Wann darf ein Erbe enterbt werden?
13.09.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Erben kann man im Rahmen der gesetzlichen Erbfolge oder durch eine letztwillige Verfügung wie ein Testament oder einen Erbvertrag. Bei der gesetzlichen Erbfolge hängt die Erbquote, also der Anteil am Erbe, vom Verwandtschaftsgrad ab. Wer etwas vererben möchte, kann in seinem Testament oder Erbvertrag auch bestimmen, dass Menschen, die seine gesetzlichen Erben sind, nichts erhalten sollen – an ihrer statt soll jemand anderer erben. Dieser muss nicht mit dem Erblasser verwandt sein. Für die Enterbung gibt es jedoch Regeln.
Eine Enterbung brauchen Sie nicht zu begründen. Stattfinden kann sie auf zwei Arten: Durch die ausdrückliche Feststellung im Testament, dass eine bestimmte Person enterbt wird oder nichts erben soll, oder dadurch, dass schlicht jemand anders zum Erben bestimmt wird. Dann wird die enterbte Person in der Erbfolge so behandelt, als sei sie gar nicht vorhanden. Ausnahme: Wenn der Staat letzter gesetzlicher Erbe ist, ist keine Enterbung möglich.
Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes muss eine Enterbung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Im entsprechenden Fall hatte ein Erblasser seinen Nachlass im Testament aufgeteilt zwischen seiner ehelichen Familie und der Mutter seiner nichtehelichen Kinder. Die nichtehelichen Kinder waren nur als deren Ersatzerben genannt (also für den Fall, dass die Mutter den Erbfall nicht mehr erleben würde). Der Bundesgerichtshof sah darin eine schlüssige Enterbung der nichtehelichen Kinder (Urteil vom 22.3.2006, Az. IV ZR 93/05).
Wenn ein gesetzlicher Erbe enterbt wird, hat er oder sie immer noch ein Recht auf einen Pflichtteil. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Gesetzliche Erben und damit im Fall der Enterbung auch Pflichtteilsberechtigte sind:
- alle Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel und Urenkel), ehelich, unehelich, auch adoptiert,
- Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers,
- die Eltern des Erblassers.
Nicht pflichtteilsberechtigt sind jedoch:
- Geschwister,
- Großeltern,
- entfernte Verwandte des Erblassers.
Wer ein Recht auf den Pflichtteil hat, ist kein Erbe. Er ist daher zum Beispiel auch kein Mitglied einer Erbengemeinschaft, die gemeinsam ein geerbtes Grundstück verwaltet. Der Enterbte bekommt nicht "automatisch" etwas, sondern kann von den Erben verlangen, ihm seinen Pflichtteil aus ihrem Erbe auszuzahlen. Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall und von seiner Enterbung erfahren hat. Unabhängig von diesem Wissen verjährt der Pflichtteilsanspruch immer in 30 Jahren.
Wer seine Verwandten enterbt und jemand anderen zum Erben macht, möchte oft nicht, dass die Verwandten immer noch die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils fordern können. Ihnen auch den Pflichtteil zu entziehen, ist in bestimmten Fällen durchaus möglich. Dafür ist jedoch etwas mehr Aufwand erforderlich, als bei einer einfachen Enterbung. Der Erblasser kann einem Abkömmling gemäß § 2333 BGB den Pflichtteil nur entziehen, wenn einer dieser Ausnahmefälle vorliegt:
- Wenn der Verwandte dem Erblasser, seinem Ehepartner oder einer anderen ihm nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,
- er sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine dieser Personen schuldig macht,
- er eine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt,
- er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und seine Beteiligung am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist,
- wenn die Unterbringung des Betreffenden in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.
Komplett weggefallen ist der frühere gesetzliche Grund "wenn der Abkömmling gegen den Willen des Erblassers einen unsittlichen Lebenswandel führt." Die Moralvorstellung, was ein solcher unsittlicher Lebenswandel denn sein sollte, hat sich im Laufe der Zeit zu stark geändert.
Eine Pflichtteilsentziehung müssen Sie als Erblasser im Testament oder im Erbvertrag anordnen. Sie müssen auch Ihre Gründe dafür darlegen. Sonst ist diese Anordnung nicht wirksam.
Die Kinder eines enterbten Verwandten können einen Pflichtteilsanspruch haben. Ein Beispiel: Ein Mann hatte sein Vermögen seinem Bruder und seiner Lebensgefährtin vermacht. Seinen Sohn hatte er enterbt und diesem den Pflichtteil entzogen. Jahre nach dem Tod des Erblassers wandte sich dessen nichtehelicher Sohn an die Erben: Als Enkel des Erblassers sei er ein gesetzlicher Erbe und wolle nun seinen Pflichtteil einfordern.
Das Oberlandesgericht Hamm gestand ihm diesen zu. Der Enkel habe nachgewiesen, dass er der Sohn des enterbten Sohnes war. Sein Großvater habe durch die Erbeinsetzung anderer Personen auch ihn enterbt. Er habe jedoch recht: Als gesetzlicher Erbe habe er einen Anspruch auf den Pflichtteil. Der Erblasser habe in seinem Testament nicht angeordnet, dass auch mögliche Kinder seines Sohnes keinen Pflichtteil bekommen sollten. Damit hatte der Sohn des von seinem Vater Enterbten Anspruch auf Zahlung von 927.000 Euro (Urteil vom 26.10.2017, Az. 10 U 31/17). Dies zeigt, welche Folgen eine ungenaue Formulierung im Testament haben kann.
Am oben geschilderten Fall sieht man, dass es auch bei Enterbung und Pflichtteilsentziehung sehr auf den Wortlaut der testamentarischen Regelungen ankommt. Daher ist es empfehlenswert, sich beim Aufsetzen solcher letztwilligen Verfügungen von einem kompetenten Anwalt für Erbrecht beraten zu lassen. Dieser kann natürlich auch für Verwandte tätig werden, die enterbt wurden und das Testament oder den Erbvertrag auf seine Wirksamkeit hin prüfen lassen oder ihren Pflichtteil einfordern wollen.
Das Wichtigste in Kürze
1. Testamentarische Verfügung: Die Enterbung eines gesetzlichen Erben muss in einem Testament oder Erbvertrag entweder ausdrücklich angeordnet werden, oder geschieht schlicht durch Bestimmung eines anderen Erben. Eine Begründung ist dafür nicht notwendig.
2. Pflichtteil: Wurde ein gesetzlicher Erbe enterbt, bleibt ihm immer noch der Anspruch auf einen Pflichtteil. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, richtet sich gegen die Erben und ist ein Anspruch auf Geld.
3. Pflichtteilsentziehung: Der Erblasser kann einem gesetzlichen Erben bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen auch den Pflichtteil entziehen. Dies muss er in einem Testament oder Erbvertrag anordnen und auch begründen.
1. Testamentarische Verfügung: Die Enterbung eines gesetzlichen Erben muss in einem Testament oder Erbvertrag entweder ausdrücklich angeordnet werden, oder geschieht schlicht durch Bestimmung eines anderen Erben. Eine Begründung ist dafür nicht notwendig.
2. Pflichtteil: Wurde ein gesetzlicher Erbe enterbt, bleibt ihm immer noch der Anspruch auf einen Pflichtteil. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils, richtet sich gegen die Erben und ist ein Anspruch auf Geld.
3. Pflichtteilsentziehung: Der Erblasser kann einem gesetzlichen Erben bei besonders schwerwiegenden Verfehlungen auch den Pflichtteil entziehen. Dies muss er in einem Testament oder Erbvertrag anordnen und auch begründen.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Muss ich als Erblasser die Enterbung begründen? Was bedeutet eine Enterbung für den Pflichtteil? Enterbt: Wie komme ich als Pflichtteilsberechtigter an mein Geld? Darf ich als Erblasser meinen Verwandten auch den Pflichtteil streichen? Erben die Kinder eines enterbten Verwandten etwas? Praxistipp zu Enterbung und Pflichtteil Muss ich als Erblasser die Enterbung begründen?
Eine Enterbung brauchen Sie nicht zu begründen. Stattfinden kann sie auf zwei Arten: Durch die ausdrückliche Feststellung im Testament, dass eine bestimmte Person enterbt wird oder nichts erben soll, oder dadurch, dass schlicht jemand anders zum Erben bestimmt wird. Dann wird die enterbte Person in der Erbfolge so behandelt, als sei sie gar nicht vorhanden. Ausnahme: Wenn der Staat letzter gesetzlicher Erbe ist, ist keine Enterbung möglich.
Laut einem Urteil des Bundesgerichtshofes muss eine Enterbung nicht ausdrücklich als solche bezeichnet werden. Im entsprechenden Fall hatte ein Erblasser seinen Nachlass im Testament aufgeteilt zwischen seiner ehelichen Familie und der Mutter seiner nichtehelichen Kinder. Die nichtehelichen Kinder waren nur als deren Ersatzerben genannt (also für den Fall, dass die Mutter den Erbfall nicht mehr erleben würde). Der Bundesgerichtshof sah darin eine schlüssige Enterbung der nichtehelichen Kinder (Urteil vom 22.3.2006, Az. IV ZR 93/05).
Was bedeutet eine Enterbung für den Pflichtteil?
Wenn ein gesetzlicher Erbe enterbt wird, hat er oder sie immer noch ein Recht auf einen Pflichtteil. Dieser beträgt die Hälfte des gesetzlichen Erbteils.
Gesetzliche Erben und damit im Fall der Enterbung auch Pflichtteilsberechtigte sind:
- alle Abkömmlinge des Erblassers (Kinder, Enkel und Urenkel), ehelich, unehelich, auch adoptiert,
- Ehepartner oder eingetragene Lebenspartner des Erblassers,
- die Eltern des Erblassers.
Nicht pflichtteilsberechtigt sind jedoch:
- Geschwister,
- Großeltern,
- entfernte Verwandte des Erblassers.
Enterbt: Wie komme ich als Pflichtteilsberechtigter an mein Geld?
Wer ein Recht auf den Pflichtteil hat, ist kein Erbe. Er ist daher zum Beispiel auch kein Mitglied einer Erbengemeinschaft, die gemeinsam ein geerbtes Grundstück verwaltet. Der Enterbte bekommt nicht "automatisch" etwas, sondern kann von den Erben verlangen, ihm seinen Pflichtteil aus ihrem Erbe auszuzahlen. Der Anspruch auf den Pflichtteil verjährt in drei Jahren. Die Verjährungsfrist beginnt am Ende des Jahres, in dem der Pflichtteilsberechtigte vom Erbfall und von seiner Enterbung erfahren hat. Unabhängig von diesem Wissen verjährt der Pflichtteilsanspruch immer in 30 Jahren.
Darf ich als Erblasser meinen Verwandten auch den Pflichtteil streichen?
Wer seine Verwandten enterbt und jemand anderen zum Erben macht, möchte oft nicht, dass die Verwandten immer noch die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils fordern können. Ihnen auch den Pflichtteil zu entziehen, ist in bestimmten Fällen durchaus möglich. Dafür ist jedoch etwas mehr Aufwand erforderlich, als bei einer einfachen Enterbung. Der Erblasser kann einem Abkömmling gemäß § 2333 BGB den Pflichtteil nur entziehen, wenn einer dieser Ausnahmefälle vorliegt:
- Wenn der Verwandte dem Erblasser, seinem Ehepartner oder einer anderen ihm nahe stehenden Person nach dem Leben trachtet,
- er sich eines Verbrechens oder eines schweren vorsätzlichen Vergehens gegen eine dieser Personen schuldig macht,
- er eine gesetzliche Unterhaltspflicht gegenüber dem Erblasser böswillig verletzt,
- er wegen einer vorsätzlichen Straftat zu einer Freiheitsstrafe von mindestens einem Jahr ohne Bewährung rechtskräftig verurteilt wird und seine Beteiligung am Nachlass deshalb für den Erblasser unzumutbar ist,
- wenn die Unterbringung des Betreffenden in einem psychiatrischen Krankenhaus oder in einer Entziehungsanstalt wegen einer ähnlich schwerwiegenden vorsätzlichen Tat rechtskräftig angeordnet wird.
Komplett weggefallen ist der frühere gesetzliche Grund "wenn der Abkömmling gegen den Willen des Erblassers einen unsittlichen Lebenswandel führt." Die Moralvorstellung, was ein solcher unsittlicher Lebenswandel denn sein sollte, hat sich im Laufe der Zeit zu stark geändert.
Eine Pflichtteilsentziehung müssen Sie als Erblasser im Testament oder im Erbvertrag anordnen. Sie müssen auch Ihre Gründe dafür darlegen. Sonst ist diese Anordnung nicht wirksam.
Erben die Kinder eines enterbten Verwandten etwas?
Die Kinder eines enterbten Verwandten können einen Pflichtteilsanspruch haben. Ein Beispiel: Ein Mann hatte sein Vermögen seinem Bruder und seiner Lebensgefährtin vermacht. Seinen Sohn hatte er enterbt und diesem den Pflichtteil entzogen. Jahre nach dem Tod des Erblassers wandte sich dessen nichtehelicher Sohn an die Erben: Als Enkel des Erblassers sei er ein gesetzlicher Erbe und wolle nun seinen Pflichtteil einfordern.
Das Oberlandesgericht Hamm gestand ihm diesen zu. Der Enkel habe nachgewiesen, dass er der Sohn des enterbten Sohnes war. Sein Großvater habe durch die Erbeinsetzung anderer Personen auch ihn enterbt. Er habe jedoch recht: Als gesetzlicher Erbe habe er einen Anspruch auf den Pflichtteil. Der Erblasser habe in seinem Testament nicht angeordnet, dass auch mögliche Kinder seines Sohnes keinen Pflichtteil bekommen sollten. Damit hatte der Sohn des von seinem Vater Enterbten Anspruch auf Zahlung von 927.000 Euro (Urteil vom 26.10.2017, Az. 10 U 31/17). Dies zeigt, welche Folgen eine ungenaue Formulierung im Testament haben kann.
Praxistipp zu Enterbung und Pflichtteil
Am oben geschilderten Fall sieht man, dass es auch bei Enterbung und Pflichtteilsentziehung sehr auf den Wortlaut der testamentarischen Regelungen ankommt. Daher ist es empfehlenswert, sich beim Aufsetzen solcher letztwilligen Verfügungen von einem kompetenten Anwalt für Erbrecht beraten zu lassen. Dieser kann natürlich auch für Verwandte tätig werden, die enterbt wurden und das Testament oder den Erbvertrag auf seine Wirksamkeit hin prüfen lassen oder ihren Pflichtteil einfordern wollen.
(Bu)