Droht Führerscheinentzug wegen ärztlich verordnetem Cannabis?

24.04.2023, Redaktion Anwalt-Suchservice
Cannabis,medizinisch,Rezept,Arzt Ärztlich verordnetes Cannabis: Darf man damit Auto fahren? © - freepik

Ärzte verordnen immer häufiger Cannabis - zum Beispiel für Schmerzpatienten. Dürfen Menschen, die auf ärztliche Verordnung Cannabis oder Marihuana zu sich nehmen, ein Auto fahren?

Kauf und Besitz von Cannabis und Marihuana sind in Deutschland (noch) verboten. Eine streng reglementierte Legalisierung ist jedoch in Planung. Diese wird nichts daran ändern, dass man unter Einfluss berauschender Mittel nicht Auto fahren und natürlich auch kein anderes Kraftfahrzeug im Straßenverkehr steuern darf. Wenn man auf ärztliche Verordnung hin Cannabis oder cannabishaltige Medikamente zu sich nimmt, ist deren Erwerb und Besitz nicht mehr strafbar. Aber: Darf man unter ihrem Einfluss ein Kraftfahrzeug im Straßenverkehr bewegen?

Cannabis im Straßenverkehr: Was sind die Folgen?


Wer ohne ärztliche Verordnung unter Einfluss von Cannabis Auto fährt, begeht eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a Abs. 2 Straßenverkehrsgesetz (StVG). Diese führt zu einem Bußgeld von bis zu 3.000 Euro und in der Regel auch zu einem befristeten Fahrverbot von ein bis drei Monaten.

Wer durch berauschende Mittel (oder Alkohol) nicht mehr in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, und dadurch Menschen oder Sachen von bedeutendem Wert in Gefahr bringt, begeht eine Straßenverkehrsgefährdung. Dabei handelt es sich um eine Straftat. Diese kann nach § 315c StGB mit einer Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder einer Geldstrafe geahndet werden.

Ein Jahr Freiheitsstrafe oder eine Geldstrafe drohen bei einer "Trunkenheit im Verkehr." Auch dies ist eine Straftat, und sie begeht, wer ein Fahrzeug (irgendein Fahrzeug, auch eines ohne Motor!) führt, obwohl er dies infolge von Konsum berauschender Mittel nicht mehr sicher beherrscht.

Unabhängig von einem Strafverfahren oder einem Bußgeldverfahren wegen einer Ordnungswidrigkeit wird die Führerscheinbehörde in vielen Fällen eine mangelnde Fahreignung vermuten und eine Medizinisch-Psychologische Untersuchung (MPU) anordnen. Diese kann dazu führen, dass die Fahrerlaubnis auf Dauer entzogen und eine Sperrfrist für die Wiedererteilung des Führerscheins verhängt wird. Dafür ist nicht einmal nötig, dass man unter Drogeneinfluss fährt, unter Umständen reicht ein der Behörde bekanntgewordener Drogenkonsum aus.

Welche Unterschiede gibt es zwischen Rausch und ärztlicher Verordnung?


Patienten, die auf ärztliche Verordnung hin Cannabis einnehmen, tun dies nicht, um sich zum Vergnügen zu berauschen. Der medizinische Nutzen ist längst erwiesen, und cannabishaltige Medikamente werden für immer mehr Erkrankungen verordnet, insbesondere bei chronischen Schmerzpatienten. Je nach Erkrankung kann es sogar sein, dass durch das Medikament die Fahreignung des Patienten überhaupt erst hergestellt wird.

Dementsprechend wurde § 24a Abs. 2 StVG auch um einen zusätzlichen Satz ergänzt. Danach ist das Führen eines Kraftfahrzeugs unter Einwirkung von Cannabis keine Ordnungswidrigkeit, wenn es sich um ein Arzneimittel handelt, das für einen konkreten Krankheitsfall ärztlich verordnet und bestimmungsgemäß eingenommen wurde.

Bei dem Medikament kann es sich zum Beispiel um ein Cannabis-Fertigarzneimittel handeln, etwa Sativex, Nabilon, Dronabinol, oder auch um entsprechend zugelassene Medizinal-Cannabisblüten.

Welche Rolle spielt der Patientenpass?


Patienten, die mit Cannabis therapiert werden, erhalten in der Regel vom Arzt einen Patientenpass, der ihnen bescheinigt, dass sie es auf ärztliche Verordnung hin einnehmen. Meist geht daraus hervor, dass das Cannabis- bzw. THC-haltige Medikament bestimmungsgemäß für einen bestimmten Krankheitsfall verschrieben wurde. Auch ein Datum, ab dem die Eingewöhnungszeit abgeschlossen ist, sollte nicht fehlen. Bei Vorliegen eines solchen Dokuments ist eine Ordnungswidrigkeit nach § 24a StVG ausgeschlossen - zumindest, solange das Medikament auch entsprechend der Verordnung genommen und zum Beispiel nicht überdosiert wird. Eine Ordnungswidrigkeit kann nur vorliegen, wenn tatsächlich Ausfallerscheinungen beim Fahrer nachgewiesen werden.

Droht trotzdem eine Strafbarkeit wegen Straßenverkehrsgefährdung oder Trunkenheit im Verkehr?


Bei diesen beiden oben beschriebenen Straftaten geht es nicht um den Konsum berauschender Mittel an sich, sondern um die damit verbundenen Ausfallerscheinungen und ihre Folgen.

Wer sein Fahrzeug infolge der Einnahme eines cannabishaltigen Medikaments nicht mehr sicher führen kann und dadurch Menschenleben oder bedeutende Sachwerte gefährdet, macht sich trotz ärztlichem Rezept wegen einer Straßenverkehrsgefährdung strafbar. Auch ohne eine solche Gefährdung kann eine strafbare Trunkenheit im Verkehr vorliegen, wenn der Fahrer oder die Fahrerin Ausfallerscheinungen zeigt und zum Beispiel in Schlangenlinien herumkurvt.

Darf die Führerscheinstelle die Fahreignung überprüfen?


Natürlich kann nun auch die Fahrerlaubnisbehörde auf die Idee kommen, von dem Betroffenen die Ableistung einer MPU zu verlangen. Hier müssen bei einem Patienten mit ärztlicher Cannabisverordnung aber andere Kriterien zugrunde gelegt werden, als bei einem sonstigen Drogenkonsumenten.

In der Fahrerlaubnisverordnung ist die Einnahme von Medikamenten besonders berücksichtigt (Anlage 4, Nr. 9.4, Nr. 9.6.2). Genau darum geht es hier. Nicht mehr zum Fahren geeignet ist man demnach bei

- missbräuchlicher Einnahme (regelmäßig übermäßigem Gebrauch) von psychoaktiv wirkenden Arzneimitteln und anderen psychoaktiv wirkenden Stoffen,
- Beeinträchtigung der Leistungsfähigkeit zum Führen von Kraftfahrzeugen unter das erforderliche Maß.

Das bedeutet: Die Führerscheinstelle darf auch von Cannabis-Patienten eine ärztliche Untersuchung bzw. eine MPU verlangen. Diese müssen dann zunächst nachweisen, dass eine Erkrankung vorliegt, die diese Behandlung erfordert. Problematisch kann dabei sein, dass Cannabis oft als "letztes Mittel" angesehen wird. Wenn also eine Behandlung mit anderen Medikamenten genauso möglich wäre, kann die Behörde die Cannabis-Behandlung als überflüssig ansehen. In diesem Punkt sind behandelnde Ärzte und die Behörde bzw. ihre Gutachter oft unterschiedlicher Meinung.

Zusätzlich muss der oder die Betroffene glaubhaft machen, sein Cannabis-Medikament streng entsprechend der ärztlichen Verordnung eingenommen zu haben. Überdosierungen sind dabei genauso zu vermeiden wie eine Kombination mit nicht verschriebenem Cannabis, mit anderen psychoaktiven Medikamenten oder mit Alkohol. Ein Mischkonsum mit Alkohol wird besonders kritisch gesehen, da dann eine stärkere berauschende Wirkung angenommen wird.

Unter Umständen kann auch die Leistungsfähigkeit unter Medikamenteneinfluss, zum Beispiel im Hinblick auf Reflexe und Reaktionsgeschwindigkeit, medizinisch überprüft werden.

Urteil: Rettet nachträgliches Rezept den Führerschein?


Das Verwaltungsgericht Düsseldorf erklärte 2018 die Entscheidung einer Führerscheinbehörde für rechtmäßig, einem an multipler Sklerose erkrankten Mann seine Fahrerlaubnis zu entziehen. Bei der Wirkung auf die Fahrtauglichkeit komme es nicht darauf an, ob vor der Fahrt Cannabisblüten aus der Apotheke oder aus dem Coffeeshop geraucht worden seien (Az. 14 L 2650/18). Das Oberverwaltungsgericht Nordrhein-Westfalen bestätigte die Entscheidung im Ergebnis, wies jedoch darauf hin, dass bei medizinischer Einnahme von Cannabis andere Kriterien anzuwenden seien. Hier sei genau auf den Einzelfall abzustellen. Allerdings erübrigte sich dies hier, da der Betroffene bei der Verkehrskontrolle noch nicht über ein Rezept verfügt und den regelmäßigen Konsum von nicht verschriebenem Cannabis zugegeben hatte. Ein Rezept "nachzuschieben" stößt also auf wenig Gegenliebe bei Gericht (Urteil vom 5.7.2019, Az. 16 B 1544/18).

Praxistipp zum Thema medizinisches Cannabis und Führerschein


Grundsätzlich schließt die Einnahme von ärztlich verschriebenen Cannabis-Medikamenten die Teilnahme am Straßenverkehr nicht aus. Es ist jedoch möglich, dass die Führerscheinbehörde die Fahreignung anzweifelt. Dies setzt keinen Unfall und keine Auffälligkeiten voraus, muss aber nach besonderen Kriterien beurteilt werden, um vor Gericht Bestand zu haben. Ein Rechtsanwalt für Verkehrsrecht kann Sie zu Ihrem individuellen Fall beraten und die richtigen Argumente finden.

(Bu)


 Stephan Buch
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