Az. 5 AS 7/17). Natürlich ist es oft schwer einzuschätzen, ob eine Weisung "unbillig" ist. Hier ist anwaltliche Beratung unbedingt gefragt.
Arbeitnehmer haben nach der neuen Rechtsprechung die Wahl, ob sie einer ungerecht oder unzulässig erscheinenden Weisung zuerst bis zu einer gerichtlichen Klärung folgen oder deren Ausführung verweigern und auf ihr Urteil warten. Verweigern sie die Umsetzung der Weisung, liegt das Risiko, dass sich die Entscheidung des Gerichts gegen sie wendet, bei den Arbeitnehmern.
Oft wird dem Beschäftigten bis zu einer gerichtlichen Klärung längst gekündigt worden sein. Falls sich dann vor Gericht ergeben sollte, dass die Weisung rechtmäßig war, bleibt die Kündigung bestehen. Denn: Der Arbeitnehmer hat grundlos Weisungen des Arbeitgebers missachtet.
Stellt sich jedoch vor Gericht heraus, dass die Weisung unrechtmäßig war, kann die Kündigung angegriffen werden (Achtung: Kündigungsschutzklage nur innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung!). Dann ist jedoch das Verhältnis zum Arbeitgeber zerstört.
Wenn es im Arbeitsleben Streit um die Rechtmäßigkeit einer Weisung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt, kann eine Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht nur dringend empfohlen werden. Eine schnelle gerichtliche Klärung mit überschaubaren Kosten ist durch das einstweilige Verfügungsverfahren möglich.
Arbeitgeber haben ein sogenanntes Direktionsrecht. Es handelt sich dabei um ein Weisungsrecht gegenüber den Arbeitnehmern. Aber was genau darf der Chef anordnen und was nicht?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was genau versteht man unter dem Weisungsrecht des Arbeitgebers? Was muss der Chef bei der Erteilung einer Weisung beachten? Wie weit geht das Weisungsrecht bei der eigentlichen Tätigkeit? Wie weit geht das Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitskleidung? Wie weit geht das Weisungsrecht in Bezug auf den Arbeitsort? 2022: Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zur Versetzung ins Ausland Wie weit geht das Weisungsrecht in Bezug auf die Arbeitszeit? Was gilt speziell für Auszubildende? Gibt es ein stärkeres Weisungsrecht in Notfällen? Welche Folgen hat das Nichtbefolgen einer Weisung für den Arbeitnehmer? Welches Risiko tragen Arbeitnehmer, die die Ausführung verweigern? Praxistipp zum Direktionsrecht des Arbeitgebers Was genau versteht man unter dem Weisungsrecht des Arbeitgebers?
Im Arbeitsvertrag ist die Pflicht der Arbeitnehmer festgelegt, jeden Tag im Büro, auf der Baustelle usw. zu erscheinen und die vereinbarte Tätigkeit auszuüben. Was dabei genau zu tun ist, bestimmt der Arbeitgeber im Rahmen seines Weisungsrechtes.
Weisungen, die im Rahmen des Direktionsrechtes gegeben werden, müssen die Beschäftigten nachkommen. Schließlich ist das Weisungsrecht des Arbeitgebers ein Hauptkennzeichen der abhängigen Beschäftigung. Freie Mitarbeiter sind Weisungen von Vorgesetzten dagegen bei Weitem nicht so stark unterworfen. Ein Mitspracherecht haben die Arbeitnehmer hier nicht. Sie können auch gegen Weisungen des Chefs keinen Einspruch erheben, wenn diese vom Direktionsrecht gedeckt sind.
Was muss der Chef bei der Erteilung einer Weisung beachten?
§ 106 der Gewerbeordnung (GewO) ist die rechtliche Grundlage des Weisungsrechtes des Arbeitgebers. Darin steht: Arbeitgeber dürfen Inhalt, Ort und Zeit der Arbeitsleistung vorgeben, soweit diese nicht per Arbeitsvertrag, Betriebsvereinbarung, Tarifvertrag oder Gesetz festgelegt sind. Solche übergeordneten Vereinbarungen oder Vorschriften gehen einer individuellen Weisung nämlich vor.
Der Chef darf auch über die Ordnung im Betrieb und das Verhalten der Arbeitnehmer bestimmen. Seine Weisungen müssen sich dabei jedoch im Bereich des "billigen Ermessens" bewegen. Das bedeutet: Sie dürfen nicht ungerecht oder unverhältnismäßig sein. Der Chef hat hier also eine Abwägung vorzunehmen zwischen den Interessen und Verhältnissen des einzelnen Arbeitnehmers und denen des Unternehmens. Dabei muss auf individuelle Verhältnisse wie eine Behinderung des Beschäftigten oder dessen familiäre Situation Rücksicht genommen werden. Auch dessen berufliche Erfahrungen und Kenntnisse sind einzubeziehen.
Wie weit geht das Weisungsrecht bei der eigentlichen Tätigkeit?
Der Arbeitgeber darf bestimmen, welche Tätigkeiten die Mitarbeiter im Einzelnen durchführen sollen und auf welche Art und Weise. Damit bestimmt er also den Arbeitsablauf und die Reihenfolge der Arbeitsschritte. Er darf den Arbeitnehmer aber nicht anweisen, eine andere Tätigkeit, als die, die im Arbeitsvertrag konkret vereinbart wurde, durchzuführen. In keinem Fall darf der Chef einen Arbeitnehmer anweisen, gesetzlich verbotene oder sittenwidrige Tätigkeiten durchzuführen.
Wie weit geht das Weisungsrecht hinsichtlich der Arbeitskleidung?
Der Arbeitgeber darf grundsätzlich festlegen, welche Kleidung die Angestellten bei der Arbeit tragen müssen. Es gibt hier aber viele Einschränkungen mit Blick auf dieses Direktionsrecht. Wenn für die Tätigkeit besondere Schutzkleidung nötig ist, darf der Chef diese natürlich anordnen. Ebenso kann er die Arbeitnehmer auch anweisen, unternehmenseinheitliche Kleidung zu tragen, wenn in dem Betrieb ein einheitliches Auftreten üblich ist, oder formelle Business-Kleidung, wenn die Mitarbeiter Kundenkontakt in einem Bereich haben, in dem dies erwartet wird (etwa bei Banken oder Versicherungen). Ganz frei ist der Arbeitgeber jedoch in solchen Fragen nicht – gerade zum Thema Kleidung existieren viele Gerichtsurteile, die sein Weisungsrecht einschränken. Eine der Folgen: Geht es nur um ein einheitliches Auftreten der Mitarbeiter, muss vor einer Einführung entsprechender Kleidungsvorschriften der Betriebsrat angehört werden.
Wie weit geht das Weisungsrecht in Bezug auf den Arbeitsort?
Versetzungen an einen anderen Arbeitsort sind ein großer Streitpunkt beim Thema Direktionsrecht. Inwieweit der Arbeitgeber einen Beschäftigten an einen anderen Einsatzort versetzen kann, hängt in erster Linie vom Arbeitsvertrag und oft auch von Betriebsvereinbarungen ab. Das Nachweisgesetz (NachwG) hält Arbeitgeber dazu an, spätestens innerhalb eines Monats nach Beginn des Arbeitsverhältnisses mit dem Arbeitnehmer eine vertragliche Absprache zu treffen, ob dieser an einem bestimmten Ort oder an wechselnden Orten eingesetzt werden soll.
Nennt der Arbeitsvertrag ausdrücklich einen bestimmten Arbeitsort, kann nicht ohne Weiteres einfach eine Versetzung im Wege des Direktionsrechts durchgeführt werden. Möglich ist dies dann höchstens auf Grundlage einer Betriebsvereinbarung oder eines Tarifvertrages. Auch die Branchenüblichkeit spielt dabei eine Rolle (Urteil des Bundesarbeitsgerichts zu Flugbegleitern, 28.8.2013, Az. 10 AZR 569/12). Wenn es im Arbeitsvertrag keine konkrete Regelung des Arbeitsortes gibt, ist eine Versetzung an einen anderen Arbeitsort im Rahmen des Direktionsrechtes erlaubt. Voraussetzung ist auch dann jedoch eine Interessenabwägung und die Beachtung des "billigen Ermessens". In bestimmten Fällen darf der Betriebsrat einer Versetzung widersprechen.
2022: Urteil des Bundesarbeitsgerichtes zur Versetzung ins Ausland
Ein Pilot der Fluggesellschaft Ryanair war wegen Schließung des Nürnberger Standorts nach Bologna in Italien versetzt worden. Nach seinem Arbeitsvertrag durfte er an jedem anderen Standort des Unternehmens eingesetzt werden - und die Bezahlung richtete sich dann nach den örtlichen Regeln. Damit hatte seine Versetzung auch Gehaltseinbußen zur Folge. Er klagte gegen die Versetzung. Der Fall ging durch alle Instanzen.
Das Bundesarbeitsgericht betonte: Der Arbeitgeber dürfe aufgrund seines arbeitsvertraglichen Direktionsrechts den Arbeitnehmer auch anweisen, an einem Arbeitsort des Unternehmens im Ausland zu arbeiten. Voraussetzung: Es sei nichts Gegenteiliges im Arbeitsvertrag vereinbart worden, weder ausdrücklich noch konkludent (= durch einverständliches Handeln). Allerdings müsse vor einer Versetzung ins Ausland eine zweistufige Billigkeitsprüfung stattfinden. Darin sei zu prüfen, ob die Versetzung rechtlich zulässig und im konkreten Fall zumutbar sei.
Das Direktionsrecht nach § 106 GewO beschränke sich nicht auf eine Versetzung innerhalb Deutschlands. Dies ginge aus der Vorschrift nicht hervor. Der Pilot durfte daher in diesem Fall ins Ausland versetzt werden (Urteil vom 30.11.2022, Az. 5 AZR 336/21).
Wie weit geht das Weisungsrecht in Bezug auf die Arbeitszeit?
In der Regel bestimmt der Arbeitsvertrag, wie viele Stunden ein Arbeitnehmer pro Woche arbeiten muss. Dafür gibt es gesetzliche Höchstgrenzen. Der Arbeitgeber kann auch hier im Rahmen seines Weisungsrechtes Einzelheiten festlegen. Ist zum Beispiel wegen besonderer Umstände (eiliger Auftrag, Inventur) die Anwesenheit eines bestimmten Arbeitnehmers ausnahmsweise auch an einem Samstag notwendig, kann der Arbeitgeber dies anordnen. Aber: Er muss dies in der nächsten Woche durch weniger Arbeitsstunden ausgleichen.
Die Anordnung von Überstunden muss in Arbeitsvertrag grundsätzlich vereinbart sein. Der Chef kann nicht einfach per Direktionsrecht eine vereinbarte 20-Stunden-Woche in eine 30-Stunden-Woche verwandeln. Individuelle Regelungen im Arbeitsvertrag gehen Weisungen vor. Bei Regelungen über die "betriebsübliche Arbeitszeit" darf der Betriebsrat mitbestimmen.
Was gilt speziell für Auszubildende?
§ 14 des Berufsbildungsgesetzes (BBiG) schränkt das Weisungsrecht des Arbeitgebers ein. Danach dürfen Auszubildende nur für Tätigkeiten eingesetzt werden, die ihrer Berufsausbildung dienen und zu denen sie körperlich in der Lage sind. Alles, was diese Grenzen überschreitet, ist nicht zulässig.
Gibt es ein stärkeres Weisungsrecht in Notfällen?
Arbeitnehmer haben gegenüber ihrem Arbeitgeber eine Treuepflicht. Deshalb kann der Chef in einem echten Notfall durchaus erwarten, dass sie Tätigkeiten durchführen, die nicht zu ihrer normalen Arbeit gehören. Es muss sich jedoch um Situationen handeln, die der Arbeitgeber nicht vorhersehen konnte oder die durch vernünftige Personalplanung nicht zu regeln sind. Treten solche Fälle regelmäßig oder als Folge eines dauerhaften Arbeitskräftemangels auf, sind sie vom Weisungsrecht nicht mehr gedeckt.
Welche Folgen hat das Nichtbefolgen einer Weisung für den Arbeitnehmer?
Lange galt der Grundsatz, dass Arbeitnehmer auch eine unbillige oder rechtlich unzulässige Weisung des Chefs zuerst einmal zu befolgen hatten. Sie durften sich also nicht einfach weigern, sondern mussten erst vor Gericht ziehen, um die Sache klären zu lassen. Dies galt auch bei einer unzulässigen Versetzung in eine andere Stadt - obwohl ein Rechtsstreit durch mehrere Instanzen lange dauern kann. Wenn sich Arbeitnehmer weigerten, der Weisung nachzukommen, riskierten sie eine Kündigung wegen Arbeitsverweigerung.
Die Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts zu dieser Frage hat sich im Juni 2017 geändert. Das Gericht betonte: Der Arbeitnehmer muss einer "unbilligen" Weisung nicht mehr monatelang Folge leisten, während der Gerichtsprozess läuft (Beschluss vom 14. Juni 2017, Az. 10 AZR 330/16, Antwortbeschluss des Fünften Senats vom 14. September 2017, Az. 5 AS 7/17). Natürlich ist es oft schwer einzuschätzen, ob eine Weisung "unbillig" ist. Hier ist anwaltliche Beratung unbedingt gefragt.
Welches Risiko tragen Arbeitnehmer, die die Ausführung verweigern?
Arbeitnehmer haben nach der neuen Rechtsprechung die Wahl, ob sie einer ungerecht oder unzulässig erscheinenden Weisung zuerst bis zu einer gerichtlichen Klärung folgen oder deren Ausführung verweigern und auf ihr Urteil warten. Verweigern sie die Umsetzung der Weisung, liegt das Risiko, dass sich die Entscheidung des Gerichts gegen sie wendet, bei den Arbeitnehmern.
Oft wird dem Beschäftigten bis zu einer gerichtlichen Klärung längst gekündigt worden sein. Falls sich dann vor Gericht ergeben sollte, dass die Weisung rechtmäßig war, bleibt die Kündigung bestehen. Denn: Der Arbeitnehmer hat grundlos Weisungen des Arbeitgebers missachtet.
Stellt sich jedoch vor Gericht heraus, dass die Weisung unrechtmäßig war, kann die Kündigung angegriffen werden (Achtung: Kündigungsschutzklage nur innerhalb von drei Wochen ab Zugang der Kündigung!). Dann ist jedoch das Verhältnis zum Arbeitgeber zerstört.
Praxistipp zum Direktionsrecht des Arbeitgebers
Wenn es im Arbeitsleben Streit um die Rechtmäßigkeit einer Weisung zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer gibt, kann eine Beratung durch einen Fachanwalt für Arbeitsrecht nur dringend empfohlen werden. Eine schnelle gerichtliche Klärung mit überschaubaren Kosten ist durch das einstweilige Verfügungsverfahren möglich.
(Ma)