Gefälligkeit mit fremdem Auto: Wer haftet?

19.03.2025, Redaktion Anwalt-Suchservice
Gefälligkeit,geliehenes Auto,Unfall,Gefallen,Haftung Auch bei einer schnellen Besorgung mit einem fremden Auto kann es zu einem Unfall kommen. © Ma - Anwalt-Suchservice

Viele Autofahrer stellen ihr Fahrzeug gerne mal jemand anderem zur Verfügung, der schnell etwas erledigen möchte. Aber: Wie sieht es mit der Haftung aus, wenn der andere einen Unfall verursacht?

Es kann viele Gründe geben, jemandem das eigene Auto zu überlassen. Vielleicht wird bei einer feucht-fröhlichen Runde der nüchterne Kumpel losgeschickt, um mal eben für alle eine Kiste Bier und Grillkohle zu holen. Oder man holt schnell mit dem Kombi des Nachbarn die neuen Möbel ab oder leiht sich das Auto der Nachbarin, um schnell sein Kind von der Schule abzuholen, weil das eigene Fahrzeug nicht anspringt. Allerdings kann auch auf einer solchen Fahrt ein Unfall passieren – womöglich gerade auf einer solchen Fahrt, weil man in Eile oder unter Stress ist und das fremde Auto nicht kennt. Schnell entsteht dann Streit um die Haftung für den Unfallschaden. Den immer wieder von Automobilclubs erteilten Rat, vorher alles ausführlich schriftlich zu vereinbaren, wird in der Wirklichkeit wohl niemand befolgen. Es bleibt die Frage: Wer haftet, wenn es scheppert?

Welche Versicherung zahlt für einen Unfall bei einer Gefälligkeitsfahrt?


Wird bei einem Unfall ein fremder PKW beschädigt, bezahlt die Kfz-Haftpflichtversicherung des ausgeliehenen Autos den Fremdschaden. Die Versicherung darf jedoch nicht auf einen bestimmten Fahrer beschränkt sein, was bei vielen günstigen Tarifen der Fall ist. Den Schaden am ausgeliehenen Auto selbst zahlt allenfalls eine Vollkaskoversicherung. Der Fahrzeughalter muss damit rechnen, dass seine Versicherungsbeiträge hochgestuft werden. Wer trägt nun diese Schäden?

Hafte ich für einen Unfall, wenn ich mir privat ein Auto leihe?


Grundsätzlich hängt die Haftungsfrage davon ab, warum man mit einem fremden Auto unterwegs ist. Leiht man sich privat ein Fahrzeug, um seine eigenen Interessen zu verfolgen – zum Beispiel, um seine neuen Möbel vom Einrichtungshaus abzuholen – ist die Frage nach der Haftung klar zu beantworten: Man haftet selbst, wenn man einen Unfall verursacht oder etwa beim Einparken das geliehene Auto beschädigt. Man muss den Schaden also dem Fahrzeughalter ersetzen.

Wie funktioniert die Haftung bei Gefälligkeiten mit einem fremden PKW?


Ist man jedoch mit einem fremden Auto unterwegs, um dem Fahrzeughalter eine Gefälligkeit zu erweisen, ist die Situation komplizierter. Beispiel: Die Nachbarin ist krank und bittet Sie, deren Kind von der Schule abzuholen. In diesem Fall sind Sie als Fahrer oder Fahrerin im Interesse des Fahrzeughalters unterwegs. Die Gerichte sprechen hier von einer Gefälligkeitshaftung. Für diese gelten zwar keine besonderen Gesetze und es haftet immer noch derjenige, der den Unfall verursacht. Aber:

Bei Gefälligkeiten konstruieren die Gerichte in manchen Fällen gerne einen "stillschweigenden Haftungsausschluss" herbei. Diese Idee entstand aufgrund der Befürchtung, dass kein Mensch mehr einem anderen einfach mal im Alltag bei etwas helfen würde, wenn er sich dabei sofort einer Haftung aussetzt. Wenn ein solcher Haftungsausschluss greift, ist zumindest die Haftung für leichte Fahrlässigkeit ausgeschlossen. Verhalten Sie sich grob fahrlässig (Rotlichtverstoß, Fahren unter Alkoholeinfluss) haften Sie immer noch.

Wann besteht ein stillschweigender Haftungsausschluss?


Nicht bei jeder Gefälligkeit gehen die Gerichte von einem stillschweigenden Haftungsausschluss aus. Entscheidend ist auch nicht, wie nah sich die Beteiligten stehen. Stattdessen muss eine Situation vorliegen, in der ein besonders hohes Haftungsrisiko besteht. Das Risiko für einen Unfall oder Schaden muss also so hoch sein, dass sich beide auf einen Haftungsausschluss geeinigt hätten, wenn sie denn daran gedacht hätten.

Derjenige, der dem anderen eine Gefälligkeit erweist, muss dabei ein so hohes Risiko eingehen, dass er bei näherem Nachdenken auf einem Haftungsausschluss bestanden hätte. Der andere muss sich in einer Situation befunden haben, in der man dies schon aus Fairness ("billigerweise") nicht abgelehnt hätte. So eine Situation liegt jedoch nicht so ohne Weiteres vor, wenn man schnell mal Getränke für die Grillparty holen fährt.

Wie sieht eine solche besondere Situation aus?


Eine solche Ausnahmesituation, in der man von einem stillschweigenden Haftungsausschluss ausgeht, kann zum Beispiel vorliegen, wenn ein unerfahrener Fahranfänger mit einem fremden Auto zu einer Besorgung losgeschickt wird, das er nicht kennt. Oder, wenn es sich um einen ungewöhnlichen Fahrzeugtyp handelt, mit dem sich der Gefälligkeitsfahrer nicht auskennt (LKW, Oldtimer mit Lenkradschaltung). Oder wenn die Fahrt bei extremem Glatteis und Schneesturm stattfinden soll.

Zusätzlich kommt es auch auf den vorhandenen Versicherungsschutz an. Bei Gefälligkeiten gilt grundsätzlich: Ist der freundliche Helfer durch eine Versicherung geschützt – in der Regel durch eine Privathaftpflichtversicherung – wird ihm kein stillschweigender Haftungsausschluss zugestanden. Dann nimmt man nämlich an, dass er wohl eher nicht – hypothetisch – auf einem Haftungsverzicht bestanden haben würde. Und auch der andere hätte sich auf einen Haftungsausschluss kaum eingelassen, nur, um eine Versicherung zu entlasten. Zumindest hat so der Bundesgerichtshof im Fall eines geliehenen Pferdes argumentiert (Az. VI ZR 49/91). In diesem Fall war der Schaden durch eine Tierhalterhaftpflichtversicherung abgedeckt.

Zahlt meine Privathaftpflicht beim Unfall mit einem geliehenen Auto?


Wichtig dabei ist jedoch: In aller Regel übernimmt eine Privathaftpflichtversicherung weder Unfallschäden an Autos, noch generell Schäden an geliehenen oder gemieteten Dingen aller Art. Daher ist ein Gefälligkeitsfahrer meist nicht versichert. Ein stillschweigender Haftungsausschluss kommt also durchaus in vielen Fällen in Betracht.

Urteil: Werkstattfahrt für einen Freund – Unfall mit Totalschaden


Ein Gefallen für einen Freund brachte einen Mann vor Gericht: Er hatte dessen Auto vor dem geplanten Verkauf zur Durchsicht in die Werkstatt gebracht. Auf dem Rückweg kam er bei regennasser Fahrbahn von der Straße ab. Der PKW war anschließend ein Totalschaden. Dazu hatten die völlig abgefahrenen Reifen wohl einiges beigetragen. Eine Vollkaskoversicherung bestand nicht. Hier nahm das OLG Frankfurt a. M. einen stillschweigenden Haftungsausschluss zu Gunsten des Fahrers an. Der Mann musste also für seine Gefälligkeit nicht haften (Az. 17 U 103/96).

Praxistipp zum Unfall bei einer Gefälligkeitsfahrt


Auch bei Gefälligkeiten unter Freunden und Nachbarn kann es zu Schäden und Streitigkeiten kommen. Haben Sie gerade eine solche Situation erlebt? Dann kann Ihnen ein auf das Zivilrecht spezialisierter Rechtsanwalt die Rechtslage erläutern und Sie zum richtigen Vorgehen beraten.

(Bu)


 Stephan Buch
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