Fahrradstraße: Einrichtung rechtens, Klage möglich?
21.07.2020, Redaktion Anwalt-Suchservice
© Bu - Anwalt-Suchservice Immer mehr Gemeinden weisen zunehmend Fahrradstraßen aus. Es gibt gesetzliche Regeln, wann eine Straße zur Fahrradstraße gemacht werden kann. Allerdings werden diese oft recht großzügig ausgelegt. Trotz der oft vorgetragenen Vorteile der Fahrradstraße - zum Beispiel der örtlichen Verkehrsberuhigung - gibt es so manchen Anwohner, der dagegen vor Gericht zieht. Nicht immer sind Fahrradstraßen sinnvoll angelegt. Manchmal entstehen sogar neue Gefahrenschwerpunkte für Unfälle. Was müssen Gemeinden bei der Anlage von Fahrradstraßen beachten und können Anwohner dagegen vorgehen?
Eine Fahrradstraße wird durch ein quadratisches weißes Schild ausgezeichnet, auf der in einem blauen Kreis ein Fahrradsymbol zu sehen ist, darunter der Schriftzug "Fahrradstraße". Oft wird ein entsprechendes Symbol auf die Fahrbahn gemalt.
In der Fahrradstraße dürfen andere Fahrzeuge nur unterwegs sein, wenn ein Zusatzschild dies erlaubt. Viele Fahrradstraßen sind auch für Autos freigegeben. Es gilt für alle - auch für Radfahrer - eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf durch andere Fahrzeuge nicht behindert oder gefährdet werden. Wenn nötig, muss der motorisierte Verkehr sein Tempo noch weiter herabsetzen. Fahrradfahrer dürfen nebeneinander fahren, auch wenn sie dadurch Autofahrer am Überholen hindern. Allerdings gilt immer noch das Rechtsfahrgebot.
Die Vorfahrtsregeln sind die Üblichen. Im Zweifel gilt also "wer von rechts kommt, hat Vorfahrt." Auch, wenn es ein Auto ist. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn die Gemeinde die Einmündungen in die Fahrradstraße mit abgesenkten Bordsteinen versehen hat. Wer einen abgesenkten Bordstein überquert, um in eine andere Straße einzubiegen, hat Vorfahrt zu gewähren - ohne weitere Schilder.
In vielen Fällen werden Fahrradstraßen mit dem Zusatzschild "Anlieger frei" versehen. Dann dürfen auch Anwohner oder deren Besucher sowie Kunden und Lieferanten ansässiger Geschäfte, Paketdienste und Handwerker mit Autos, Lieferwagen oder Motorrädern in die Fahrradstraße fahren - generell jeder, der dort nachweislich etwas zu erledigen hat.
Fahrradstraßen werden nicht extra baulich angelegt, sondern es werden bestehende Straßen per Beschilderung zur Fahrradstraße ernannt. Die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (Vw-StVO) sagt zur Fahrradstraße bei den Anmerkungen zu Verkehrszeichen Nr. 244:
1. "Fahrradstraßen kommen dann in Betracht, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies alsbald zu erwarten ist.
2. Anderer Fahrzeugverkehr als der Radverkehr darf nur ausnahmsweise durch die Anordnung entsprechender Zusatzzeichen zugelassen werden (z. B. Anliegerverkehr). Daher müssen vor der Anordnung die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs ausreichend berücksichtigt werden (alternative Verkehrsführung)."
Dies bedeutet zunächst: Bevor eine Gemeinde eine Straße zur Fahrradstraße macht, muss sie etwa durch eine Verkehrszählung prüfen, ob der Fahrradverkehr dort bereits vorherrscht oder dies zu erwarten ist. Zwar ist ein Blick in die Zukunft ohne Zeitmaschine immer etwas schwierig. Es muss aber zumindest nachvollziehbare Erwägungen und Zahlenmaterial über den örtlichen Radverkehr geben. Befasst sich die Gemeinde nicht damit und führt "einfach so" eine Fahrradstraße ein, kann die Entscheidung anfechtbar sein.
Nachweisbare Erwägungen muss es auch hinsichtlich einer alternativen Verkehrsführung für den Kraftfahrzeugverkehr geben. Beispiel: Presseberichten zufolge wurde im Kreis Borken ein Wirtschaftsweg im Außenbereich einer Gemeinde in eine Fahrradstraße umgewandelt und baulich verengt. Dieser Weg wurde aber von Landwirten benötigt, um mit schwerem Gerät auf ihre Felder zu kommen. Fünf Landwirte klagten gegen die Fahrradstraße, das Ergebnis ist noch offen.
Bei der Planung einer Fahrradstraße muss also auch berücksichtigt werden, auf welcher Alternativroute Kraftfahrzeuge zum Ziel kommen können.
Eine Grundvoraussetzung für das Aufstellen von Verkehrsschildern aller Art wird von Gemeinden ebenfalls gerne übersehen. Es handelt sich um den Grundsatz der Erforderlichkeit.
Gemäß § 45 Absatz 9 Satz 1 StVO dürfen Verkehrszeichen nur aufgestellt werden, wenn sie aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich sind. Dies gilt auch für das Zeichen 244, mit dem eine Fahrradstraße angeordnet wird.
Nun sind allerlei Erklärungen denkbar, um die Erforderlichkeit zu rechtfertigen: Etwa, dass Fahrradstraßen dem Klimaschutz dienen, den Verkehr reduzieren, durch die Entzerrung von Auto- und Fahrradverkehr die Anzahl der Unfälle verringern. Hier geht es aber nicht um verkehrspolitische Ziele, sondern um die Erforderlichkeit der ganz konkreten, einzelnen Fahrradstraße. Diese muss - im Rahmen eines schlüssigen Verkehrskonzeptes - begründbar sein.
Dem Bundesverwaltungsgericht zufolge ist ein neues Verkehrszeichen zwingend erforderlich, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen (Beschluss vom 1.9.2017, Az. 3 B 50/16). Zusätzlich muss das Verkehrszeichen sachgerecht und zweckmäßig sein (VG Braunschweig, Urteil vom 18.7.2006, Az. 6 A 389/04).
Verschiedene Gerichte haben sich mit der Erforderlichkeit von Fahrradstraßen befasst. In den Urteilen geht es meist darum, dass Fahrradstraßen nicht mehr als erforderlich angesehen werden, wenn sie die Unfallgefahr steigern, statt sie zu verringern.
Nach einer Studie des ”Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.” (GDV) sind 96 Prozent der Fahrradstraßen in Deutschland sogenannte "unechte" Fahrradstraßen, auf denen auch Autoverkehr zugelassen ist. Denn: Anders geht es oft gar nicht. Anwohner und deren Besucher müssen ihre Grundstücke auch per Auto erreichen können, Lieferanten müssen Geschäfte anfahren können, viele Geschäfte sind auf Kunden angewiesen, die per Auto kommen und oft ist keine sinnvolle Umleitung des Kraftfahrtverkehrs möglich.
Das bedeutet: In der Regel müssen sich Kraftfahrzeuge und Radfahrer die Fahrradstraße teilen. Dazu muss sich die Straße aber auch noch unter Anwendung der besonderen Fahrradstraßen-Regeln eignen.
Vor dem Verwaltungsgericht Hannover war 2019 ein Anwohner mit seiner Klage gegen eine Fahrradstraße erfolgreich. Es hatte sich um ein Teilstück einer Straße in einem Wohngebiet gehandelt, das schon zuvor Tempo-30-Zone gewesen war. Die Fahrradstraße war für den Autoverkehr in beiden Richtungen freigegeben.
Das Gericht befand nach einer Ortsbesichtigung, dass die Straße nicht als Fahrradstraße geeignet sei. Sie sei viel zu eng, als dass sich Autos und selbst einzeln fahrende Radler sicher begegnen könnten. Die vorgeschriebenen seitlichen Mindestabstände zwischen Autos und Radlern seien hier unmöglich einzuhalten, da die Straße stellenweise nur 3 Meter bis 3,45 Meter breit sei. Wenn man nun sogar das Nebeneinander-Fahren von Radlern erlaube, werde dadurch die Gefahrenlage nicht entschärft, sondern verschlimmert. Es sei daher nicht einzusehen, warum hier die Umwidmung in eine Fahrradstraße erforderlich sein solle (Urteil vom 17.7.2019, Az. 7 A 7457/17).
Daraus folgt: Gibt es keine Möglichkeit, die Fahrradstraße nur für Fahrräder zu reservieren, muss diese für einen sicheren Auto- und Radverkehr mit Gegenverkehr auch breit genug sein. Und zwar auch dann, wenn die Radler von ihren Rechten in der Fahrradstraße Gebrauch machen und nebeneinander fahren.
Umgekehrt argumentierte interessanterweise das Verwaltungsgericht Berlin. Hier wurde die Einrichtung einer Fahrradstraße gerade deswegen als erforderlich angesehen, weil die Fahrbahnbreite für Radfahrer und Autos nicht ausreichte. Es handelte sich um eine 4,60 Meter breite Straße mit hohem Radfahreranteil. Das VG Berlin sah hier die Einführung einer Fahrradstraße zur Entschärfung der Gefahrenlage als erforderlich an. Das Gericht betonte, dass die Anlieger durch die Fahrradstraße nur gering belastet würden, weil sie die Straße weiter nutzen dürften. Der Durchgangsverkehr habe die Möglichkeit, auf eine parallel verlaufende, mehrspurige Straße auszuweichen (VG Berlin, Urteil vom 5.12.2018, Az. 11 K 298.17).
Die Entscheidung hängt daher vom Einzelfall ab - insbesondere davon, ob der Autoverkehr über andere Straßen geleitet werden oder etwa durch eine Einbahnstraßen-Regelung reduziert werden kann und wie breit die Straße ist.
Die Einführung von Fahrradstraßen muss sauber begründet werden und darf nicht die Unfallgefahr für Radfahrer erhöhen, statt sie abzusenken. Klagen von Anwohnern sind durchaus möglich, hier ist aber genau zu prüfen, ob sie im Einzelfall erfolgversprechend sind. Beratung zum Thema Fahrradstraße erteilt ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht.
In deutschen Städten werden immer mehr Fahrradstraßen ausgewiesen. Nicht immer zur Freude der Anwohner. Welche Voraussetzungen müssen vorliegen, damit eine Straße zur Fahrradstraße werden kann?
Dieser Rechtstipp behandelt folgende Themen:
Welche Regeln gelten in der Fahrradstraße? Wann darf eine Gemeinde eine Fahrradstraße ausweisen? Wann ist die Einrichtung einer Fahrradstraße erforderlich? Gerichtsurteile zur Fahrradstraße Praxistipp Welche Regeln gelten in der Fahrradstraße?
Eine Fahrradstraße wird durch ein quadratisches weißes Schild ausgezeichnet, auf der in einem blauen Kreis ein Fahrradsymbol zu sehen ist, darunter der Schriftzug "Fahrradstraße". Oft wird ein entsprechendes Symbol auf die Fahrbahn gemalt.
In der Fahrradstraße dürfen andere Fahrzeuge nur unterwegs sein, wenn ein Zusatzschild dies erlaubt. Viele Fahrradstraßen sind auch für Autos freigegeben. Es gilt für alle - auch für Radfahrer - eine Höchstgeschwindigkeit von 30 km/h. Der Radverkehr darf durch andere Fahrzeuge nicht behindert oder gefährdet werden. Wenn nötig, muss der motorisierte Verkehr sein Tempo noch weiter herabsetzen. Fahrradfahrer dürfen nebeneinander fahren, auch wenn sie dadurch Autofahrer am Überholen hindern. Allerdings gilt immer noch das Rechtsfahrgebot.
Die Vorfahrtsregeln sind die Üblichen. Im Zweifel gilt also "wer von rechts kommt, hat Vorfahrt." Auch, wenn es ein Auto ist. Vorsicht ist jedoch geboten, wenn die Gemeinde die Einmündungen in die Fahrradstraße mit abgesenkten Bordsteinen versehen hat. Wer einen abgesenkten Bordstein überquert, um in eine andere Straße einzubiegen, hat Vorfahrt zu gewähren - ohne weitere Schilder.
In vielen Fällen werden Fahrradstraßen mit dem Zusatzschild "Anlieger frei" versehen. Dann dürfen auch Anwohner oder deren Besucher sowie Kunden und Lieferanten ansässiger Geschäfte, Paketdienste und Handwerker mit Autos, Lieferwagen oder Motorrädern in die Fahrradstraße fahren - generell jeder, der dort nachweislich etwas zu erledigen hat.
Wann darf eine Gemeinde eine Fahrradstraße ausweisen?
Fahrradstraßen werden nicht extra baulich angelegt, sondern es werden bestehende Straßen per Beschilderung zur Fahrradstraße ernannt. Die Verwaltungsvorschrift zur Straßenverkehrsordnung (Vw-StVO) sagt zur Fahrradstraße bei den Anmerkungen zu Verkehrszeichen Nr. 244:
1. "Fahrradstraßen kommen dann in Betracht, wenn der Radverkehr die vorherrschende Verkehrsart ist oder dies alsbald zu erwarten ist.
2. Anderer Fahrzeugverkehr als der Radverkehr darf nur ausnahmsweise durch die Anordnung entsprechender Zusatzzeichen zugelassen werden (z. B. Anliegerverkehr). Daher müssen vor der Anordnung die Bedürfnisse des Kraftfahrzeugverkehrs ausreichend berücksichtigt werden (alternative Verkehrsführung)."
Dies bedeutet zunächst: Bevor eine Gemeinde eine Straße zur Fahrradstraße macht, muss sie etwa durch eine Verkehrszählung prüfen, ob der Fahrradverkehr dort bereits vorherrscht oder dies zu erwarten ist. Zwar ist ein Blick in die Zukunft ohne Zeitmaschine immer etwas schwierig. Es muss aber zumindest nachvollziehbare Erwägungen und Zahlenmaterial über den örtlichen Radverkehr geben. Befasst sich die Gemeinde nicht damit und führt "einfach so" eine Fahrradstraße ein, kann die Entscheidung anfechtbar sein.
Nachweisbare Erwägungen muss es auch hinsichtlich einer alternativen Verkehrsführung für den Kraftfahrzeugverkehr geben. Beispiel: Presseberichten zufolge wurde im Kreis Borken ein Wirtschaftsweg im Außenbereich einer Gemeinde in eine Fahrradstraße umgewandelt und baulich verengt. Dieser Weg wurde aber von Landwirten benötigt, um mit schwerem Gerät auf ihre Felder zu kommen. Fünf Landwirte klagten gegen die Fahrradstraße, das Ergebnis ist noch offen.
Bei der Planung einer Fahrradstraße muss also auch berücksichtigt werden, auf welcher Alternativroute Kraftfahrzeuge zum Ziel kommen können.
Eine Grundvoraussetzung für das Aufstellen von Verkehrsschildern aller Art wird von Gemeinden ebenfalls gerne übersehen. Es handelt sich um den Grundsatz der Erforderlichkeit.
Wann ist die Einrichtung einer Fahrradstraße erforderlich?
Gemäß § 45 Absatz 9 Satz 1 StVO dürfen Verkehrszeichen nur aufgestellt werden, wenn sie aufgrund der besonderen Umstände zwingend erforderlich sind. Dies gilt auch für das Zeichen 244, mit dem eine Fahrradstraße angeordnet wird.
Nun sind allerlei Erklärungen denkbar, um die Erforderlichkeit zu rechtfertigen: Etwa, dass Fahrradstraßen dem Klimaschutz dienen, den Verkehr reduzieren, durch die Entzerrung von Auto- und Fahrradverkehr die Anzahl der Unfälle verringern. Hier geht es aber nicht um verkehrspolitische Ziele, sondern um die Erforderlichkeit der ganz konkreten, einzelnen Fahrradstraße. Diese muss - im Rahmen eines schlüssigen Verkehrskonzeptes - begründbar sein.
Dem Bundesverwaltungsgericht zufolge ist ein neues Verkehrszeichen zwingend erforderlich, wenn die allgemeinen und besonderen Verhaltensregeln der Straßenverkehrsordnung für einen sicheren und geordneten Verkehrsablauf nicht ausreichen (Beschluss vom 1.9.2017, Az. 3 B 50/16). Zusätzlich muss das Verkehrszeichen sachgerecht und zweckmäßig sein (VG Braunschweig, Urteil vom 18.7.2006, Az. 6 A 389/04).
Verschiedene Gerichte haben sich mit der Erforderlichkeit von Fahrradstraßen befasst. In den Urteilen geht es meist darum, dass Fahrradstraßen nicht mehr als erforderlich angesehen werden, wenn sie die Unfallgefahr steigern, statt sie zu verringern.
Nach einer Studie des ”Gesamtverbandes der Deutschen Versicherungswirtschaft e. V.” (GDV) sind 96 Prozent der Fahrradstraßen in Deutschland sogenannte "unechte" Fahrradstraßen, auf denen auch Autoverkehr zugelassen ist. Denn: Anders geht es oft gar nicht. Anwohner und deren Besucher müssen ihre Grundstücke auch per Auto erreichen können, Lieferanten müssen Geschäfte anfahren können, viele Geschäfte sind auf Kunden angewiesen, die per Auto kommen und oft ist keine sinnvolle Umleitung des Kraftfahrtverkehrs möglich.
Das bedeutet: In der Regel müssen sich Kraftfahrzeuge und Radfahrer die Fahrradstraße teilen. Dazu muss sich die Straße aber auch noch unter Anwendung der besonderen Fahrradstraßen-Regeln eignen.
Gerichtsurteile zur Fahrradstraße
Vor dem Verwaltungsgericht Hannover war 2019 ein Anwohner mit seiner Klage gegen eine Fahrradstraße erfolgreich. Es hatte sich um ein Teilstück einer Straße in einem Wohngebiet gehandelt, das schon zuvor Tempo-30-Zone gewesen war. Die Fahrradstraße war für den Autoverkehr in beiden Richtungen freigegeben.
Das Gericht befand nach einer Ortsbesichtigung, dass die Straße nicht als Fahrradstraße geeignet sei. Sie sei viel zu eng, als dass sich Autos und selbst einzeln fahrende Radler sicher begegnen könnten. Die vorgeschriebenen seitlichen Mindestabstände zwischen Autos und Radlern seien hier unmöglich einzuhalten, da die Straße stellenweise nur 3 Meter bis 3,45 Meter breit sei. Wenn man nun sogar das Nebeneinander-Fahren von Radlern erlaube, werde dadurch die Gefahrenlage nicht entschärft, sondern verschlimmert. Es sei daher nicht einzusehen, warum hier die Umwidmung in eine Fahrradstraße erforderlich sein solle (Urteil vom 17.7.2019, Az. 7 A 7457/17).
Daraus folgt: Gibt es keine Möglichkeit, die Fahrradstraße nur für Fahrräder zu reservieren, muss diese für einen sicheren Auto- und Radverkehr mit Gegenverkehr auch breit genug sein. Und zwar auch dann, wenn die Radler von ihren Rechten in der Fahrradstraße Gebrauch machen und nebeneinander fahren.
Umgekehrt argumentierte interessanterweise das Verwaltungsgericht Berlin. Hier wurde die Einrichtung einer Fahrradstraße gerade deswegen als erforderlich angesehen, weil die Fahrbahnbreite für Radfahrer und Autos nicht ausreichte. Es handelte sich um eine 4,60 Meter breite Straße mit hohem Radfahreranteil. Das VG Berlin sah hier die Einführung einer Fahrradstraße zur Entschärfung der Gefahrenlage als erforderlich an. Das Gericht betonte, dass die Anlieger durch die Fahrradstraße nur gering belastet würden, weil sie die Straße weiter nutzen dürften. Der Durchgangsverkehr habe die Möglichkeit, auf eine parallel verlaufende, mehrspurige Straße auszuweichen (VG Berlin, Urteil vom 5.12.2018, Az. 11 K 298.17).
Die Entscheidung hängt daher vom Einzelfall ab - insbesondere davon, ob der Autoverkehr über andere Straßen geleitet werden oder etwa durch eine Einbahnstraßen-Regelung reduziert werden kann und wie breit die Straße ist.
Praxistipp
Die Einführung von Fahrradstraßen muss sauber begründet werden und darf nicht die Unfallgefahr für Radfahrer erhöhen, statt sie abzusenken. Klagen von Anwohnern sind durchaus möglich, hier ist aber genau zu prüfen, ob sie im Einzelfall erfolgversprechend sind. Beratung zum Thema Fahrradstraße erteilt ein Fachanwalt für Verwaltungsrecht.
(Bu)