Rente weg wegen Straftaten im Straßenverkehr?

13.06.2024, Redaktion Anwalt-Suchservice
Autofahrerin,Polizist,Führerschein,Straftat,Rente Straftaten im Straßenverkehr können die Rente gefährden. © - freepik
Das Wichtigste in Kürze

1. Rechtsgrundlage: Gemäß § 104 des sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) kann eine Rente ganz oder teilweise versagt werden, wenn sich jemand die für die Rentenleistung erforderliche Gesundheitsschädigung bei einer Handlung zugezogen hat, die nach strafgerichtlichen Urteil ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen ist.

2. Betroffene Rentenarten: Die Vorschrift gilt für Renten aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Dies sind Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Renten für Bergleute, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen sowie die großen Witwen- und Witwerrenten wegen einer Erwerbsminderung.

3. Rente an Angehörige: Die versagte Rente kann nach § 104 Abs. 2 SGB VI statt an den eigentlichen Empfänger an dessen Ehegatten, Lebenspartner und Kinder gezahlt werden. Voraussetzung ist, dass diese Personen gegenüber dem ursprünglichen Rentenempfänger unterhaltsberechtigt sind.
Ein alter Grundsatz lautet, dass das Sozialversicherungsrecht - also auch das Rentenversicherungsrecht - nicht zur Ahndung von Straftaten zweckentfremdet werden soll. Auf der anderen Seite sollen Straftaten aber auch nicht durch die Zahlung von Sozialleistungen belohnt werden. Was gilt nun, wenn sich jemand bei einer Straftat verletzt und dadurch berufsunfähig wird? Zu einer strafbaren Handlung kann es in vielen Lebenslagen kommen.

Wann kann eine Straftat die Rente beeinträchtigen?


Das Sozialgericht Gießen beschäftigte sich mit dem Fall eines Kochs, der sich bei einem Verkehrsunfall mit seinem Auto mehrere Knochenbrüche und eine Armnervenschädigung zugezogen hatte. Die nächtliche Autofahrt hatte als Bruchlandung in einem Erdhügel geendet. Zu diesem Zeitpunkt besaß er keinen Führerschein und hatte obendrein 1,39 Promille Alkohol im Blut. Daher wurde er auch strafrechtlich wegen fahrlässiger Trunkenheit im Verkehr in Tateinheit mit vorsätzlichem Fahren ohne Fahrerlaubnis rechtskräftig zu einer Freiheitsstrafe von fünf Monaten auf Bewährung verurteilt.

Infolge seiner Verletzungen konnte der Unfallfahrer seinen Beruf nicht mehr ausüben. Daher stellte er bei der Deutschen Rentenversicherung einen Antrag auf eine Rente wegen Erwerbsminderung. Die Rentenversicherung lehnte jedoch ab: Sein Rentenanspruch sei wegen der Straftaten verwirkt.

Worauf kann sich die Rentenversicherung berufen?


Tatsächlich kann gemäß § 104 des sechsten Sozialgesetzbuches (SGB VI) eine Rente ganz oder teilweise versagt werden, wenn sich jemand die für die Rentenleistung erforderliche Gesundheitsschädigung bei einer Handlung zugezogen hat, die nach strafgerichtlichen Urteil ein Verbrechen oder ein vorsätzliches Vergehen ist.

Welche Gegenargumente überzeugten das Sozialgericht nicht?


Vor dem Sozialgericht argumentierte der 28-jährige Koch damit, dass die vorsätzlich begangene Fahrt ohne Fahrerlaubnis nicht die Ursache für den Unfall gewesen sei. Die notwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse für das Autofahren habe er durchaus gehabt, weil er früher Inhaber eines Führerscheins gewesen sei. Die Trunkenheit im Straßenverkehr habe er fahrlässig begangen.

Wie hat das Gericht zum Fahren ohne Fahrerlaubnis entschieden?


Das Sozialgericht Gießen folgte der Argumentation des Autofahrers nicht. Es meinte, dass die Rentenversicherung den Rentenantrag zu Recht abgelehnt habe. Nach Ansicht des Gerichts wäre es zu dem Unfall niemals gekommen, wenn der Kläger gar nicht erst gefahren wäre. Das Fahren ohne Fahrerlaubnis könne im Übrigen nicht von der fahrlässigen Trunkenheit im Straßenverkehr getrennt betrachtet werden.

Der Kläger habe zur Zeit seines Unfalls infolge seines Alkoholkonsums offensichtlich gerade nicht mehr über die für das Autofahren notwendigen theoretischen und praktischen Kenntnisse verfügt. Sonst hätte er nämlich keinen Unfall gebaut.

Nach Ansicht des Gerichts stellte die Ablehnung des Rentenantrags auch keinen Ermessensfehler der Rentenversicherung dar. Zweck der dabei angewendeten Vorschrift sei ein Ausgleich zwischen dem Grundsatz, dass sozialrechtliche Vorschriften keine strafrechtlichen Funktionen wahrzunehmen hätten und dem sozialethisch kaum tolerierbaren Ergebnis, dass schwere Verstöße gegen das Strafrecht durch Sozialversicherungsleistungen "belohnt" würden. Die Rentenversicherung habe diese Umstände berücksichtigt (Urteil vom 26.2.2014, Az. S 4 R 158/12).

Welche Rentenarten betrifft die Vorschrift?


Die Vorschrift gilt für Renten aufgrund einer gesundheitlichen Beeinträchtigung. Dies sind Renten wegen verminderter Erwerbsfähigkeit, Renten für Bergleute, die Altersrente für schwerbehinderte Menschen sowie die großen Witwen- und Witwerrenten wegen einer Erwerbsminderung.

Welchen Unterschied macht eine vollständige oder teilweise Versagung der Rente?


Bei einer vollständigen Versagung der Rente entfällt der Rentenanspruch. Dadurch fällt auch die Krankenversicherung für Rentner weg. Bei einer teilweisen Versagung der Rente besteht grundsätzlich ein Rentenanspruch. Damit kann der oder die Betroffene auch in der Krankenversicherung der Rentner pflichtversichert sein.

Welche Regelung über Angehörige enthält das Gesetz?


Die versagte Rente kann nach § 104 Abs. 2 SGB VI statt an den eigentlichen Empfänger an dessen Ehegatten, Lebenspartner und Kinder gezahlt werden. Voraussetzung ist, dass diese Personen gegenüber dem ursprünglichen Rentenempfänger unterhaltsberechtigt sind.

Praxistipp zur Versagung der Rente wegen Straftaten


Ob es zur Versagung einer Rente wegen einer Straftat kommt, die beim Antragsteller zu Verletzungen geführt hat, ist eine Ermessensentscheidung der Rentenversicherung. Vor Gericht kann man eine solche Entscheidung durchaus anfechten. Ein guter Fachanwalt für Sozialrecht kann hier je nach Fall die richtigen Argumente zu Ihren Gunsten finden.

(Bu)


 Stephan Buch
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