Wer erhält eine Erwerbsminderungsrente bei Krankheit und Behinderung?

16.01.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Erwerbsunfähigkeit,Rente,Behinderung,Unfall Ein Erwerbsunfähigkeitsrente zu bekommen, oft gar nicht einfach. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

Gesundheitliche Einschränkungen: Erwerbsminderungsrente wird gezahlt, wenn jemand aus gesundheitlichen Gründen dauerhaft weniger als sechs Stunden täglich in einem beliebigen Beruf arbeiten kann.

Mindestversicherungszeit: Voraussetzung ist, dass die Person mindestens fünf Jahre in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert war und in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung mindestens drei Jahre Beiträge gezahlt hat.

Antragstellung: Die Erwerbsminderungsrente muss bei der Deutschen Rentenversicherung beantragt werden, und ein ärztliches Gutachten klärt die Erwerbsfähigkeit.
Oft stellt eine Erwerbsminderungsrente die letzte Rettung dar, wenn man selbst nicht mehr arbeiten kann. Dies kann schnell passieren, etwa durch einen Unfall oder eine Erkrankung. Nicht immer spielt jedoch die Rentenversicherung dabei mit, denn für sie wird es teuer. Für Arbeitnehmer ist daher die richtige Begründung wichtig, ebenso wie entsprechende ärztliche Gutachten. In einigen Fällen hilft nur der Weg zum Anwalt.

Was bedeutet eigentlich "vermindert erwerbsfähig"?


Als vermindert erwerbsfähig werden Menschen angesehen, die infolge von Krankheiten (auch psychischer Art) oder Verletzungen im Beruf nicht mehr die volle Leistung erbringen können. Damit ist ihre Fähigkeit eingeschränkt, sich den eigenen Lebensunterhalt zu verdienen. Grundsätzlich gelten Menschen als in der Erwerbsfähigkeit gemindert, wenn sie keine sechs Stunden täglich mehr arbeiten können. Es gibt jedoch Abstufungen. Eine verminderte Erwerbsfähigkeit kann zu einem Anspruch auf eine staatliche Erwerbsminderungsrente nach dem sechsten Buch des Sozialgesetzbuches (SGB VI) führen. In Frage kommen auch Ansprüche auf Bürgergeld oder aus dem Sozialhilferecht.

Was sind die Grundvoraussetzungen für die Erwerbsminderungsrente?


Grundsätzlich erhält man eine Erwerbsminderungsrente von der Deutschen Rentenversicherung, wenn man aus gesundheitlichen Gründen nicht mehr arbeitsfähig ist. Kann man noch einige Stunden pro Tag arbeiten, kann auch eine anteilige Rente gezahlt werden.

Eine grundsätzliche Voraussetzung für eine Erwerbsminderungsrente ist, dass die Regelaltersgrenze für die reguläre Rente noch nicht erreicht ist. Ist diese Voraussetzung erfüllt, prüft die Rentenversicherung zunächst, ob eine Wiedereingliederung ins Arbeitsleben durch eine medizinische oder berufliche Rehabilitation möglich ist. Im Falle einer Rehabilitation wird eine berufliche Umorientierung unterstützt.

Wenn beides nicht möglich ist, wird geprüft, wie viele Stunden am Tag der oder die Betreffende noch arbeiten kann.

Zwei weitere Voraussetzungen müssen für eine Erwerbsminderungsrente erfüllt sein:

1. Die allgemeine Wartezeit ist erfüllt: Mindestens fünf Jahre Versicherungsdauer in der Deutschen Rentenversicherung vor Eintritt der Erwerbsminderung.
2. Man hat mindestens drei Jahre lang Pflichtbeiträge eingezahlt, in den letzten fünf Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung.

Gibt es Ausnahmen von der Mindestversicherungszeit?


Es gibt einige Ausnahmen von der Mindestversicherungszeit für die Erwerbsminderungsrente. Diese greifen in besonderen Fällen, wie:

1. bei einem Arbeitsunfall oder einer Berufskrankheit, wenn der Unfall oder die Krankheit direkt im Zusammenhang mit der beruflichen Tätigkeit stehen,

2. bei Erwerbsminderung vor dem 30. Lebensjahr ("Berufsstarterregelung"),

3. Arbeitnehmer, die vor dem 1. Januar 1984 in der gesetzlichen Rentenversicherung versichert waren, genießen Vertrauensschutz. Sie müssen zwar die Mindestversicherungszeit von 5 Jahren erfüllt haben, jedoch nicht zwingend 36 Monate Pflichtbeiträge in den letzten 5 Jahren gezahlt haben.

Wer bekommt die volle Erwerbsminderungsrente?


Die volle Rente wegen Erwerbsminderung erhalten Arbeitnehmer, die nur noch für weniger als drei Stunden am Tag arbeitsfähig sind. Dies bezieht sich nicht nur auf den ausgeübten Beruf, sondern auf sämtliche Arten von Tätigkeiten. Geprüft wird dies durch medizinische Gutachten.

Ebenfalls gelten Menschen als voll erwerbsgemindert, die zum Beispiel in einer anerkannten Behindertenwerkstatt oder ähnlichen Einrichtung arbeiten und wegen der Schwere ihrer Behinderung keine Stelle über den normalen Arbeitsmarkt finden können. Bei ihnen ist keine fünfjährige Wartezeit erforderlich: Auch nach einer 20-jährigen Wartezeit, in der in einer Behinderteneinrichtung gearbeitet wurde, kann eine volle Erwerbsminderungsrente gezahlt werden.

Wer bekommt eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung?


Eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten Menschen, die noch mindestens drei Stunden, aber nicht mehr als sechs Stunden am Tag arbeiten können (wiederum in allen Tätigkeiten). Dabei wird grundsätzlich die Hälfte der vollen Erwerbsminderungsrente ausgezahlt. Die Rentenversicherung geht von einer gleichzeitigen Teilzeittätigkeit aus. Die Höhe der Einkünfte wirkt sich auf die Höhe der Rente aus. Es empfiehlt sich, sich über die aktuellen Hinzuverdienstgrenzen zu informieren. Wenn kein Teilzeitarbeitsplatz zu finden ist, kann unter Umständen auch eine Rente wegen voller Erwerbsminderung gezahlt werden.

Für Jahrgänge mit Geburtsdatum bis 2.1.1961 gibt es eine Sonderregelung. Unter bestimmten Voraussetzungen können diese Personen bei einer Berufsunfähigkeit wegen gesundheitlicher Einschränkungen eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung erhalten. Bei der Prüfung, welche Tätigkeiten ihnen noch zumutbar sind, stellt die Rentenversicherung stärker auf den tatsächlich erlernten Beruf ab (§ 240 SGB VI).

Wie viel darf ich zur Erwerbsminderungsrente hinzuverdienen?


Seit 1.1.2023 wird die Höhe der Hinzuverdienstgrenze auf Basis einer dynamischen Bezugsgröße jährlich neu berechnet. Die vorher gültige starre Hinzuverdienstgrenze von 6.300 Euro jährlich wurde abgeschafft.

Grundsätzlich beträgt 2025 die Hinzuverdienstgrenze bei teilweiser Erwerbsminderung 39.322 Euro (aber: siehe unten!) und bei vollständiger Erwerbsminderung 19.661 Euro. Dies gilt für ganz Deutschland.

Für Rentner, die vor Eintritt der Erwerbsminderung ein höheres Einkommen gehabt haben, kann eine individuelle Hinzuverdienstgrenze gelten. Diese berechnet man aus dem höchsten Verdienst der letzten 15 Jahre vor Eintritt der Erwerbsminderung.

Bei Bezug einer Erwerbsminderungsrente darf eine Berufstätigkeit oder selbständige Tätigkeit nur im Rahmen des festgestellten Leistungsvermögens, also der jeweiligen Stundenzahl pro Tag, ausgeübt werden. Ansonsten kann der Rentenanspruch verfallen.

Bei teilweiser Erwerbsminderung kann sich das Einkommen aus Teilzeitarbeit auf die Höhe der Rente auswirken. Hier wird eine individuelle Hinzuverdienstgrenze ermittelt. Wenn diese überschritten wird, wird die Rente herabgesetzt. Möglich ist auch, dass die Rente dann ganz ruht. Wer eine Rente wegen teilweiser Erwerbsminderung bezieht, darf nur weniger als sechs Stunden täglich arbeiten. Betroffene sollten sich bei der Deutschen Rentenversicherung vor der Aufnahme der Tätigkeit über die genauen Auswirkungen in ihrem Fall informieren.

Wie lange wird eine Erwerbsminderungrente gezahlt?


Im Normalfall wird eine Erwerbsminderungsrente befristet ausgezahlt. Schließlich kann sich der Gesundheitszustand des Arbeitnehmers wieder bessern. Wenn eine solche Besserung medizinisch nicht zu erwarten ist, kann die Erwerbsminderungsrente auch unbefristet bewilligt werden. Die Rentenzahlung beginnt mit dem Monat, der auf den Eintritt der Erwerbsminderung folgt.

Was muss man zur Prüfung durch ärztlichen Gutachter wissen?


Das Vorliegen einer Erwerbsminderung wird von einem medizinischen Gutachter festgestellt. Diesen beauftragt der Rentenversicherungsträger. Es kommt bei der Erwerbsminderung in der Regel nicht darauf an, ob man den erlernten Beruf nicht mehr voll ausüben kann. Hier geht es um die allgemeine Arbeitsfähigkeit in irgendeinem Beruf.

Sinnvoll ist es, rechtzeitig Fachmediziner etwa aus den Bereichen Orthopädie, Neurologie / Psychiatrie, Schmerztherapie, innerer Medizin oder HNO aufzusuchen. Die gesundheitlichen Einschränkungen sollten dokumentiert werden und diese ärztliche Dokumentation sollte den sozialgerichtlichen Kriterien entsprechen. Daraus müssen sich Erkrankungen und Behinderungen ergeben, die zu einer deutlich verringerten beruflichen Belastbarkeit führen. Dies schließt zum Beispiel auch chronische Schmerzen und psychische Krankheitsbilder wie schwere Depressionen ein.

Was meinen die Zurechnungszeiten bei der Erwerbsminderungsrente?


Zurechnungszeiten sollen insbesondere Versicherten helfen, die schon in jungen Jahren vermindert erwerbsfähig werden. Auch ihnen soll eine ausreichende Rente zugutekommen.

Bis Mitte 2014 lief die Zurechnungszeit bis zum 60. Lebensjahr. Das bedeutet: Wer irgendwann während seines Arbeitslebens erwerbsgemindert wurde, bekam so viel Erwerbsminderungsrente, als hätte er oder sie bis zum vollendeten 60. Lebensjahr gearbeitet.

Auch die Zurechnungszeit ändert sich jedes Jahr. Wer im Jahr 2025 erwerbsunfähig wird, bekommt so viel Rente, als hätte er oder sie bis zum Alter von 66 Jahren und zwei Monaten gearbeitet.

Was ist die Günstigerprüfung mit Blick auf die Erwerbsminderungsrente?


Die Günstigerprüfung wurde vor einigen Jahren eingeführt und soll sicherstellen, dass von einer Erwerbsminderung Betroffene den für sie höchstmöglichen Rentenbetrag erhalten. Dabei prüft die Deutsche Rentenversicherung, ob die Arbeitsfähigkeit des Antragstellers in den letzten vier Jahren vor Eintritt der Erwerbsminderung schon eingeschränkt war. Immerhin kann eine Krankheit langsam anfangen oder eine Verletzung sich erst nach und nach als dauerhaftes Problem erweisen. Wenn es tatsächlich schon Beeinträchtigungen gab, die das Einkommen gesenkt haben, würde das normalerweise die Erwerbsminderungsrente verringern. Daher schreibt die neue Regelung vor, dass man - wenn es Beeinträchtigungen gab – die letzten vier Jahre aus der Berechnung herausnimmt. Dabei wird die Variante gewählt, die für den Rentner günstiger ist.

Wonach richtet sich die Höhe der Erwerbsminderungsrente?


Wie hoch die Erwerbsminderungsrente ausfällt, wird individuell berechnet und hängt von verschiedenen Faktoren ab.

1. Versicherungsverlauf und die gesammelten Entgeltpunkte,
2. Zurechnungszeit,
3. Abschläge bei Inanspruchnahme vor dem regulären Rentenalter,
4. Teilweise oder volle Erwerbsminderung,
5. Zusätzliche Faktoren, wie Kindererziehungszeiten und Berücksichtigungszeiten, z. B. Pflege von Angehörigen, können die Rente erhöhen,
6. Abzug von Beiträgen zur Kranken- und Pflegeversicherung,
7. Steuern, wenn die Rente höher als der Grundfreibetrag ist.

Wie kann ich mich gegen eine zu geringe Erwerbsminderungsrente wehren?


Wenn es zum Rechtsstreit kommt, sind folgende Verfahrensstufen denkbar:

- Antragsverfahren,
- Widerspruchsverfahren,
- Sozialgerichtsverfahren,
- Berufung zum Landessozialgericht,
- Revision zum Bundessozialgericht.

Eine frühzeitige Rechtsberatung kann sich auszahlen. Ein erfahrener Rechtsanwalt kann schon im Antragsverfahren oder im Widerspruchsverfahren Ratschläge geben und bei der Sichtung von Arztunterlagen die Erfolgsaussichten prüfen. Auch kann er feststellen, ob noch erforderliche ärztliche Nachweise fehlen.

Praxistipp zur Erwerbsminderungsrente


Für die Versicherungsträger ist die Auszahlung von Erwerbsminderungsrenten teuer. Daher werden die Anträge sehr genau geprüft und nicht selten verworfen. Ein Fachanwalt für Sozialrecht kann Ihnen dabei helfen, Ihren Antrag richtig zu formulieren und zu untermauern. Er kann, wenn erforderlich, auch vor Gericht für Sie eintreten.

(Ma)


 Ulf Matzen
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