Drogen und Fahrerlaubnis: Wann ist der Führerschein weg?

19.10.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Drogen,Straßenverkehr,Cannabis,Führerschein,MPU Drogenkonsum kostet oft den Führerschein. Wie ist die Rechtslage? © Rh - Anwalt-Suchservice

Wer unter dem Einfluss von Drogen ein Kraftfahrzeug bewegt, muss mit dem Entzug der Fahrerlaubnis und Bußgeldern rechnen. Wann darf die Behörde davon ausgehen, dass man nicht zum Fahren geeignet ist?

Drogen im Straßenverkehr haben drastische Folgen. Anders als Alkohol sind Drogen oft noch lange nach dem Konsum nachweisbar. Wie unterscheiden sich die rechtlichen Folgen bei verschiedenen Arten von Drogen und welche Grenzwerte gelten?

Welche Folgen hat es, wenn ich unter Drogeneinfluss erwischt werde?


Polizeiliche Drogenkontrollen werden heute im Straßenverkehr immer häufiger. Der Konsum wird dabei durch einen Urintest oder einen Wischtest auf der Haut und eine anschließende Blutprobe nachgewiesen. Wenn ein Autofahrer unter Drogeneinfluss erwischt wird, kommt es regelmäßig zur Einleitung gleich mehrerer Verfahren:

Zunächst kann ein strafrechtliches Ermittlungsverfahren eingeleitet werden – zum Beispiel wegen Gefährdung des Straßenverkehrs und/oder wegen Drogenbesitz nach dem Betäubungsmittelgesetz.
Andererseits kommt es zu einem Ordnungswidrigkeiten-Verfahren wegen eines Straßenverkehrsdelikts (§ 24a Straßenverkehrsgesetz).
Ganz unabhängig davon leitet die Fahrerlaubnisbehörde in der Regel ein eigenes Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis ein.

Was muss man über das strafrechtliche Verfahren wissen?


Eine Strafbarkeit ist zum Beispiel wegen Drogenbesitz möglich. Hier ist die Menge entscheidend. Wenn der oder die Betreffende mit Drogen in der Tasche erwischt wird, während er oder sie auch noch unter Drogeneinfluss fährt, sieht die Staatsanwaltschaft meist ein öffentliches Interesse an der Strafverfolgung als gegeben an. Dann stellt sie das Verfahren auch bei kleinen gefundenen Mengen nicht ein.

Von einer Gefährdung des Straßenverkehrs spricht man, wenn jemand im Straßenverkehr ein Fahrzeug führt, obwohl er dieses aufgrund Einfluss berauschender Mittel nicht mehr sicher führen kann. Dies ist eine Straftat nach § 315c Strafgesetzbuch (StGB).
Hier drohen Geldstrafen oder Freiheitsstrafen bis zu fünf Jahren – je nach Fall und je nach der für andere entstandenen Gefahr. Im Fall einer Verurteilung wird in der Regel auch die Fahrerlaubnis auf Dauer entzogen und eine Sperrfrist für die Neuerteilung verhängt.

Was muss man zum Ordnungswidrigkeiten-Verfahren wissen?


Nach dem bis Anfang November 2021 angewendeten Bußgeldkatalog Stand 2017 wird die erste Fahrt unter Drogeneinfluss mit einem Bußgeld von 500 Euro und zwei Punkten in Flensburg geahndet. Zusätzlich erhält der Betreffende ein Fahrverbot von einem Monat. Die zweite Drogenfahrt schlägt bereits mit 1.000 Euro Bußgeld, zwei Punkten in Flensburg und drei Monaten Fahrverbot zu Buche, die dritte mit 1.500 Euro, zwei Punkten und drei Monaten Fahrverbot.
Gemein ist hier ein befristetes Fahrverbot, das man nicht mit der dauerhaften Entziehung der Fahrerlaubnis verwechseln sollte. Hier bekommt der Fahrer seinen Führerschein also nach Ablauf des Fahrverbotes zurück.
Nach bisherigem Wissensstand verschärft der neue Bußgeldkatalog, der ab 1. November 2021 gilt, die Sanktionen bei Fahrten unter Drogeneinfluss nicht.

Was unternimmt die Fahrerlaubnis-Behörde?


Die Polizei informiert in der Regel die Fahrerlaubnisbehörde, wenn sie jemanden unter Drogeneinfluss am Lenkrad (oder auf einem motorisierten Zweirad) angetroffen hat. Die Fahrerlaubnisbehörde kann und wird dann ihrerseits ein eigenes Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis beginnen. Der Betreffende wird meist dazu aufgefordert, innerhalb einer Frist ein Drogenscreening oder eine MPU (Medizinisch-Psychologische Untersuchung) zu bestehen. Wer diese verweigert oder nicht besteht, verliert seine Fahrerlaubnis. Dies gilt völlig unabhängig davon, was in den Verfahren der anderen Behörden passiert.

Drogenkonsum: Regelmäßig oder gelegentlich?


Nach der Fahrerlaubnis-Verordnung ist jeder zum Führen eines Kraftfahrzeuges ungeeignet, der unter Drogeneinfluss fährt - aber auch jeder, bei dem nicht ausgeschlossen werden kann, dass er irgendwann einmal unter Drogeneinfluss fahren wird (§ 11 Abs. 1 Satz 1 und 2 in Verbindung mit Anlage 4 der Fahrerlaubnis-Verordnung). Bei regelmäßigem Cannabiskonsum ist die Fahreignung ausgeschlossen.

Bei gelegentlichem Konsum gilt: Wenn weitere problematische Verhaltensweisen dazukommen - etwa gleichzeitiger Alkoholkonsum - spricht dies gegen eine Eignung für den Straßenverkehr. Das Gesetz sagt nicht, was “gelegentlich” ist. Allerdings wird zweimaliger Konsum meist ausreichen. Auf einen gelegentlichen Konsum kann auch geschlossen werden, wenn ein Drogentest Werte ergibt, die auf mehr Drogenkonsum hindeuten, als einen einzelnen Joint auf einer Party, der von dem Betreffenden zugegeben wurde.

Welche Grenzwerte rechtfertigen einen Fahrerlaubnisentzug wegen Cannabis?


Der Abbau des Cannabis-Wirkstoffs THC im Blut funktioniert ganz anders, als bei Alkohol. THC kann im Blut noch nachgewiesen werden, wenn die berauschende Wirkung längst vergangen ist. Vor einigen Jahren hat sich ein Grenzwert von 1,0 ng/ml Blutserum eingebürgert. Wenn er überschritten ist, gehen die Gerichte pauschal davon aus, dass der Betreffende nicht mehr in der Lage ist, Drogenkonsum und Fahren voneinander zu trennen. Das führt zum dauerhaften Verlust des Führerscheins, der dann erst nach einer Sperrzeit und einer erfolgreichen MPU neu beantragt werden kann.

Wie lange ist Cannabis nachweisbar?


Wie lange man den Wirkstoff THC und sein Abbauprodukt THC-COOH nachweisen kann, ist davon abhängig, wie viel und wie oft konsumiert wird. Auch ist die Dauer der Nachweisbarkeit bei den einzelnen Arten von Proben verschieden. Ein einzelner Konsum kann im Blut sechs bis 12 Stunden lang nachgewiesen werden, häufigerer Konsum zwei bis drei Tage lang. Cannabis ist in einer Urinprobe zum Teil über drei Wochen lang nachweisbar. Bei einer Haarprobe sind es sogar mehrere Monate.

Fall: Mit THC im Blut am Lenkrad erwischt


Ein Mann war in eine Verkehrskontrolle geraten. Ein Test ergab eine Konzentration von 2,0 ng (Nanogramm) THC pro Milliliter Blutserum. Der Autofahrer erklärte, es handle sich nur um einen einmaligen "Ausrutscher" – er habe zwar am Vorabend Cannabis geraucht, würde sonst aber keine Drogen konsumieren. Seine Fahrerlaubnis wurde ihm mit sofortiger Wirkung entzogen. Das Oberverwaltungsgericht Bremen glaubte ihm seine Erklärungen nicht:

THC baue sich beim Konsum einer einzelnen Dosis innerhalb von sechs bis 12 Stunden ab. Es sei dann im Blutserum nicht mehr nachweisbar. Habe er also nach 17,5 Stunden immer noch 2,0 ng/ml THC im Blutserum, gebe es nur zwei Möglichkeiten: Er sei entweder regelmäßiger Konsument oder er habe sowohl am Vorabend als auch noch morgens vor der Kontrolle THC konsumiert. Generell sei davon auszugehen, dass ab einem im Blutserum gemessenen THC-Wert von 1,0 ng/ml kein ausreichendes Trennungsvermögen zwischen Konsum und Autofahren mehr gegeben sei. Daher sei ihm die Fahrerlaubnis zu entziehen (OVG Bremen, Beschluss vom 25.2.2016, Az. 1 B 9/16).

Der Streit um den Grenzwert


Zum Fall eines Autofahrers, den die Polizei mit 2,3 ng THC/ml Blutserum erwischt hatte, entschied der Verwaltungsgerichtshof von Baden-Württemberg: Ab einem Wert von 1,0 ng/ml müsse man davon auszugehen, dass der Betreffende Fahren und THC-Konsum nicht trennen könne (22.7.2016, Az. 10 S 738/16).

Allerdings kam dabei auch eine von der Grenzwertkommission unter Vorsitz des Prof. Dr. Daldrup Ende 2015 abgegebene Empfehlung zur Sprache, von einer mangelnden Trennungsfähigkeit erst ab einem Grenzwert von 3,0 ng/ml auszugehen. Die Expertenkommission setzt sich aus Fachleuten verschiedener wissenschaftlicher Disziplinen zusammen und berät auch die Bundesregierung. Auch der 1,0-Wert beruht auf einer früheren Empfehlung der Kommission.

Die neue Empfehlung lehnte der VGH Baden-Württemberg jedoch ab: Es gehe hier darum, vorzubeugen und jegliche Gefährdung anderer Verkehrsteilnehmer auszuschließen. Bei einem Grenzwert von 1,0 sei dies gewährleistet.

Der Bundesgerichtshof verhandelte 2017 den Fall eines Mannes, der mit 1,5 ng/ml Blutserum gefahren war. Der BGH entschied: Erreiche die THC-Konzentration im Blut den Grenzwert von 1,0 ng/ml, dürften Behörden und Gerichte daraus auf ein sorgfaltswidriges Verhalten schließen (Beschluss vom 14.2.2017, Az. 4 StR 422/15).

Das Bundesverwaltungsgericht wiederum stellte 2019 fest: Wird ein Gelegenheitskonsument das erste Mal beim Fahren unter Einfluss von THC erwischt, darf ihm die Fahrerlaubnisbehörde nicht gleich den Führerschein entziehen. Es muss eine weitere Aufklärung stattfinden - ggf. mit Hilfe einer MPU.
Trotz der neuen Empfehlung der Grenzwertkommission könne weiterhin davon ausgegangen werden, dass ein Fahrer, der mindestens 1,0 ng/ml THC im Blutserum habe, nicht zwischen Konsum und Fahren trennen könne (Urteil vom 11.4.2019, Az. 3 C 14.17).

Was sind die Folgen beim Konsum harter Drogen?


Konsumiert jemand harte Drogen wie Heroin, Kokain oder auch Amphetamine oder Ecstasy, gilt diese Person ohne Grenzwerte als ungeeignet zum Führen eines Kraftfahrzeugs. Hier ist mit einer dauerhaften Entziehung der Fahrerlaubnis zu rechnen. Dies gilt unabhängig davon, ob ein Drogenkonsum beim Fahren nachgewiesen wurde, also auch, wenn jemand ohne Bezug zum Straßenverkehr mit Drogen angetroffen wird. Die Fahrerlaubnisbehörde leitet ein Verfahren zur Entziehung der Fahrerlaubnis auch ein, wenn sie von anderen Behörden auf einen Drogenkonsum hingewiesen wird. Auch Methadon-Konsumenten gelten in der Regel als ungeeignet zum Fahren.

Muss ich auch als Beifahrer, Fußgänger oder Radfahrer mit Konsequenzen rechnen?


Bei allen Diskussionen über Grenzwerte sollte man nicht vergessen, dass die Fahrerlaubnisbehörde heute auch dann eine mangelnde Fahreignung unterstellt, wenn eine Person mit geringen Mengen Drogen in der Tasche oder im Blut angetroffen wird, ohne überhaupt gefahren zu sein. Es kann sich also auch ein Fußgänger mit der Aufforderung konfrontiert sehen, mittels Drogenscreening innerhalb einer kurzen Frist nachzuweisen, dass er kein Konsument ist. Ansonsten führt der nächste Weg zur MPU. Dort zählen dann keine Grenzwerte, sondern oft schwer nachvollziehbare Einschätzungen von Psychologen, deren Ergebnis gerichtlich nicht überprüfbar ist. Eine unbedachte Bemerkung kann ausreichen, um die Trennfähigkeit von Fahren und Drogenkonsum zu bezweifeln – dann ist die Fahrerlaubnis auf Dauer weg. Dies ist auch bei mangelnder Mitwirkung oder Terminversäumnis der Fall und natürlich auch, wenn das Drogenscreening auf einen regelmäßigen Drogenkonsum hindeutet.

Praxistipp


Wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug bewegen will, sollte Abstand von Drogen halten. Wer trotzdem mit nachweisbarem Drogenkonsum kontrolliert wird, sollte keinerlei Angaben machen. Insbesondere kann jede Äußerung zu Art und Häufigkeit des Konsums negativ ausgelegt werden. Äußerungen gegenüber den Behörden sollten umgehend mit einem Rechtsanwalt abgesprochen werden - am besten mit einem Anwalt, der sich auf Verkehrsrecht und Strafrecht spezialisiert hat.

(Ma)


 Ulf Matzen
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