Filmen mit der Dashcam – ist das legal?

19.10.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Dashcam,Unfall,Beweismittel,Datenschutzverstoß Dashcams: Darf ich alles um mich herum filmen und online stellen? © Rh - Anwalt-Suchservice
Das Wichtigste in Kürze

1. Anlasslose Aufnahmen: Das anlasslose Filmen mit einer Dashcam aus dem Auto heraus ist unzulässig, weil es einen Verstoß gegen den Datenschutz darstellt.

2. Problem Datenschutz: Der Datenschutz ist streng und die Aufzeichnung von Personen ohne deren Zustimmung mittels einer Dashcam begründet regelmäßig einen bußgeldbewerten Verstoß.

3. Beweismittel: Dashcam-Aufnahmen dürfen als Beweismittel bei Unfall-Prozessen verwendet werden. Sie stellen aber andererseits einen Verstoß gegen den Datenschutz dar, der mit einem empfindlichen Bußgeld geahndet werden kann.
Eine Dashcam ist eine auf dem Armaturenbrett oder an der Windschutzscheibe eines Autos installierte kleine Kamera, mit der man das Verkehrsgeschehen vor oder hinter dem eigenen Auto aufzeichnen kann. Viele Autofahrer versprechen sich im Falle eines Unfalls von einer Dashcam Beweismittel zu ihren Gunsten. Andere fühlen sich jedoch durch Dashcams ständig in der Öffentlichkeit beobachtet und verweisen auf den Datenschutz.

Dashcams: Ein Trend aus Russland


Dashcams sind besonders in Russland seit Jahren in Mode. Private Unfallvideos oder Videos von besonderen Verkehrssituationen werden dort sehr oft bei YouTube hochgeladen. Bei den handlichen Kameras spielt jedoch nicht nur der "Spaßfaktor" eine Rolle. Die Nutzer erhoffen sich nämlich im Falle eines Unfalls Beweismittel dafür, dass dieser vom anderen Verkehrsteilnehmer verursacht wurde. Schaut man sich die veröffentlichten Videos an, kann man dies in gewissem Maße nachvollziehen – jedenfalls, was die Verkehrsverhältnisse in Russland betrifft. Auch in Deutschland werden viele Dashcams verkauft. Sie sind bei uns jedoch rechtlich umstritten.

Warum sind Dashcams in der Kritik?


In der Kritik stehen Dashcams, weil sie permanent und auch ohne Unfall fremde Menschen oder Autos inklusive deren Kennzeichen aufnehmen. Niemand kontrolliert, was mit den Aufnahmen passiert, und niemand kann sicherstellen, dass nicht vielleicht peinliche, nachteilige oder herabsetzende Aufnahmen fremder Personen ins Internet gelangen. Hinzu kommen typisch deutsche Phänomene – wie etwa selbst ernannte Hilfssheriffs oder "Verkehrserzieher", die den lieben langen Tag damit verbringen, Verkehrsverstöße ihrer Mitbürger zu dokumentieren, um diese dann bei der Polizei anzuzeigen. Ist die Nutzung von Dashcams also ein Datenschutzverstoß?

Wie vertragen sich Datenschutz und Dashcam?


2014 befasste sich erstmals ein Gericht mit Dashcams. Das Verwaltungsgericht Ansbach entschied am 12.8.2014 über die Wirksamkeit eines Bescheids des Bayerischen Landesamts für Datenschutzaufsicht. Dieses hatte einem Autofahrer verboten, permanent mit seiner Dashcam zu filmen. Auch sollte er die vorhandenen Aufnahmen löschen. Der Autofahrer gewann den Prozess – aber nur, weil die Datenschutzbehörde bei ihrem Bescheid Formfehler gemacht hatte. Das Gericht erklärte: Grundsätzlich sei es nach dem Datenschutzgesetz nicht zulässig, mit einer Dashcam ständig andere zu filmen, um nach einem eventuellen Unfall die Aufnahmen der Polizei zu übergeben. Dies sei eine Verarbeitung personenbezogener Daten, die die Persönlichkeitsrechte der gefilmten Autofahrer und Passanten beeinträchtige.

Warum sind heimliche Aufnahmen mit der Dashcam verboten?


Das Gericht in Ansbach erklärte, dass nach dem Datenschutzgesetz heimliche Aufnahmen unbeteiligter Dritter immer unzulässig sind. Solche Aufnahmen stellten einen erheblichen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht von Fremden dar. Man müsse hier eine Abwägung zwischen den Interessen des Dashcam-Besitzers und denen der anderen Verkehrsteilnehmer vornehmen. Hier würden deren Persönlichkeitsrechte jedoch überwiegen. Die Bayerische Datenschutzaufsicht erklärte anschließend dazu, dass das Bußgeld für Autofahrer, die ständig mit einer Dashcam filmen, bis zu 300.000 Euro betragen kann (Urteil VG Ansbach, Az. AN 4 K 13.01634).

Darf man die Dashcam-Aufnahmen bei YouTube einstellen?


Aus dem Urteil ergibt sich auch, dass es nach dem Datenschutzgesetz unzulässig ist, Dashcam-Aufnahmen der Polizei zu übergeben – sogar nach einem Unfall, an dem man beteiligt war. Man verlasse dann nämlich mit dem Zweck der Aufnahmen den persönlichen oder familiären Bereich, weshalb das Bundesdatenschutzgesetz anwendbar sei.

Dies führt zu einer stark eingeschränkten Nutzbarkeit von Dashcams. Autofahrer, die sie verwenden, begehen immer auch einen Datenschutzverstoß und müssen bei einer Weitergabe der Aufnahmen an Behörden mit Konsequenzen wie etwa Bußgeldern nach dem Datenschutzgesetz rechnen. Ebenso ist es nicht erlaubt, zur Unterhaltung anderer Leute Aufnahmen von Verkehrsverstößen, Unfällen oder jeglichen anderen Situationen im Straßenverkehr bei YouTube oder Facebook einzustellen.

Dashcam im geparktem Auto: Beweismittel ja, Bußgeld dazu?


Unerwarteten Ärger mit der Datenschutzbehörde bekam auch eine Münchnerin, die ihr geparktes Auto aus Sicherheitsgründen mit mehreren laufenden Dashcams ausgestattet hatte. Ein anderes Fahrzeug berührte beim Einparken ihr Auto, verursachte einen Schaden, und fuhr davon. Mit Hilfe der Dashcam-Aufnahmen konnte das Fahrzeug identifiziert und der Schaden eingeklagt werden.

Allerdings leitete die Polizei die Dashcam-Aufnahmen auch an die zuständige Datenschutzbehörde weiter. Diese verhängte für den Datenschutzverstoß ein Bußgeld von 150 Euro (zehn Prozent des Monatseinkommens der Frau). Das Amtsgericht München bestätigte dieses Bußgeld und erklärte: Erlaube man ständig filmende Dashcams, könne man auch permanent filmende Kameras an der Kleidung zulassen – und Dinge wie das Recht am eigenen Bild und die informationelle Selbstbestimmung gleich komplett vergessen (Amtsgericht München, Hinweisbeschluss vom 13. August 2014, Az. 345 C 5551/14).

Sind Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel verwertbar?


Der Bundesgerichtshof hat sich mit der Frage beschäftigt, ob Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel vor Gericht zulässig sind. Es ging um folgenden Fall: Zwei Autos waren auf nebeneinander liegenden Abbiegespuren links abgebogen. Ein Auto hatte dabei das andere gestreift. Einem Sachverständigem zufolge ließ sich nicht klar feststellen, welches Fahrzeug die Kollision verursacht hatte. Es gab keine Zeugen.

Das zuerst mit dem Fall befasste Gericht gab dem Kläger eine Mitschuld von 50 Prozent – schon wegen der sogenannten "Betriebsgefahr" seines Autos, die unabhängig vom Verschulden immer vorhanden ist. Die Verwendung seiner Dashcam-Aufzeichnungen als Beweismittel verweigerte es.

Der Bundesgerichtshof sah dies anders. Die Bundesrichter wiesen zwar zunächst noch einmal darauf hin, dass anlasslos gemachte Dashcam-Aufnahmen immer noch nach dem Bundesdatenschutzgesetz unzulässig seien. Aber: Die vorgelegte Aufzeichnung sei trotzdem als Beweismittel im Haftpflichtprozess verwertbar. Beides müsse sich nicht widersprechen. Schließlich sei für die Verwertbarkeit im zivilrechtlichen Haftpflichtverfahren eine eigenständige Interessenabwägung zwischen den Interessen der beiden Beteiligten durchzuführen.

Hier überwiege das Interesse des Klägers "an der Durchsetzung seiner zivilrechtlichen Ansprüche, seinem im Grundgesetz verankerten Anspruch auf rechtliches Gehör in Verbindung mit dem Interesse an einer funktionierenden Zivilrechtspflege". Das Interesse des Unfallgegners an seinem Persönlichkeitsrecht und seinem Recht am eigenen Bild müsse dahinter zurücktreten.

Ist das zufällige Filmen von Unbeteiligten mit einer Dashcam zulässig?


Zwar würden mit der Dashcam auch Unbeteiligte gefilmt. Deren Rechte seien aber durch das Datenschutzrecht zu wahren. Für die Abwägung im Zivilprozess hinsichtlich der Verwendung der Aufnahmen als Beweismittel spiele dies keine Rolle. Verstöße gegen das Datenschutzgesetz könnten mit hohen Geldbußen geahndet werden. Vorsätzliche Datenschutzverstöße gegen Bezahlung oder in Bereicherungs- oder Schädigungsabsicht seien sogar mit Freiheitsstrafe bedroht. Das Datenschutzrecht bezwecke jedoch kein Beweisverwertungsverbot für unzulässige Aufnahmen. Das Ergebnis: Die Dashcam-Aufnahmen vom Unfall konnten hier als Beweis verwendet werden (Urteil vom 15. Mai 2018, Az. VI ZR 233/17).

Was bedeutet die DSGVO für die Nutzung von Dashcams?


Nun könnte man ja auf die Idee kommen, dass eine Dashcam im Auto sich in jedem Fall rechnet. Denn: Auch wenn die Polizei die Aufnahmen nach der Unfallaufnahme an die Datenschutzbehörde weitergibt, ist deren Bußgeld für den Datenschutzverstoß wahrscheinlich deutlich geringer als jede Unfallreparatur eines noch so winzigen Blechschadens. Aber:

Seit 25. Mai 2018 sind in Deutschland die Regelungen der EU-Datenschutzgrundverordnung (DSGVO) zu beachten. Gleichzeitig ist auch ein neues, daran angepasstes Datenschutzgesetz in Kraft getreten. Diese Regelungen gelten nicht nur für Unternehmen, sondern für jeden, der personenbezogene Daten anderer Leute verarbeitet. Auch das Speichern gilt als Verarbeitung. Dazu gibt es Gerichtsentscheidungen (siehe oben, VG Ansbach), nach denen man mit Dashcam-Aufnahmen des öffentlichen Raumes zwecks Weiterleitung an Polizei und Gericht den "persönlichen oder familiären Bereich" verlässt. Damit ist die einzige echte Ausnahme blockiert, die die DSGVO für Privatleute vorsieht.

Auch nach der aktuellen Rechtslage und der DSGVO stellt das anlasslose Filmen von Personen auf offener Straße grundsätzlich einen Datenschutzverstoß dar. Dieser kann mit einem Bußgeld geahndet werden. Neu ist seit 2018, dass Geldbußen für Datenschutzverstöße künftig "in jedem Einzelfall wirksam, verhältnismäßig und abschreckend" sein müssen.

Das höchstmögliche Bußgeld liegt nun nicht mehr bei 300.000 Euro, sondern bei 20 Millionen Euro (Art. 83 Abs. 5 DSGVO). Natürlich orientieren sich die Datenschutzbehörden immer am konkreten Einzelfall und passen das Bußgeld auch dem Einkommen des Betreffenden an. Datenschutzbehörden verhängen jedoch auch gegen Privatleute erhebliche Bußgelder.

Praxistipp zu Dashcam-Aufnahmen aus dem Auto


Der Bundesgerichtshof hat klargestellt, dass Dashcam-Aufnahmen als Beweismittel bei Unfall-Prozessen verwendet werden dürfen. Andererseits hat sich an ihrer Unzulässigkeit nach dem Datenschutzgesetz nichts geändert. Der mögliche Bußgeldrahmen wurde durch die Datenschutzgrundverordnung drastisch erhöht. Das Filmen mit Dashcams kann nicht nur nach einem Unfall den Datenschutzbehörden bekannt werden, sondern auch bei Polizeikontrollen oder schlicht durch eine Anzeige von Passanten oder des Unfallgegners. Daher ist von der Nutzung eher abzuraten. Möchten Sie gegen den Bußgeldbescheid einer Behörde vorgehen? Dann empfiehlt sich eine Beratung durch einen Rechtsanwalt für Verwaltungsrecht.

(Ma)


 Ulf Matzen
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