Dürfen Banken Negativzinsen auf Sparguthaben erheben?

07.02.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Negativzinsen,Verwahrentgelt,Girokonto,Tagesgeld Sind Verwahrentgelte für hohe Bankguthaben zulässig? © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Begriff: Negativzinsen bedeuten, dass Kunden eine Gebühr auf Bankguthaben zahlen müssen – von den Banken werden sie oft als „Verwahrentgelt“ bezeichnet.

2. Rechtmäßigkeit: Der BGH urteilte, dass die Vereinbarung von Verwahrentgelten bei Spar- und Tagesgeldkonten immer unwirksam, bei Girokonten dagegen nur dann unwirksam ist, wenn sie auf einer nicht transparenten Klausel beruhen.

3. Rückforderung: Betroffen Bankkunden können zu Unrecht erhobene Negativzinsen von ihrer Bank zurückfordern. Dies müssen Sie individuell, also jeder für sich selbst tun.
Lange Zeit waren es Bankkunden gewohnt, Zinsen für das Geld zu bekommen, das sie auf die Bank brachten und zum Beispiel auf ein Sparkonto einzahlten. Schließlich konnten die Banken das Geld ja selbst wieder anlegen und dafür Zinsen erwirtschaften. Allerdings setzte dann eine extreme Niedrigzinsphase ein. Diese führte dazu, dass die Banken schon seit 2014 selbst einen Negativzins zahlen mussten, wenn sie Gelder bei der Europäischen Zentralbank EZB einlegten. Die Einlage verlor also mit der Zeit an Wert. Dieser Strafzins wurde schnell an die Bankkunden weitergegeben – meist ab einer bestimmten Guthabenhöhe. Dann stiegen die Zinsen wieder. Die EZB schaffte ihre Negativzinsen im Juli 2022 ab, die Banken folgten dem nach und nach. Die Gerichte sehen nicht alle Methoden der Banken, ihre Kunden mit Negativzinsen zu belasten, als legal an. Kann man gezahlte Negativzinsen zurückfordern? Der Bundesgerichtshof hat im Februar 2025 eine Grundsatzentscheidung getroffen.

Bei welchen Banken wurden Negativzinsen verlangt?


Ende Januar 2022 führten 429 Banken in ihren Gebührenverzeichnissen und Preislisten Negativzinsen auf. Zusätzlich erhoben 22 Banken Gebühren für ansonsten kostenlose Tagesgeldkonten, wodurch ein faktischer Negativzins entstand.

So erhoben die Brandenburger Bank, die Deutsche Kreditbank DKB oder die Deutsche Bank ab 25.000 Euro Einlage einen Negativzins von 0,5 Prozent. Die Commerzbank, die Hamburger Sparkasse Haspa und die ING verlangten 0,5 Prozent ab 50.000 Euro. Die Hannoversche Volksbank, die Münchner Bank und die Netbank verlangten 0,5 Prozent ab 100.000 Euro. Hier handelte es sich gewissermaßen um Freibeträge: Überstieg das Guthaben den Freibetrag von 100.000 Euro um zum Beispiel fünf Euro, waren für diese fünf Euro 0,5 Prozent Negativzinsen zu bezahlen. Zum Teil wurden auch Negativzinsen von 1 Prozent verlangt (Merkur Privatbank, ab 100.000 Euro).

Negativzinsen vom ersten Euro an


Es gab auch Geldinstitute, die ihren Kunden gar keinen Freibetrag gönnten. Beispiele: Mainzer Volksbank, Märkische Bank und "meine Volksbank Raiffeisenbank Rosenheim", die ebenfalls 0,5 Prozent Negativzinsen berechneten.
Bei Girokonten verwendeten die meisten Banken nicht den Begriff Negativzinsen. Stattdessen berechnete man sogenannte Verwahrentgelte, jedoch mit dem gleichen Effekt.

Auf welcher Rechtsgrundlage beruhen Negativzinsen?


Hier sind die vertraglichen Vereinbarungen zwischen Bank und Kunde maßgeblich. Daher wurden Negativzinsen meist von Neukunden erhoben, welche die aktuellen Geschäftsbedingungen unterschrieben hatten. Bestandskunden wurden häufig darauf angesprochen, ob sie einer Änderung der Geschäftsbedingungen zustimmen oder den Kontostand reduzieren wollten.

Beim Tagesgeld sind die Zinsen immer veränderlich. Die Bank kann daher grundsätzlich jederzeit ihre Zinssätze senken, um sich der allgemeinen Zinsentwicklung anzupassen. Zumindest bei Altverträgen müssen Kunden nach einem Urteil des Landgerichts Tübingen jedoch nicht damit rechnen, dass aus einem positiven oder neutralen Zins plötzlich ein negativer Zins wird. Dem Urteil zufolge sind bei Altverträgen entsprechende einseitige Änderungen der Allgemeinen Geschäftsbedingungen als unangemessene Benachteiligung des Verbrauchers nach § 307 BGB unwirksam (Urteil vom 26.1.2018, 4 O 187/17). Die Bank kann in diesem Fall nur darauf hoffen, dass der Kunde freiwillig eine entsprechende Vertragsänderung unterschreibt.

Sind Negativzinsen bei Verrechnungskonten für Depots üblich?


Auch auf Guthaben auf Verrechnungskonten für Wertpapierdepots wurden zum Teil Negativzinsen berechnet. Diese fielen dann nur für das Verrechnungskonto an, jedoch nicht für das Depot selbst. Ausgeübt wurde diese Praxis zum Beispiel von Flatex, Comdirekt, DKB, ING und Smartbroker. In solchen Fällen sollten sich Kunden über die jeweiligen Freibeträge informieren und generell darauf achten, nicht zu viel Geld unnötigerweise auf dem Verrechnungskonto zu parken.

Was halten die Gerichte von "Verwahrentgelt" und Negativzinsen?


Als erstes Gericht befasste sich das Landgericht Berlin im Oktober 2021 mit Verwahrentgelten. Es entschied zugunsten der Bankkunden. Geklagt hatte der Verbraucherzentrale Bundesverband, Beklagte war die Sparda-Bank Berlin.
Diese hatte ihren Kunden für Girokonto-Einlagen über 25.000 Euro 0,5 Prozent Negativzinsen im Jahr berechnet. Bei Tagesgeldkonten lag der Freibetrag bei 50.000 Euro.

Dem Urteil des Landgerichts zufolge dürfen Banken ihren Kunden für die Verwahrung von Einlagen auf Tagesgeld- und Girokonten keine Verwahrentgelte berechnen. Entsprechende Klauseln im Preisverzeichnis seien unwirksam.

Rechtlich handle es sich hier um einen "unregelmäßigen Verwahrvertrag" nach § 700 Abs. 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Auf diesen seien die Regelungen über den Darlehensvertrag anwendbar. Daher sei § 488 BGB maßgeblich, der bestimme, dass die Zinszahlung eine Hauptleistungspflicht des Darlehensnehmers sei, also der Partei, die das Geld verwahre. Negative Zinsen würden diese Hauptpflicht aushebeln und dem kompletten Grundgedanken der gesetzlichen Vorschrift widersprechen.

Das Gericht verurteilte die Bank nicht nur zur Unterlassung der Verwendung entsprechender AGB-Klauseln, sondern auch zur gebührenfreien Zurückzahlung der gezahlten Verwahrentgelte an ihre Kunden. Die Bank legte Rechtsmittel gegen das Urteil ein (Urteil des LG Berlin, 28.10.2021, Az. 16 O 43/21).

Im Dezember 2021 hat das Landgericht Düsseldorf entschieden, dass Negativzinsen auf größere Guthaben rechtswidrig sind. Geklagt hatte der Bundesverband der Verbraucherzentralen. Es ging dabei um die Volksbank Rhein-Lippe. Diese hatte für Girokontoeinlagen von über 10.000 Euro ein Verwahrentgelt in Höhe von 0,5 Prozent im Jahr verlangt.

Das Gericht erklärte, dass die Bank für die Dienstleistung der Kontoführung schon eine Kontoführungsgebühr erhalte. Erhebe sie zusätzlich ein Verwahrentgelt, lasse sich das Geldinstitut die gleiche Leistung zweimal bezahlen. Dies sei eine unangemessene Benachteiligung der Kunden.

Beide Seiten legten beim Oberlandesgericht Düsseldorf Berufung ein (Urteil des LG Düsseldorf vom 22.12.2021, Az. 12 O 34/21).

Wie hat der Bundesgerichtshof 2025 in den offenen Verfahren entschieden?


Der Bundesgerichtshof hat am 4.2.2025 zu insgesamt vier Verfahren in Sachen Negativzinsen oder "Verwahrentgelt" entschieden. Dazu gehörten auch die beiden oben dargestellten Fälle.

Dem Bundesgerichtshof zufolge dürfen Banken keine Verwahrentgelte für Guthaben auf Spar- und Tagesgeldkonten erheben. Schließlich würden die Einlagen der Kunden auf diesen Konten nicht nur den Zweck haben, das Geld irgendwie zu verwahren, sondern auch als Geldanlage dienen. Dieser Charakter der Einlagen werde durch Verwahrentgelte unzulässigerweise geändert. Die Verbraucher würden dadurch unangemessen benachteiligt. Daher sei die Vereinbarung von Verwahrentgelten bei Spar- und Tagesgeldkonten unwirksam.

Verwahrentgelte bzw. Negativzinsen bei Girokonten bewertet der BGH anders: In diesem Fall sei die Hauptleistung der Bank die Verwahrung des Geldes. Ein Girokonto habe keinen Anlagecharakter. Daher dürften darauf Verwahrentgelte erhoben werden. Voraussetzung sei jedoch eine transparente Klausel im Vertrag. Im konkreten Fall fehlte diese. Die Bankkunden seien nicht hinreichend darüber informiert worden, für welches Guthaben das Verwahrentgelt erhoben werde (Urteile vom 4.2.2025, Az. XI ZR 61/23, XI ZR 65/23, XI ZR 161/23 und XI ZR 183/23).

Was können Bankkunden tun, um ihr Geld zurückzubekommen?


1. Der Bundesgerichtshof hat betont, dass die klagenden Verbraucherverbände keine Direktauszahlung der zu Unrecht erhobenen Entgelte an die Bankkunden fordern können.

2. Betroffene Verbraucher müssen sich daher selbst an ihre Bank oder Sparkasse wenden.

3. Bei Spar- und Tagesgeldkonten können Kunden gezahlte Verwahrentgelte zurückfordern. Dazu empfiehlt sich ein höfliches Schreiben mit Fristsetzung unter Verweis auf das BGH-Urteil. Weigert sich die Bank, kann dies per Klage vor Gericht durchgesetzt werden.

4. Bei Girokonten hängt der Rückforderungsanspruch davon ab, ob eine transparente Vertragsklausel bestand, welche die Bank zur Erhebung solcher Gebühren berechtigt hat. Hier sollten Verbraucher ihre Vertragsunterlagen prüfen und im Zweifelsfall einen Anwalt zu Rate ziehen.

Praxistipp zur Rückforderung von Negativzinsen


Der Bundesgerichtshof hat Negativzinsen nicht abgeschafft. Sie bleiben für Girokonten mit klarer vertraglicher Vereinbarung zulässig. Ein Fachanwalt für Bankrecht kann Sie zu diesem Thema und zu Ihren Rechten als Bankkunde besonders kompetent beraten und Ihnen bei der Rückforderung zu Unrecht erhobener Verwahrentgelte helfen.

(Bu)


 Stephan Buch
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