Wann sollte man das Erbe ausschlagen und wie geht man dabei vor?
20.03.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice

Das Wichtigste in Kürze
1. Achtung Frist: Eine Erbausschlagung muss innerhalb von 6 Wochen erfolgen, nachdem man vom Erbfall und seiner Stellung als Erbe erfahren hat (im Ausland: 6 Monate).
2. Formvorschrift beachten: Die Ausschlagung muss notariell beurkundet oder beim Nachlassgericht zur Niederschrift erklärt werden – ein einfacher Brief reicht nicht.
3. Folgen der Ausschlagung: Wer ausschlägt, wird so behandelt, als ob er nie Erbe geworden ist. Der nächste gesetzliche oder eingesetzte Erbe rückt automatisch nach.
1. Achtung Frist: Eine Erbausschlagung muss innerhalb von 6 Wochen erfolgen, nachdem man vom Erbfall und seiner Stellung als Erbe erfahren hat (im Ausland: 6 Monate).
2. Formvorschrift beachten: Die Ausschlagung muss notariell beurkundet oder beim Nachlassgericht zur Niederschrift erklärt werden – ein einfacher Brief reicht nicht.
3. Folgen der Ausschlagung: Wer ausschlägt, wird so behandelt, als ob er nie Erbe geworden ist. Der nächste gesetzliche oder eingesetzte Erbe rückt automatisch nach.
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Was bedeutet Erbausschlagung? Wann kann es sinnvoll sein, das Erbe auszuschlagen? Welche Frist gilt für die Erbausschlagung? In welcher Form muss die Erbausschlagung erfolgen? Kann ich nur einen Teil des Erbes ausschlagen? Kann ich als Pflichtteilsberechtigter eine Erbschaft ausschlagen? Darf ein Minderjähriger eine Erbschaft ausschlagen? Beispiel: Kind erbt zweifelhaftes Sanierungsobjekt Wie kann ich eine Erbausschlagung anfechten? Beispiel: Anfechtung einer Erbausschlagung Praxistipp zur Erbausschlagung Was bedeutet Erbausschlagung?
Bei einer Erbausschlagung erklärt man offiziell gegenüber dem Nachlassgericht, kein Erbe sein zu wollen. Man haftet dann nicht mehr für die Schulden des Verstorbenen. Eine Folge der Erbausschlagung ist aber auch, dass man nichts aus dem Nachlass bekommt – auch keine einzelnen Erinnerungsstücke.
Wann kann es sinnvoll sein, das Erbe auszuschlagen?
Eine Erbschaft beruht entweder auf gesetzlicher Erbfolge oder auf einer letztwilligen Verfügung des Erblassers wie einem Testament oder Erbvertrag. Die gesetzliche Erbfolge tritt immer dann ein, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorhanden ist. Wer auf eine dieser Arten Erbe geworden ist, erbt den ihm jeweils zustehenden Anteil am Nachlass. Zum Nachlass gehören jedoch auch die sogenannten Nachlassverbindlichkeiten.
Dazu gehören zum Beispiel die Bestattungskosten, aber auch Schulden des Erblassers wie offene Rechnungen, Kredite, ein überzogenes Konto oder ausstehende Unterhaltszahlungen. Überwiegen die Schulden, sollte man sich überlegen, die Erbschaft auszuschlagen.
Es kommt auch vor, dass Erben ihre Erbschaft nur deshalb ausschlagen, weil sie mit dem Verstorbenen und seinen Angelegenheiten aus persönlichen Gründen nichts mehr zu tun haben wollen. Ein anderer Grund für eine Erbausschlagung kann sein, dass sich eine Immobilie mit erheblichem und teurem Sanierungsbedarf im Nachlass befindet.
Welche Frist gilt für die Erbausschlagung?
Um Ihr Erbe auszuschalgen, haben Sie als Erbe oder Erbin sechs Wochen Zeit. Die Frist beginnt zu laufen, sobald Sie von der Erbschaft und dem Grund dafür erfahren haben. Erben Sie durch ein Testament oder einen Erbvertrag, beginnt die Frist mit der Eröffnung durch das Nachlassgericht.
Sollten Sie sich als Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls im Ausland aufgehalten haben, verlängert sich die Frist für die Erbausschlagung auf sechs Monate. Dies gilt auch, wenn der Verstorbene – der Erblasser – seinen letzten dauerhaften Wohnsitz im Ausland hatte (§ 1944 Abs. 3 BGB). Allerdings fällt ein Tagesausflug des Erben nach Dänemark nicht unter "Auslandsaufenthalt" (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.1.2019, Az. IV ZB 20/18).
In welcher Form muss die Erbausschlagung erfolgen?
Die Erklärung der Erbausschlagung kann zum einen beim Nachlassgericht erfolgen. Sie ist formgebunden. Das heißt: Der Erbe kann sie dort zu Protokoll geben und beurkunden lassen. Alternativ kann man sie auch selbst niederschreiben und lässt sie von einem Notar beglaubigen. Im letzteren Fall leitet der Notar die Ausschlagungserklärung an das Nachlassgericht weiter. Zuständig ist das Amtsgericht am letzten Wohnort des Erblassers. Dabei ist Pünktlichkeit wichtig: Kommt die Ausschlagungserklärung nicht fristgerecht beim Nachlassgericht an, gilt das Erbe als angenommen. Dann haftet der Erbe auch für die Nachlassverbindlichkeiten, also insbesondere für die Schulden des Erblassers.
Kann ich nur einen Teil des Erbes ausschlagen?
Eine Erbschaft kann man nur als Ganzes ausschlagen. Eine Teilausschlagung ist nicht möglich. Dies ergibt sich aus § 1950 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB).
Kann ich als Pflichtteilsberechtigter eine Erbschaft ausschlagen?
Gesetzliche Erben, die der Erblasser im Testament nicht bedacht oder ausdrücklich enterbt hat, haben trotzdem ein Anrecht auf einen sogenannten Pflichtteil. Dieser umfasst die Hälfte ihres gesetzlichen Erbteils. Den Pflichtteil müssen sie von den Erben einfordern.
Pflichtteilsberechtigt sind nahe Verwandte des Erblassers, wie beispielsweise Kinder, Enkel, Ehegatte, Eltern (nicht jedoch Geschwister). Wichtig zu wissen: Schlagen Pflichtteilsberechtigte das Erbe aus, bekommen sie auch keinen Pflichtteil. Schließlich wollen sie ja auf ihr Erbe gerade verzichten.
Hier gibt es jedoch einige Ausnahmen. Die wichtigsten davon sind:
Ein Ehepaar hat im üblichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Stirbt ein Ehepartner und der überlebende Partner schlägt das Erbe aus, behält dieser trotzdem seinen Anspruch auf den Pflichtteil (§ 1371 Abs. 3 BGB).
Ebenso behält ein Pflichtteilsberechtigter trotz Erbausschlagung seinen Pflichtteilsanspruch, wenn das Erbe mit Einschränkungen oder Auflagen belastet ist. Eine solche Auflage kann beispielsweise die Einsetzung eines Nacherben sein, die Anordnung einer Testamentsvollstreckung oder auch ein Vermächtnis, das ihn anweist, jemand anderem einen Geldbetrag aus dem Nachlass zu zahlen. In solchen Fällen beginnt die Ausschlagungsfrist erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder Verpflichtung erfährt (§ 2306 BGB).
Darf ein Minderjähriger eine Erbschaft ausschlagen?
Minderjährige können nicht selbst eine Erbschaft ausschlagen. Dies müssen ihre Eltern als gesetzliche Vertreter für sie tun. Dabei müssen zwingend beide Elternteile im Namen ihres Kindes die Erbausschlagung erklären. Die sechswöchige Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn beide Elternteile von der Erbschaft ihres Kindes erfahren haben.
Zusätzlich muss eine Erbausschlagung für einen Minderjährigen vom Familiengericht genehmigt werden. Erlaubt ist sie nur, wenn das Erbe für das Kind wirklich finanzielle Nachteile hätte. Ein Kind wird nämlich oft nur deswegen zum Erben, weil seine Eltern bereits selbst die Erbschaft ausgeschlagen haben und ihr Kind nun in der Erbfolge aufrückt. Das Nachlassgericht muss solche Fälle sorgfältig prüfen, bevor es eine Erbausschlagung ablehnt. Denn: Meist haben die Eltern gute Gründe dafür, selbst das Erbe auszuschlagen. Schließlich soll das Kind keine Schulden erben.
Beispiel: Kind erbt zweifelhaftes Sanierungsobjekt
Das Oberlandesgericht Zweibrücken beschäftigte sich mit einem Fall, in dem eine alleinerziehende Mutter für ihr minderjähriges Kind das Erbe der Urgroßmutter ausgeschlagen hatte. Diese Erbausschlagung wollte das Familiengericht nicht genehmigen, nachdem es Auskünfte von Behörden eingeholt hatte – so vom Nachlass-, Vollstreckungs- und Insolvenzgericht, vom Sozialamt und vom Grundbuchamt. Nach diesen Auskünften war die Urgroßmutter weder verschuldet gewesen, noch hatte sie Sozialleistungen erhalten, und der Nachlass bestand nur aus schuldenfreiem Grundbesitz.
Vor Gericht ging die Mutter in die nächste Instanz. Das Oberlandesgericht hob das Urteil auf und verwies den Fall an das Familiengericht zurück. Der Grund: Dieses habe nicht genau genug recherchiert. Der schuldenfreie Grundbesitz bestand nämlich aus einem Haus der Sorte, die Makler meist beschönigend als "Handwerkerobjekt" anpreisen – also einem stark reparaturbedürftigen Gebäude mit völlig ungewissem Sanierungsbedarf. Eine ganze Reihe weiterer Erben hatte daher schon das Erbe ausgeschlagen. Das Oberlandesgericht entschied, dass man die Erbausschlagung für das Kind hier nicht einfach ablehnen dürfe, nur weil der Nachlass schuldenfrei sei (Beschluss vom 21.7.2016, Az. 2 WF 81/16).
Wie kann ich eine Erbausschlagung anfechten?
Natürlich kann es passieren, dass Sie als Erbe eine Erbschaft ausschlagen – und dann stellt sich plötzlich heraus, dass der Verwandte doch mehr als Schulden zu vererben hatte. In solchen Fällen kann man seine eigene Erbausschlagung nachträglich anfechten. Dies wäre dann eine Anfechtung wegen eines Irrtums (§ 119 Abs. 2 BGB). Dieses Recht haben Sie als Erbe, wenn Sie irrtümlich davon ausgegangen sind, dass der Nachlass überschuldet oder wertlos ist. Aber: Nicht möglich ist eine solche Anfechtung, wenn man sich nur über den Wert des Nachlasses an sich geirrt hat.
Die Einzelheiten und Fristen dazu regeln die Vorschriften der §§ 1954, 1955 und 1945 BGB. Danach erfordert die Anfechtung wieder eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Wichtig: Hat der Erbe die Erbschaft nur ausgeschlagen, weil er ohne genauere Recherche aufgrund von Hörensagen oder Verwandtschafts-Tratsch gedacht hat, dass sie wertlos ist, kann das Gericht eine Anfechtung der Erbausschlagung ablehnen. Als Erbe muss man sich also schon die Mühe machen und sorgfältig recherchieren (Beschluss des OLG Düsseldorf vom 5.9.2008, Az. I-3 Wx 123/08).
Tipp: Erben sollten zum Beispiel ein Vermögensverzeichnis des Nachlasses erstellen, das alle Guthaben, Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ausweist.
Beispiel: Anfechtung einer Erbausschlagung
Das Oberlandesgericht Düsseldorf erlaubte einer Erbin, ihre Erbausschlagung anzufechten. Diese hatte das Erbe ihrer Nichte ausgeschlagen, die bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Die Nichte hatte zwar kein nennenswertes Vermögen gehabt. Allerdings gehörten zum Erbe auch fünfstellige Schmerzensgeldansprüche gegen die Fluggesellschaft wegen ausgestandener Todesangst beim Absturz. Von diesen Ansprüchen hatte die Tante zum Zeitpunkt der Erbausschlagung nichts gewusst. Dies sah das Gericht als einen Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft des Nachlasses an (Beschluss vom 16.11.2016, Az. I-3 Wx 12/16).
Praxistipp zur Erbausschlagung
Haben Sie geerbt und sind sich nicht sicher, ob Sie das Erbe ausschlagen sollen? Ein Fachanwalt für Erbrecht kann Sie zu allen Fragen rund um die Ausschlagung der Erbschaft kompetent beraten. Denken Sie aber daran, dass Sie nur wenig Zeit zum Handeln haben, denn es läuft eine Frist von meist sechs Wochen.
(Ma)