Wann ist eine Erbausschlagung sinnvoll und was muss ich beachten?

28.10.2021, Redaktion Anwalt-Suchservice
Erbschaft,Erbausschlagung,Nachlass,überschuldet Ist das Erbe überschuldet, kommt eine Erbausschlagung in Betracht © Bu - Anwalt-Suchservice

Nicht immer ist eine Erbschaft ein Grund zur Freude. Hatte der Erblasser Schulden, kann eine Erbausschlagung sinnvoll sein. Allerdings gilt es hier alles richtig zu machen – sonst drohen Nachteile.

In Deutschland werden nicht nur Vermögensgegenstände des Erblassers vererbt, sondern auch dessen Schulden. Daher kann es schnell passieren, dass ein Erbe nicht mit dem erhofften Reichtum, sondern mit einem Schuldenberg dasteht. Dagegen hilft nur eine Erbausschlagung. So kann der Erbe vermeiden, für die Schulden des Erblassers einstehen zu müssen. Das Problem: Die Entscheidung muss innerhalb einer relativ kurzen Frist fallen - viel Zeit ist also nicht. Oft ist es gar nicht so einfach abzuschätzen, ob ein Nachlass werthaltig oder verschuldet ist. Hinzu kommen weitere Fragen: Bekommt man trotz Erbausschlagung seinen Pflichtteil? Was ist, wenn Kinder erben?

Die Erbschaft und ihre Ausschlagung


Eine Erbschaft kommt entweder durch gesetzliche Erbfolge zustande oder durch eine letztwillige Verfügung des Erblassers wie ein Testament oder einen Erbvertrag. Die vom Gesetz bestimmte Erbfolge tritt immer dann ein, wenn kein Testament oder Erbvertrag vorhanden ist. Wer auf einem dieser Wege Erbe geworden ist, erbt den ihm jeweils zustehenden Anteil am Nachlass. Aber: Zum Nachlass gehören auch die sogenannten Nachlassverbindlichkeiten, also die Schulden, welche der Erbe hinterlassen und für die der Erbe einzustehen hat.

Dazu gehören etwa die Bestattungskosten, aber auch Schulden des Erblassers wie offene Rechnungen, Kredite, ein überzogenes Konto oder ausstehende Unterhaltszahlungen. Wenn die Schulden überwiegen, ist es sinnvoll zu überlegen, die Erbschaft auszuschlagen. Was bedeutet das konkret? Man erklärt offiziell gegenüber dem Nachlassgericht, dass man kein Erbe sein will. Dann haftet man nicht mehr für die Schulden des Verstorbenen. Konsequenz der Ausschlagung ist aber auch, dass man nichts aus dem Nachlass erhält - auch keine einzelnen Erinnerungsstücke.

Manche Erben schlagen ihre Erbschaft auch nur deshalb aus, weil sie mit dem Verstorbenen und seinen Angelegenheiten aus persönlichen Gründen nichts mehr zu tun haben wollen. Ein Grund für eine Erbausschlagung kann z.B. auch sein, dass sich eine Immobilie mit erheblichem und teurem Sanierungsbedarf im Nachlass befindet.

Wie funktioniert eine Erbausschlagung?


Man kann eine Erbschaft nur als Ganzes ausschlagen. Nicht möglich ist dagegen eine Teilausschlagung. Dies geht aus § 1950 des Bürgerlichen Gesetzbuches (BGB) hervor. Die Erbausschlagung erfordert eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Für diese hat der Erbe sechs Wochen Zeit. Die Frist beginnt, sobald er von der Erbschaft und dem Grund dafür (z. B. Testament) erfahren hat.

Die Erbausschlagungsfrist verlängert sich auf sechs Monate, wenn sich der Erbe zum Zeitpunkt des Erbfalls im Ausland aufgehalten hat oder der Erblasser seinen letzten dauerhaften Wohnsitz im Ausland hatte (§ 1944 Abs. 3 BGB). Ein Tagesausflug des Erben nach Dänemark fällt nicht unter "Auslandsaufenthalt" (Bundesgerichtshof, Beschluss vom 16.1.2019, Az. IV ZB 20/18).

Die Erklärung der Erbausschlagung beim Nachlassgericht ist formgebunden. Der Erbe kann sie dort zu Protokoll geben und beurkunden lassen oder sie selbst niederschreiben und von einem Notar beglaubigen lassen. In diesem Fall leitet der Notar die Ausschlagungserklärung an das Nachlassgericht weiter. Zuständig ist das Amtsgericht am letzten Wohnort des Erblassers. Pünktlichkeit ist wichtig: Wenn die Ausschlagungserklärung nicht fristgerecht beim Nachlassgericht ankommt, gilt das Erbe als angenommen. Der Erbe haftet dann auch für die Nachlassverbindlichkeiten, also insbesondere die Schulden des Erblassers.

Kann ich als Pflichtteilsberechtigter eine Erbschaft ausschlagen?


Pflichtteilsberechtigt sind nahe Verwandte des Erblassers, wie beispielsweise Kinder, Enkel, Ehegatte, Eltern (nicht jedoch Geschwister). Diese Personen bekommen also sogar dann einen bestimmten Anteil am Nachlass, wenn sie der Erblasser in seinem Testament ausdrücklich enterbt hat. Wichtig zu wissen: Schlagen Pflichtteilsberechtigte das Erbe aus, bekommen sie auch keinen Pflichtteil. Denn schließlich wollen sie ja auf ihr Erbe gerade verzichten.

Es gibt hier jedoch einige Ausnahmen. Die wichtigsten davon sind:

Ein Ehepaar hat im üblichen Güterstand der Zugewinngemeinschaft gelebt. Wenn ein Ehepartner verstirbt und der überlebende Partner das Erbe ausschlägt, behält er trotzdem den Anspruch auf den Pflichtteil (§ 1371 Abs. 3 BGB).

Ein Pflichtteilsberechtigter behält ebenfalls trotz Erbausschlagung seinen Pflichtteilsanspruch, wenn das Erbe mit Einschränkungen oder Auflagen belastet ist. Eine solche Auflage kann zum Beispiel die Einsetzung eines Nacherben sein, die Anordnung einer Testamentsvollstreckung oder auch ein Vermächtnis, das ihn anweist, jemand anderem einen Geldbetrag aus dem Nachlass zu zahlen. Hier beginnt die Ausschlagungsfrist erst, wenn der Pflichtteilsberechtigte von der Beschränkung oder der Beschwerung Kenntnis erlangt (§ 2306 BGB).

Darf ein Minderjähriger eine Erbschaft ausschlagen?


Ein Minderjähriger kann nicht selbst eine Erbschaft ausschlagen. Seine Eltern als seine gesetzlichen Vertreter müssen dies für ihn tun. Dabei müssen zwingend beide Elternteile die Erbausschlagung im Namen ihres Kindes erklären. Die sechswöchige Frist beginnt erst dann zu laufen, wenn beide Elternteile von der Erbschaft ihres Kindes erfahren haben.

Eine Erbausschlagung für einen Minderjährigen muss im Übrigen vom Familiengericht genehmigt werden. Sie ist nur erlaubt, wenn das Erbe für das Kind wirklich finanzielle Nachteile hätte. Häufig wird ein Kind nur deswegen zum Erben, weil seine Eltern bereits selbst die Erbschaft ausgeschlagen haben und ihr Kind nun in der Erbfolge aufrückt. Solche Fälle muss das Nachlassgericht sorgfältig prüfen, bevor es eine Erbausschlagung ablehnt. Denn: Es ist davon auszugehen, dass die Eltern gute Gründe dafür gehabt haben, selbst das Erbe auszuschlagen.

Beispiel: Kind erbt zweifelhaftes Sanierungsobjekt


Vor dem Oberlandesgericht Zweibrücken ging es um einen Fall, in dem eine alleinerziehende Mutter für ihr minderjähriges Kind das Erbe der Urgroßmutter ausgeschlagen hatte. Das Familiengericht wollte die Erbausschlagung nicht genehmigen, nachdem es Auskünfte von Behörden eingeholt hatte – so vom Nachlass-, Vollstreckungs- und Insolvenzgericht, vom Sozialamt und vom Grundbuchamt. Den Auskünften zufolge war die Urgroßmutter weder verschuldet gewesen, noch hatte sie Sozialleistungen bekommen und der Nachlass bestand nur aus schuldenfreiem Grundbesitz.

Die Mutter ging vor Gericht in die nächste Instanz. Das Oberlandesgericht hob das Urteil auf und verwies den Fall an das Familiengericht zurück. Der Grund: Dieses habe nicht genau genug recherchiert. Der Grundbesitz bestand in Wahrheit aus einem Haus der Sorte, die Makler meist beschönigend als “Handwerkerobjekt” anpreisen – also einem stark reparaturbedürftigen Gebäude mit völlig ungewissem Sanierungsbedarf. Daher hatte schon eine ganze Reihe weiterer Erben das Erbe ausgeschlagen. Nach Ansicht des Oberlandesgerichts konnte die Erbausschlagung für das Kind hier nicht einfach abgelehnt werden, weil der Nachlass schuldenfrei war (Beschluss vom 21. Juli 2016, Az. 2 WF 81/16).

Kann eine Erbausschlagung angefochten werden?


Nachträglich anfechten kann man eine Erbausschlagung dann, wenn sich herausstellt, dass der Nachlass in Wahrheit doch einen Wert hat. Dies wäre dann eine Anfechtung wegen Irrtums (§§ 119 Abs. 2 BGB). Dieses Recht hat der Erbe, wenn er irrtümlich davon ausgegangen ist, dass der Nachlass überschuldet oder wertlos sei. Keine Anfechtung ist im Normalfall möglich, wenn man sich nur über den Wert des Nachlasses an sich geirrt hat.

Die Einzelheiten und Fristen sind in den Vorschriften der §§ 1954, 1955 und 1945 BGB geregelt: Die Anfechtung erfordert wiederum eine Erklärung gegenüber dem Nachlassgericht. Wichtig zu wissen: Wenn der Erbe die Erbschaft nur ausgeschlagen hat, weil er ohne genauere Recherche aufgrund von Hörensagen oder Verwandtschafts-Tratsch gedacht hat, dass diese wertlos sei, kann das Gericht eine Anfechtung der Ausschlagung ablehnen. Der Erbe muss sich also schon die Mühe machen und sorgfältig recherchieren (Beschluss des OLG Düsseldorf vom 05.09.2008, Az. I-3 Wx 123/08). Erben sollten zum Beispiel ein Vermögensverzeichnis erstellen, das alle Guthaben, Vermögenswerte und Verbindlichkeiten ausweist.

Das Oberlandesgericht Düsseldorf gestand beispielsweise einer Erbin zu, ihre Erbausschlagung anzufechten. Diese hatte das Erbe ihrer Nichte ausgeschlagen, die bei einem Flugzeugabsturz ums Leben gekommen war. Es zeigte sich jedoch nachträglich, dass zum Erbe auch fünfstellige Schmerzensgeldansprüche gegen die Fluggesellschaft wegen ausgestandener Todesangst gehörten. Von diesen Ansprüchen hatte die Tante zum Zeitpunkt der Erbausschlagung nichts gewusst. Das OLG sah dies als einen Irrtum über eine wesentliche Eigenschaft des Nachlasses an (Beschluss vom 16.11.2016, Az. I-3 Wx 12/16).

Praxistipp zur Erbausschlagung


Zu allen Fragen rund um der Ausschlagung der Erbschaft kann Sie ein Fachanwalt für Erbrecht kompetent beraten - denn es kommt immer stark auf die Umstände des Einzelfalles an.

(Ma)


 Ulf Matzen
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
E-Mail schreiben Juristische Redaktion