Erb- und Pflichtteilsverzicht: Nützliche Gestaltungsmittel für den Nachlass!
04.07.2022, Redaktion Anwalt-Suchservice
© - freepik Die deutschen Erbschaftsregelungen beschäftigen sich nicht nur mit dem der Erbfolge und der Erbschaft an sich - also dem Übergang von Vermögen (und ggf. Schulden) auf den oder die Erben. Es gibt auch Vorschriften, die regeln, wie künftige Erben auf ihr gesetzliches Erbe verzichten können. In bestimmten Fällen kann dies sinnvoll sein - nur sollte man dabei alles richtig machen.
Die gesetzliche Erbfolge gesteht Verwandten abhängig vom Verwandtschaftsgrad bestimmte Erbteile zu. Dies lässt sich durch ein Testament anders regeln - sogar dahingehend, dass ein gesetzlicher Erbe überhaupt nichts mehr bekommt. Damit die gesetzlichen Erben nicht ganz leer ausgehen, gibt es das Pflichtteilsrecht: Gesetzliche Erben können einen Pflichtteil in Höhe ihres halben Erbteils von den testamentarischen Erben herausverlangen.
In diesem Bereich gibt es sehr häufig Streit - auch vor Gericht. Dabei geht es dann zum Beispiel um die Wirksamkeit einer testamentarischen Enterbung oder um die Höhe des Pflichtteils. Derartige Streitigkeiten sind jedoch nicht im Sinne des Erblassers, der ja eine Verteilung des Nachlasses in seinem Sinne anstrebt und keinen jahrelangen Verwandtschaftsstreit vor Gericht auslösen will.
Besonders problematisch wird es, wenn der Erblasser beabsichtigt, einen Erbschaftsgegenstand für den oder die Erben als solchen zu erhalten und zu vermeiden, dass dieser zwecks Auszahlung von Erbanteilen verkauft wird. Diese Problematik ergibt sich zum Beispiel bei geerbten Häusern und insbesondere bei einem Familienbetrieb oder Unternehmen, das erhalten werden soll.
Der Erb- und Pflichtteilsverzicht spielt bei der Nachlassgestaltung eine wichtige Rolle. Durch ihn kann erreicht werden, dass sich das Erbe auf eine oder bestimmte Personen konzentriert und dass diese vor Ansprüchen von Pflichtteilsberechtigten sicher sind. So kann der Verkauf von Häusern oder die Zerschlagung eines Unternehmens zur Befriedigung von Ansprüchen verhindert werden. Eine wichtige Rolle spielt der Erb- und Pflichtteilsverzicht insbesondere im Rahmen der Unternehmensnachfolge. Auch bei einem Berliner Testament unter Ehegatten kann der Pflichtteilsverzicht sinnvoll sein, um zu verhindern, dass Kinder bereits beim ersten Todesfall des Elternpaares ihren Pflichtteil einfordern und damit die Versorgung oder das Wohnhaus des überlebenden Elternteiles gefährden.
Wenn sich der Erblasser und die künftigen Erben einig sind, ist eine flexible Verteilung des Nachlasses möglich, ohne dass die ungeliebten Einschränkungen des Pflichtteilsrechts berücksichtigt werden müssen.
Entscheidend ist dabei Einigkeit. Kein künftiger Erbe kann nämlich gezwungen werden, auf seinen Erbteil zu verzichten. Das übliche Mittel der Wahl besteht daher darin, eine Abfindung als "Gegenleistung" für den Verzicht zu vereinbaren.
Je nach Interessenlage und Fallgestaltung kommen in Frage:
- Ein Verzicht auf das Erbe einschließlich des Pflichtteilsrechts oder
- ein Verzicht nur auf das Pflichtteilsrecht,
- ein beschränkter Pflichtteilsverzicht nur hinsichtlich bestimmter Nachlassgegenstände.
Ein Erbverzicht ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen gesetzlichen Erben (Verwandte, Ehegatten) und dem Erblasser zu dessen Lebzeiten.
Ein Erbverzicht bedeutet, dass der Verzichtende mit seinen gesetzlichen Erbansprüchen komplett aus der Erbfolge ausscheidet. Der Betreffende wird so behandelt, als existiere er nicht. Er bekommt auch keinen Pflichtteil. Dies ergibt sich aus § 2346 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Folge ist, dass sich die Erbteile und Pflichtteilsquoten der anderen Erben entsprechend erhöhen.
Auch die Kinder des Verzichtenden bekommen nichts und fallen aus der Erbfolge, soweit dies nicht im Vertrag abweichend geregelt wird.
Der Verzicht kann sich auch nur auf den Pflichtteil beschränken. Der reine Pflichtteilsverzicht hat keine Auswirkungen auf die Erbfolge. Er wirkt sich nicht auf die Erbanteile und Pflichtteilsquoten der anderen Erben aus. Ein Pflichtteilsverzicht kann auf einzelne Gegenstände beschränkt werden, was beim Erbverzicht nicht möglich ist.
Ein Erbverzichtsvertrag ist nur wirksam, wenn er notariell beurkundet wird. Wird ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht nur schriftlich oder gar mündlich vereinbart, ist er wegen Formmangels nichtig. Damit stellt das Gesetz sicher, dass solch gravierende Entscheidungen gut überlegt sind.
Minderjährige oder unter Vormundschaft oder Betreuung stehende Personen brauchen, um auf ihr Erbe verzichten zu können, die Genehmigung des Familiengerichts bzw. des Betreuungsgerichts. Das Gericht wird in der Regel keinen Verzichtsvertrag ohne Abfindung akzeptieren.
Der Erblasser kann einen Verzichtsvertrag nur persönlich abschließen. Personen mit beschränkter Geschäftsfähigkeit brauchen dafür keine Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Ist der Erblasser geschäftsunfähig, kann der Vertrag durch seinen gesetzlichen Vertreter geschlossen werden. Allerdings ist auch hier im gleichen Umfang wie bei den Verzichtenden eine Zustimmung des Familiengerichts oder Betreuungsgerichts erforderlich, etwa bei Minderjährigen (§ 2347 Abs. 2 BGB).
Ja - allerdings nur zu Lebzeiten des Erblassers durch einen neuen Vertrag mit den Unterschriften beider Seiten. Auch dieser Vertrag muss notariell beglaubigt werden.
Wie jeder Vertrag kann auch ein Erb- oder Pflichtteilsverzichtsvertrag angefochten werden. Mögliche Anfechtungsgründe sind etwa ein Gesetzesverstoß, Irrtum, Täuschung oder Drohungen, wenn diese Umstände dazu geführt haben, dass jemand gegen seinen Willen auf sein Erbe verzichtet hat.
Auch kann der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit angefochten werden. Dieses Argument ist insbesondere bei Minderjährigen möglich, wenn zum Beispiel deren Unwissenheit ausgenutzt worden ist, um ihren Erbteil zu schmälern.
Ein Erb- und Pflichtteilsverzicht ist ein Vertrag, der unbedingt auf die konkrete Situation der Familie abgestimmt sein muss. Zusätzlich sind entsprechende Regelungen im Testament zu treffen. Standardmuster aus dem Internet sind hier fehl am Platz. Eine gute Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht hilft, unangenehme Überraschungen im Erbfall zu vermeiden.
Wer als Erblasser seinen Nachlass aktiv in seinem Sinne gestalten möchte, sollte das Instrument des Erbverzichts bzw. Pflichtteilsverzichts kennen. Zum Beispiel, wenn es um die Regelung der Unternehmensnachfolge geht.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was ist das Pflichtteilsrecht? Was bedeutet der Erb- und Pflichtteilsverzicht für die Nachlassgestaltung? Welche Varianten des Verzichts auf einen Erbteil oder Pflichtteil gibt es? Wie funktioniert ein Erbverzicht? Was ist der Unterschied zum Pflichtteilsverzicht? Welche Formalien sind beim Erbverzicht zu beachten? Kann man einen Erbverzicht rückgängig machen? Kann man einen Erbverzicht anfechten? Praxistipp Was ist das Pflichtteilsrecht?
Die gesetzliche Erbfolge gesteht Verwandten abhängig vom Verwandtschaftsgrad bestimmte Erbteile zu. Dies lässt sich durch ein Testament anders regeln - sogar dahingehend, dass ein gesetzlicher Erbe überhaupt nichts mehr bekommt. Damit die gesetzlichen Erben nicht ganz leer ausgehen, gibt es das Pflichtteilsrecht: Gesetzliche Erben können einen Pflichtteil in Höhe ihres halben Erbteils von den testamentarischen Erben herausverlangen.
In diesem Bereich gibt es sehr häufig Streit - auch vor Gericht. Dabei geht es dann zum Beispiel um die Wirksamkeit einer testamentarischen Enterbung oder um die Höhe des Pflichtteils. Derartige Streitigkeiten sind jedoch nicht im Sinne des Erblassers, der ja eine Verteilung des Nachlasses in seinem Sinne anstrebt und keinen jahrelangen Verwandtschaftsstreit vor Gericht auslösen will.
Besonders problematisch wird es, wenn der Erblasser beabsichtigt, einen Erbschaftsgegenstand für den oder die Erben als solchen zu erhalten und zu vermeiden, dass dieser zwecks Auszahlung von Erbanteilen verkauft wird. Diese Problematik ergibt sich zum Beispiel bei geerbten Häusern und insbesondere bei einem Familienbetrieb oder Unternehmen, das erhalten werden soll.
Was bedeutet der Erb- und Pflichtteilsverzicht für die Nachlassgestaltung?
Der Erb- und Pflichtteilsverzicht spielt bei der Nachlassgestaltung eine wichtige Rolle. Durch ihn kann erreicht werden, dass sich das Erbe auf eine oder bestimmte Personen konzentriert und dass diese vor Ansprüchen von Pflichtteilsberechtigten sicher sind. So kann der Verkauf von Häusern oder die Zerschlagung eines Unternehmens zur Befriedigung von Ansprüchen verhindert werden. Eine wichtige Rolle spielt der Erb- und Pflichtteilsverzicht insbesondere im Rahmen der Unternehmensnachfolge. Auch bei einem Berliner Testament unter Ehegatten kann der Pflichtteilsverzicht sinnvoll sein, um zu verhindern, dass Kinder bereits beim ersten Todesfall des Elternpaares ihren Pflichtteil einfordern und damit die Versorgung oder das Wohnhaus des überlebenden Elternteiles gefährden.
Wenn sich der Erblasser und die künftigen Erben einig sind, ist eine flexible Verteilung des Nachlasses möglich, ohne dass die ungeliebten Einschränkungen des Pflichtteilsrechts berücksichtigt werden müssen.
Entscheidend ist dabei Einigkeit. Kein künftiger Erbe kann nämlich gezwungen werden, auf seinen Erbteil zu verzichten. Das übliche Mittel der Wahl besteht daher darin, eine Abfindung als "Gegenleistung" für den Verzicht zu vereinbaren.
Welche Varianten des Verzichts auf einen Erbteil oder Pflichtteil gibt es?
Je nach Interessenlage und Fallgestaltung kommen in Frage:
- Ein Verzicht auf das Erbe einschließlich des Pflichtteilsrechts oder
- ein Verzicht nur auf das Pflichtteilsrecht,
- ein beschränkter Pflichtteilsverzicht nur hinsichtlich bestimmter Nachlassgegenstände.
Wie funktioniert ein Erbverzicht?
Ein Erbverzicht ist eine vertragliche Vereinbarung zwischen gesetzlichen Erben (Verwandte, Ehegatten) und dem Erblasser zu dessen Lebzeiten.
Ein Erbverzicht bedeutet, dass der Verzichtende mit seinen gesetzlichen Erbansprüchen komplett aus der Erbfolge ausscheidet. Der Betreffende wird so behandelt, als existiere er nicht. Er bekommt auch keinen Pflichtteil. Dies ergibt sich aus § 2346 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB). Die Folge ist, dass sich die Erbteile und Pflichtteilsquoten der anderen Erben entsprechend erhöhen.
Auch die Kinder des Verzichtenden bekommen nichts und fallen aus der Erbfolge, soweit dies nicht im Vertrag abweichend geregelt wird.
Was ist der Unterschied zum Pflichtteilsverzicht?
Der Verzicht kann sich auch nur auf den Pflichtteil beschränken. Der reine Pflichtteilsverzicht hat keine Auswirkungen auf die Erbfolge. Er wirkt sich nicht auf die Erbanteile und Pflichtteilsquoten der anderen Erben aus. Ein Pflichtteilsverzicht kann auf einzelne Gegenstände beschränkt werden, was beim Erbverzicht nicht möglich ist.
Welche Formalien sind beim Erbverzicht zu beachten?
Ein Erbverzichtsvertrag ist nur wirksam, wenn er notariell beurkundet wird. Wird ein Erb- oder Pflichtteilsverzicht nur schriftlich oder gar mündlich vereinbart, ist er wegen Formmangels nichtig. Damit stellt das Gesetz sicher, dass solch gravierende Entscheidungen gut überlegt sind.
Minderjährige oder unter Vormundschaft oder Betreuung stehende Personen brauchen, um auf ihr Erbe verzichten zu können, die Genehmigung des Familiengerichts bzw. des Betreuungsgerichts. Das Gericht wird in der Regel keinen Verzichtsvertrag ohne Abfindung akzeptieren.
Der Erblasser kann einen Verzichtsvertrag nur persönlich abschließen. Personen mit beschränkter Geschäftsfähigkeit brauchen dafür keine Zustimmung ihres gesetzlichen Vertreters. Ist der Erblasser geschäftsunfähig, kann der Vertrag durch seinen gesetzlichen Vertreter geschlossen werden. Allerdings ist auch hier im gleichen Umfang wie bei den Verzichtenden eine Zustimmung des Familiengerichts oder Betreuungsgerichts erforderlich, etwa bei Minderjährigen (§ 2347 Abs. 2 BGB).
Kann man einen Erbverzicht rückgängig machen?
Ja - allerdings nur zu Lebzeiten des Erblassers durch einen neuen Vertrag mit den Unterschriften beider Seiten. Auch dieser Vertrag muss notariell beglaubigt werden.
Kann man einen Erbverzicht anfechten?
Wie jeder Vertrag kann auch ein Erb- oder Pflichtteilsverzichtsvertrag angefochten werden. Mögliche Anfechtungsgründe sind etwa ein Gesetzesverstoß, Irrtum, Täuschung oder Drohungen, wenn diese Umstände dazu geführt haben, dass jemand gegen seinen Willen auf sein Erbe verzichtet hat.
Auch kann der Vertrag wegen Sittenwidrigkeit angefochten werden. Dieses Argument ist insbesondere bei Minderjährigen möglich, wenn zum Beispiel deren Unwissenheit ausgenutzt worden ist, um ihren Erbteil zu schmälern.
Praxistipp
Ein Erb- und Pflichtteilsverzicht ist ein Vertrag, der unbedingt auf die konkrete Situation der Familie abgestimmt sein muss. Zusätzlich sind entsprechende Regelungen im Testament zu treffen. Standardmuster aus dem Internet sind hier fehl am Platz. Eine gute Beratung durch einen Fachanwalt für Erbrecht hilft, unangenehme Überraschungen im Erbfall zu vermeiden.
(Bu)