Fehlerhafte Tattoos: Schadensersatz und Schmerzensgeld?

09.01.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Tattoo,Stechen,Tätowierung,Tattoo-Studio Wann können Kunden nach missglückten Tattoos Ansprüche geltend machen? © - freepik

Auch Tätowierer machen Fehler – für ihre Kunden ist das dann oft besonders ärgerlich und auch schmerzhaft. In manchen Fällen können Geschädigte Schadensersatz oder Schmerzensgeld fordern.

Eine einmal gestochene Tätowierung ist nicht einfach wieder zu entfernen. Fehlerhaft ausgeführte Arbeiten führen nicht selten zu dauerhaften Hautveränderungen oder Schmerzen. Dann stellen sich schnell Fragen, wie etwa: Müssen sich Geschädigte beim gleichen Tätowierer erneut unter die Nadel legen, um diesen nachbessern zu lassen? Wann und in welcher Höhe können die Kunden Schadensersatz oder Schmerzensgeld verlangen? Haben Geschädigte Anspruch auf eine Entfernung des missglückten Werkes per Laser oder deren Bezahlung? Hier folgen einige Beispiele aus der Rechtsprechung.

Fall 1: Verpfuschte Tätowierung: Schadensersatz grundsätzlich nur mit Nachbesserung


Im ersten Fall geht es um eine 17-Jährige aus München. Diese hatte sich ohne Wissen ihrer Eltern tätowieren lassen. Auf der Innenseite ihres Handgelenks ließ sie sich ein koptisches Kreuz stechen. Die Rechnung von 50 Euro zahlte sie von ihrem Lohn aus ihrem Job in einer Eisdiele.

Nach einer Woche verlangte sie jedoch vom Tätowierer die Entfernung der Tätowierung per Laser. Der Grund: Die Tätowierung sei schief. Der Tätowierer glaubte ihr nicht. Nach seiner Ansicht hatte sie selbst versucht, das Tattoo zu entfernen. Es sah sehr ausgewaschen aus und außerdem hatte die Haut eine Art Kruste bekommen. Schief war es nach seiner Meinung nicht. Daher weigerte er sich, es zu entfernen, und bot eine Nachbesserung an. Die Kundin lehnte dies ab. Sie forderte Schadensersatz in Höhe der 50 Euro für die Kosten des Tattoos und weitere 799 Euro für die Entfernung des Tattoos per Laser bei einem anderen Tattoo-Studio. Sobald sie volljährig war, reichte sie Klage ein.

Das Amtsgericht München erklärte, dass ein Vertrag über eine Tätowierung ein normaler Werkvertrag nach dem Bürgerlichen Gesetzbuch sei – geregelt in den § 631 ff. BGB. Trotz der Minderjährigkeit der Kundin sei dieser Vertrag auch ohne Zustimmung ihrer Eltern wirksam abgeschlossen worden. Denn: Sie habe das Tattoo mit eigenem und mit Zustimmung der Eltern verdientem Geld bezahlt, über das sie frei verfügen konnte. Daher wurde hier § 110 BGB, der sogenannte Taschengeldparagraph, angewendet.

Allerdings sei eine Voraussetzung für Ansprüche wegen einer mangelhaften Werkleistung, dass die Kundin dem Werkunternehmer zuerst Gelegenheit zur Nacherfüllung bzw. Nachbesserung gebe. Nur, wenn diese fehlschlage, ihr nicht zumutbar sei oder vom Tätowierer verweigert werde, habe sie Ansprüche wegen mangelhafter Werkleistungen. Dies habe sie jedoch versäumt. Sie habe auch keinen Anspruch auf Schmerzensgeld. Sie selbst habe in die Verletzung ihres Körpers durch das Tätowieren eingewilligt. Diese Einwilligung sei trotz ihrer Minderjährigkeit wirksam, weil sie die erforderliche Einsichtsfähigkeit gehabt habe (Urteil vom 17.3.2012, Az. 213 C 917/11).

Fall 2: Ausnahmsweise Schadensersatz auch ohne Nachbesserung


Der zweite Fall betrifft eine Kundin, die sich auf dem rechten Schulterblatt eine farbige Blüte nebst Ranken hatte stechen lassen. Allerdings brachte der Tätowierer das Tattoo in zu tiefe Hautschichten ein. Das Ergebnis hatte kaum noch etwas mit dem abgesprochenen Entwurf zu tun: Da gab es Farbverläufe, Linien verliefen falsch und andere Linien waren unregelmäßig dick. Die Kundin lehnte die angebotene Nachbesserung ab und ging vor Gericht.

Das Oberlandesgericht Hamm betrachtete das Stechen eines Tattoos als Körperverletzung, die nur durch die Einwilligung der Kundin gerechtfertigt sei. Hier habe die Kundin aber nur in ein dem Entwurf entsprechendes Tattoo eingewilligt. Dieses sei ihr nicht gestochen worden. Daher sprach ihr das Gericht ein Schmerzensgeld von 750 Euro zu. Dazu käme ein Anspruch auf Schadensersatz für künftig entstehende materielle und immaterielle Schäden. Dies könne ggf. die Kosten einer Laser-Entfernung des Tattoos umfassen, sowie mögliche ärztliche Behandlungen und ein mögliches Schmerzensgeld für spätere Schmerzen.

Eine Nachbesserung durch den gleichen Tätowierer müsse hier nicht erfolgen. Dieser habe so schwere Fehler gemacht - sowohl technisch als auch künstlerisch - dass ihr eine Nachbesserung nicht zumutbar sei. Hier ginge es um Arbeiten, deren Duldung mit körperlichen Schmerzen verbunden sein und die - schlecht ausgeführt - gesundheitliche Beeinträchtigungen nach sich ziehen könnten. Daher komme dem Vertrauen des Kunden in die Fähigkeiten des Tätowierers eine besondere Bedeutung zu (Urteil vom 5.3.2014, Az. 12 U 151/13).

Fall 3: Schmerzhafte Hautveränderungen durch Tätowierung


Im dritten Fall hatte sich eine Kundin den rechten Unterschenkel tätowieren lassen. Dies war bereits ihre vierte Tätowierung. Nach sechs Wochen entzündete sich ihre Haut im Bereich rotvioletter Farbpigmente. Schließlich musste dort die Haut sogar operativ entfernt werden. Die Frau warf dem Tätowierer daraufhin eine nicht ausreichende Risikoaufklärung vor. Obendrein habe er verunreinigte Farben verwendet und nicht hygienisch gearbeitet. Er habe nicht einmal die Chargennummer der verwendeten Farben nennen können. Sie forderte 6.000 Euro Schmerzensgeld und etwa 1.800 Euro Schadensersatz.

Das Landgericht Coburg betonte, dass ein Tätowierer keine Aufklärungspflicht habe, wie etwa ein Arzt. Auch sei die Tätowierung vor Inkrafttreten der sogenannten Tätowiermittelverordnung im Jahr 2009 durchgeführt worden. Damals habe es praktisch keine Regeln über zulässige Farbstoffe gegeben. Es sei erlaubt gewesen, dass sich der Tätowierer auf die Angaben der Hersteller verlassen habe. Verstöße gegen Hygieneregeln seien ihm nicht nachzuweisen. Auch hätte es in diesem Fall Probleme mit der ganzen Tätowierung geben müssen und nicht nur mit den rotviolett tätowierten Bereichen. Die Kundin habe Erfahrung mit Tattoos gehabt und in die Verletzung ihres Körpers eingewilligt. Ansprüche auf Schadensersatz und Schmerzensgeld habe sie nicht (Urteil vom 14.2.2012, Az. 11 O 567/10).

Fall 4: Bio-Tattoo löst sich nicht auf - Schmerzensgeld!


Sogenannte Bio-Tattoos sollen sich nach drei bis sieben Jahren von selbst auflösen und unsichtbar werden. Dies passierte im vierten Fall nicht. Die Klägerin hatte sich auf einem Messestand ein Bio-Tattoo auf ihrem Bauch stechen lassen. Dass sich dieses nach spätestens sieben Jahren auflösen sollte, versprach unter anderem ein Flyer des Standbetreibers. Nur war es nach über zehn Jahren immer noch vorhanden. Die Kundin verlangte Schadensersatz und Schmerzensgeld.

Das Oberlandesgericht Karlsruhe betrachtete das Tattoo hier als Körperverletzung. Die Einwilligung der Kundin habe sich auf ein vorübergehendes Tattoo bezogen, nicht auf ein dauerhaftes. Der Anspruch auf Schadensersatz und Schmerzensgeld sei nicht verjährt. Die Verjährung beginne erst zu laufen, wenn der Anspruch fällig sei. Dies sei erst nach Ablauf der sieben Jahre der Fall.

Hier musste der Tätowierer nicht nur Schadensersatz und Schmerzensgeld zahlen, sondern er wurde auch dazu verurteilt, die Kundin zukünftig für mögliche Schäden (Entfernung des Tattoos per Laser) und Schmerzen zu entschädigen (Urteil vom 22.10.2008, Az. 7 U 125/08).

Fall 5: Auch bei unleserlichem Tattoo Schmerzensgeld


Vor dem Amtsgericht München ging es im fünften Fall um einen tätowierten Schriftzug auf dem Unterarm einer Frau. Dieser begann mit den Worten "Je t´aime mon amour ..." und enthielt auch zwei Namen. Die Kundin zahlte dafür 80 Euro und dann für ein korrigierendes Nachstechen noch einmal 20 Euro. Es half jedoch nichts: Der Schriftzug erschien verwaschen und unleserlich, die Wörter waren nicht in einer einheitlichen Größe gestochen, Abstände der verschiedenen Wörter und Zeilen wichen zum Teil deutlich ab, einige Wörter waren schief und auch die Linienführung ließ zu wüschen übrig. Die Frau ging vor Gericht und verlangte Schmerzensgeld und Ersatz für künftige Schäden, da sie das Tattoo entfernen lassen wollte.

Auch hier ging das Gericht von einer Körperverletzung aus, da die Einwilligung der Kundin sich nicht auf die Arbeit bezog, die sie am Ende erhielt. Ein Gutachter bescheinigte der Tätowiererin eine nicht fachgerechte Arbeit und Fehler, die ein professioneller Tätowierer schlicht nicht mache. Die Mängel seien nicht durch mangelhafte Hautpflege entstanden.

Das Gericht sprach der Kundin ein Schmerzensgeld von 1.000 Euro zu, plus Ersatz der 100 Euro für das Tattoo, plus den Ersatz künftiger möglicher Folgeschäden (AG München, Urteil vom 13.4.2017, Az. 132 C 17280/16).

Wie kann ich mich gegen ein fehlerhaftes Tattoo absichern?


Ist der Schaden erst einmal eingetreten, ist er fast unumkehrbar und lange sichtbar. Man kann das Tattoo zwar wieder weglasern lassen oder versuchen, es so nachzubessern, dass es einigermaßen vernünftig aussieht.
Um eine solche ungewollte Folge zu vermeiden, ist es umso wichtiger, sein Wunschtattoo mit dem Tätowierer, der die Arbeit ausführen soll, im Vorhinein in Ruhe und genau zu besprechen. Das anzufertigende Motiv sollte im Idealfall fotografisch in einem schriftlichen Auftrag festgehalten sein. Einfach ins Tattoostudio hineinrennen und aufs Gradewohl hinaus tätowieren, ist also eher nicht die optimale Wahl, um später im möglichen Streitfall einen Nachweis zu führen. Empfehlenswert ist auch, sich zuvor über die Arbeit des Tattoostudios und natürlich den konkreten Tatowierer zu erkundigen. Freunde und Bekannte, die sich dort tätowieren lassen haben, sind die beste Informationsquelle mit Live-Anschauungsmaterial. Bewertungen im Internet können das Bild abrunden. Sitzt man dann endlich auf dem Tätowierstuhl, sollte man trotz aller Schmerzen regelmäßig mit kritischem Blick schauen, ob der Tätowierer noch "im Plan" ist.

Übernimmt die Krankenkasse die Kosten für die Tattoo-Entfernung?


Nein und Ja.

Löst eine verpfuschte Tätowierung angeblich eine psychische Behandlung beim Tätowierten aus, so werden die Kosten für eine Entfernung per Laser nach einem Urteil des Sozialgerichts Stuttgart nicht erstattet. Grund: Psychische Erkrankungen rechtfertigen lediglich die Übernahme der Kosten für entsprechende psychologische Behandlungen, aber im Übrigen keine Eingriffe in einen krankenversicherungsrechtlich gesunden Körper. Und das ist der Körper auch bei einem fehlerhaften Tattoo, das keine Körperverletzung darstellt (siehe oben).

Das Düsseldorfer Sozialgericht sprach dagegen einer ehemaligen Zwangsprostituierten, der am Hals die Initialien ihrer Peiniger eintätowiert wurden, die Übernahme der Kosten für die Entfernung eines Tattos gegen ihre gesetzliche Krankenversicherung zu. Das Gericht begründete sein Urteil damit, dass es sich in diesem Fall tatsächlich um eine Krankenbehandlung handele, denn mit dem Tattoo bleibe das Opferstigma und es bestehe zudem die Gefahr, dass sich die Klägerin zu ihrem Schutz aus dem gesellschaftlichen Leben zurückziehen muss. Die Heilungschancen ihrer posttraumatischen Belastungsstörung seien unter Beibehaltung des Tattoos deshalb weitaus geringer.

Gegen eine ablehnende Entscheidung der Krankenkasse bezüglich des Antrags auf Übernahme der Kosten der Tattoo-Entfernung, kann übrigens Widerspruch eingelegt werden. Entscheidet die Krankenkasse den Widerspruch abschlägig, ist eine Klage vorm zuständigen Sozialgericht möglich. Dieser Schritt sollte zuvor mit einem fachlich versierten Anwalt besprochen werden.

Praxistipp zu fehlerhaften Tattoos


Bei Tattoos kommt es leider immer wieder zu Fehlern oder unerwünschten Ergebnissen. Für spätere Ansprüche ist es wichtig, die mit dem Tätowierer getroffenen Absprachen beweisen zu können. Im Streitfall kann ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt Ihnen helfen, Ihre Ansprüche durchzusetzen.

(Wk)


 Günter Warkowski
Anwalt-Suchservice
Juristische Redaktion
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